Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 12, 1901, Sonntags-Blatt, Image 13
W seter Micheilosf. Novellette aus dein Nussischen our Adolf Burghard. — Jwan Petrowitsch hatte soeben et was Furchtbares. etwas Entsetzliches mit ansehen müssen. Aus seinem ge wohnten Mittagsschliifchen erwacht, trat er anls Fenster und schaute nach Peter Micheiloff aus, der in den Wald gefahren war, um einige junge Fichten zu fällen und aus den Hof zu brin gen« Schon zum Mittagessen hätte er zuriicl sein müssen ...... Als Jwan Pet«.otoitsch, ärgerlich iiber die Saumseligteit des Knechtes, den Weg hinunter sah, der an dem in unmittelbarer Nähe des Gutes gelege nen See entlang führte, erblickte er sei ne Tochter Nadina Jwanowna, welche sich mit ihrem Verlobten Konstantin Kussoff auf der spiegelblanlen Eisdecke des Sees mit Schlittschuhlaufen ver gnügte. Mit Windeseile glitt sie da hin, und plötzlich —— plötzlich . . . . ver schwand die zierliche Gestalt vor seinen Augen in einer offenen Stelle des Ei ses. Er stand sprachlos-, er brachte teinen Ton aus feiner Kehle, -— er svollte in sliegender Hast nach dem See hinunter eilen, blieb aber wie gebannt am Fenster stehen. Da sah er, wie Konstantin Russoff der gefährlichen Stelle im weiten Bo gen auswich und hastig dem Ufer zu strebte. Nicht einmal eine Ber sviinschnng über den Feigling vermochte Jwan iiber seine blutleeren Lippen zu dringen. Jn diesem Augenblick der höchsten Gefahr lam ein mit jungen Fichten be ladener Schlitten die Biegung des We ges herunter gesaust. Peter Micheiloff lentte den Schlitten und sofort hatte er das Entsetzliche wahrgenommen· Ohne Weiteres sprang er von dem Schlitten, eines der schlanten Fichtenstiimmchen ergreifen, die Böschuisa « "·rs hin shzueilem war des- Tugen blicks. Jroan Petrowi. mö gen, wenn ihm die V i gewesen wäre. Mit dem gis-den Ausgebot sei ner Willenstraft schob er sich nach der Thür, durchquerte den geräumigen Hof, um nach der Landstrase zu tau meln, die an den See führte. Helfen wollte er bei der Rettung seines Kin der-! Alle Heiligen rief er um Hilfe an, er that Gelübde, er versprach Opfer zu htingeuz wenn er jetzt noch einige Schritte vorwärts lam, — dann tonnte er schon sehen, ol·- es Pe ter gelungen war . . . Doch, wag war oast Als er seine Augen, geblendet von der schimmernden liissläche, einen Au genblicl abivandie. sah er da nicht Pe ter schon mit riistigen Schritten auf sich zukommen? Wahrhaftig er war es! Sein gel bes Haar flatterte im Winde und auf den Armen trug er eine triefende Last: sein Kinn, sein-: Naminat Schwer und leblos hing der jugendliche liörper in den Armen Wesen-, das lange üppige Goldhaar hatte sich gelöst und schleifte iiber den Schnee. Jtvan Petrnwitsch sant in die Knie, —- daszi war zu viel siir sein Vater herz. »Viiterchen, ich bringe Fräulein Na dina!« rief ihm der Knecht zu, wäh rend ein freundliches Grinsen über sein gutmüthigeg Gesicht glitt-. »Der Him mel schickte mich gerade zur rechten Zeit, um das Fräulein aus dem Loch zu ziehen. Er stampftc mit langen Schritten an Jtvan Petrowitsch vor über, in der Absicht, seine kostbare Last so bald wie möglich der iniitterlichen Sorgfalt zu übergeben. Mühselig erhob sich Jtvan Betro witsch und leuchte hinter Peter her. Sprechen konnte er nicht. Die Au gen starr auf den Schnee gerichtet, iiber welchen das Haar seiner Tochter ge fchleift war, ein Bild des Jammers, ging er nach dem herrschaftshause. Erst als Mutter Wanmara, ah nungslos die Thiir össnend, den Verm iten empfing, gewann er seine Sprache wieder· Während Nadina unter den Bemühungen ihrer Mutter und der helfend eingreisenden Mägde des Hau ses bald ihre Augen aufschlug, tobte Jwan Petrowitfch im Wohnzimmer umher, schreckliche Verwünschungen immer gegen diesen Feigling von Ver lobten ausstoßend, der sein eigenes Kind hatte untergehen sehen, ohne ihm die rettende Hand entgegen zu strecken. Sollte dieser erbärmliche Wicht sich noch einmal auf seinem hose blicken lassen, so liesz er ihn mit den Hunden hinunter hehen und dann brannte er ihm eine Ladung Schrot ganz sicher aus das elende Fell! Was hatte er iiir schreckliche Augen blicke soeben durchmachen müssen, und sollte er hundert Jahre alt werden, die würde er auch dann nicht vergessen. H M li Viiterchen Petrowitsch hatte sich end lich etwas beruhigt. Zwar wanderte er noch ruhelos im Wohnzimmer aus und ab. Nur an einem kleinen Schrank chen blieb er von Zeit zu Zeit stehen, um ein Gläschen Wuttti zu genießen, der seinen vor Schreck erstarrten Kör per bald wieder belebte. Radina steck te in einem Berge von Betten und wur de mit Fliederthee gefüllt. Sie hatte ihre Mutter wegen den Schrecken, den ihre Unvorsichtigteit ihr verursacht hat te, um Verzeihung cui-tm Konstan tin habe ihr. io erp« einen Wett MJ — I lan auf dem Eise vorgeschlagen und da sei sie im Eifer gerade in die offe ne Stelle des Sees gerathen. An- : fangs habe sie sich an der Eisdecke fest- . gehalten, aber mit Entsetzen bemerkt, I daß Konstantin davongelaufen fei. ; Dann müsse ihr die Angst die Besin- s nung geraubt haben,——auf welche Wei- s se Peter Micheiloff sie gerettet habe, wisse sie nicht mehr s Als Nadina ihren Bräutigam Kon- s stantin erwähnte, zitterte ihre Stim me, und die Röthe der Verlegenheit färbte ihr blasses Gesicht. Die Eltern fühlten es wohl: sie schämte sich der seigen Handlungsweise ihres Verlob ten. Jwan Petrowitsch sagte kein Wort, aber er ballte die Faust in der Tasche. Sein Entschluß war gefaßt : Konstan tin Kussofs betrat sein Haus nie wie der ! . Nun erwartete er Peter Micheilosf, den er nach seiner Kammer geschickt hak te, um sich umzutleiden. Dann sollte er wieder kommen, hatte ihm sein Herr be fohlen. Peter mußte aus seine Toilette ganz besondere Sorgfalt verwenden, denn er hätte schon längst wieder da sein können, um feinen Dank in Empfang zu nehmen. Ungeduldig trat Jwan an’5 Fenster —- es war noch tein Peter Mi cheiloff zu sehen. Aber halt... Jwan traute seinen Augen taurn . . .. drückte sich da nicht Konstantin Kufsosf zwi schen den Scheunen umher ? Väter chens Gesicht wurde tirschroth vor Wirth, er hob drohend den Arm und hätte in seiner Aufregung im nächsten Augenblick die Fensterscheibe zerschlagen, wenn nicht Jemand hinter seinem Rücken plötzlich zwei Mal herzhast ac nießt hiitte . . .. Peter Micheilosf hatte sich offenbar bei seinem Rettungswert einen tüchtigen Schnupsen geholt. Blihschnell wandte sich Väterchen um. Wahrhaftig, da stand der so heiß er sehnte Lebenötetter mitten im Zimmer in der Pracht seines Sonntagsstaates, das runde Gesicht glänzte vor Sanher teit. Die strohgelbe Mähne war kunst gerecht gefcheitelt und mit Hilfe einer Prrtion Wasser auf dem Schädel sest getlebt. Jn den rothen Händen drehte Peter verlegen die Pelzmiitze hin und her. »Komm’ an mein Herz«, rief Jwan Petrowitich und warf seinen wohlge niibrten Körper gegen die breite Brust Peters, der in seiner Verlegenheit über die sonderbare Situation ein freundli ches Lächeln aussteckte. »An mein Herz«, rirs der Gutsherr ncch einmal und schüttelte Peter hin und her, um ihm so recht seine Freude tlar zu machen." Weißt Du, was Du bist, Du Gliiclspilz? —— Der Lebens retter meiner Tochter ! Und weißt Du, trag das bedeutet ?« Peter grinste vor Verlegenheit und zerrte an seiner Pelzmiihe, daß sie In allen Nähten trachte. »Nun, Du weißt es nicht ?« treischte Jwan Petrowitfch wieder, »aber Du jrllst es erfahren, mein Sohn, ich weiß, was es heißt, danlbar zu sein! Hier, störte Dich erst ein wenig,« — er goß » Peter ein Gläschen Wuttti ein, --—. ,,nachher können wir ja ein Verlobung-s mahl halten,« —- nun lomm’ mit zu den Damen, Nadina und mein Miitterchen wollen Dir persönlich danken !« Peter schüttelte sich, mit Gewalt mußte ihn sein Herr irr-; anstoßende» Zimmer ziehen. Miitterchen stand am Bett Nadina’s. : »Du hast mein Kind gerettet«, sagte sie bewegt zu Peter und reichte ihm diej Hand. »Wie toll ich Dir danken?« Ohne Dich wäre ich jetzt die unglück lickste Mutter der Welt.« »Oh, oh, Mütterchen,« stamnielte Pe ter, und eine glühende Nöthe zog sich iiber fein Gesicht bis unter sein stroh getbes Haar. »Neich’ auch mir die Hand, die mich gerettet hat,« flüsterte jetzt auch Nadina mit ihrer melodischen Stimme und streckte Peter ihr zartes Patschelchen ent gegen. Verlegen trat Peter einen Schritt zu riicl. 0-I- Ist-. —...- .«.f.!— k-- L-— WILL-l »Es-la Ulc IIUC but-IV UUll UZIII JACOB-II die Hand drücken,« ermunterte ihn Vä terchen Petrowitfch. der die Wuttli ftafche geholt hatte und Peter zur wei teren Stärkung ein Gläschen einschenk te. »Nadina ift danlbar, sie weiß, was sie Dir fchuldig ift." »Ja, ich weer es,« bestätigte Nadina, indem fie beheth die Rechte Peteks er ;,riff. »Ohne Deine Hilfe läge ich jetzt starr und fteif in dem grausigen Waf ter, vielleicht Monate lang, bis die Frühlingöfonne das Eis fchmilzt...« Nadina fchlo bei diefem Gedanken an ! las grausige ild die Augen« »Oh, oh, Fräulein Nadina,«' lachte Peter, »fo fchlimm wäre es denn doch nicht geworden. Väterchen hätte den ganzen See aufhauen lassen, und dann hätten wir Sie ja bald gefunden." Nadina blickte ihn verftändnißlos an. Mütterchen unterbrach die Stille. »Wenn Du einen Wunsch haft, Peter, . fis sprich ihn aus,« meinte die alte Da me, »ich möchte Dir gerne an dem Tage, an welchem Du uns vor einem furchtba ; ren Unglück bewahrt haft, eine Freude H bereiten.« f »Oh, oh, Mütterchen,« lehnte Peter s diese Freudentundgebung ab, »so fchlimm war die Sache gar nicht· Jch sah Fräulein Nadinas Haar« — er zeigte auf eine goldschimmernde Strähi ne, die auf der Decke lag, —- durch das dünne Eis schimmern, mit der ein Theil tes offenen Wassers überzogen war. Jch fchlug das Eis durch, erfaßte das - Fräulein, dann war alles erledigt; es —q— —-— l war gar nicht so schwer !« Bei diesen Worten hatte Peter seine Mühe zu einem dicken Knoten zufam i::engedreht. Eine weitere Drehung war nicht mehr möglich, deshalb fing Peter an, den Knoten wieder zu entwir ren. »hast Du auch den sauberen Herrn Konstantin Kussoff gesehen ?« fragte Jwan Petrowitsch verächtlich. »Er lief davon, um Leute zu holen, Väterchen,« erklärte Peter. »Ja, ja, er lief davon, wir haben ei gesehen,« schrie Jwan Petrowitsch wis thend. »Auf Konstanting Gute ist kein See, kaum ein kleiner Teich ; Fräulein Na tina wird dort nie in Gefahr kommen zu ertrinten,« erklärte Peter mit seinem freundlichsten Lächeln. Nadincks Augen fiillten sich mitThrä nen. »Du hast Recht, Peter, dort werde ich nie in einer Gefahr schweben,« sagte sie leise. Peter Micheilosf hatte sich mehr und mehr der Thitr zugeschoben, er wollte offenbar das Freie gewinnen. Nadina mußte über seine Tölpelhaftigteit la ci)en. »Du willst uns schon verlassen, Pe ter Z« fragte Miitterchen. »Nun gut, aber stelle Dich zum Abendbrod wieder ein. Aber ich möchte Dich schon jetzt nicht mit leeren Händen gehen lassen. Was soll ich Dir schenken, sagte mir, was möchtest Du gerne haben ?« Peter lächelte glückselig vor sich hin. »Welchen Wunsch Du auch immer t,ast,« bestätigte Jwan Petrowitsch, »er wird Dir erfüllt werden. Forderst Du das Liebste, das Beste von uns . . . es ist Dein t« Peters Brust hob und senkte sich, er rang nach Athem, dann ftammelte er : »Nun, wenn Kaninka mir durchaus eine Gunst gewähren will,« —- er zerrte trampfhaft an der wieder aufgebrehten Pelzmiitze, — »und weil heute gerade mein Geburtstag ist, . .. und weil im Herbst die Bienen so gut eingetragen haben, so bitte ich aber gehorsamst uni ein —- —— Weißbrödchen mit Honig be strichen !« - - «——- -—.0.-—— —--— Im schneeitnrni. .»...—.....——.— Erzählungvon Eduard Stilge bauer. k- « - « - - k- - lecucllz Isl öll HOUIL PUI), lUlc mir der Wind so eisig um die Nase pfeift, und der verdammte dreckigeMan tel, mit dem schmierigen Kragen. Es krabbelt mich schon. Wie ich das Ge wehr blos halte, es frieren mir die Fin ger im Handschuh ab . . . . Wie der Schnee so fein hernieder rieselt, so kry stallen spitz, bluterstarrend. Auf und ’ ab, hundertmal Dieselbe kleine Strecke, ron einem Schilderhaug zum anderen, » in der eisigen Nacht. Exeellenz ist zu Hause. Was sie wohl macht, die dicke, wohlgepslegte Ex cellenz? Droben brennt noch Licht. Sein Schein schimmert zu meinen Fiiften auf dem Schnee. Er knistert unter meinem Tritt, monoton, langsam. Excellenz ist zu Hause. Jch habe Hunger, aber kein Geld, was zu kaufen. Was die Excellenz wohl zu Abend gegessen hat. Rehriicken aßen die Her: ren bei uns im Dorfe immer, wenn sie zur Jagd waren. Ach, Rehriicken, wie das wohl schmecken mag? Ja, draußen in unserem Dorfe. Dort liegt jeht auch der Schnee vor des Ba ters Hütte, und drinnen slackert das Feuer in dem eisernen Ofen, in dem Mutter die Aepsel bratet. Wie die rie chen, so winterlich wohlig. Gebratene Aepsel aus Mutters Ofen. Puh, der Wind. Wie die elektrischen Lichter die Schneeslocken beleuchten. Wie Mücken tanzen die um das Licht. Was man nicht alles denkt in den zwei Stunden und wie der Magen knurrt. . Gebratene Aepsel aus Mutters Ofen. Pserdegetrappel auf dem Schnee. Kommt noch Jemand zu ExcellenzPs Excellenz ist zu Hause. . Am rechten Schilderhaus wird prä- : sentirt. Der Wagen biegt in den Thor weg, er hält. Meine Finger sind erstarrt, ich kann nicht präsentiren und doch muß ich. Halt, nein, weiterpatrouillitt· Eine Dame entsteigt dem Wagen. Excellenz ist zu hause. Muß der warm sein, der weiche, weiße Pelz, den die um die Schultern hat. Die geht jetzt zu Excellenz. Deshalb brennt das Licht noch. Ha, ha, Excellenz macht es genau so, wie wir aus dem Dorfe. Ach, Grethel, hieltest du mich warm. Jch will mich ins Schilderhaus stellen, der Wind ist zu kalt. Grethel, bei dir ist’s warm. Und die Milchsuppe am Abend draußen im Dorfe, die du mir aushobst von Mutters Abendbrod. Ach, Milchsuppe und die Grethel. Excellenz wird sehr aufgeräumt sein, in guter Laune. Wie mich’s iiberkommt, ich gähne. Tie Uhr schlägt zitternd, kalt. Eine Viertelstunde, die zweite. Als ob die Stunden nicht mehr vergehen könnten. Wär’ ich bei der Grethek, bei der Grethel, bei der GretheL Was die Augen machte, wenn ich jetzt käme . . . Trautes Zimmer im Häuschen, am Ende des Dorfes. Wo die Scheite im Ofen flackern und die schwarze Katzei auf der Bank schnurrt. Die Grethell strickt wollene Strümpfe, wenn du · zum Militiir kommst, sagte sie leise vor sich hin und wischt die Augen mit der Schürze.».. Meine Füße find Eis. I t - Der Posten darf sich nicht sehen, nicht legen . . . Ach was, ich setze mich doch.... Wie das schneit. Als sei ein weißer » Vorhang vor dem Schilderhaus, es glänzt im Licht per Lampen und fällt " unaufhörlich, verschleiernd, einschlum mernd zu Boden ..... Ach, Grethel, draußen vor unserem Fenster schneit’s Jch bin müde.... Laß mich den - Kopf an deine Brust legen, Grethel . . . Wie sind deine Arme so weich und so warm . . . . Jch friere nicht mehr . . · . H Und die Lippen so heiß, Grethel, so ; süß und so· heiß ...... Ja, es war schlimm drinnen in der Stadt bei dem ’ Miniat. Jch bin froh, daß ich das Gewehr nicht mehr zu halten brauche, das lehnt gut in der Ecke. ! Ach, mein Grethel ...... Und im . Frühjahr ist Hochzeit, wenn die « Schwalben kommen, Grethel, die - Schwalben. Doch jeßt laß mich schlafen, schla fen.... Ich bin ja so matt.... Sie haben mich gehetzt bei Tage und nicht schlafen lassen bei Nacht ..... Grethel, so halte mich fest, ganz fest und laß mich schlafen. Wie sind die Träume süß an deiner Brust. Jetzt ist es Som mer, die Sonne scheint warm und gol den. Und ich bin frei, Grethel, und Keiner hat mir mehr etwas zu sagen . . Und du bist mein Weib, Grethel. Und das Häuschen ist unser und das Feld und der Garten mit dem Kohl und mit dem Salat. Die Eltern wohnen jetzt bei uns und haben gute Tage. Wie ist das Wetter, Grethel, daß es die Ernte nicht zerschlägt. Wenn wir erst Alles glücklich in der Scheuer hätten. Ach, ich bin glücklich, Grethel. Was ftoßest du mich, ist’g schon Aufstehenszeit? Stoß mich nicht so rauh, Grethel. Ja, ja, ich stehe ja schon aus.... Daß du so«·rauh stößest, ja, ja ..... Ach so, ja, ich bin so müde, ach so ja . . Excellenz ist zu Hause· Ablösung richtig. Ruft da nicht einer Müller? Hier aus Posten nichts Neues-, ist’s schon AblösungszeitZ Hab’ ich denn geschlafen? tfrcellenz ist zu Hause. Das giebt vierzehn Tage Arrest, Müller, wegen Schlafeng aus Posten! ———-—.i. Zier Zinnicutklsneidkr. —-. Stizze von J. K o r n z. —-..-— Wenn Sie zwischen 12 nnd 1 Uhr, der Stunde, in welcher die vornehme Welt in den Partanlagen aus- und ab promenirt, totettirt, medisirt, chitanirt, unter den vielen langsam sahrenden Wagen eine besonders elegante Equi page mit zwei edlen Rappen bespannt, sehen, in deren blauseidenen Polstern ein Herr von hocharistotratischem Aeu ßern und dito Alliiren zurückgelehnt sitzt, -—— so nehmen Sie den Hut ab, meine Herren, denn es ist ein berühmter Mann, es ist ein Monsieur, siir den das gesammte weibliche und ach ! so schwa che Geschlecht von der Ladenjungser an bis zur hochwvhlgeborenen Komtesse ohne Ausnahme schwärmt. Er hieß Johann Klein und wollte ein großer Mann werden. Mit einem ganz netten Kapital war er nach Paris gekommen und sann nun Tag und Nacht darüber nach, wie man berühmt wird· Da hatte er eine Jdee, eine großar tige, eine göttliche Jdee. Er steckte sein Genie in die Falten » eines Weiberroctes, und wurde Damen schneider ! Als er seine Studien in Paris be endet hatte, siedelte er nach B» einer » größeren deutschen Provinzialstadt ’ iiber, miethete in der Hauptstraße eine erste Etage, welche er mit dem rafsinir testen Luxus einrichtete und ließ dann ein großes Schild über den Fensterboi gen anbringen. ,,Monsieur Jean Klein —- Couturier pour Dames.« Und die goldenen französischen Let tern stachen den Damen in die Augen, wie wohl der sascinirende Blick der Schlange das arme zitternde Vöglein sestbannt. its-s . , rn.«s- «." Jll, Ucll Jus-tu Wut ritt wein-, kr» wußte wie kein Anderer, die fchwachei Stelle der holden Geschöpfe herauszu- i finden, welche ihn um Rath und Bei stand baten, und er zog aus diefer Wif- i senfchaft Nutzen, -—— nach ein paari Jährchen war er ein gemachter Mann, ! ein berühmter Mann, der unbeftrittene König der Mode, der Schiedsrichter des Geschmacks. Nur Diejenige, welche bei ihm arbei- i ten läßt, darf auf das Diplom der höchsten Eleganz Anspruch erheben ; » zwar muß der Gemahl der betreffenden i Dame für eine solche Robe sünfzehnmal s mehr zahlen, als sie werth ift undl zwanzigmal mehr als sie bei der frühe- » ren Näherin gekostet hätte, — doch was ! will das fagen ! Aber fuchen Sie selber den berühmten Mann auf und überreichen Sie ihm durch den goldbetreßten Diener Jhrc4 Ratte. ( Monsieur drückt mit unnachahmlicher Eleganz das Monocle in’5 Auge, ,,pah, ein unbekannter Name!« Doch er ist i heute guter Laune und läßt Sie vor. l »Madame!" tagt er in gebrochenem i Deutsch- ehe Sie noch Jhren Wunsch f geäußert haben, Sie kommen ohneZwei- ; fel, um eine Schöpfung von mir zu ers bitten, — oh, das ift umsonst, ich kann absolut keine neuen Filienten mehr an: nehmen« Weil Sie hübsch ift., setzt er hinzu: . L A i »Ich bedaure es!« Anderen gegenübe hätte er kurz gesagt: »Ich kleide nur be kennte Damen!«—denn Monsieur llei det nur Namen. Aber lassen Sie deshalb Ihr Köpf «chen nicht so traurig hängen, mein " Gniidigste, bedauern Sie nicht, si schmerzlich abgewiesen worden zu sein Glauben Sie mir, seine Klientinnei , müssen dieses Vorrecht theuer bezah i len. l Jch nehme an, Sie sagen zu ihm . »M. Klein, ich wünsche ein Miedertleii i niit Aermeln Louis X1V.« I Er wird in maßlosem Staunen di - Stirne in die Höhe ziehen und dani - ziemlich briin erwidern: »Madame, id s bin gewohnt, nur Rathschliige zu erthe len, nicht aber solche entgegenznnehmen ! — Jch werde Jhnen eine Prinzeßrob I machen mit Mieder Henri lV. und Aer L meln Louis Xlll.« F Wagen Sie nicht, maisgelbeg Tuch 31 l i , einem Jacket zu verlangen! « Er wird sagen: ,,Madame, ich geb ; Jhnen russisch Grün und mache Jhnei davon eine Cape!« Er ist ein berühmterManm er komm aus Paris, mithin hat er das Recht un s rerschämt zu sein, oder »originell«, wi l seine nachsichtigen Klientinnen es nen nen. s Begleiten wir die Gräfin S. zu ihre i Anprobe. Sie müssen den großen Mei j s«e.r im Feuer der Komposition sehen I wie er Toiletten erdichtet tombinirt. Die Gräfin ist eine bewunderungs I würdige Märtyrerin, sie steht stunden s lang unbeweglich da, die Schultern mi E schweren Stoffen behangen, Monsieu« E vor ihr, er heftet Falten, geht, tomm I wieder her, bezeichnet, schneidet, änder und betrachtet das Machwerk wieder voi Neuem. Die Geduld diese-« Mannes is wahrhaft erhaben. Endlich schlägt er sich verzweifelt vor die Stirne und ruft schmerzlich: »Ja sehe nichts mehr! ich bin zu erschöpft . Warten Sie, Madame, bis die anspi l ration kommt!« Die Portieren fallen hinter ihm zu Gräfin S. stützt sich ermattet auf dis Lehne eines Sesselg, sie darf sicy nich scheu. Nach einer endlosen Viertelstunde er scheint er wieder. Er betrachtet seit Opfer von allen Seiten, drückt die Au gen zu und ruft triumphirend: »Ja habe est« Die Inspiration ist iiber ihn aekom men, er hat die Toilette gesehen. « Und nun müssen wir auch Dei de1 letzten und feierlichsten Cercnronie zu gegen sein, bei der letzten Anmon zi welcher Gräsin S. um 6 Uhr Abends befohlen ist. Der kleine persrsche Salon schwimm in einem wahren Lichtmcer, -— dre elegante Damen haben der liebender Gräfin in die Robe geholfen nnd Mon sieur legt nun die letzte Hand an, un der Toilette die Seele zu neben, wie e« sagt. Nun ist die letzte Falte gelegt, di: letzte Schleise arrangirtz der groß« Mann wirst sich auf die Ottomane unt drückt auf einen elektrischen Knopf — ihm zur Seite. Nach einigen Augen blicken theilen sich die Falten der Por tiere und ein blasser, äußerst chic aus sehender Herr tritt mit einer eleganter Verbeugung ein und setzt sich an’s Piano. »Madame,« sagt Monsieur, »gehe1 Sie, bitte, langsam ans und ab, unl Sie, Herr Kapolgtt), spielen Sie »l dtksik!« Madame gehorcht, die seidene, meer grüne Schleppe windet sich wie ein« . zischende Schlange durch das Gemach das silbergestickte Depant glitzert unt flitnmert im Lichte und der Pianis spielt mit Hingebung und tiefem Ge. siihl. Monsieur betrachtet Madanu und stützt mit tiefem Sinnen das : Haupt in die Hand. Bei der Repeti « tion des ersten Theile-H ruft er ,,Genug es ist nicht das Richtigel Madame wollen Sie sich gütigst von Neuem be mühen, und Sie, Herr Kapolsti. spie len mir die Polka ,,Colibri!« Er betrachtet Madame wieder, sinnt und denkt und ruft endlich triumphi rend: ,,Colibri, ja Madame, das ist de Charatter der Toilette. Colibrit Si sind fertig. Jch habe die Ehre, mick Jhnen zu empfehlen!« ——-- —-·0--— Eine seltsame Seite. — Russische Blätter melden: Jn Esthlani hat das Sektirerwesen wieder überhant genommen. Ganz besondersv merkwür dig ist die Seite der ,,Glauben5briider« Die Mitglieder dieser Seite versam meln sich jeden Abend ini Hause irgent eines Gläubigen, um abwechselnd ihre Geläufigkeit im Vorlesen von Gebeten zu zeigen, während die übrigen, ans dem Bauche liegend, zum Herzbrechen heulen und schlnchzen. Die Gläubigen gewähren einen traurigen Anblick; bei den meisten, besonders bei den Weibern sind die Augen von den vielen und star ken Thränenergüssen angegriffen unt geröthet, sodaß ärztliche Hilfe gegen die Gefahr des Erblindeng dringend noth wendig ist. Die »Glaubengbrijder« fint wie lebende Leichen und sprechen wenig am wenigsten mit den Ungläubigen Durch die starke Nervenanspannunp sind manche Weiber geradezu schwach sinnig geworden; sie haben das Arbei ten aufgegeben nnd beten ohne Unter laß. Eine liebe Freundin. Alte Jungfer : »Als ich gestern mn meinem Bräutigam im Wintergarteis unter den Palmen spazierte-, tonnte ni« mir nicht helfen und gab ihm einer Kuß!« »Da siehst Du wieder. daf, Niemant ungestraft unter Palmen wandelt!« ..—.-- W Trost. ,» . Von Frida Schanz. —·...— »Ich wollte kein Wort dir sagen, Es schmerzt so sehr, Und tann’s doch allein nicht tragen, Ich kanns nicht mehr-! Die sahest mein Glück, ob es nimmer Ein Wort verrieth. Nun, Mutter, ist’s aus siir immer-, Verhallt das Lied.« ,,»Mein Kind, was dein Herzchen et stritten So stumm allein, Jsch hab’ eg mit dir gelitten Jn tiefer Pein. Nun lerne, mein Liebling, dich sassenz Der Schmerz, verzehrt. -—— Der Falsche, der dich verlassen, War dein nicht werth!«" »Mutter« ach könntest du’s fühlen, Wie weh das thut! Willst du die Wunde mir kühlen, Sei still —- sei gut! Laß leise den Kopf mich schmiegen Jn deinen Schooß, Ein Weilchen am Herzen dir liegen, Ein Weilchen bloß!« · Und stille ward-Z in der Kammer-. Die Mutter litt Des Liedlings unsöglichen Jammer Verzehnfacht mit. Sie hat mit zärtlichem Neigen Sie leis gekost. So ward ihr Weinen und Schweigen Des Mägdleins Trost. Der junge Schnee. Der junge Schnee will fort und sort Hoch oben tanzen und lachen; Er möchte nimmermehr sein Kleid Auf Erden schmutzig machen. Doch einmal muß er niederwärts-, E Ihm geht’5 wie allem Andern. Man kann nicht ewig unschuldsooll Jn reinen Höhen wandern. Und wie er weinend niedersinlt, Bis nah zur Erde gleitet. Sieht er ein holdes Frühlings-kind, Das wie im Jubel schreitet. Er liißt sie ans den rothen Mund Und will sich nimmer trennen, Und als er glücklich lächelnd stirbt, Fiihlt er ein heißes Brennen! Käthi Hartmann. —«—-.s.-- —--— "! Ein sagenhafter Fisch — Eine naturhistorische Merkwürdigkeit . aus alter Zeit befindet sich in der kunst geschichtlich bedeutsamen, prachtvoll . z iviederhergestellten St. Godehardi i Kirche zu Hildesheiim nämlich ein ge waltiger getrockneter Seefisch, eine so genannte Meersau (»Squalis galeus L.), der neben dem Josephs-Altar auf gehängt ifi. Der Sage nach stammt der Fisch aus einem Hildesheimer Kloster teiche, wo ihn der heilige Godehard ge fangen haben foll. Anlaß zu dieser Sage gab eine ani Hochaltar der Kirche befindliche Figur, die den heiligenGode hard darstellt, wie er mit dein Speer einen Drachen erstirbt Auch der Jo fefs Altar weist ein ähnliches Dra chenbild auf. Der Fisch stammt jedoch aus der Zeit Kaisers Karl V. an des sen Dienste stand ein aus der Hilde5 heiiner Gegend gebürtiger Ritter von Saldern, der für Rettung aus einein Sturme, den er im Mittelineere zu be stehen hatte, die Errichtung eines Al targ in der Godehnrdi - Kirche zu Hil desheim gelobte, und den Fisch- der während dek- Sturines in’s Schiff ge worfen worden war, daneben aufzu hängen befahl. Raphaels Echtheit unge tv i ß . Die Verstcigerung eines angeb lich von Raphael stammenden Gemät des hat in Berlin stattgefunden. Der E Gläubiger, Müller aus Wiesbadem hatte auf das Gemälde eine Summe von 50,000 Mark baar geliehen. Da das Geld von der Wittwe des verstor benen-Profess·ors«Nieole nichtsbeizutrei ben war, wurde das Gemälde verpsän det und zwangsweise versteigeri. Der Raphael wurde vom Professor Louig Nicole in Lansanne entdeckt. Der be kannte Milliardär Vanderbilt soll 1, 200,000 Mart fiir das Gemälde gebo ten haben. Der Verlauf fand «ohne Garantie« ans die Echtheit statt. Das Angebot wurde ans den Reihen der Händler von 8 aus 200 Mark gesteigert; der Gläubiger steigerte sich dann selbst ans 6000 Mart und erhielt den ZU schlag. —— Stämme Zch w a r z e r Z Iv e r g e. --— London hat Nachrichten erhalten über die Forschungs-reise, die Sir Harry Johnston im westlichen Theile von Uganda machte. Johnston hatte Gelegenheit, einige Vertreter ei nes ztverghasten Voltgstaitiiiteg, die ein deutscher (!) Abentenrer geraubt hatte, um sie nach Parig zur Augstellnng zu bringen, wieder in ihre Heirnath« in die siongoivälde:, zurückzuführen und sie nachher in ihren Heimstiitten zn besu chen. Jn ihrer Sprache bringen sie Zwerge sonderbare Gähnlunte an, die I große Aehnlichkeit mit den lurzen Tö - nen der Busclnnijnner und Hottentotten z haben. Auch sprechen sie in einem selt j samen nnd aufsallenden Singsang. ! Obgleich absehreetend hässlich von Aus sehen, sind sie doch gewöhnlich von fröh » , licher Otemiitheartz auch sind ihre Tän s ze lustig und heiter.