weitrennen nnd Liede. HistorifcheSlizze von Felix L i l l a 1. Nach der Thronbesteigung der Mi nigin Elifabeth im Jahre 1558 kam für England eine bessere und fröhliche re Zeit. Die Königin befchiitzte und förderte eifria Kunst und Wissenschaft und fand selbst viel Wohlgefallen an Lustbarleiten aller Art, und fo kamen auch die Wetteennen, die unter der tnrannifchen Regierun« Deinrichs des Achten und der feiner Nachfolgerin, der grausamen Maria, ziemlich inVer· gessenheit gerathen war, jetzt wieder in Aufnahme. Die Rennen wurden damals in der Nähe von London bei St. Theobalds abgehalten, too Lord Parteile der ausgezeichnete Staatsniann und Mini ster der Königin, ein Schloß mit Präch xizaen Gartenantagen besaß. Dort befand sich ein awßes ebeneH, nun Insrnnplatz vortrefflich geeignete-.- Feld. Eigentliche zunftmößigeJoclenis tutan nun nein nicht, die Kavaliere rrx , . 5:H, sie Edelleute nnd andere Eis-Zit nilnner arti Rennsport ritten ihre Pferde iclbsl; das war Ehrensache Als bester Reiter galt der junge Lord Archibalo Godolpbim freilich wurde auch behauptet, daß fein herr licfser Rappe dag beste Rennpferd Eng: tandg sei. Alle Sachlundigen waren solcher Meinyng, doch nicht seianraut, Pie reizende Eoeline Churchill, ein-Hof L--I-!-— L Izu-tust »Es nssllgllh Sie erlliirte ihrem Bräutigam eines Tages: »Mein Schimmel ist viel besser, als dein Rappe, und ich lann besser und schneller reiten als du. Die jungen Edeldamen waren da mals in der That aewandte und liihne Reiteoinnen. Und das hatte seinen guten Grund. Damals war nämlich das Fahren in Kutschen noch wenig gebräuchlich, denn die damaligen Wa gen waren schwerfälliae Marterlästen, ohne elastische Federn oder sonstiae Vorrichtungen zum Abschwächen der heftigen Stöße aus den schlechten hol perigen Wegen. Solcher Tortur zo gen die Damen, vorzüglich die jungen, ek- entschieden vor, ibreReisen und ihre kürzeren oder längeren Aus-flöge zu Pferde zu unternehmen. Es war wirtlich ein schöner Anblick, die anmu tbiaen Amazonen siuf den Landstraßen nmhergaloppieren zu sehen. So wie Lord Archibald Godolvbin als bester Reiter, konnte Lady Eve line Churchill als beste Reiterin gel ten. Die Behauptung der jungen, ohnehin etwas ereentrisch veranlagten Dame erschien also gar nicht allzu an maßenix - lerVerlobter freilich lachte darüber; er versuchte ihr den tbörichten Gedan ten auszureden, doch sie bebarrte im meo eigensinniaer bei ihrer Meinung und sagte endlich ichmollend: »Du glaubst mir nicht? Wohl, so soll es vor aller Welt öffentlich entschieden werden bei dem nächsten Rennen zu St. Theobalds. Die Königin will selbst dabei zugegen sein; das weiß ich. Ich will mit dir um die Wette reiten, und zwar als Kavalier geklei det, auf meinem Schimmel« »Warbasti«a ein reizender Einfall!« rief Archibald lachend. - »Um was sollen wir tvetten?'« »Um was du willst.« »Also unt ein Paar Handschuhe.« »Es sei. Und einen Kuß oben drein.« »Auch nut!·' So war’s denn abgemacht. Bald wurde es bei Hofe und auch in weite ren vornehmen Kreisen belannt; liber all sprach man davon. Auch die Kö ni in Elisabetb interesstrte sich sehr da iir. Aus ihrer« Silberlammer ließ sie einen schönen, teichrserzierten gol: denen Becher holen, den sie zumEbrem preis bestimmte siir die Siegerin oder ,siir den Sieger. Am Tage des Rennens waren die Schranken des großen Rennplatzes bei St. Theobaldz von mehr Neugierigen nmlagert, als jemals zuvor. Auf ei ner prächtig geschmückten, mit purpur nem Baldachin überdeclten Tribijne nseilte die Köniqu mit ihren'.fzafka u:en; auf anderen Tribiinen befanden sich die Vornehmen des Landes. Au ßerdem rinas herum ein Gedränge von Leuten aller Art. Archibald Godolphin erschien auf feinem Rappen, Eveline Churchill, alsJ Cadalier gekleidet, aus ihrem Schim mel. Das Signal wurde aeaeben, und die Beiden sprengten irn schärf sten Galopp neben einander dahin, die Bahn entlang, sie allerdin s anschei nend ebenso gewandt un icher im Sattel wie er. Fünfmal ollte die Ba umlaufen werden. «·hrend der ersten vier Runden hielten sie sich dicht zufammen, weder er noch sie tam voraus. Gegen das Ende der tilniten und letzten Runde aber blieb er sichtlich etwas zurück, la daß sie zulk t mit einer kräftigen An strengung i reö Schimmels al- Erste durchs Ziel kam. Jubelndes Beisallsaeiehrei erscholl ringsum und »auf den Tttbünen. Die schöne Sieaerzm strahlend vor Gliict und im Gefuhle ihres Triumphes, empian von der Königin den Sieges und Ehrenpreisz Jhte erhabene und gelehrte Maiestat meinte dann noch buldvoll lächelnd. und myt exists-h tlasstsch angebaucht, wie e solche Ausdrucksweise liebte und heiu ig qu zuwenden pflegte: »Wie ein vor zweitausend Jahren nn alten Grie chenland bei dem Feste der Diana die seelische Jungfrau den delischen c'itna ling im Wettlaui besiegt hat« a hat biet diesmal eine englische Acnazone den englischen Ritter im Weitrennen überwunden. Das ist ein stolzes und ewig denktviirdiges Ereigni für die gesammte englische Weiblich eitl« Darauf erhielt Eveline von ihrem Verlobten den von ihr ewonnenen Wette-reis, ein Paar zier iche Hand schuhe, und nachher, als sie traulich und ungestört unter vier Augen bei ginämen waren,,auch den vereinbarten u . »Nun, siehst du wohl, ich hatte doch recht!'« rief sie frohlockend. »Ja, das muß ich zugeben,« sagte er lächelnd. d »Ich kann also besser-reiten als u.« . »Du hast es glorreich bewiesen.« »Und mein Schimmel ist besser als dein Rappe·« »Auch das bestreite ich nicht mehr.« 2. Einige Taae daran-« befand sisiy Gjodolpljsin in Gesetlfctiast mehrerer vertrauter Freunde in einem Wein hiufe, und Alle waren selir heiter ge Rimmt. Man neclte ihn ein wenig: »Wie konntest du, der beste Reiter Englands-, besiegt werden von einer jirnnen Dame? Das ist ia zum La chen! Unmöalich ists mit rechten Dingen zugegangen. Gestehe, Archi: bald, du haft dich absichtlich von dei ner Hulden überholen lassen!« »Nun ja, selbstverständlich!« rief der junge Edelinann »Das zu erra ttien, dazu gehört wirllich nicht viel Witz. Jch wollte meiner geliebten Eveline die Freude des Siegeg gru Jnen.« 7 »Brabo, edler Liebesritter! Ganz cavaltermäßig ist das. Man muß dich loben und Preisen als neuen Amadis, als Perle der Ritterschaftl« Bald nachher ging die Gesellschaft auseinander. Lord Godolphin emp fand ein gewisses Mißbehagenz er be reute halb und halb, dasz er seinen guten Freunden solch vertraulichrs Ge ständniß gemacht hatte. Und dazu hatte er auch alle Ursache, denn als er etliche Tage nachher mie der einmal seine Braut besuchte-, einr sing sie ihn sehr tühl und zurückhal tcnd mit den Worten: »Weißt du, was jetzt überall, bei Hofe und in der Stadt, über dich und mich gefliisterr und geschwatzt wird?« »Was meinst du« Eveline?« fragte er, von einer schlimmen Ahnung er griffen. »Was wird geschwatzt über unsT Da bin ich doch einigermaßen neugierig." »Ladh Gret) hat es mir mitgetheilt: sie ist ja meine allerbeste Freundin. Sie hat es erfahren von der Gräsjn Lansdowne, die es hörte von Lady Pettins, welche es vernahm von Ladn Nottingham, der es zugetragen wurde rson der Gräfin Pembrote, der wieder Ladh Mallinasord es anvertraute.« »Wahrhastig, eine allerliebste Guit lande von spitzigen Damenzungeni« »O, es ist abscheulich!« rief Eve line, von ihrem Sessel aufspringend. »Lady Mallingford erfuhr es von ihrem Bruder, der ja dein guter Freund ist.« »Das ist er,« sagte Archibald Und leise murmelte er: ,,.L)ol ihn der Teu fel! Jch durchschaue den Zusammen hang. Mallingford muß die Sache ausgeschwath haben. Er war ja mit in jener Gesellschaft.« Mit einer traaischen Gebärde fuhr Eveline fort: »Der hohe Ruhm, dei: ich mir auf der Rennbahn bei St. Theobald-H errang. wird angezweifelt, wird mir bestritten. Es wird be hauptet, du hättest dich absichtlich von mir überholen lassen. Du sollst er— gesagt haben in Lord Mallingsord’s nnd anderer Cavaliere Beisein.« ,,Achte doch nicht auf solches Ge schwäsz, meine Liebe!« »O doch! Es muß sogar gründlich untersucht werden!« »Warum?« »Weil ich an die Rechtmäßigkeit meines erworbenen Ruhmes glaube und diesen Ruhm nicht einbüßen will. Jetzt belenne auf den Edelmannstoort die Wahrheit: Haft dn wirklich vor etlichen Tagen derlei verlauten las sen?« »Wenn du mich so fragst, muß ish freilich die Wahrheit belennen,« ant wortete Archibald mit etwas uniwölti ter Stirne, denn ihm wiirde schwül zu Muthe. »Ja, geliebte Ebeline, ich habe das allerdings- gesagt.« »Aus Galanterie. aus Liebe hättest dn so gehandelt?« « »Ganz richtig! Und es wurde alH höchst edel und ritterlich gelobt und aepriesen.« »Das würde es auch sein, wenn ec; wahr wäre, denn solchenfalls würde es in der That ein Beweis deiner Liebe sein, iiber den ich hoch erfreut und ent ziiett sein miißte.« »Dann ist ja Alles aut!,, rief aus athmend der junge Lord. »Neins« wider-sprach sie mit ener gischem Jlopfschiitteliu »Es ist nicht aut. Denn wenn es falsch wäre, was du gesagt, dann wäre es die allergrbsz te Schlechtigleit von dir, mir meinen wohlerworbenen Ruan tu vernichte-U " »Ich wiederhole, es ist wahr." »Das mußt du erst noch beweiscn.«" »Wie denn?« »Ja vier Wochen findet abermais ein großes Rennen bei St. Theobale sstatt. dann wollen wir Beide wieder »nur die Wette reiten. Und kannst du mich wirtlich besiegen, so bist du mein einzig Geliebter —-—« »So höre ich dich gerne sprechen.« »Kannd ou es aber nicht, dann bist dn ein Lügner, und ich muß dich ver achten.« » »O, ol« rief er mit einer Gebärde to ächer Verzweiflung« » eichst du zuer fragte ste. I »Nein! Gerne bin ich bereit zu dem Wettstreit, den du verlangst. Und ,nun laß uns wieder gut ein mitein ander, in Heiterkeit und zrieden, bis zum Tage der Entscheidung!« Als der junge Edeimann wieder mit seinen Freunden zusammentraf, machte er dem schwatzhaften Lord Mallingford heftige Vorwürfe Bei nahe wäre es zu einer Herausforde tunq gekommen. Doch glücklicherweise traten noch rechtzeitig die anderen Herren vermittelnd ein und besänf tigetn die erreqten Gemiitber, so daß die beiden jungen Lords sich versohn ten I Bald wurde es überall bekannt, daß beim nächsten Rennen die liibne Nei terin Ladv Eveline Charchill is .it ihrem Bräutiaam wieder um die Val me des Siequ streiten wolle, und Auch der Grund. weshalb dies aesche lbin würde wodurch beqreiflicherweise Hinz Interesse dec- vornebmen Puoli «tnm;-, besonders der Damen, noch be Ideutend gesteigert wurde. I Ein schöner sonniaer Auqusttnz -’tuar H, an welchem dac- neue Reimen m St These-b atdg stattfand. Teig lSignal wurde gegeben, und sie ritten Während der ersten drei Runden hielten sie sich abermals dicht aneinan lden dann aber, bei der vierten, blieb Archibald etwas zurück. Schon glaubte man allgemein, daß die junge Lady wieder als Siegerin aus dem Wettstreit hervorgehen würde, und man jubelte ihr bereits im Voraus ldrmenden Beifall zu. Wie sprenate sie aber auch muthig dahin mit flie genden Locken, gerötheten Wangen und blitzenden Augen! · Nun war nur noch die fünfte und letzte Runde zu durchlaufen. Da vernahm sie plötzlich hinter sich den rasenden Galopp des Rappen. An ihr vorbei sauste wie ein Pfeil Archi bald, und mit reichlich fünfzehn Pferdelängen Vorsprung gelangte er als Erster durchs Ziel. Beide saßen von den schäumenden Pferden ab. Erschöpft sank sie in sei ne Arme. »Entibront bin ich, du hast mich be siegt,« flüsterte sie. »Ja, du hattest also doch recht: du tannst besser reiten als ich, und dein Rappe ist besser und schneller als mein Schimmel. Mein einzig geliebter Archibald, es ist also leine Falschheit in dir — das ist mein Trostl So nimm mich denn nun hin mit meinem Schimmel, mit dem gol denen Ehrenbocher der Königin, und mit allem, was ich sonst noch besitze!« Der beste Reiter Englands vermähl te sich bald dar-auf mit der schönsten Reiterin. Von der ihnen huldvoll ge lsinnten Königin erhielten sie ein kostba res Hochzeitsgeschenk. Fortan bethei liate sich Eveline nicht mehr an den öffentlichen Rennen, desto mehr aber Archibald, der noch manchen Sieges reis mit seinem schnellen Rappen ge wann. Außer zu St. Theobalds wurden bald nachher auch noch Rennen veran staltet bei Garterleh in Yortshire und bei Crondon in Surrey. Der von uns erzählte Vorfall aab die Veranlassung, daß fortan die Kö niain Elisabeth alljährlich für das große Hauptrennen zu St· Theobald-J einen goldenen Becher als Ehrenpreig stiftete. Dasselbe thaten später auch ihre Nachfolger Jatob der Erste und Karl der Erste, letzterer jedoch nur während der ersten Zeit seiner unglück lichen Regierung. Als die Unruhen aus-brachen, welche ihm schließlich Thron und Leben tosteten, kamen die Rennen wieder in Abnahme, und zur Zeit des Puritaiierthums, unter Oli ver Croniwells Herrschaft, schienen sie fast gänzlich aufgehört zu haben. Aber als dann Karl der Zweite auf den Thron lam, begannen unter diesem lustigen König sofort die Vergnügun gen aller Art wieder, besonders auch das Wettrennen. Auch Karl der Zweite stiftete alljährlich einen goldenen Be. »cher als Ehrenpreis siir den Hauptfu gck. Die alten, von uns genannten Rennplätze wurden in späterer Zeit ruf egeben; man wählte andere und grö ere zu Epson1, Derbh und New marlet. W Das Entscheidende. Slizze von M. S ch i v e r t. »Was sich Therese von diesem («-in falle verspricht, beareife ich nicht« sagte schmollend ein hübsckzegBurtiiiou then zu der schönen Euaenie von Ani« istedt »Ich fiir mein Theil bedaisle mich bestens dafür, vielleicht einen al ten, motosen Geheimrath zum Eis-»n snachbarn zu belommen.« l »Weißt Du nicht, was ,,corriaer la fortune« heißt?« lächelte Enge-nie »Lan und sieh Dir schnell an, roo Dein Platz it und dann kannst Du ja im Not fa e immer noch ein tleineg l«’-L'aschenspieler-Kunststiictchen mit den kTisehtarten machen. Aber es ist gar Lnicht mehr nöthig, denn da kommt IDein Vetter Karl, der das offenbar schon besorgt hat!« « Als dann das junge Paar eifrig redend seinem Soupervtane zusrrevte, gestand sich Fräulein von Aufstevt, daß Therele, die l«ebensiviizdigeHoiiT trau, ganz recht ge abt hatte mit ihrer heiteren kleinen Rede von vorhin: fee wolle alles Cliquenwesen vermeiden und habe deshalb heute nur durch den Zufall die Tischordnung bestim men lassen- Bodo, das vierjährige Söhnchen, habe die Karten gelegt, in dem er aufs Gerathewohl bald eine -.—. Herren-, bald eine Damenlarte ans Iden zwei Piickchen irr Marnas Händen gewählt habe — man möge sich nun mit seinem Schicksale absindenl Wie llua dieser spitzbiibische Einfall allerlei kleinlichen Rangstreiten und Empfindeleien die Spitze abbrach und wie er einen frischeren Zua in die Ge sellschaft brachte, die sich so ost, ja zu ost, bald da, bald dort vereinigt saht Denn selbft i der Großstadt bildet doch jede Geseaschaststlasse wieder ei nen Kreis siir sich, in dem man schließ lich ebenso beobachtet wird, wie in Der llatschsiichtiasten Kleinstadt Da nahte Baron Korten,Eugeniens gewöhnlicher Soiipernachbar und cis riafter Verehrer — sollte auch er viel leicht wie der verliebte Vetter Karl ein kleines ,,Clsanaement de Plan-« vor baben? Nein dem wollte Enaenie zuvortomment Mit einer getchiriten Seitentvendnna schob sie sich in den Strom der nun Speisesaal Dranaens den nnd schliipste dann eilig von Tisch zu Tisch, nm ibren Platz zu finden. Ta endlich fand sie ilm. Der Platz daneben war noch leer und der Zufall hatte ibr einen Herrn Bat-ne tiselt als Nachbarn bestimmt. Zum lsjliict also ein Fremder fiir sie, wenn si( auch seinen Namen als den eines der besten Zeichner des hervorragend ten Witzdlatteis der Hauptstadt schon lanae kannte. Da lam er auch schon! Er fab ele aant aus wie die Salonlötoen, die er mit Vorliebe zeichnete und hatte ein feines, durchaeistiates Gesicht mit scharfbeobachienden Augen ——--- sehr sympathisch, wie Euaenie schon beim ersten Sehen bei sich feststellte· lind dieser erste Eindruck beriiefte tich im Laufe des Abends-. Euaenie hatte in einem Anfalle von Uebermutb ibre Tischlarte in die Tasche qestectt, alg sich Barnewelt vorstellte, und sagte; »Tberesens Einfall hätte noch hiibscher werden können, wenn wir aanz in ioanito geblieben wären! LassenSie’H alio wenigstens mich für die Dauer dieses Soubers bleiben — ja? Ihren Namen lennt dafür alle Welt!« »Ich verdanke diesen Vorzua wirt lich nur dem Renommee der Zeitung, fiir die ich arbeiten dars, nnd bedauere oft, daß manche strebsamen Kollegen diesen Vortheil nicht haben!" saate Barnewelt bescheiden. »Ein solche-Ei Blatt kommt in tausend Hände nnd macht immer wieder neue Reilaine siir die Zeichner, die einen guten Einfall zu illustriren haben. Und das Beste daran, die Idee, ist oft nicht einmal unser Verdienst.« LUnd wer liefert dieseJdeen?« fraais re ngenir. »Oh, wirklich »alle Welt«. M« weiß, ob nicht auch schon Sie daran mitgearbeitet haben? Ein heiterer Einfall, ein Scherz von Jshnen braucht nur von dem Richtigen belauscht wor den zu sein, um uns ohne Gnade über liefert zu werden. Ja, man dient auch uns Zeichnern öfters zum Mo dell, als man gemeinhin ahnt. Das ist das angenehme Vorrecht, das wir aus jeden Menschen haben: er gehört uns, wenn wir nur wollen!« —- Er sagte das so drollig, daß Eugenie la( chen mußte. Dann aber sagte sie qan ernst: »Wie muß dieses fortwährende Turchsorschen der verschiedenstenle siognomien Jhre Menschentenntnisj scharfen! Fast tönnte man sich vor Jhnen fürchten, wenn man etwas zu verbergen hätte.« »Nun, so schlimm ist es wirklich nicht, wenn wir uns auch einen gewiss sen Scharsblick im Taxiren der Men schen aneignen!« »Gut, so ,,:axiren« Sie mich!" sagte Gugenie überiniithia. »Aber Sie miiss sen Jhr Urtheil im vollsten Ernste und nicht mit ein Paar Phrasen abgeben!« — »Und das muß ich jeht schon thun? Nicht erst am Ende des Soupers. wo wir» unsere Gespräche gewisse Auf schlusse gegeben, wo ich Sie wenigstens einiges-Zeit beobachtet hätte?«-—— »Seh drum! Ich werde mich aber hüten, Ihnen irgend etwas von meinem Le ben zu verrathen, damit Sie es reibt schwer haben, mich zu taxiren!« —— »Oh, mir ist gar nicht bange. denn ihr Jnnenleben kann eine geistnone Frau doch nicht so verberaen, das; man nicht auch Schlüsse auf ihre äußeren Verhältnisse ziehen tönnte!« So aut hatte sich Euaenie schon lange Zeit nicht unterhalten, als an diesem Abend, während des schier end losen Souvers. Sie durchlreuzte je den Bersuch Barneissclts, sie ein wenig auszusorschen,auf da5 geschickteste und sreute sich heimlich an seinem Eifer und an seinem sichtlich wachsendean teresse. Endlich beim Nachtisch, als sie gerade ein Vielliebchen unter ihren Manbeln gefunden hatte, sagte Lruaes nie lächelnd: »Jetzt ist der große du«-o ment getommeu! Nehmen Sie eine der Mandeln und taxiren Sie mich! tirrathen Sie mich ganz, so bin ich Ihnen ein Vielliebchen schuldig —-—- er rathen Sie mich aber nicht, so miisseu Sie mir eine schenken!« Sie hielt ihm die Kerne auf ihrer schönen, schlanten Hand hin und er blickte lange nnd gedankenvoll auf sit-. genie, ehe er mit leiser Berührung die Mandel von der seinen Handfliiclse nahm -— ein Seufzer hob dabei seine Brust. Dann sagte der Maler mit unsicherer Stimme: »Die Partie itz sehr ungleich: ich muß mich Jhnen aus Gnade und Unanade ausliesern undSie riskieren dabei nicht viel mehr als ein Lächeln —- noch dazu ein La cheln über mich!« »Oh, nicht so tragisch!« scherzte Eugenie. »Ich riskiere ja auch, mein-: geheimstcn Gedanken von Ihnen ent decken zu lassen —- ein Malerauge sieht ,schars!« —- »Ach, den Frauen gegen iibersind wir stets iinDunteln!« seufz te Barneweli. »Aber ich will doch versuchen, Sie zu ,,entdecken«. Als-e, »ich denke mir, Sie sind entweder die fTochter eines hohen Offiziers oder «Staatöbeamten —- Sie sind viel ge lteist und haben auch viel und zwar nur Gutes und Ernstes gelesen —- Sie interessiren sich für die schönen Künste Und üben wahrscheinlich sogar selbst eine aus —- Sie haben die Gesellschaft fast bis zum Ueberdrufz genossen unt-; sehnen sich —- vielleicht ganz unbewusn —- nach einem anderen Milieu oder nach einer anderen, Ihnen harmonisch gestimmten Seele — und Sie sind —- -—« »Frau oder Mädchen?« »Jhre Sicherheit und die » reiheii ihres Denkens sagen: Frau. Jhre Augen sagen: Mädchen! —- Jch weiß nicht, was ich mehr wünschen soll!« ·,,Wünschen? Sie sollen rathen, Herr Barnewelt!« »Nun denn: Frau!« »Sie haben nun doch verloren!« sagte Eugenie, Verwirrt durch die plötzlich freudig aufseuchtenden Blicks des Malers, und machte sieh an ihres-! Ridikiil zu schaffen, um das Tisch lärtchen daraus hervorxusurhm Ida-; reichte sie es mit schnell wieder aew:..i nener FassunaBarnenull hin und sag te gravitätisch: »Hier ist meine Kar te, mein Herr! Zur Beglaubiaiitia, daß Sie Verloren haben!« —— Und da in demselben Augenblicke die Tafel aufgehoben wurde, nahm Eugenie im. Aufstehen Barnelvelts Tischtarte, »nur sie sich zum Andenken an die amiissans ten Stunden auszuheben!« Ein leich ter Händedruck noch und Eugenie eilte zur Hausfrau und wurde da bald Von anderen Bekannten umringt. ist«-: einmal trat Barnewelt an sie heran, aber in demBestreben. nicht zu liebens würdig zu werden, hatten ihre Ab schiedsworte an den Maler recht korr ventionell und kühl aeklungen und er dachte sich dann bitter: ,,Ehrenr-oll verabscheidet! Schade! Sie war wirklich reizend, diese Freiin von Auf stedt, und ich hätte beinahe den Kon verloren! Jetzt heißt es nur noch, ih re Adresse zu erfahren und ihr in ei nigen Tagen das verlorene Viel-lieb chen — irgend eine Zeichnung — zu senden. Vielleicht hatte sie es ja auch nur darauf abgesehen!« Aber er wählte doch einen seiner schönsten Studientöpfe aus, um ihn Eugenie zu senden, und freute sich mehr,als er sich selbst eingestehen woll te, über ihren Danlbrief, der verständ nißvoll und eingehend die Schönheiten seines Geschenles würdigte, und der zugleich eine Einladung zu einem Abendessen »en Famille« enthielt. Thatsächlich bildeten dabei nur we nige Leute die Tafelrunde: Euaeni ens Vater, ein geistvoller alter Dip lainat, seine Schwester, welche oie Stelle der frühverstorbenen Hausfrau einnahn1, ein paar Freunde des alten Herrn, Barnewelt und Eugenie wie neulich ein fröhliches und interes sirteg Nachbarpaar, dem die Stunden des Beisammenseing nur allzu schnell entschwanden. Beide gestanden sich das später ein, innerlich über sich selbst verwundert, und Beide suchten fortan eifrig jede Gelegenheit, sich zu treffen Und wenn man das ernstlich will, so gelingt es leicht. Barnewelt war eben »in Mode gekommen« und somit siir die Gesellschaft entdeckt; man sprach Von ihm, man lud ihn ein und er nahm gerne an, wenn er Euaenie zu treffen hoffte. Gugenie aber freute sich jedeIWiedersehens so intensiv, das; sie Mühe hatte, diese Freude hinter ,der gelassenen Artigleit der Salond.s. l l l i i l l "me zu ver-berqu Aber ein Letztes-, ein Entscheidendes fehlte doch noch, ihnen die Worte der Liebe, die sie im Herzen und ganz heimlich für einander hatten, auch auf dieLippen treten zu lassen Denn man ift nicht umsonst ein Kind seiner Zeit nnd der modernen Ueberbildung; man forscht, man grübelt und überleat man ist mißtrauisch qegen sich und Andere und man glaubt sich verpflich tet, den ,,gereiften Verstand« zu Rsksthe zu ziehen, wenn doch das frisch- Em tssinden des ,dummen Herzens-« schon lange gewählt hat! Barnewelt wie Euaenie litten unter diesem Grübeln. Jede-s- hätte den An dern bitten mögen: laß mich frei in Deiner Seele lesen —- bin ich Dir so viel, wie Du mir? Jst nicht noch ein llttausgesprochene5. Unaeahnted da, das uns auseinander hält? Aber Beide schwiegen nnd forscht-In weiter nach diesem auälenden Unbe tannten, das vielleicht gar nicht da war! Da begegnete einmal Eugenie ans einem einsamen Spaziergange qanz unvertnuthet Damensle der eine s«"«" sehr häßliche und sehr uneleaanteFraa am Arme sijhrte. Sie ging so lang sam, daf; der Maler und Eugenie Zeit hatten, sich über das nnaeahnte Be gegnen halbwegs zu fassen. Beiden klopfte das Herz heftig und sie wuß ten: jetzt ist die Entscheiduna da! Barnewelt dachte bitter: »wird sich die« schöne, verwöhnte und elegante Freiin Von Ansstedt nicht am Ende hochmü thia gegen die arme, alte Frau an meiner Seite benebmen?« Und Eu genie fühlte mit Beben, daß sie Var netvelt verachten müßte, wenn er ietzt schweigend vorübergehen und damit zeigen würde, daß er sich seiner Be gleitung schäme. Beide aber wünsch« ten heiß: wird sich das geliebte andere Wesen jetzt so zeigen, wie es meine Lebensauffassung siir das einzig chh tiqe hält und wie es meinem Herzeni wohlthutZ Achtlos wollte die alte Frau vor iibergehen, aber Euaenie hemmte der; Schritt und auch Barnewelt b ’eb sie ben. Nicht lächelnd und fröh ch snie sonst begrüßten sie sich, sondern erst und den Blick forschend in des Andern Blick tauchend. Einen Moment lang nur, dann sagte der Maler so feierlich. als nenne er sie einer Köni m: »Wil! ·-.-,.. mir erlauben, gute utter, da ich Dir Fräulein von Aussicht vor stelle, von der ich Dir schon erzählt l)abe?« Und Eugenie dachte: Seine Mut ter! Die gute einfache Frau, die ge darbt und gearbeitet hatte, um dem Sohne das Studium zu ermöglichen, und der jetzt seine Fürsorge galt. so gut als es ihre schlichten Lebensge wohnheiten verlangten. Seine Mut ter! -—s Dann beugte sich Eugenie hin ab aus die runzelige Hand der Ma tronc und küßte sie ehrfurchtsvoll und se gerührt, daß ihr die Thränen nahe waren. Dann war die Spannung gewichen. der böse Bann gebrochen! Frölchch schritten alle Drei durch den Park nnd die alte Frau Plauderie lebt-ask iibcr allerlei Nnhelicikendesz —--- übe-;- den Frühling iiber ihres Sohne-?- EIN-obre ans die sie nicht wenig stolz wars Die jungen Leute aber sahen sich Ins-- kris xnrr wieder frendestmhlend in die III-: g-::3. Sie fiiblten Beide tiesbccsliertt, st; nun nicht-Z mehr sie trennen sann te, daß sich ihre Herzen ganz Dorn-m pen! Und als Varnewelt leise beim klits sxkxied si."1gte: »Engenie, darf ich lieu-) noch kommen und mit dem Vater spre chen?« da reichte sie ihm die Hand und sagte einfach: »Komme, Du wirst mit Freuden begrüßt werden!' wo l . Der Bürgerrechtsfumpf bei l Arme-ist« Nach dem Tode der Königin Cäsa beth wurde König Jakob von Schott land, der Sohn der unglücklichen Ma ria Stuart, ihr Nachfolger auf dem englischen Throne. Im April 1603 verließ er mit feinem Gefolge Edin burg, um nach London zu reisen. Er überschritt die Grenze und gelangte bis Alnwick, wo er übernachten wollte. Diese Ortschaft war damals nur ein DE 1rktflecken. Vor dem Thore befand sich eine fchmntzige Wasserlache, ein großer Sumpf, den man auf einem Kniippeldamm passiren mußte, um in die Ortschast zu kommen. Es regnete nnd stürmte und war sehr dunkel am Abend des St. Martustages (25. April), als Jakob ankam. Wie er iiber den Kniippeldamm ritt, gerieth er Von demselben ab und mit seinemPfer de in den Sumpf, nicht gerade in große Gefahr, denn man half ihm natürlich sogleich heraus, aber er wurde roch iiber und über schmutzig, und was noch unangenehmer, er zog sich dabei einen argen Schnuper zu. Am folgenden Tage machte ihm die Obrigkeit von Alnwick ihre unter-tha lnigste Aufwartung und erbat sich von ihm die Gnade, er möge doch ihrem Flecken das Stadtrecht verleihen. »Das will ich gerne,« sagte huldvoll der neue Monarch und fügte witzig hinzu: »Es Fwird gewiß auch so 'am besten sein, den Flecken in eine Stadt zu verwandeln, denn Euer Flecken ist wahrlich der !sch1nnt3igste Flecken, den ich je in inei nem Leben gesehen habe!« . . . I Jn der That wurde einige Monate Tdarans dein Flecken Alnwick das-Stadt srecht verliehen. Die bezügliche Urkun ;de darüber enthielt aber eine ganz son sderbare Klausel König Jakob, der ja ein so seltsam gearteter Potentat war, Ifdafz S11ll1), welcher als französischer zGesandter längere Zeit an seinem Hofe sw,eilte, ihn den »weisesten Narren in der Christenheit« nannte, kniipste an »die Verleihung des Alnwieker Bürger Irechtg für die Folgezeit folgende Be sdingung: Alle diejenigen, welche fort-— an dort das Bürgerrecht erwerben wollten, seien es Einheimische oder Zu ziigler, sollten gemeinsam imApril und zwar stets ain St. !l.ltarku5tage, in feierlicher Prozession den Sumpf bei der Stadt durchwaten, angethan mit ihren Festtagsgewänderm Man verfolgte in der That diese Verfügung aufs gewissenhafteste über .zweihundert Jahre lang regelmäßig im April am St. Markustage und mit der Zeit tviirde sogar eine Art Volkssest daraus, wobei die guten Alnwicker sich bestens amijsierten. Endlich aber -—— es ist das noch gar nicht so lange her-— kamen manche Bürger zu der vernünf tigen Einsicht, daß es nachgerade doch an der Zeit sei, den albernen Brauch abzuschafsenx der Tllcagistrat kam nach reiflicher Erwägung zu derselben Mei nung und faßte einen dahin zielenden ’Beschlusz. Aber nun protestierten die-: He Einwohner dagegen; durchaus woll sten sie die alte Sitte beibehalten Bei-— snahe wäre eg darüber zu einem ernsten TKrawall gekommen. Doch endlich ;siegte der gesunde Menschenverstand iüber die Unvernunst. Den ilIi«,-,ufrie jdenen wurde es klar gemacht, das-, Kö ;nig Jakob jedenfalls damals nur we gen jeneg Unfalle der ihm den bösen Schnupsen zugezogen, in seinerArt den Alntvictern zum Possen die wunderliche Bedingung auferlegt habe, daß durch aus kein tieferer Sinn, der die Beide haltung empfehlenswerth erscheinen lassen könnte, darin stecke. Der alte Brauch wurde dann auch richtig auf gehoben. Die große schmutzigeWasser lache existiert aber heute noch und hat ihren Namen »der Viirgerrechtssunipf« bis auf den heutigen Tag behalten. —— Vorsorglich. Bäuerin: ,,Wozu nimmst Du denn den Kntittel mit, Mi chel-?« —-s Bauer: »F han da drissen mit dem Körbelwirth eine Bespre "chung.« « « -