Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 22, 1901, Sonntags-Blatt, Image 14

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    —
efatmn
Eine Geschichte aus dem Leben. LI:
S. B a r i n i a y
Ein kleines, einfach aber behag
lich mit künstlerischer Zwanglosigkeit
Serichtetes Wohnziwiner Vor dein
eibtisch saß ein junger Mann und
. Ein dreijähriger Junge,
chwarzlockig und rothwangig das
deal eines Kindes-, kauert-: auf dein
ha und spielte mit Baukliitzm
Das msatte Licht des sonnenlosen Di
tobertaaeö füllte den Raum, das fröh
liche Schmutze-n des Knaben durch
fchsslstt AM
Eme schlanke Frau trat in Hut und
Mantel in den Thürrahnien
«Als«o, ich kann ohne Sorge gehen?!«
sprach sie, die Handschuhe übers-etwa
»Du wirst Bubi aut beaufsichtigen?
Gelt, Osbar'i«
Ihr Gatte laute den Stift weg, er
hob sich und ging lächelnd zu ihr l,in.
»Aber natürlich, Schatz! Bubi ist
M auch mein Kind, nicht bloß das
Deine! Willst Du inir vielleicht noch
mali eine viertelstündige Borlesung
halten über meine Pflichten aläK in
dersoaus Geh nur endlich kaufe einen
uken Abendsckmaus und komme e
und wieder! Wesan Bubi kannst Zu
for-zum beruhigt sein, wir zwei werden
aMel-ori! Doch Du weißt gar
W wie wild und flink der Junge
manchmal ist! Da heißt es, die Gefahr
ahnen und beseitigen, ehe spe nur nahe
ists« meinte sied ein-glich.
Mit suiittsrsclyernkmg Blick nraß er das
kleine, zierliche Persönchen, das ihm
voll Mutter-würde und Muttetsosrge
Meinstastester Miene Vorsicht ern
»Geh nur endlich Frau Sor el«
sei-sie er und küßte sie zärtlich. Bu.
begann Bubi voll Eifersucht zu johlen
und zu kreischen, und weil ihm der
lange, schwere Tisch den Weg ver
sperrte, machte er Miene, einfach iiber
denselben zu klettern
.Da nahm der blonde, heitere Mann
seine Frau bei den Schultern und schob
sie stürniisch zur Thiir hinaus-. Kaum
konnte sie mehr einen flüchtigen Hund
kuß für den Kleinen zurückweriem La
chend rückte sie den Hut zurecht und
ging·
Draußen umfing sie kalte, nebel
ituchcte Luft. Aber was- tat’5! Jlir
war das Herz so warm, und diese
Wärme theilte sich beleben-d auch dem
Körper mat. Flott und elastisch schritt
sie vorwärts. Wie wohl that ihr der
Gang! Bubi war erst kürzlich trank
aeioeseru und seine Pflege hatte sie sehr
argestrcsigt. EineWoche ohne Ruh-.
ohne Schlaf und die Seele voll Angst
und Bat-new Sie war nicht aus dem
Krankenzimmer heraus-kommen bat
beme Speise berührt und nur hie und
daem Glas Wein hinuntergegossen.
Ihrem leidenschaftlich Natur riß sie bei
Der Waffen Störung aus aller Be
souwnheiU
Bubi war ihr über alle Maßen
them-U titi er, so litt sie doppelt! War
er krank, dann fraß die Bekümmerniß
derart an ihrem Herzen, daß sie aeaen
alle Fort-errungen der Natur empfin
Wlos war, und so kam es stets,
daß« wenn der Knabe wieder aesnnoeie,
nicht nur ihre gespannten Nerven er
schlafften. sondern auch sonst ihr Kör
M die Folan der Vernachlässigung
e.
ji«-— k,- —.—.I, k!-- t sk-! s· ·,k
un» »u- unu- un-111W. Hure Wuns
süchstige Mattigkeit mit allen Nebeneri
scheinungen über-fiel die zarte Frau, so
daß ishr der Hausarzt eine Stianbreze
hielt und energische Vorschriften pe
machst Bis jetzt war das Wetter schön
aewesei und Tag frir Tag wir sie, das
Kind an der Hand. hinausgemandkrr
aus der Dunstatmospbäre der Stadt in
die reine, herbstlich-frische Luft. Aber
nun kamen die gefährlichen Hei-Mine
besl, die sie für Bubi fürchtet.
Und lieu-tue gar! Heute Morgen war
locker-est Schnee gefallen und die Stra
ßen fharrten von Pfützen und nassem
Stils-mild Da wollte sie zu Hause blei
ben! Doch ihr Mann, der nach Z Uhr
tin-erwartet wieder dein-kam, jagte sie
users-sittlich fort ohne Bubil
Und sie war froh seht, daß sie ge
gangen war! Nun fühlte sie erst, wel
che die Bürde die Liebe allzeit trägt.
ohne sie zu merken. Wie langsam war
sie sonst mit dem Junge-n von Des
Stecke gekommen; bald zog et sie arn
Neide dahin, bald dortan eben bliek
er fiel-n. dann drängte er vorwärts-;
erst wollte er keck-as, hierauf links ac
W wer-dem dann riß er sich von
-. der Band los, blieb zurück, lief vorar
und-sie mußte ihm voll Sorge nachha
» Wie schön war es dagegen, so frans
j . M M, ist raschen Tempo dahin zi
U - Mal Das Blut flon ihr rascher
« J- due-h die Adern, vie Nerven etsrisch·
; « . hu sieh, die Stimmung wurde gehobe
- « sek, krdljicher, der Geist leichter unt
Einem raschen Gebeinen solgeny
Betrat sie einen Laden und sauste nn
W Lächeln ein pralles, appetitli
U WMWz Sie wußte« das
He the-n Mann keinen willkommen
sta Idendsebmaus bringen konnte
M D stand sich mit ihrem hauslml
III-PG diesseåeskäoåut Ehr gut, si
II, dies-en« rt en ones-sagen
s g II ia steil-ich nicht! Sie mußt
-Me lebten so am gut urt
J »a, aber M einfach. rech
XCVI-wollten nucheinGe
W W file spckiers
Musik« s.
nein »der ersten Fachaeschäfre—tönnten
sie leben wie die Könian
Und mit den Gefuhlcn einer Fürstin
hatte sie denn auch ihr neues Heim be
treten, das sie mit dem größten Theil
ihrs tleinenVernögens sich so schzrmck
und herzig eint-gerichtet hatten! Und
diese Gefühle waren wunderbar-er
Waise bis heute dieselben geblieben,
trvßdem es so gar nicht königlich bei
ihm-l zuging und sie schon längst ein
sehen gelernt, wie viel Geld das täg
liche Leben verschlang! Besonders seit
Bubi da war!
Aber gereicht hatten sie noch intmex,
und, wie gesagt, soger sorgen für spa
tere Tage konnten sie etwas! Und
glücklich war fre! Unaussprechlich
alücslsich! So zufrieden mit ihremLoos,
wie sie es vielleicht nicht geworden,
tvenn sie wahrhaft eine Königin ge
wesen wäret
oihr Päckchen an’s herz drücken-d,
ftapste sie weiter durch das schmutziqe
Schnee-wasser. Schon sing es an zu
dämmern. Es übersiel sie mit eine-n
Mut heiße Sehnsucht nach ihrem Kind,
noch ihrem heim! Die Gedanken von
vorhin und has Ernst-finden der Wohl
that. als sie so unbeirrt dahinschrjtt,
fchstneu ihr plötzlich ein Unrecht, eine
Versiinhigung an ihrem Muttergliickt
Jrntner größer wurden ihre Schritte,
seher rannte sie schier.
Ethiht und athemlos tatn sie nach
hause und drückte auf die Schelle. Jhr
Mann öffnet-. Ein Mädchen butte
fie wicht. Nur eine Aufwärterin ttir
die derbften Arbeiten.
»War ich nick- brav?« rief sie ihm
M zu. »Ja-ei Stunden bin ich
gelaufen, und sich'. Schad. was ich
Dir mitgebracht! —- Aber wo ist
Bubi?« .
Oötar lanr ihr so schnell vor. IT
lonnte in dem dämmerigen Flur ein
Gesicht nicht sehen und wollte ihn in’s
Zimmer drängen Der junge Man-i
fesäte dann ihre Hände und hielt sie zu
ru .
·,,Erschrick nicht« Laura!« sprach er
niedergeschlagem »Ich war eine sehr
fchäechte Anders-kam Bubi ist gefallen
un . . .«
»Sat eine Bet:le?! Na, die erste ist
sie ja nicht!« unterbrach ihn seine
Frau gut getrennt. Sie war erst er
schrocken, beruhigte sich eher rasch und
dachte, ihren Mann tüchtig auszula
clxrn Hatte er doch vor ihrem Fortge
hen sich gebriistet genug. wie er auf
das Kind ach-ten wolle, und ihre Mah
nung spöttisch abgewehrtt
Und nun Fu Buhi!
Sie eilte in’2 Zimmer, in welch-tin
sckpn die Lampe brannte. Aus Dem
Sovha laa der Knabe, weinend, kla
gend, das Köpfchen verbunden Der
Raum war in großer Unordnung-Isi
cher, treibt-mehrte Komprefsen lagen um
her. eine Schüssel mit Wasser M ans
dem Tische.
Laursa stür te aus das Kind zu.
«Bubi weht« but-i weh!" stöhnte vie
ses und heut-te nach der Stirn.
»Aber was ist es? Was ist gesche
hen?« fragte sie angstvoll und sing In,
die Fassung zu verlieren.
Sehr bleich und mit zusammenge
jthnriffenen Lippen stand Ostat hinter
r .
)
III.I«II
»Nichts-, nichts van Bedeutung! Da
brauchst kein Bangen zu baden! Bsibi
erwischte heirnikich meinen Zirkel, fiel
damit und verwunden sich an dem
Auae2«
»Im Auge?« sraqtr Lnsra dass
erste Wort scharf betonen.d.
»Ja, beim Ange!«
Sie mollre das Tuch abnehmen, urn
das Unheil selbst zu sehen. Ost-n
wehrte ihrs heftig. Die Wunde bat
Herr Gerole verbunden, und er meinte,
es wäre besser, bis morgen den Ver
band zu lassen! r will morgen wieder
nachfeken!«
»Der Doktor! Jst’s denn so
schlimm?« stieß Laura, tödtlich er
schrocken, heraus· Oåkar konnte ten
Blick dieser großen, angstvollen
Frauenaugen nicht aushalten.
»Ach nein nein! Er —- er kam zu
fällig — er wollt-e nach Dir sehen und
da stand er mir bei! Aber es istnicht
bedenklich! Dem-hier Dich ka!«
»Du fcsgst mir die Wahrheit, Od
iar?"
»Ja ja! Gewiß!«
Die Aufregung der jungen Frau
iesate sieh zwar allmählich als sie sah.
da Bubi nach einerWeile zu jammern
hörte und wieder munterer wurde,
2 aber ihre frohe Stimmung kehrte d
nicht wieder Kaum ein Lächeln no
erregte bei ihr das gepreßte, verlegene
Benehmen Mars dem es offenbrr
höchst peinlich war, daß gerade unter
seiner Aufsicht das Malheur pafsiren
mußt-ei Der Verband von dein sie die
r Hände lassen messe, der ihr verbar g.
was geschehen war, wirkte unheimlich
s und beilernmend aucf ibr Gemüts.
Der nächste Taa war ein Sonntag,
ibr Mann also zu Hause. Als der
Arzt meriwiirdiknweise schon in aller
Frühe kam« It er hastig zur Tit-tin
um zu öffnen, otzdem die Auswarm
iran da war. Er fiihrie herrn Ge
roid safori in das Schlnszimmer zu
Bubi der noch in feiner-r Veilchen
lag.
gLauter eilte rasch herbei als sie die
Stimme des Arztes vernahm Duh
Lsiar ließ sie nicht ins Zimmer.
.Bleib’ nur draußen! Du bist noch
zu mrvöi und regit Dich- unan his
auf! Geifi Der Zerr Dotter teiks ha
ben!« sküsierieer erihr zu und schob sit
fast M Miirn ji« M Him
me. Er i spie-It die te at
P sie Im eM ob sie ne « oder
»Er-Filiri- neben sie des Drum
Y» nnewsss s- W
, WI- II It M des
einer gesabrlosen Wunde vermeiden
mußte!
Von Zeit zn Zeit klopfte sie an die
Thür. Sie wollte den Arzt asbsangen
rnb sprechen Vielleicht war spat
doch nicht ganz ehrlich! Urplötzlich stieg
ihr manchmal eine qriiszliche Arn-ist aus
dem Herzen empor.
I Abersie klopfte umsonst. Der Arzt
ging und sie sah ihn nicht. Auf das
höchste erregt, schlug sie endlich mir
beiden Fäusten zu.
i Nun schloß Ostar aus. Sie wollte
iibn zanken, doch vie Worte erstarrten
auf ihren Lippen. Bleich. gleich einer
,Leiche, kam er here-in mir veritörten
s Zügen ichwantte aus daz Snvln zu
san-l stöhnend daraus meder und schlug
die Hände vors Gesicht
Laute treischte auf
»Wns ist’s? Bubi, gelt Bubit Du
hast mich belogen!«
Wie ritt Tolle stürmte sie hinaus
und ins Schlaszirnmer·
Da las der Knabe mit glüht-otan
Wangen. eine Kompressc iiber dem
linken Auge. Bubi will nicht fortl«
ries er weinend. »Mit-i will beiMnrna
bleiben bei Marna!«
Lauter riß das Tucss weg. Eint
kleine Wunde über der Braue erblickte
sie, das Auge selbst war unsichtbar
und über-wuchert von einer starken, ent
zündeten Geschroulst Furetnbarer
- Schrecken siel am ibr herz. Sie schrie
nach ibrem Man-n. .
»Was sagt Gewka fragte sie Ihn
zitternd« als er langsam herangekom
men war.
»Das Kind soll heute noch in dke
Klinik!·'
»Akso ist Gefahr stir das Auge?«
ZWußlest Du das nestern schon?«
Die dumpfe Stimme Ostarz ant
wortete jedoch nicht so prompt nne
bisher.
»Sage mußtest Du es gestern
Nein!' llanq es leise und etwas
öaern
Gebl« sprach Laura dann in be
schlean Tone.
Und wie ein Verbrecher schlich er
hinaus und ließ sie mit dem Knaben
allein.
O f f
Bubi tmr nun seit zwei Wochen aus
dem Hause Oslar hatte gefürchtet
seine Frau, die gewohnt war den-klei
nen Tag und Nacht nm sich zu haben,
würde trank werden über die Qual der
Trennung, wie über die Angst um das
Eraehen nd dir Wortes no ihres Lieb
linas Er hatte erwartet sie werde
sich wie irr gebärden in dem schweren
Schmerz. Aber seltsame-weise nicht!
Und doch wäre ihm das beinahe lieber
gewesen denn so wie sie seht war,
graute ihm vor ihr!
Sie hatte nicht geweint, als er nnd
Gerold das Kind fortbrachten; aber
ein Kraan tiefster Qual hatte Ihre
seinen Züge verzerrt, der ahnen ließ
mit welch starker Gewalt das Weh in
ihr arbeitte!
Und dieser erschütternde Ausdruck
nnterdrückten Leidens schien nun ver
steiniert zu sein rn dem blossen Ge
sicht das die Scheitelwellen des aolds
braunen haares madonnenhaft ein
rahmten. Eine herbe Linie bildete
sieh allmählich um den schweigsamen
Mund; die Erhabenheit schwerensiusw
mers leuchtete von ihrer Stirn
Die Mir-Alten sprachen kein Wort
zusammen. Still nahmen sie die
Mahlzeiten ein und mieden sich soviel
sre konnten. Ein aewisses Schuldve
tvußkseine ward Oslar nicht loss, ro
sehr er sich auch vor sich selbst frei
sprach Die Trägerin des ernsten
aualaeneichmten Antlitzes verurtheilte
ihn unbedingt! Das fühlte er, und es
machte ihn unsicher.
echier demüthig versuchte er e: n ge
Male, ein Gespräch einzulseitem erhielt
aber keine Antwort Er wollte sie ce
stirnmen, mit ihm zu den kurzen, .vü
chentlich zweimal erlaubten Besuchen
in die Klinit zu tomsrnen doch zu sei
nem Befremden wies sie ihn schroff
ab. Hatte sie gar leine Sehnsucht.
das geliebte Kind zu sehen?
Endlich hoffte er durch Nachrichten
von Bubi die Starrheit ihres Wesens
zu« brechen. Er erzählte von ihm und
fernem Besinden Schon nack- den cr
slen Arten erhob sie sieh und gebot
ihm Schwei en.
»Ich wi nichts wissen! Spore
Deine Worte! Wenn Du nrir das-Sind
wieder so zurückaben kannst, nrie ih
Bist an jenem Nachmittag überließ,
ist alles gut! Wem REM.
Sie sprach niclf aus und ging.
Oslar strich lich über die Stirn und
seufzte ties. Wie sollte die Zukunft
werden? Denn wie er ihr den Knaben
konnte das We er
mit-rinnen
tschi-n lange! Ihm schaudern nor vean
« Mge.—
Und dieser Tag kam bald! Mit
überquellenden Augen nahm er fein
Kind entgegenOaH jauchzend vieAerm
chen naich ihm streckte.
Dann fuhr er nach Hause. Was
ieyt kam, würde ihn noch schwerer
treffen, als es schen der Anblick des
blossen, einäuaiaen Knaben gethan!
Den ganzen Weg wünsche er jin
daß ein Unglück ihn vernichten möge,
damit es ihm erspart bliebe, vers-int
ter das Kind so zu bringen! So! und
er war schuld daran! Oder nein? War
es nich-i doch ein rausmney unglücks»
lieer Zufall gen-e en, me er in rief-:
oder anderer Form in vieler Menschen
Leben tritts! Ei hatte doch sorglich
genug auf das Kind sachte-! Aber in
einer Spanne Zeit, kürzer als ein
glime war das Unheil gesiche
- Eis-ertei, wie mer« auch nehmen
W. in den Muts-ragen
- New Ob er siew vohlje jäh
stn lautet-—
—
Laum erwartete sie schon aus derj
Treppe. Sie riß Oster Bubi vom
Arm und trug nnt Eil-schritten den ju
belnden Jungen bis in die Mitte des»
ZimmereL Ostar folgte mit stocken
dem Atbem
Voll stüttnischet Leidenschaft Sieb
koste die Mutter das Rind. Denn
stellte sie es nieder und see-te mit zit
ksernden Fingern die verhüllende Binde
os.
Nur ein Auge schaute sie frisch und
zärtlich an! Ueber der leeren Höhlung
des andern lag schlaff das mit einer
Narbe bedeckte Lid!
Schnell knnausschteiend ließ die
junge Frau den Knaben coe, fiel in
die Kniee und schlug ächzend diehände
vor das thtönenüberströmte Gesicht.
Bubi umtlarnrnerte sie und weinte in
berzbrechenden Tönen mit.
Das hatte sie doch nicht erwartet.
so sehr sie’s auch gefürchtet! Das
nicht! Noch immer hatte die Hofs
nuna in ihr geatlnnet die hoffnung,
daß alles wieder gut werden könne!
Aber fett war’s vorbei! Die grau e
Wirklichkeit stand vor ihr: Das heiss
qeliebte Kind war balbetblinvet nnd
zaåfdurch die Schuld des eigenen Va
r .
Ostar wandte sich mit zusammen
gebiuenen Zähnen ab von dem schmerz
lichen Biw. Eine Weile überließ er
Lan-ro flyren Tdrönen Dame aber
neigte er sich über sie, sprach ihr trä
stend zu und wollte sie aufheben. Da
schnellte ste dlitzgleich empor.
,.Rüljr’ Dsu mich nicht« an, Du
nicht!«
me stan Blicke zuwersend
nahm sie Waben, ging in's Neben
zitnrner rnit ihm und schloß sich ein.
Mit wehren Lächeln nrn den blond
bebarteten Mund verließ Oskar sein
heim, aus dem das Glück ausgezogen
war. Für inman —- —
Bubi war bald wieder heiter unt
vergnügt MS er die schwarze Bin-de.
die ihm höchst lästig war, sue-gierig
ablegen durfte, unterschied sich sein
Wesen und Benehmen- in nichts von
jenem in der Zeit, in der er noch mit
zwei Augen in die Welt sah. »Bubi,
ein armes Bubi. nie-MS nur ein Arag
leire hat!" sagte er wohl bisweilen
tvenn er gerade gern« geschmeichelt wer
den wollt-e. Aber sonst war er tacht
Kinder slinl und übermütlny wie fru
r.
k--..-- .·». E-. ic» -»t »s. sp
Maul-U JIUH III cqlll Lus- Olc »Es-I
hätfchelte ishr namenlos, bis zurslürdezsp
sinnrakeet. Wat- Bubi wollte, bekam er;
und geschah; was ihm nicht recht wac»
unterblsieb allemal. Bubi war der
Herrgott des hauses und zugleäch der
anann desselben! Oskar hingegen ein
Nichts, ein Schatten. der so viel wu
niche beachtet wurde.
Die leidenschaftlichsten Vor-würf
seiner Frau hätte der junge Mann
geduldig binaenvmrnen und wahr
scheinlich nach und nach zu entträsien
gewußt, doch die verachtet-de Kälte,
die ihm Laura zeigte, brach seine
Geduld und brachte fein Blut allmäh
lich in Siedealuttx
Eines Tages packte ihn der Zorn.
Es kam zu einer Szene.
,,Bin ich denn ein Uebelthäter, daß
Du glaubst, mich Tag für Tag so hin-«
renan seyen zu dürfen?!« fuhr er aus. ;
»Meine Langmurh ist zu Ende! Mei. sl
Duelwa rnsir war es eine Freude, was
geschah? Bubi ist mein Fleisch und
Blut so aut wie Dein-s und ich leide
nicht minder unter dem Unglück wie
Du! Aber es ist nun einmal geschehen
und muß getragen werden!« I
Mit kühlen, abrdaisensdens Augen fals
rhn feine Frau an.
»Gewiß undJedeö trägt es auf seine
Weise! Ich tra«g' es so! Umd mich wirst
Du nicht ändern. weder irn Bösen noch
um Guten, deren Du sannst mir den
Gedanken nicht nehmen-. daß dies-S
Unglück nicht geschtbtn wäre, wenn
statt Deiner ich den Knaben behütet
Mk
.Und vielleicht auch!«
»Me11eicht! Bei Mr ist es bewitä
geschehen!«
»Aber ohne meine Schutt-P
Laura tun-gelte die Stirn.
»Wie groß oder wie kleine Deine
Schuld daran, ist Nebensache! Und
wäre sie riesengroß Wen und das
Unheil wäre vor-übergegangen. nichts
hätte unsere War-trennt und un er
Glück zerstört! Mr daß M en
Schaden erlitt, der sich sittls ganze
Leben W mehr lieben läßt, das
W uns für alle Zeit! Schalk es
an, das Wicht-IM- verwendete
arme KWWL MADE Dr- nich:
bei dem Anblick das Vers WA«
»Du bist unlogisch, Laute-! Or
Vubi bei dem Fall sich nur eine Beute
schlug oder das Auge verlor, meine
Sckmld und meine Schuldlosigkeit da
bei bleiben sich völlig gleich! Daß das
Schlimmen geschah, war Gmresamkes !
des Schicksal-. aber . . .«
Die jung-e Frau unterbrach ihn.
«Wozu so viele Worte! Wäre das
Unglück unstet errettet Aufsicht eisu e
tretem ich würde mich selbst hu en
und mir die schwersten Vorwürfe
machen mein Leben bangt So weig
neie es sich unter Deiner und ich hasse
Dich! Versuche reich-O mehr, mich um-;
Minme Meine Liebe. mein Wes
gest-in all« meine Kräfte gehören nun«
dem Kirche-II Für Dich hab' ich nichts
mehr, will auch nichts mehr von Dir!
Los mich site-L«
Und on feiaen flehe-wen Augen« set:
sahe-flieh Wut-r
UMMMMMMWIMI
—
So» setzte sich dann das unerquick
liche Leben fort. Welch’ qreller Gegen
iatz zu der glücklichen Harmonie von
einst! Feindseliatieit auf beiden Sei
lsen —- auch Oslar war aereizt —- und
zwischen ihnen derKnasde, dessen harm
lose Fröhlichkeit unter der zerrissenen
Stimmung sein-er Eltern allgemach zu
Leiden begann. .
Es herrschte ein steter »Kaan um
ihn. Laura ließ ihn nicht von ihrer
Seite· Nicht zehn Minuten durfte er
allein beim Vater bleiben, selbst wenn
sie in der Wohnung war. Stets rief
fie ihn zu sich. Und liier war auch der
einzige Punkt, in dem selbst But-Ps
Wille nicht eriiillt wurde.
Dwö Kind begriff natürlich nicht,
warum es die Eltern so bin-— und her
zerrteth wurde verdrießlich und unge
bärdig dadurch, nnd es trat ins-plac
dessen manche linartiateit zu Tage, oie
Strafe verdient hätte. Ader Strafe
kannte Bnbi gar nicht mehr, seit ihm
das Unglück widerfahren war! Laura
zantte und züchtigt-e ilIn nie· Und its-ei
sie auch manchmal der Zorn faßte.
wenn sie sein Gesichtchen mit dem einen s
Auge ansah. ließ iise die schon erhobene
Hand wieder sinken
Osten aber durfte von vornherein
nicht wagen, dem Knaben ein tadeln
des Wort zu sagen, geschmige ihm gar
einen Klaps oder mehr zu geben. Da
brausten die Grollevorte aus Laurcks
Mund wie eine wilde Kaskade hervor,
und sie selbst wurde zur Furt-. Also
ließ er es schließlich sei-n.
Der Junge wurde selbstvde unter
diesen Umständen alles andere ehe-,
als ein Mustertniabr. Ver-sattelt, eigen
sinnig, rechthaderisch, empfindlich und
MipruchåvolL tvectte er in der Brust
des Vaters manche Sorge iiir die Zu
tunft, und Ostar faßte mehr als ein
mail den Vorsatz, die Zügel der Erzie
hung mit aller Streu-ne in die Hand
zu nehmen. Dach das Mitleid mit
dem Kinde, das auch ilm oft genun«
überfiel, und das Benehmen feinert
Frau waren schuld, daß er den Beginn
einer straften Zucht immer wieder hin
ausschah
s I L L
Es tam der Winter. Ein strengerll
Winter mit Mariae-l air Schnee, aber
abnarmer Kälte und ichneidensdenWinis
den« Jn den Städten qrassirten man
cherlei Uebel. Auch Ostae war un
päßlich gewesen. Nun fühlte ek sich
jedoch bereit-.- io wohl, daß er dacht-»
morgen oder übermorgen wieder sei-I
nem Berufe folgen zu können, umso-«
mehr. da ihn der Aufenthalt zu Haus-«
unerträgxlich wurde.
Laura’s Dienste anzunehmen wiildsi
read feiner Krankheit. war ihm schwer E
genug gefallen. Sie that ja allez, ahns
sie that es mit einer Kälte und Gleich-;
gilts-gleit, vie mehr als lieb-los wirttenl
i
l
l
Er war tieftrautig, und es gab Minu
ten. in denen et völlig muthlos warte
und es sihsrn leid war, daß seine Kraut
heit nicht gefährlicher Art gewesen ui .- -
ihm nicht die Möglichkeit gegeben, a
dem Leben zu scheiden ;
Laura 5 Herz hatte sich für ilznj
gänzlich geschlossen und er zweifelnd
ob es sich je wieder öffnen iviirbe. Und.
dieses zerstörte, von Feindfeligteiteus
und Kräntusnsgen durchsöttigte Ehete--.
bien viintte ihn für die Länge entsetz
leh.
Heute hatte Laura einen dringen-I
den« umusschkebbaaen Gan-g zu mu-l
ehen. War ja hoch Weil-nacht unmiH
telbar nahe! Das Wetter war absehen
sich. Wohl glänzte die Sonne hie unt
da zwischen jagende Wollen daraus
aber ein scharfer Nord-oft pfiff durch
die Luft und blies Siaulnvirbet überk
die Straße
Die junge Frau machte Toflette unt
wallte dann auch Bubi ankleiden. Denn
felbsteebend nahm sie den- Kleinen mit.
Bubi aber wünschte um jeden Preis
bei Papa zu bleiben. der mit ihm
Beginn-vier von Bleib-wann ausstellte
Schreie-w und weinend stammerte et
sich an ihn und all« sein Zureden, fo
wie das Winken. Rufen. Schmeicheln
und Drehen der Mr halfen ais-pig.
Laut-a wurde blaß usw roth vorUnge
bald und Emgu
«ani will verbleiben-! But-i reicht
fortsehent Mehr nich-it«
Dust kämpr eine Weile neu lich
Dann fasie er wer doch: »Ah ihn
da bei tun-, wenn er durch-ans nicht
mit mill! Ei ift auch ungesmdes Wet
ter draußen! Der lautem-we staub
vur ehte Wind ins-hu ihm schade-!
Las hu hat«
Bauen Imamen toten zum-m nu;
unsäglfch verächtlichem Lächeln an.
»Bei Dies-Z« sprach sie. nun schvn
durch das Benehmen bestäner gereizt
»Er soll wohl ganz Mel-v tvervenl«
Osten unterdrückte eine beflbge Am
woet und schob den Knabe-n magisch
vom sich. Nach einem weiteren Schrei
lex-um« das Lan-a mit allen Zärtlich
leiten der Mutterliebe zu bescksvichtä«-«
gen lachte, ließ sich Bubi herbei, sich
ach-kleiden zu lassen-. used vie-Beiden ver- ·
ließen das Haus.
Ja der Nacht datan schlief de:·
Meine ziemlich unruhig. Lauva mußte
mehrmals noch Inn sehne- Sie ward
Mbet besorgt. bekümmert. Aber sie
liegsei ibeem Mann mächt merken.
» still-er denn trat heftig-s Fieber
jem, m die Mutter ließ den Arzt
I holen. Wer prüer ernstliqu den klei
lnsn PaMn nnd herschrie-b Ewige-.
M konnte ee ais-is Hostie-unk
iw Scho- bel feinem Wen
— »
Besuche aber stellte er zum Entsetze«
« jungen Frau Wberitis
ra wurde todtenblaß und was
Der greulich-e ngengel war eina
tehrt bei ier Ob er wvbl ihr Hei«
wieder verließ, ebne ihren Liebling
rttitzurnlnnen?«
Der Arzt gab verschiedene Anord
minqu die bereits ob des lindltHeu
Alters des Ertrantten schwierig aus
zuführen waren; bei dem ausgepräg
ten Eigensinn des Knaben ließen se
sich mehr als schwer mib theilweise gar
ais-Ha vornehmen Der Zustand Ver
schnmsmerte sich darum von Stand-« zu
Stunde, die Gefahr wurde mählich rie
singer
Ostar sah mit Schreck-en die Gestal
tung der Dinge. Zwischen ihm und
fein-er Frau fiel kein Wort. Schmi
genv und mit angsterweiterten Augen
pflegte sie ben Kleinen; Tag und Nacht
ama sie nicht weg von dem schneewuß
verdeckten Bei-täten Aber der Todes
engel rauschte näher unv näher, und
weder vie Mutterliebe. noch bie Kunst
de- Atztee konnten ihn verscheuchn
Am vierten Tage nach der Erkran
kung —- es war ver Weihnachten-or
abend —- ftarb Bubi.
Laura war allein bei ihm.
Als Ostar atbemtvs von einem
Gange zur Apotheke zurückkam, fand
er seine Frau bewußtlos über dem
Bettchert liegen-b. das Gesicht minnt
telbasr neben dem auatlverserrten des
tobten Kindes.
«7r half, den Knaben auf-bohren
Eine Reihe von Lichtern staer zu
Haupte-n des Sarges, nnd vie ruhigen
Wachs-flammen bestrahlten vas stille.
stille, kleine Gesicht.
Dann ging er zu Laut-a, vie mit
tbränenlosen Augen, wie eine Entgei
lterte vor dem leere-n- Bettes-n kniete.
Er hob sie auf, M vie Wankende
stützend, beachte er sie isn das Zimmer.
wo Bubi lag. Sie sollt-e ja Asbfchiec
nennten von ibm.
Stumm starrte sie eine Weile auf
den in weiße Spitzen und Schikier
gehüllten mit Blumen aeschmjiaten
Leichnam
Sie schrie platzlich aut. .
»Ich habe Bubi getödtet! Wär habet
leie- Kintd mehr, durch meine Schutt-.
durch meine Schuth
Ostasr nahm sie an’S Herz. Ader sie
riß sich wieder los.
»Ich bin ein-e Mörderin«, ries sie.
sich anklagend »ich din die Mörderm
unseres Kindes! Und mein Haß, meine
diinsde Bosheit haben mich dazu ge
macht! Fluche mir, Oetae!«
ergstvoll umfaßte sie ieratte auf-H
neue. »Mein Lieb. das ist ein Jer
usalem wie auch der von meiner
Schulw« sag-te er, mit weheniithiger
Zärtlichkeit aus sie einsprechentu »Wir
mußten wach-en über das Kind mit
allen Kräften und Sinnen. aber wir
konnten nicht alles Unheil von ihm ab
wenden, wie wir’s io gern gewollt! Es
war Irrtum und eines Höheren Wille,
dass. es kam, wie es term. und un re
schwache Menschenkraft hätte nichts da
gegen ist-un können!«
Er führte sie an die Bahre des Kin
des zuriicb
»Wir haben tein Kind mehr-! Ja.
Laurai Der Himmel trat uns Bubr
genommen«. fuhr er traurig fort,
»meine-n? Wir arme Sterbliche wis
sen es nicht! Vielleicht aber darum
gcliebites Weib, damit sich unsere ent
frerwdeten Herzen wieder finden, da
mit wir uns wieder lieb haben wie
einsi!
Laura. an dem Tosdtenbeitchen unfr
res Liebling-«- lafr weis so viet des det
lorenen Glückes wieder gewinnen, ais
noch möglich ist! Wir sind allein nun.
und weint wir biet ain dieser Stelle
uns nicht in Liede vereinen, welch’
ein trauriges Leben harrt unter? Wi:
tragen wir den Verlust, den wir erin
terri«
Mit vermeinten Augen sah ihik
Laut-a groß an. »Aber ich nahm Bub
an dem häßlichen Taste, nach dem er
erkrankte, mit, treu Deine-r War-innig!
Mel-ihm ihn mit aus Daß gean
, aus BosheiM stammelte Iie
erregt.
-Uied ich wollte den Knaben da be
halten, und diese Warnung war mer
mer W zum Zweck! Jsm Ernst
Ists ich teMt nicht- was ich tagt-!
ndwisrtiiitseniaauchnicht, ob er
wirklich den diesem Aussen-g sich die
Krankheit holte, ob nicht der Keim da
zu schon länger isn ihm wart Aber
ist« auch sei, selbst wenn Du die
Schuld trüg-est, Ue Du meinst, Ge
liebte. selbst dann würde Dich mein
Oeez nicht IIIMI Selbst dann würde
ich Dir in treuer Liebe das Uagttick
t helfen, das uns jetzt Beide trai,
wie Muttert«
Efschüttert vreßte Zaum die Arme
um seinen Dass.
»O. Du bist viel besser und edlen
als ich anlendetes Vetzeihe mik, was
ich Dir that, verzeihe mir alles, und
ich will Dir in Demutb und Liebe die
nen allezeit! Nichts soll mich wieder
trennen vor Dir! Und wir welken uns
wieder lieb hast-en wie still-M Rein,
noch tiefer, M inziiget!«
»Ja, mein Weil-! Fü« ngeLeden
wollen wir treu »sama«-Gaum is
guten und bösen Wut Wen-n wir
das erringen, dar-I ist M Bubi nich!
umso-M Mast
und arm m wachsoefschtchm M
Rad-I IW ein LWmmy ei
sieht sus, II M os- —