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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (May 3, 1901)
Sonntags - Wldrttj Beilage des ,,Ncbras3ka Staats-Auzeiger nnd Herold«. sP Windolph, Herausgeber — Gut-Heim Nehk des-; Mqi1901 Jahrgang 21. No. 35. Was vie Geige erzählt. Musikalische Märchen-Novelle von Pros. « Herrn-Inn Ritter. Das Coneert war zu Ende. Es war schon Nacht geworden. Die Musiker gingen nach Hause, und der Orchester diener trug die Instrumente in einen dunklen Raum, der das Stimmzim mer genannt wurde. Da lagen nun die redseiigen und lustigen Dinger wohl zur Ruhe gebracht, aber ohne auszuruhen; es war nämlich ein gro ßer Zwist ausgebrochen. Man wollte der Geige ihre Stellung als Königin des Orchesters streitig machen. Dac war ein Lärmen und Toben. »Jch,« schrie eine Trompete vorlaut »begleite Könige in die Schlacht, mir gebührt vor der Geige der Vorrang!« Da briillten Tuba und Posaune: »Was willst du, kleines Ding, dich. hervorthunt Wenn wir zu ertönen beginnen, mußt du erzittern, und man hört dich nicht mehr. Habt ihr alle vergessen, daß wir es waren, welche die Mauern von Jericho umgeblasen ha ben? Wißt ihr etwa nicht, daß wir es sind, die vom lieben Herrgott auser sehen sind, am Tage des jüngsten Ge richts die Todten zu erwecken?« »Da müssen wi: aber auch noch dabei sein,« lärnrten die große und die kleine Trommel, Cinellen und Triangel. »So hoch steigt doch keiner von euch die Tonleiter hinauf,« schrie die Pic eoloslöte, »ich bin die oberste von euch » allen." »Oho!« brummte der Contra- ; baß, »ich bin euer aller Stütze; ich bin j die Grundlage, und mir gebührt diej erste Stellung unter euch.« »Schweig du alter Brummbär," riefen alle Jn- ; strumente im Chor. »Du alter mum- : peltasten,'« quälte eine gelhe Oboe den ! dicken Contrabaß an. »Kann ein Kleiderschrant auch singen?« spottete eine andere Oboe, »Laßt doch ab vom Streitf« stöhnte ein Fagott im engbrii ftigen Ton. »Seid doch friedlich un tereinander,« flüsterte mit elegischem Ausdruck eine Flöte. Beide Vermah nungen verhallten aber im Lärm und Getöse der aufgeregten Geister. »Ich zeige euch morgen alle beim Capellmeister an,« schwagte in schril len Tönen eine vorwisige Klarinette; »der wird euch sagen, wer und was ihr seid,« fügte sie hinzu. Eine alte Brat fche wollte auch noch reden, aber ihre Töne erstickten im Tumult, denn sie war alters- und hrustschwach gewor den. »Lasset sie gehen, die alte Brat sche,« sagte mit tlarer Stimme eine schlanke Viola alta, ,,sie war doch stets bescheiden und schüchtern." »Das war ich anch,« sagte die Deutsche « »Wäre ich nicht von Jugend an brust- ( trank und mit einem Stockfchnupfen! behaftet gewesen, ihr hättet mich hören ! sollen.« —- ,.Mag sie schlafen gehens und ausruhem ich will fiir sie eintre- i trn," sagte zu den anderen Instrumen ten die Viola alta. »Nun sieh einer mal dies eitle Ding an,« sagte das Violincello. ,,Stolz ist sie," schrieen alle Instrumente. »Werft sie hinaus,·· schrieen einige dazwischen. »Laßt mich in Rnh’, ich habe mindestens ebensoviel Recht zu existiren, als ihr, wenn ich auch noch jung bin,« sagte die Viola alta. »Wollt ihr ein Räthsel lösen?« — »Ja, gieb uns ein Räthsel auf,« sagte ein bucklige-z Bassethorn, welches in einer Ecke kauerte. »So hört zu,« begann die Viola alta: »Dei! strahlt und hehr der Muse Haupt Fröhlich blickt iie und freundlich lächelnd Auf der Kinder lärmenden Chor. Denn alle jauchzen nnd jubeln laut Mit der Jedem vergeht-ten lustigen stimme Nur eine von Alten, pescyeiden nnd » » scheut-kern -it)ent ne des Tage-s leuchtendes Vielt. Nicht gönnen ihr die begiinitigten S noc stern Tie eigene Meinung vor den andern zn äußern. Nur selten want sie ein seldig Wort. Jui saiirnienden Schatten der sitjanrigen Nacht Ertlingt in Schwermnth ihr klagender Ton. Eit- rangt ihre spröde ertiinende Sprache Tunlle Märchen nur dninvf zu melden; Jst-endlos sriitet iie, wenig beachten Jn Trnviinn rriiitiiieiid, ihr traurig Ta sein« Jn das iie gefesselt ein traurig Geschick Ta rentn itsc ein Ritter die rettende . and; Ter Erlurencn wählt er ein fdstlich Ge wand. Und allen den andern nur edendiirtig Sanvingt zu den Schwestern iie sich auf Jn nie geahntem Adel und Annnnh«· -- — »Wer ist «dies?« fragte die Viola atta Auss neue sing ein sürchterlicher Streit an, der in einen tobenden Lärm ausartetr. Mit gellender Stimme schmetterte ein Cornet a piston dazwi schen und sagte: »Ich hab's: Es ist die Bratsche und die neue Viola alta. Und als edenein altes Klavier sich in den Streit mischen wollte und schon angefangen hatte, aus alle tüchtig ein zuhacten, drang durch die Thür- und Fensterspalte ein Windstoß, der immer stärker wurde und draußen zum mäch tigen Orkan anwuchs. Ein schrilles Pseisen tönte durch die Lüste. Da — plöhlich —-- erhob sich der Sturm mit rasendem Gebrüll; der Donner rollte ununterbrochen, Bli e zuckten und er leuchteten unheimli den Raum, in welchem es aus einmal stille geworden Ivar. Kleinlaut waren die Streiten den geworden, nur ein Waldhorn sagte schüchtern mit leisem Ton: »Den-i Ach tung, das ist Gottesstimme, das ist sein Odem, der durch die Natur weht —- gegen den sind wir alle Stümper.« Diese Worte und die gemeinsame Furcht vor dem Gewitter hatten alle Streitenden wieder ruhig und fried lich gestimmt, gerne wollten sie die Geige als Königin des Orchesters an erkennen, auch die Viola alta gelten lassen, wenn das Gewitter ihnen nur keinen Schaden bringen würde. Als das Unwetter geendigt und der Wind nur noch leise in den Saiten ei ner alten Harfe nachklingend heulte, bat man die Geige, welche in vorneh mer Zurückgezogenheit verblieben war und nicht am Streit theilgenommen hatte, über ihre Hertunft zu berichten« gleichsam ihre Lebensgeschichte zu er zählen. Die Geige sprach mit schöner Stimme: ,,Obgleich ich eine Tochter der Alpen bin, so stammen meine Vor eltern aus Asien. Ostindien nennt man meine Urheimaih, denn hier lam das Geschlecht der Geigen zur Welt. Meine Vorfahren wanderten aus dem Morgenlande in das Abendland ein, zur Zeit Karls des Großen. Ueber das schöne Spanien, wohin unser Ge schlecht durch die Araber gebracht wur de, kamen wir nach Frankreich, Ita lien, Deutschland und wurden dann über die ganze Welt verbreitet. Wie ihr alle wißt, gelangten wir mit der Zeit zu großem Ansehen bei den Men schen, um das man uns beneidet. lHoch oben im Gebirg stand ich — am Südabhange der Alpen — und schaute in das sonnige Italien hinab. Jch wuchs zugleich mit einem Ahorn baume auf, der sich in meiner unmit telbaren Nähe befand. Wir lichten uns unaussprechlich; an allem was sich ereignete, nahmen wir den gleichenAn theil und unser sehnlichster Wunsch war, nach diesem Waldleben mit ein ander vereint zu werden; denn wir glaubten auch an eine Auferstehung wie die Menschen. Unser Leben floß in Abwechslung von Freude und Schmerz, von Jubel und Trauer dahin. Schon in frühe ster Jugend mußten wir unsere Eltern von Menschenhand fallen sehen, unsere Brüder wurden vom Sturm.entwur zelt und starben bald daraus. Ja, es war uns manchmal recht traurig zu Sinn. Aber es kamen auch lustige Tage. Wenn aus den Alpen Gesang und Tanz ertönte, dann waren auch wir fröhlich. Schrecklich aber war es, wenn der wilde Jäger, den einige mei ner Nachbarn auch Wotan nannten, mit seinen Schaaren über unsere Häupter hinwegraste. Wie ost hörten wir im Mondschein die Elsen singen und ein junges Mädchn bethören· Wie ost sah ich die slüchtige Gemse vom Schuß des Jägers stürzend. O, unser Leben war reich an schönen und löst lichen Erfahrungen Nachdem wir in solcher Weise einige hundert Jahre aus sonniger Haide in lustiger Höhe ge lebt haten, tam ein Mensch — er hieß Gasbard und war aus Salo am schö nen Gardasee, zu dem ich das ganze Leben hinuntergebliclt hatte. Er schien uns Bäume genau zu kennen Nach kurzer Prüfung betlopfte er mich mit seinem Beil und sprach mein To des-urtheil. Es zuckte mir bei den Worten des tundigen, aber unbarm herzigen Mannes durch alle Glieder. Noch einmal rauschte ich dem Ahorn baum ein liebend Weh zu und betete inbrünstig zum großen Waldgotte. Wenn es doch einmal geschieden sein soll von waldiger Höhe, betete ich· dann laß mich, Allmächtiger, mit dem Freunde vereint sterben »s- aber auch zugleich mit ihm vereint auserstehen. Mein Gebet wurde erhört. Ahorn und Tanne sielen beide zugleich. Wir fuhren sausend in’s Thal hinab, wo uns die Säge zrschnitt. Ein Abschieds lied sang uns der Mühlenbach, den wir als unsern besten Freund oben an seinem Ursprung als wilden Burschen tannten. Unsere Seelen kamen in die Stadt zu jenem Menschen, der uns hatte sterben lassen, aber auch zu neuem Leben aus-erkoren hatte. Ost mußten wir die Worte hören: »Ihr sollt ein Herz und eine Seele werden« s— Das sind wir nun auch geworden. Jetzt begann unser zweites Leben, welches unter Menschen stattfand· Jm großen und ganzen war dasselbe nüch tern und häßlich. Wir wechselten sehr häufig unseren Herrn. Bald waren wir im einsachen Psarrhause, dann in den vornehmen Räumen stolzer Bür ger, in den Pruntsälen derFiirsten, ja sehr oft hingen wir beim Trödler in recht gewöhnlicher Gesellschaft an der Wand. —- Ueber dieses Leben laßt mich schweigen. —- Jn mir, sagte die Geige weiter, lebt noch die Erinne rung an das Leben, was ich als Tanne führte, fort; sie ist auch, wie ihr wohl bemerkt habt, der redende und singende Theil geblieben. Der Ahorn ist mein Echo; mit allem, was ich sage, ist er wohl zufrieden und tönt es als mein zweites Jch wieder zurück. Was ich euch soeben in fchlichten Worten er zählte, will ich euch zu fernerem Ge dächtniß im Liede vorsingen.« Die Geige erhob sich in Begeifterung und es eriönten folgende Worte durch den schon im Dämmerlicht des Tages er hellten Raum: Hoch im Gebirg stand ich, hörte das Rau schen des »Sie-rares, Und im wildeiten Sturm glitt die La tvine vorbei. Donner fangen mich ein; im Mondschein fangen die Elfen, Bis mich frühe der Aar weckte mit heise rem Sel rei Stiirzte die em . vom Schuß, liebte mir bang das e weig’. Endlich spähte der eifter mich aus. Vom Beile getroffen, . Fuhr ieh sausend zu Thal, tvo mich die Säge zerfchnitt. Vrettehen auf Brette-here verband des Knu digen Finger zur Geige-; . Wundern durft Ihr Euch nicht, daß fie so zauberifch tönt. Jauchzend im tödtliehen Schmerz nnd weinend in zuckender Wonne-, · Was die Tanne erlebt tönt iie hinaus m die Welt· Jm ZIvicuche Von Hans Rausch. Der Tag ging zu Ende· Mutter schimmerte das Licht durch die Fen fterscheiben, daß die tantigen Linien der Möbel allmälig verschwammen, als verhülle sie eine unsichtbar-e Hand mit dichten, grauen Schleiern. Die Flammen im Ofen waren längst zu fammengefunlen, kaum daß es noch hie und da röthlich aus der Asche fun kelte, und die Lichter zu entzünden hatte man auch unterlassen, denn es war gemiithlicher so im Dämmerlicht Jn dem Gemache befanden sich zwei Frauen, die eine stand an den Ofen ge lehnt, die andere saß unweit von ihr in einem Fauteuil und hatte das Haupt wie ermüdet zurückgebogen »Was sinnst Du?« fragte Erstere und dabei fuchte sie taftend nach einem wärmenden Plätzchen, sich daran zu lehnen. Das faft linderhaft weiche Ge sichtchen, in dem jeder Zug das Ver langen nach vollstem Wohlfein aug fprach, sah dann völlig befriedigt drein, da sich die kleine, zarte Gestalt so ungezwungen und elastifch wie ein Kätzchen an die glänzenden Kacheln schmiegte. »Was sinnst Du?« fragte sie aber mals und versuchte durch das immer zunehmende Dunkel in das Antlitz der Freundin zu spähen. Diese seufzte leise. »Ich dachte über den Begriff »Glücl« nach. . . wir spra chen ja soeben darüber,« fügte sie wie entfchuldigend hinzu. »Das lasse lieber fein,« klang es vom Ofen herüber. »Man kommt nicht weit mit solchem Grübeln, glaube mir.« »Ich weiß es ohnehin!« —- Und nach einer Weile begann sie abermals: ,,Glücl! Was ist s denn eigentlich? Wer mir daH sagen iönnte!« s ,,Soll ich den ,,Mayer« holen?« fragte mit verstecktem Lachen die Freundin. Die Andere aber machte eine heftige Bewegung »Lass’ doch die Spaße, mir ist gar nicht darnach zu Muthe. Jch dachte eben, eH käme doch Alles aus Bestimmung an -——- der Eine soll glücklich sein, der andere eben nicht. Menschenwille ist da krtachtlos.« »Hm, das möchte ich gerade nicht be haupten,« entaegnete die kleine Frau imOseneclchen, nnd sie lächelte fein, fast geheimnißvoll daß sich die Kindernle siognomie blitzschnell verwandelte, und abermals erinnerte sie an ein kleines, kluge-Z Flätzchem »Du nicht, nein, Du nicht!« rief das Mädchen lebhaft und es klang fast wie Neid in der Stimme mit. »Du gehorst eben zu den Glückslinderm denen Alles na Wunsch Gebt, die nur die Hand auszustrecken rauchen, damit ihnen ein guter Genius bescheert, wonach sie begehren! Die Anderen aber, o, die mögen wünschen boffen und erwerben » —-— Alles umsonst! Ein Hauch, unLdaH Etrungene zerstiebt m nichts, als wäre ; es niemals gewesen. « s Und das ältliche, doch noch immer ! schöne Mädchen senlte das Haupt, i während sie daran dachte, daß auch sie ihre Jugend verträumt hatte in un nützem, langmüthigem Warten und Hoffen auf das Glück, das da kommen sollte, mußte. .. »Ja, wenn es so wäre, aber es ist eben nicht so, « sagte die junge Frau. »Ein Jeder hat zu liiinpfen, zu ringen; ein Jeder hat Wünsche, die doch uner fiillt bleiben. Und gewöhnt man sich schließlich leidlich in die gegebenen Verhältnisse und sucht nach Kräften, das was man hat, zu genießen, dann nennt die Welt einen glücklich und am Ende glaubt man es selbst. Was ist denn »Gliick« überhaupt? Zufrieden heit — sollte ich meinen. Jst man mit dem Seinen zufrieden, das heißt, ge wöhnt man sein Herz daran, nichts mehr zu begehren, so ist man glücklich; dauernd glücklich, im Gegensatz zu je nen, die wirklich für kurze Zeit all ihre Wünsche befriedigt sehen oder mit an deren Worten: den Gegenstand ihrer Neigung, denn von solchem Glück spre chen wir doch, besitzen. Ewig währt keine glückliche Liebe. das ist eine altbekannte Sache. Sie büßt zumindest einen Theil des Feuers ein, und das dünkt uns Menschen schon ein Verlust. Man beginnt wieder zu wünschen und — das Glück ist da hin. Wunschlosigkeitiszist Glück. Aber sie entsteht nicht durch Erlangung des Ersehnten —- sondern durch Verzich ten.« — Es blieb eine geraume Weile still in dem Zimmer-, dann fragte das Mäd chen: »Und Du, bist Du glücklich?« »Ich habe es gelernt, glücklich zu sein. . . .« Die Andere rückte näher an den Ofen heran und bat: »Sag’ mir eines: Liebst Du Deinen Mann?« ,,Yraturuch, sogar sehr-« »Nun also, dann bleibe mit Deiner Philosophie daheim!« Das klang fast enttäufcht; und dann fügte sie hinzu: »Du liebst und wirst geliebt —- da kannst Du leicht zufrieden sein, und vom Entsagen reden.« »Aber Bertha, Du hast zu fragen vergessen, ob das immer so war! Soll ich Diss- erzählen, wie ich zu meinem Mann kam?« »Gott, da fragst Du noch?« »Nun gut, so höre. Es war ein Abend, just so wie heute. Draußen trübe, die Luft feucht, es konnte weder regnen noch schneien, und im Zimmer war es finsterer als sonst um dieseZeit. Abends waren wir bei meiner Taute geladen, und da die Mutter noch eini ges zu besorgen hatte, blieb ich allein zu Hause. Jch hatte das Herz voll heißer Wünsche, so iauerte ich mich in den Sofawinkel und begann zu träumen. Aber nicht etwa von meinem jetzigen Gatten, obwohl er sich schon damals eifrig um mich bewarb, sondern um einen Anderen; ich will ihn Fritz nennen. Den Fritz also hatte ich lieb, und ich wollte ihn heirathen. So träumte ich und spann die Fäden weiter, und mit einemmale war mir, als hätte es ge pocht, und als ich aussah, da stand der - Fritz im Thiirrahmen. Jch aber blieb J auf meinem Platze und ging ihm nicht » einmal entgegen, so verblüfft war ich Er iam herzu, küßte mir die Hand, und dann setzte er sich zu mir und be gann zu plaudern, so wie er immer that, über tausenderlei Dinge, unver » mittelt von einem Gedanken auf den - andern überspringend, bei nichts ver harrend. Bald war er heiter, fast iibermiithig, dann wieder ernst» und so fort, wie ihn die Laune bewog. Und ebenso unvermittelt fragte er mich, ob ich sein werden wolle files Leben. Jch war überglücklich, und als die Mutter heimlam, bestürmten wir sie, bis fie Ja und Amen sagte, und so ward ich feine Braut. Anfangs war eH auch ein strahlend-es Glück, fast überwäliigend fiir mich, aber-es hielt nicht an. So war er in der Stunde unferer Verlobung gewesen, so blieb er stets-· Jetzt heiter, gleich darauf fast schroff; wollte ich etwas Ernstes zur Sprache bringen, mußte er lachen, war ich heiter, war er ernst — und trotzdem . hatten wir uns lieb. Aber mich befiel oft ein ungeheures Bangen, und ich nahm mir vor, ernstlich einmal mit ihm zu sprechen, ob wir’s wirllich wa gen follten, uns für’g Leben zu binden. Soweit waren meine Gedanken gedie hen, als ich —-—- erwachte. Jch war nämlich über all dein Sin nen und Sehnen eingeschlafen. Ganz wirr war’s mir noch im Kopfe von dem Geträumten, aber ich begann nun doch zu überlegen. was das Klügste wäre, und ob ich den Fritz nicht lieber meiden sollte. Jch kannte ihn ja, ich wußte, ganz so wie ich ihn im Traume gesehen, war er wirklich, und ich verhehlte mir auch keineswegs, dnfz wir aus mancherlei Gründen nicht zu einander paßten. Da weckte mich plötzlich ein heftiges Klingeln ans meinem Sinnen, und diesmal war’s Wirklichkeit, denn ich befand mich in sehr schwachem Zu stande, als das Dienstmädchen eintrat und mir sagte, der Fritz sei drüben im Salon, und sie habe schon gesagt, daß das Fräulein allein daheim sei. Jch ging also hinüber. Und genau wie ich geträumt, kam Alles. Er plauderte von Diesem und Jenem, sprang von einem Ertrem in’s andere, und machte mir schließlich einen Hei rathsantrag. Jch aber stand noch un ter dem Banne meines Traumes, ich sagte einfach »Nein«, und damit war die Sache erledigt. Abends waren wir, wie schon er wähnt, bei meiner Tante, wo ich auch meinen späteren Gatten traf. Der Zu fall führte eine Ausspkache herbei, und so nahm ich ihn, obzwar ich ihn nicht liebte, sondern nur aufrichtige Freund schast siir ihn empfand. Und ich war mir dessen wohl bewußt, auch später, als die Zeit der Vermah lung herankam. Aber der erste Schritt war gethan, ich wollte auch gar nicht zurück, und ich nahm mir vor, aus je den Fall glücklich zu werden. Nun, und ich bin es geworden — ein ehrlicher Wille vermag ja so viel! Jch lernte ihn lieben, lernte beglücken und glücklich sein. Und nun sage noch ein mal, es sei etwas Bestimmung, es gäbe Menschen, die nur die Hand nach dem Glücke auszustrecken brauchen, um es zu besitzen.« »Es ist dennoch so,« sagte Bertha, »daß Du das nicht einsehn willst! Du solltest eben glücklich werden, darum hat sich Alles so gefügt, glaube mir.« Und während sie das Streichholz entzündete und an die Lampe hielt, sagte sie: »Du hast recht — es giebt zweierlei Menschen. Die Einen har ren auf ein Glück, und wissen es nicht zu fassen, wenn sich’s beut, weil es oft gar so anders aussieht, als sie ge wähntz die Anderen greifen flink zu und modeln solange an ihren Wün schen und an dem Erlangten herum, bis sie Beide nach Geschmack geschaffen. Und das sind dann die Bielbeneideten, Bevorzugten des Schicksals, und in Wahrheit die Glücklichen —--— Wunsch losen. . . ·« Da flammte das Licht aus — die Dammerstunde war vorbei. --.,. -.—..·-.--— Betrogeuc Betrüger. Der Schrecken herrschte unter den 73 Einwohnern von Belminet-le-Cha teau lDepartement Marne-et-Garon ne). Doch man beruhigte sich! Kein Streit hatte diesen Schrecken hervor gerufen, kein tollwiithiges Thier war entslohen, kein Einbruchsdiebstahl war in der Gegend zu verzeichnen. Nein, der Schrecken herrschte in Bel minet aus einer ganz besonderen Ur sache; man hatte bemerkt, daß ein fal sches Zweifrancsstiick im Umlauf war. Niemand wußte, woher es gekommen, noch wer es gebracht hatte. Mehr be durfte es nicht, um im Herzen aller dieser braven Leute ein dumpfes Miß trauen zu erwecken, und Alle bemühten sich, sich das Falschstiiet mit rührendem Eifer gegenseitig anzuschmieren. Der Letzte, der es empfing, unter ließ es aus guten Gründen sich dessen zu rühmen, und wartete aus die gün; stige Gelegenheit, sich seiner zu entle digen. Der Munizipalrath, der sich Init der Angelegenheit ebenfalls befafzt hatte, forderte die Einwohner der Gemeinde auf, es- dem ersten Handelsreisendem der erscheinen wiirde, zuzustecken. Dieser Auserkorene ließ nicht lange auf sich warten. Er stieg im Wirths haug zum »Weißen Pferd« ab, und er konnte es gar nicht besser treffen, denn der Wirth des Gasthauses war zu die ser Zeit gerade der Besitzer der falschen Münze. · Man kann sich denken, daß an die sem Abend ganz Belminet in das Gastzimmer der Herberge strömte, um sich durch den Augenschein zu überzeu gen, daß das Geldftiick auch wirklich das Eigenthum dieses Gastes wurde. Nach mehreren Billardpartien, die man mit zahlreichen Cognacs begossen, hielt es der Reifende für richtig, den Ort mit dem Zuge 12 Uhr 37 Minu ten zu verlassen, hob die Sitzung auf und holte zur Begleichung seiner Zeche, die 8 Francs 5 Centimes betrug, ein Zehnfrancsstiick hervor. Das war einVerhängniß, denn man mußte 1 Franc 95 Centimes zurück geben. »Haben Sie nicht vielleicht 5 Cen times?« fragte der schlaue Gastwirth, izdann gebe ich Ihnen 2 Franc-i wie er. »Aber gewiß . . .« Der Reifende nahm vertrauensvoll das falsche Stück und steckte es in die Tasche. Diese Thatsache entlockte der ganzen Versammlung einen Seufzer der Er leichterung, und Allen fiel ein Centner gewicht von der Brust. Inzwischen ließ sich der Reisende seinen Koffer und seine Decke bringen und verschwand, nachdem er der ju belnden Gesellschaft guten Abend ge wünscht. » »Na, den Pariser haben wir gut reingelegt, sagte der Wirth, sich die ; Hände reibend. Doch nach fünf Minuten der leh haftesten Freude verdüsterte sich sein Gesicht. Er hatte sich plöhlich erinnert, daß er eine Mahlzeit bei der Berech nung vergessen. Schnell wandte er sich an seine Frau und sagte zu ihr: ,,Lauf’ ihm schnell nach, Adele, und verlange noch einen Franc 80!« Adele läuft wie eine Wahnsinnige und faßt den Reisenden gerade in dem Augenblick ab, da er in ein Coupee steigen will. »Mein Herr, mein Herr,« sagte sie athemlos, »wir haben das Frühstück von heute Morgen vergessen.« »Ach, meine brave Frau,« ries der Fremde, »nehmen Sie es nur nicht übel, wieviel habe ich Jhnen denn zu zahlen Z« ,,Einen Franc 80 Centimes!« Nun faßte der Reisende in seine Westentasche, holte die falsche Münze herfaus, warf sie auf den Perron und rie : ,,Geben Sie den Rest dem Dienst mädchen!« Als Adele nach Hause kam, trug ihr Gesicht den Stempel tiefster Niederge schlagenheit. »Ach, mein armer Freund,« sagte sie zu ihrem Mann, ,,er hat es mir wie dergegeben.« ,,Wiedergegeben?« Nun erzählte sie, wie sie es hatte zu rücknehmen müssen. Seitdem ist das falsche Geldstück wieder in Verkehr gebracht worden, dochnie hat es die Grenzen der Ge meinde verlassen, und man hat deshalb beschlossen, es dem Lokal-Museum ein zuverleiben. » --—.———-- — Die Geschichte des Geldes. Die Geschichte des Geldes wurde in einem Vortrag von Lord Avebury Hin London besprochen. Es ist beinahe un begreiflich, daß die Völker, die asshri sche Tempel, Sphynxe und Pyramiden bauten, kein Geld besaßen. Und doch scheinen sie thatsächlich keines gekannt zu haben. Das Wort -»Geld« in der Genesis undSeptuaginta sollte eigent lich mit ,,Sill)er« übersetzt sein. Das ,,Stück Silber« bezog sich daher auch ausdas Gewicht des Silbers. Der altjüdische ,,Sekel« bedeutete ur sprünglich »Gewicht«, wie heute das englische Wort ,,Pfund«. Die frühesten wirklichen Pragungen sind wahr scheinlich die lydischen, wie Herodot berichtet. Eine Münze des Krösus zeigt die Prägung nur auf einer Seite und ist von ovaler Form. Von altenglischen Münzen zeigt eine aus der Zeit Heinrichs des Sie benten zuerst das Bildniß eines eng lischen Königs-. Die ersten angelsiich fischen Münzen waren kleine Silber und Goldstückchen, und ihre Bezeich nung, die sich noch in manchen engli schen Ausdrücken erhalten hat, bedeu tete »Schatz«. Lange Zeit war es Brauch, an Zahlungsstatt kleine Stil cke von Ringen oder Armbändern ab zubrechen, man nannte sie »Skillings« wovon heute noch das Wort Shilling stammt. Einen merkwürdigen liebergang vom Tauschhandel zum Gebrauch des Geldes bildet die Sitte, Tuch oder Messer gewissermaßen als Werthmaße zugebrauchew So trugen auch die ältesten chinesischen Münzzeichen die Form vonMessern oder StückenStoff, und es gab zwei Hauptarten von Geldstücken, die ,,Pus«, die in roher Ausführung ein Hemd darstellten,und die »Taos«, die die Form eines Mes sers hatten. Diese merkwürdigen Münzen reichen 4100 Jahre zurück und stammen aus dem Jahre 2250 v. Chr. Säbelsörrnige Geldstücke waren in Persien im Gebrauch, doch wurde nach und nach die unbequeme Form verän dert; die Klinge wurde kürzer ge macht, während das Ende des Hand griffes, durch das man ein Loch stieß, um es auf eine Schnur ausreihen zu können, imer größer wurde. Endlich verschwand die Klinge ganz und es blieb nur das runde Ende mit dem Loch in der Mitte. Diese Form behiel ten die Chinesen für ihr Kupfergeld, den ,,Cash«, bis heute bei. Das Geld s— so heißt es bei ihnen —— hat die Be stimmung, rund um die Erde zu rol len, darum soll es selbst rund sein. Folgende hiibsche Anetdote von der jetzigen Königin von England wird von einer englischen Zeitschrift erzählt. Als Jhre Majestät noch Prinzessin von Wales war, saß sie eines Nachmit tags in der Hütte eines der Gutsleute, nahm lachend einen Strumpf auf, der auf einer Bank lag und begann eine Ferse anzustricken, und meinte zu der einfachen Bäuerin: »Ich bin sicher. daß Sie nicht so schnell die Ferse stricken können, wie ich. Jch bin or dentlich stolz daraus, wie ich stricken kann. Jch habe gerade ein Paar für den Prinzen gemacht und —« hier fiel die Bauernsrau der Prinzessin indie Rede und rief erstaunt aus: »Der Prinz trägt also auch Strümper Ach, königliche Hoheit! Nur ich undSie, die wir selbst Strümpfe stricken, wissen, was fiir schreckliche Löcher die Män ner in die StrImpfe reißen tönnen.« si- « Ein lenkbares Lastschiff für hoch fliegende Pläne wäre auch nicht übel