W «. . per Ieserteun Slizze von Wilhelm Müller Weilberg· Aus den endlosen Steppen in dem Jnnern von Ruszland liegt die eisige Hand des Winters. Unter dem niedrigen, grauen Him mel eine unendliche weiße Wüste. Die fStiler desTvdeZ in der einsamen Land cha t ier und dort ein Dors unterSchnee we ungen fast verschüttet grabesruhig, wie von den Bewohnern verlassen· Ritgends der Laut einer Menschen stimme. Nirgends das Schellengelijuie eines Dreigespanns. So weit das Auge reicht nichts Lebendiges nur Eis und Schnee und Schweigen. Und doch sind die Dörfer nicht ver ödet. Jn den verschiedenen Winkeln der Häuser, zumeist aber in den Lagerstät ten, auf den Oesen und um diese liegen - ganze Familien, einzeln oder in Grup pen in die Leihla, den durch Entbeh rung hervorgerufenen Winterschlaf ver- « s entt. Jn den dumpfen Hütten weiter Di-. stritte Hunderttausende fast ohne ein Zeichen des Lebens schlafender Körper. Märchenhaste Ruhe überall. Nur dann und wann ein Stammeln imTraume, ein tiefes Athmen, ein leich tes Schnarchen. Der Unterschied von Tag und Nacht schwindet. Undemerit wechseln Dun kelheit und Helle, mochten-, monatelang Es ist eine klare, kalte Winternacht Jn einem größeren Gebäude des-Dor fes Tscheriingt, in dem von der Hun gersnoth besonders heimgesuchten Gou vernement Osorowa, liegt aus derOsens danl PautPetrowitschTosar, daSHaupt in die rechte Hand gestünt, und starrt regungslos in das vom Sternenschein matt erhellte Innere des ziemlich ge ränmigen Gemaches Lton vruusen her ourcyormzr uo uno « zu ein dumpfes Dröhnen das hedriielen- ? de Schweigen der Nacht. ! Wie der Donner ferner Geschütze I klingt es. « « Das sind die Sprengschiifse die die « Kälte in das dicke Eis der Flüsse treibt. Paul Peirowitsch Tosar geninhnt die ser hallende Tonner an seine Militärs zeit, an die Jahre, während denen er in Peiergbura bei der Ajtillerie stand· Er . war damals Pserdeoursche bei einem j jüngeren stizier, einen Grafen Ma- . tuschla und erfreute sich da er als ein i vormaliger Roßhirt der Etappe mit z Pferden gut umzugehen wußte, in ho- : hem Grade des Wohlwollens seines Vorgesetzten Allmählich streifte Paul Petrowiisch die lepelhaftigleit, die ihm aus seiner fernen, weltverlorenen Heimath noch anhing, ab. Er war froh, daß er in der hauptstadt der Residenz des Za ren, weilen durfte, und ward stolz aus seine Mutter das weite, heilige Nuß- » land. ’ Da sing Gras Matuschla an ihn mit ( allerlei zarten Aufträgen zu betrauen. l - Der Osfizier hatte eine Geliebte, eine « Dame der vornehmen Gesellschaft Zu 1 i s dieser sandte er den Burschen oftmals in geheimen Missionen. Nie hatte Paul Petrowitsch ein weib liches Wesen erblickt, wie die Fürstin ; Olga Fedororvna. Diese bemerkte bald ! die stumme Bewunderung, die ihr von ; dem Soldaten entgegengehrachi wurde, und es hatte für sie einen eigenen Reiz, durch neckische, zutrauliche Freundlich keit die Leidenschaft immer mehr anzu stacheln. die Gluth zu schiiren. Und eines Tages durchbrach das in diesem lodernde Feuer die Kraterwände der Subordination und des Klassen- : unterschieden Ungestüm wars er sich « vor der Fürstin nieder und bedeckte ihre Hände mit Küssen. ! Jn demselben Moment betrat Gras Matuschla. der bei der Bestellung et wass- Wichtiges vergessen hatte, selbst das Zimmer und gab, dem ersten Jur pulg seines heißbliitigen Naturells ge horchend, dem emporspringenden Bur- s schen einen Stoß, daß dieser mit dem i 4 , Kopfe m die große Glasscheibe der Ve randathiir flog. Dann brachen die Dame und der; Osfizier in ein Lachen aus. Obgleich : die Fürstin, der der arme Mensch leid that, sich rasch zu beherrschen suchte und sofort äußerte: »Das hattest DIE nicht thun sollen, das« war roh, mein Freund, Paul Petrowitsch ist eine treue Seele«, war der Austritt siir den Sol daten doch äußerst beschämend. « »Seit dieser Stunde war Paul Pe trowiisch wie gelähmt. Aus seinen Ge danken lag es wie ein Bann. Stets yane et vie gleiche Situation, Die Ec tuaiion seiner Schmach vor Augen. Tag Gedenlen«daran verließ ihn keine Mägde Sein früheres einsames Le ben ist-der Steppe hatte ihn vzum Grübier gemacht. Er haßis weder die Fürstin noch Tisi nen Vorgesetzten, der ihn mit derselben Güte behandelte, wie vor dem Vorfall. Immer schmer- wutde der Soiche und wo:1targek. Er tonnie den Blick und vie Gegenwart des Grafen nicht mehr ertragen. Jetzt bat et den Offiziet, von dem Burschendienste entbunden nnd in die From, in seine Abtheilimg zurückge siellt zu werden. Maiuichta lachte ihn aus. »Warst Peteowitfch, bist Du toll? Ich kann Dich nicht entbehren. Du pflegst meine Pferde wie Keiner vor Dir, siietht mit keine Cigateiiem ißt mir keinen Kaviar. iiiiet meinen Gbettv F If —....-...«.«- ..,.... »- .. ...,.-.r....—..— . » — unberührt. Wo finde ich da ErsuhI j Eine gleich ehrliche Haut cxistirt nicht mehr. Du wirst doch die Dummheit bei Olga Feodorowna endlich Liber wunden haben· Geh',211ter, schäme Dich. Es bleibt dabei: Du bist mir unentbehrlich ·· s Noch einige Zeit hielt Paul lBetro- » witsch es aus dann deser irie er. s Nun ist er schon den zweit en Win- ; ter in diesem Dungerdorfe, in dieser « weltentlegenen Einiide an den Ufern I der Wjatia, in dieser Stekope der Trostlosigkeit und Entsagungg wo . während des Winters, lnmofiod dem derben Geschick unterliegend, die Bands ierung in der Lethargie der Entbeh rung die Tage und Nächte, die Wochen und Monate verschläst. Aber-, wenn rings um ihn Alles schlummert, wacht Paul « ctronitsw obwohl er gerade dadurch de n Fetsall seines Kötpers beschleunigt In die sen iodtenitillen Stunden schweift sein Geist zurück durch die Vergangenheit Er sieht den Grafen Matuschla und die Fürstin wieder vor sich.1!nd rsrnsal«3, wenn dru ten die Eisdecke oer st ai ka springt, glaubt er das Drob-im ser ner Geschützbatterien zu vernehmen. Er hört Kommandoruse, Pferdem wieher und die Angst erfaßt »e, daß sie ihn den Fahnenflüchtigen, Euchcin Ueber die Schneeslächen tom nen sie heran, aus der weißen Steppe die d« iii le Masse Paul Petrowitsch ist allmä iq an je ner geheimnißvollen Grenze angelanqt, wo das Berstandsbewußtsein und Wahnvorstellungen im Menschengehir ne sich nicht mehr scheiden, sich verrun gen. Auch heute, in dieserWinternachi, hat es ihn erfaßt, stärker als jemals. Die bange Furcht. das Zittern seiner Seele läßt seine Nerven erbeben. Schließ lich hält er es nicht mehr in dein Rau tne aus. Er rafst sich aus und tau melt vor der Thür, wo er ausgleitend erschöpft niederfällt« Fernher iiber den Boden stäuben Schneewehungem Der Wind hat sich erhoben Doch droben aliinzen die Gestirne so »st- s tcllLlslcllU,-s su- lulysctqusl Geringern-, wie nie zuvor. Durch das Lichtmeer, den magischen Schimmer zwischen Himmel und Erde sallen jetzt einzelne große weiße Flo clcn langsam herab und werden dich ter und dichter-. Undils der Steppenwind umhiillt Paul Petrowitsch, der nicht mehr die Kraft besitzt, sich aufzuraffen, mit ei nem weichen Gestiebe und die Flocken rieseln unaufhörlich auf ihn nieder. Und jetzt ganz nahe«beugt sich sit-er ihn das schöne, süße Anttifz der Für stin Olga Fedorowna und ihre Lippen berühren seinen Mund. « Der Schein der Verklärung geht über die Züge des armen Burschen. Mühe sinkt Paul Petrowitfch zurück. Und die weiße Hülle wird sein Grab. -——-.i.-— Der prinz. —»o———— « Stizzevon Carl Tiselius. --—-..-.—. Als Marie Luiss am Morgen er wachte und zum Fenster hinüber schau te, hatte der Wintersrost während der Nacht einen Miniaturwald von weiß glänzenden Zweigen auf die Scheiben gezaubert. Draußen war klarer, fris scher Wintertag. Sie hörte das Knar ren des Schnees unter den schweren Schritten der Knechte, und unten aus der Landstraße ·etscholl munteres · Schlittengeläute und das Knirschen der Rufen. Ein eigenartiges Gefühl bemächtigte sich ihrer. Sie bohrte ihren Kopf in die weichen Kissen und umschlang sie mit ihren runden Armen. Sie em pfand ein Wohlbehagen. eine Feststim mung, und ein seines Lächeln umspielte ihren frischen Mund. Sie ruhte noch eine Weile mit offe nen Augen und lauschte den Tönen, die von unten zu ihr heraus drangen. Da hörte sie, wie die Stallthiir ge össnet und ein Schlitten herausgezogen wurde. Sie sah ihn so deutlich vor sich, sie sah auch den Kutscher in seinem großen Radmantel, der die Füchse-, ihre Lieblingsthiere, vorspannte. Jhr erst so glückliches Gesicht war ernst, sast traurig geworden. Jetzt sährt Johann und holt den Leutnant, dachte sie. — Gestern Abend hatte der Vater seine Marie Luise zu sich bitten lassen, in seinem Arbeitszimmer hatte sie auch die Mutter vorgefunden. Sie hatte dage ·sessen und nervös mit ihrem Spitzen tuch gespielt. Der Vater hatte einen seierlichenTon angeschiagen.« » ..« .., « — I·st !.s-A ,,’-Ucclll Amo, sllglc cl, »Hu um sehr erwachsen und ein gutes, braves Mäd chen geworden. Du wirst selbst ein sehen, daß es an der Zeit ist, Deine Puppen an Deine jünqere Schwester abzutreten. Mama und ich wollen Dein Bestes. Wir wünschen Dich glücklich zu sehen und geben Dir Gelegenheit, es, wenn Du willst, zu werden. Mor gen früh bekommen wir den Besuch ei nes jungen, hoffnungsvollen Ossiziers. Jch wünsche, daß Du Dich freundlich zu ihm benimmst.« Marie Luise hatte ihre Mutter an gesehen. Diese saß in einiger Entfer nung aus dem kleinen Sopha, und die Dämmerung hatte iich aus ihr blasses Antlih gelegt, so daß man ihre Züge nicht erkennen konnte. Doch spielte sie noch immer mit ihrem Spihenluch während der Vater an seinem Schreib tisch still und ernst dasaß. ' Da schlug die alte Uhr auf der Mar mortasel unter dem Spiegel die sechste Stunde. . ' Mit ihrem letzten Schlag brach Ma rie Luise in heftiges Schluchzen aus. Da war der Vater tnausgegangen, und die Mutter hatte ch zu ihr gesetzt. Was Marie Luise aber nicht ver stand, das war, daß die Mutter ein mal, als sie sich unbeobachtet glaubte, glücklich lächelte und sagte-. »Weißt Du denn auch, wer morgen kommt? —- Es ist der Leutnant bon Loen. Sein Vater ist Papas alter Ju genas-TundIt — Erst jetzt verstandMarie Luise, wes halb sie geweint hatte. Jm Herbst war sie eines Tages durch den Wald geritten. Der Weg war mit gesallenem Laub besät, und die Bäume leuchteten in allen Farben von purpur roth bis zum gelbsten Glanz derSonne. Da hatte er sie zum ersten Mal ge troffen. Es war unten an der Wiese, wo der Weg zum See abbiegt und die alte Bitte ihre Zweige« bis zum Was serspiegel hinunterstreckt. Da hatte ihr Pedro Plötzlich einen » Seitensprung gemacht. Marie Luise griss nach ihrem Hut, das Haar löste sich und fiel auf die Schultern nieder. ; Die Zweige bogen sich zur Seite, und ; aus dem Wald trat ein junger Mann s in Jagdhosen. Er blickte sie erstaunt - an, hob ihren Hut auf nnd überreichte E ihn ihr mit einer artigen Verbeugung. 2 Marie Luise war so verlegen, daß : sie nicht wußte, was sie sagen sollte. « Sie drückte den Hut auf das slatternde Haar und jagte, ohne einmal Dank zu ; sagen, davon. s Oben auf der Höhe hatte sie sich aber I umgedreht und ihm nachgesehen. O, ? welche Schande und Demüthigung. ; Dort stand er und blickte ihr munter ; 7 hatte. I Marie Luise konnte es sich nicht er « klären, weshalb sie seitdem so ost an ; diese Stelle zurückgekehrt war. i Das zweite Mal hatte sie ihn --— es Z war die vorige Woche —-—— aus dem Wege l 1 I nach —— und sah, daß sie sich umgedreht l i , dir-»- w-(.-.«-- -·«--ct.- ’ s ZU L aus« Jesus - ou quuuu kecke-·- Hut. i Diese wohnte sr einem kleinen Ketten - Z am Walde. Der Vater hatte sie gebe 8 ten, sich einmal nach der kranken Alten E umzusehen und ihr Essen und eine i, Flasche Wein mitzunehmen· i Draußen schneite es start. Marie 3 Luise hatte große Pelzschuhe angezo gen, und die Mutter hatte ihr einen warmen Shatol um den Kopf gebun den, so daß nur die Nasenspitze und die Auan erkenntlich waren. Sie glich einem armseligen kleinen Bündel. Als Marie Luise iiber die Brücke schritt, die durch das Moor führte, konnte sie der Versuchung nicht wider stehen, einige der spärlichen, aus dem Schnee hervorschauenden Blumen zu pflücken. Und gerade, wie sie mit ausgenom menem Kleide und wie eine Tagelöh nerfrau in den dicken Shawl gehüllt, in der Art der Schulmädchen den Blumen nachstellte. traf sie ihn. Was mochte er nur von ihr, dem Edelsräulein Marie Luise von Lind roth deuten ? Ja, hätte sie noch den neuen Mantel - mit dem Marderpelzkragen angehabt und nicht gerade diesen altmodischen, aus den. sie schon längst herausgewach sen war. Er hatte sie aber bis zu ihrem Ziele gebracht und ihren Korb getragen. Und sic war wie eine richtige kleine Gang ne ben ihm hergegangen und hatte ihm auf all’ das Schöne, was er ihr erzähite, auch mit keinem Worte geantwortet. Dann hatte er sich von ihr verabschie det und sich entfernt. Da erst fiel eg ihr ein, daß sie ja garnicht seinen Na: men wußte. Als sie nach Hause tam, hatte sie rh rem Vater nttch dem Herrn gefragt. Dieser hatte aber lachend gemeint, ihre neue Bekanntschaft sei wohl einer Der Landmesser, die zur Zeit in der Gegend arbeiteten. Das hatte Marie Luise eifrig und be stimmt verneint. Der Vater hatte sie aber erstaunt angesehen, und sie wa: ganz roth geworden. Dann hatte aber der Vater mit einein vielsagenden Lächeln auf den Lippen gesagt: »Nun, wenn es kein Lanomener .It, so ist Dein neuer Freund der Prinz ans dem verzauberten Walde.« Aber Marie Luise war den ganzen Tag überglücklich gewesen. Sie hatte der Mutter im Haushalt geholfen, Pup pentleider für die kleine Beate genaht und am Nachmittag im Halbduntel Glucls ,,·’Friihlingstönigin« gespielt. Und jetzt . . . . Sie richtete sich auf. Unter ihrem Fenster erklang Schlittengelänte. Jo hann fuhr hinaus, um den Leutnant zu holen. ic- si Es war ein langer Vormittag gewe sen. Marie Luife wollte es scheinen, als nähme er tein Ende· Jetzt saß sie in ihrem Zimmer und blickte zum Fenster hinaus. Draußen fiel der Schnee in dicken, weißen Flocken. Er legte sich still nnd vorsichtig auf die gefrorenen Felder, oie große Freitreppe und die tnorrigen Zweige der Apfelbaumr. Marie Luise brach in Thränen Jus-. Wer hätte geglaubt. daß sie je so gn « glücklich werden könne. Was hatte der Leutnant hier zu su v chen9« Nie würde lis- ihn lieben —- nie —- me. l— Da wurde die Thiir geöffnet, und die « kleine Beate, ihre Schwester, eilte auf Z fie zu. »Warum weinst Du. Marie Luise? PS ift ja heute so schönes Schlittemoct er « Marie Luise antwortete nicht. »Du darfst nicht weinen, Marie Luise. Du mußt lustig fein.« »Die kleine Beate versteht nicht, wes halb Marie Duife weint. Sie weint, weil der Leutnant heute Abend lomn.t.« Die Kleine blickte die Schwester ganz erstaunt an. Dann sagte sie: »Maria Luise hat den Leutnant nicht lieb. Der Leutnant ist häßlich. Wen i liebt Marie Luise denn?« « ·Marie Luise nahm die Kleine und hob sie auf ihr Knie. Dann schloß sie sie in ihre Arme und sliisterte in schei- » mifchem Ton: l ,,Marie Luise liebt den schönen, Tim- . gen Prinzen im verzauberten Walde.« s Die Kleine blickte ihre schöne Schwe- - ster verwundert an. Dann sagte sie: »So soll Marie Luise ihn haben und ; keinen nnderen." ; Der Schlitten fuhr vor. Ein junger H Mann sprang schnell heraus. Auf der l« Treppe standen Vater, Mutter und die I kleine Beute. I Als die erste Begrüßung vorüber war, i sagte der Vater: I i l l t »Aber, wo ist Marie Luise?« »Sie ist auf ihrem Zimmer,« entgeg- s nete die Mutter und ging, um sie zu - holen. - s Die kleine Beate betrachtete Ien Fremdling mit mißtrauischem Blick. "Plötzlich öffnet sie ihren Mund und Z sagte: « ,,Marie Luise kommt nicht herunter-· I «Sie mag den Leutnant nicht. Sie will den Prinzen im Verzauberten Walde ha- I ben.« Er folgte einen Augenblick Stille. Alle blickten sich verwundert an. Nur ? beim Vater zeigte sich ein feines Lächeln 7 Da öffnete sich die Thür und die Mutter trat ein. Gleich darauf folgte Marie Luise. Sie ging mit niedergefchlagenen Au- v gen, dann blieb sie stehen und blickte ten - Fremden an. Marie Luife war zu Muth, als rniisse ’ slc lll Uctt touucn uctstutcm Das war ja er —— er. der Prinz- " selbst, der Prinz im verzauberten W.s.7- « de Und wie sie sich mit geröthexen Wangen verlegen umsieht. steht der Va ter lächelnd da, und die Augen der M:;t- ; ter strahlen vor Freude und Glück. Tier 7 Prinz selbst aber tritt auf sie zu, strkxit » ihr beide Hände entgegen und schaut ibr s gläckstrablend in die vor Freude glän- l zenden Augen. . I » . «.«..,-—....-...,-»— -- I Ei Was ! l -. , . sp» · Von Anton Tschechotv. l .——....-— « Nitolaj Jljitsch Beljajew, ein PO tersburger Hausbesitzer, fleißiger Be sucher des Turf, etwa 32 Jahre alt, gut genährt, mit rosigen Wangen, kam ei nes Abends zu Frau Jrnina Olga Jwanotona, mit der er ein Verhältniß hatte; oder, wie er zu sagen pflegte, ei nen langen und langweiligen Roman lebte. Jn der That, die ersten Seiten i dieses Roman-Z, die spannenden und hinreißenden, waren schon längst durch- i lesen; die jetzt folgten, eine wie die an- I s dere, enthielten weder etwas Neues-, noch etwas Jnteressantes fiir die Vei den. Mein Held traf Olga Jwanowna nicht zu Hause; er legte sich auf eine : Ehaiselongue im Salon und wartete. I «Guten Abend, Nikolaj Jisitsch«, — sagte eine Kinderstimme ——- »Mama kommt gleich. Sie ist mit. Lonja zu der Schneiderin gegangen.« Jm selben Saan lag auf einem Dis , van der Sohn der Olga Jwanowna, 7 «tllsoscha, eiii achtjähriger, schlanter, gut « gepflegter Knabe, narlf der Mode mit « einem Sammetjäckchen und langen E schwarzen Strümpfen bekleidet. Er i lag auf einem Atlagpolster und hob bald das eine, bald das andere Bein in die Hähe, offenbar den Atrodaten nach al)mend, den er kurz vorher im Zirlug gesthen hatte. . Wenn seine graziösen Beine müde wurden, sing er an mit den Armen zu gestiluliren, oder sprang ha stig auf, tauerte auf allen Vieren und versuchte sich auf den Kopf zu stellen. Das alles machte er mit einem unge heuer ernsten Gesicht; dabei leuchte e: gewaltig, als ob er selbst mit dem lie ben Gott unzufrieden gewesen wäre, weil er 2ihm einen so beweglichen Kör per gegebn hatte. — »A1), guten Dag, ileoer pfleuuux — sagte Beljajem --—— »Du bist’s.3 Und ich hab’ Dich gar nicht bemerkt. Jst Mama gesund?« Aljofcha. der eben mit der rechten Hand die Spitze des linlen Fußes er griffen hatie, drehte sich um, sprang auf und sah, hinter einem grossen buschi gen Lampenschirm verborgen, zu Bel- ; jajew hinüber. »Was soll ich.J-hnen sagen!« ---—- er widerte er und zuckte mit den Achseln. —- »Marna ist eigentlich nie gesund. Sie ist ja doch ein Frauenzimmer, und den Frauenzimmern thut immer etwas weh, « Nikolaj Jljitsch.« « Beljajew fing an aus Langweile das l Gesicht des Aljoscha zu studiren. Wäh rend der ganzen Zeit seiner Bekannt schaft.mit Olga Jtvanowna hatte er dem Knaben nie seine Aufmerksamkeit » zugewendet, er hatte ihn nie bemerkt Da lief ein Junge herum, wozu er aber da war und was für eine Rolle er zu spielen hatte —- darüber nachzudenken war ihm gar nicht eingefallen. Jetzt in der«Aben-ddämmerung erinnerte ihn plötzlich das Gesicht Aljoschas, mit der blassen Stirne und den schwarzen Au gen, deren Wimpern sich nicht beweg ten, an Olga Jwanowna, wie sie auf den ersten Seiten des Romans gewe sen war. Und er empfand den Wunsch, mit dem Knaben ein bischen zärtlich zu sein. »Komm mal her!« — sagte er. — »Laß Dich einmal ordentlich an schauen.« Der Knabe lief zu Beljajew. ,,Also« —- fing Nikolaj Jljitsch an, und legte seine Hand aus die magere Schulter des Knaben — »wie gefällt es Dir, hier zu leben ?« »Was soll ich Jhnen sagen? Früher hat es sich besser gelebt.« »Warum?« »Seht einfach! Früher beschäftigten wir uns, ich und Lonja, nur-mit Musik und Lesen, jetzt bekommen wir franzö sische Verse zu lernen. —- Und Sie ha- . ben sich vor Kurzem die Haare schnei- » den lassen?« »Ja, neulich.« »Ich hab’s eben bemerkt. Ihr Bärt chen ist jetzt ein wenig kürzer. Erlau ben·Sie, daß ich es ein bischen berühre ..... Thut’s nicht weh?« »Nein, es thut nicht wel)?« »Wie kommt das: wenn man an ei nem Haare reißt, thut’s weh, wenn man aber an vielen zupft, thut es gar nicht weh? Ha, ha! Aber wissexiSir. Sie sollten doch einen Backenbart tra gen. Da hier wegrasiren, und an den Seiten . . . hier die Haare stehen las ien . . .« Der Knabe schmiegte sich an Beha jew an und spielte mit seiner Uhr lette. »Wenn ich ins Gymnasium komme —— sagte er — ,,iaust mir Mama eine Uhr. Jch werde sie bitten, mir so eine Kette zu kaufen. Wa—as für ein Ellie—-——dai——llon! Papa hat auch so ein Medaillom nur daß dieses hier Strei fen und sein’5 Buchstaben hat. . . . Jm Medaillon drin hat er das Bild von Mama Papa hat jetzt eine andere Kette, nicht in Ringen, sondern wie ein Band.« « — . ...—-.-—.-..—,-....-—--.—.—...-..- .—-.- Wv « »Woher weißt Du dag? Siehst Du « s- an ist«-n» 9« »Ich? Mm . « Nein! Jch . . .« Aljoscha wurde roth und ganz verle gen: im Bewußtsein, bei einer Lüge er Iappt worden zu sein, sing er an, das Medaillon eisrigsi init dem Finger zu kratzen. Beljajew schaute ihn mit ei- » nem durchdringenden Blick ins Gesicht : und fragte: H »Siehst Du Papa?« I ,,N——ein!« . »Nein-? Du, sag’ aufrichtig, offen . . Jch sehe ja an Deinem Gesicht, daß Du j lügst. Wenn Du Dich verschnappt hast« ; da giebt’s nichts. Sag’, siehst Du ihnt » Nun, reden wir wie gute Freunde!« Aljoscha dachte nach. » »Sie werden aber Mama nichts sa- J gen?« —- fragte er. i »Aber wo!« - »Ihr Ehrenwort?« ; J· »Mein Ehrenwort.« z »Schwören Sie!« i »Aber, bist Du unerträglich! Was « denkst Du von mir! Für wen hältst ; Du mich denn?« i Aljoscha schaute sich um, machte gro- j ße Augen und be nn zu sliistern: »Aber um Goth Willen nicht Ma ma sagen . . . . Ueberhaupt Niemandem » sagen, denn das ist ein Geheimniß. Behiite Gott, daß Mama es erfährt: Da bekommen wir es alle, ich und« Lonja und Pelageja Also hören Sie. Jch und Lonja sehen Papa jeden Dienstag und Freitag Wenn wir mit der Pelageja Vormittag-Z spazieren ge hen, führt sie uns in die Knnditorei des Apfel und dort wartet Papa schon. Er sitzt immer in einem separirten Zim mer, wo, wissen Sie, so ein Marmor tisch steht und daraus eine Aschenschale, die aus einer Gans ohne Rücken be steht . . .« »Was macht Ihr denn dort ?« »Nichts! Zuerst grüßen wir einan der, dann setzen wir uns zum Tisch und Papa läßt Kaffee und Kuchen bringen. Lonja, wissen Sie, ißt Ku chen mit Fleisch gefüllt, ich mag sie aber nicht! Jch esse gern Kuchen mit Kraut und mit Eiern gefüllt. Wir essen unH so satt, daß wir uns dann Mittags zum Essen förmlich zwingen müssen, damit Mama nichts merkt.« ,,Wovon sprecht Jhr denn dort T« »Mit Papa- Lson auein Monumen. Er küßt uns, umarmt uns, erzählt Ver schiedene komische Witze. Wissen Sie, er sagt, wenn wir gros-. werden, nimmt er uns zu sich. Lonja will nicht, ich aber will. Natürlich, ohne Mama werd’ ich mich langweilen, aber ich werd’ ihr Briese schreiben. Sonder bar, man wird ja an Feiertagen zu ihr zu Besuch kommen können —— nicht wahr? Papa sagt auch, er wird mir ein Pferd kaufen. So ein guter Mensch! Jch verstehe-,- nicht, warum lädt ihn Mama nicht ein, bei ihr zu wohnen, und warum verbietet sie uns, ihn zu sehen? Er hat doch Mama sehr gern. Jmmer fragt er uns. wie es ihr geht, was sie macht. Als sie krank war, da hat er sich beim Kopf genommen, so, und .. .. ist fortwährend herumgelau fen. Immer bittet er uns, wir sollen ihr folgen und sie ehren. Sagen Sie, ist es wahr« daß wir unglücklich sind?« »Hm . .. Warum?« »Papa sagt’s. Er sagt: »Ihr seid unglückliche Kinder.« Es ist so son derbar anzuhören. Er sagt: »Ihr seid unglücklich, Mama ist unglücklich, ich s O« bin unglücklich. « Er sagt: «Betet für Euch und fiir sie « « Aljoscha starrte einen ausgestopsten Vogel an und dachte nach. »So-—o ..... ", brummte Beljajew. »So seid Jhr2· Also Zusammentiinste veranstaltet Jhr, und Mama weiß, nichts?« ,,Nei——ein ...... Woher soll sie eg wissen? Pelageja wird sich ja hüten» etwas zu sagen. Vor-gestern hat uns Papa Birnen gegeben. Die waren süß, wie Eingesottenest Jch hab’ zwei Stück gegessen.« »Hm» .Nun, und. .sag’ mal, hat Papa von mir gar Nnichts ge sprochen?« »Von Ihnen? Was soll ich Jhnen smenizrs Aljoscha schaute Beljajew forschend ing Gesicht und zuckte mit den Achseln. »Besondereg hat er nichts gesagt.« »Zum Beispiel, was sagte er?« »Werden Sie nicht beleidigt sein?« »Aber geh’ doch! Hat er über mich geschimpit?« »Er schimpft über Sie nicht, aber, wissen Sie, . . . er ist bös auf Sie. Er sagt, durch Sie ist Mama unglücklich geworden, und daß Sie ..... Mamaz zu Grunde gerichtet haben. Er ist wirklich so sonderbar. Jch erzähle ihm, daß Sie gut sind, niemals mit Mamcr schreien, und er wiegt nur den Kopf.« »Und so sagte er, ich hätte Mama zu Grunde gerichtet?« »Ja. Seien Sie nicht böse, Nikolaj Jljitsch!« Beljajew stand auf und ging durch’5 - Zimmer »Das ist ebenso wunderlich, wie komisch!« murmelte er und zuckte höh nisch lächelnd die Achseln. »Er ist sel ber an Allem schuld und do hab’ ich sie zu Grunde gerichtet, was Schaut ihn nur an, dieses Lämmchen. Und so hat er Dir gesagt, ich habe Deine Mama zu Grunde g:richtet?« · »Ja, aber . . . Sie haben doch gesagt, Sie werden nicht böse sein!« »Ich bin nicht bös und . . . und es gehtT »ich nichts an Jch bin hineinge w-4lwn mio pinp Sonnt- in hfp Nriifw nnd ich bin noch der Schuldige.« Es läutete. Der Knabe sprang auf und lief hinaus. Nach einem Augen blick trat eine Dame mit einem kleinen Mädchen in’s Zimmer —- es war Olgas Jwanowna, die Mutter des Aljoscha. Jhr hüpfte, laut singend und mit den Armen gestitulirend, Aljoscha nach. Beljajew grüßte mit einem stummen Fiopsneigen und fuhr fort herumzu gehen. »Natürlich, wen sollte man jetzt be schuldigen, wenn nicht mich?« prustete er . . . »Er hat recht! Er ist ja der be leidigte Gatte!« »Wovon redest Du !« fragte Iwa nowna. ,,Wovon? . . . Da höre nur, was sür Sachen Dein Ehegatte predigt! Es stellt sich heraus-, daß ich ein Schuft Und ein Mörder bin, ich habe Dich und die Kinder zu Grunde gerichtet. Alle seid Jhr unglücklich, nur ich allein bin un geheuer glücklich!« »Ich verstehe nicht, Nikolaj! Was ist das ?« · »Aber frage nur diesen ·ungen Mog jöh,« sagte Beljajew, auf ljoscha wei send. Aljoscha wurde roth, dann plötzlich blaß und sein ganzes Gesicht verzerrte sich vor-Angst. « »Nikolaj Jljitschi« lispelte er. ,,Pst!« Olga Jwanvwxia schaute verwundert auf Aljoschc:, dann auf Beljajew, dann twieder auf Aljoscha »Frag’ ihn doch!« fuhr Beljajew fort. »Deine Pelageja, diese dumme Gans, führt sie da in Konditoreien her um und nrranqirt Zusammenkünste mit dem Primitier- Aber das macht nichts; die Sache ist dic, daß Papachen der Märtyrer ist und ich der Mörder und Schust, der Euch Beiden das Leben zer stört hat!« »Nitolaj Jljitsch!« stöhnte Aloscha. »Sie haben doch Jhr Ehrenwort gege ben!« ’,,Ei wa5!« Beljajew machte eine ver ächtliche Bewegung mit der Hand. »Es handelt sich um etwas Wichtigeres, als um irgend ein Ehrenwort Mich ein pöri diese Falschheit, diese Lüge!« »Ich verstehe nicht53« sagte leise Ol ga Jwanowna und Thränen glänzten in ihren Armen. »Alli,« wendete sie sich - — s-.,- --»— zu ihrem Sohn, ,,siehst Du den Vater?« Aljoscha hörte sie nicht und schaute voll Entsetzen auf Beljajew. »Unmöglich!« sagte die Mutter. »Ich gehe die Pelageja fragen.« Olga Jtoanowna ging. »Hören Sie, Sie haben doch Ihr Ehrenwort gegeben!« sagte Aljoscha, am genien Körper zitternd. Beljajew machte eine weawersende Bewegung gegen ihn und fuhr fort, herum zu gehen. Er war ganz otkupirt -von der ihm zugefiigten Beleidigung und bemerkte den Knaben wieder nicht J mehr. Was ging ihn, den erwachsenen - Und ernsten Mann, irgend ein Vub’ an. - Aljoscha setzte sich in einen Winkel und erzählte mit Entsetzen seiner Schwester Lonja, wie er betrogen worden sei. Er zitterte, stotterte, weinte; es war das erste Mal in seinem Leben, daß er so T jäh, so unvermittelt auseine grobe Lü e gestoßen war. Vordem hatte er ni t » gewußt, daß es auf der Welt, außer süßen Birnen, Kuchen und theueren Uhren noch manches Andere gebe wo für die Kindersprache keinen Namen hat. »W S t : i i i« m a it. Postagent und Ge " meinderath Adolf Kaiser see-de zum Bürgermeister gewählt