Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, March 08, 1901, Sonntags-Blatt, Image 9

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    Schwankende Liebe.
Roman von Ferner-and Rnntei.
thrtsenunaJ
Das war so getomm«:1:
»Zu! selben Zeit, etwa als die drei
Künstler ihr Mittagsmahl nach den
Strapazen des Firnisztages einnat,
men, setzten sich auch nAgelita und ihr
Gatte in Wilmersdors zu Tisch. Schon
am Ta e vorher hatte Kausmann eine
cigent miche lErregtheit an seiner
Frau bemerkt, aber er wollte nicht den
ersten Anstosz zu einer drohenden Aus
einandersetzung geben. Er kannte Ans
gelita genau und wußte, daß ihre Er
regtheit von dem Drange herrührte,
ihm irgend etwas sie lebhaft Bewegen
des mitzutheilen Und da sich das Ehe
paar seit der letzten Zeit ständig aus
Kiiegssusx befand, so ätte Kaufmann
es siir einen tattischen Fehler gehal
ten, irgend welches Interesse zu ver
rathen und sich somit zur Offensive
verleiten zu lassen. Er mußte ganz
genau, je länger er eine abwartende
Haltung bewahrte, desto stilrmischer
wurde die Erregung seiner Gattin, bir—
sie schließlich aus dem Punkt angekom
men war, wo sie nicht mehr schweigen
konnte. .
Kaufmann war sich allerlei Ueber
tretungen bewußt, von denen er nicht
aern hatte, daß Angelika ihn darüber
,-.ur Rede stellte; denn so seltsam eg
«:nrb Mem-n man in seinem Leben
nahm Angelika doch noch einen großen
Plan ein. Er war ein tomplizirter
Charakter. Bei all seiner Kälte «
Riicksichtslosigleit in ges IMR
Dingen, bei aller Skru lloiakeit in
seinen Mitteln zum eldverdienei!,
hatte er doch jenen unbeugsamenStol,i,
den auch arotze Verbrecher sehr oft be
sitzen. Er wollte außerhalb des Ge
schäfte§ ein Gentleman bleiben, und er
rermied es ängstlich, Veranlassung zu
geben« daß über ihn aeklaischt wurde.
Denn die Männer sind die besten, das
wußte er genan, über die die Welt am
wenigsten zu reden findet. Als er nun
bemerkte. daß Angelika sich ibin melzr
isnd mehr entfreindete, hätte er um
alles in der Welt nicht seine Kreise
etwas Derartigee durchfühlen lassen
mögen. Wenn erses aber nicht hin
tern konnte, wollte er wenigstens selbit
die Initiative zu dieser Entfremdung
igeien haben. Er spielte sich daher
einen Freunden acgeniiber auf den
Lekemann hinaus, ohne eigentlich
recht mit seinem Herzen bei all den
kleinen Diimchen zu sein, mit denen er
Abends im chambre separee Sekt trank.
Trotzdem hatte er eine gewisse Furcht,
daf; nAaeilka von diesen Dingen er
fuhr. Viellicht wei er seine schöne
Frau noch iebtelz jedenfalls iibie das
rein Körper-liebe an ihr noch einen aei
wissen Zauber aus, und der Gedante,
sie zu verlieren, war ibm peinlich
liein anderes weibliches Wesen ver
mochte seine Sinne in einen ähnlicher-.
Rausch zu versetzen wie Angelika Und
je mehr sie sich Von ihm ziiriielzoc,
desto heller brannte in ihm die Flam
me seiner Begierde. Aber das war
eiå nicht allein, was ihn an sie fesselte.
Angelika war für die Gesellschaft
deute eine gefeierte Schönheit, die das
Recht hatte, sich den Hof machen zu
lassen, die im Grunde aber doch mit
ihrem Gatten imsbesicn Einveriiebmen
lebte. Dieser schien wohl ein Leb
mann. aber nicht schlechter als tausend
Andere aus seinen gesellschaftlichen
Kreisen. Er nahm es lzwar mit der
ehelichen Treue nicht allzu genau, liebte
aber im Grunde seine Frau und re
speltirte die Ehre seines Hauses.
Diesen Standpunkt mußte Raus
nsann bewahren, wollte er nicht in dein
gefährlichen Kampf, den er führte, un
terliegen. Er hatte daher nicht ohne
eine gewisse Beklemmung Anaelita’-"J
Erreatheit beobaaytet und sich zur
Taktik des Abwartenz entschlossen.
So lange die Dienerschaft noch bei
Tisch zugegen war, belierrschten sich
beide Gatten in inusterlzafter Weise.
als aber die Tafel aufgehoben war und
die Domeftiten sich entfernt hatten,
verstummte plötzlich das aleicheiltiae,
anfänglich barmlos aefiihrtc Gespräch,
und es trat eine schiviile Pause ein,
in der feder«der beide-n Gatten mit fie
berhafter Spannung das Wort des
Anderen erwartete. Kaufmann war
seiner Frau ohne Zweifel an Selbstbe
berrschuna überlegen, denn er spielte
leeren Moeratäsichen beium. Jetzt
nabin er das silberne Löffelchen und
tlapperte scheinbar ganz harmlos an
beizdiinnen Por«zellan.» Angelika-Her
lllulllc MI( llckcclcm Wiss lcllk BU«
viette, sprang auf und warf sie auf
den Tisch,
«Laß doch dies blöde Geilapver’«
»Du bist wieder sehr nervöz Liia.
Ich wtirde Dir zu einerErbolungsreise
rathen." l
»Ich ibn gar nicht neevös, habe auch
seine Lust, zu reifen, es gefällt mir
im Gegeniheil sehr gut hier."
»Es ist in auch recht schön, aber viel
klcht IVUkVefi Du Dich in der erfriscteni
den Luft der Alpen wohier fühlen als in
dem dumpfen, etwas iumpfigen Kiima
unserer Bild-. vielleicht könnte Dir nnch
ein Kreis anderer Menschen nicht scha
den.'«
»Du weißt doch daß mein Kreis der
selbe breit-e Woäin ich mich wende
meine Getreuen folgen knir. Jch will
auch»gar teine anderen Menschen sehen.
mein Berliner Verkehr ist mir gerade
recht. Aber ich begreife nicht, weshalb
Du mich entfernen tnöchtest.«
»Ich möchte Dich aar nicht entfernen
Im GeqentdeiL es ist ei: Opfer, wenn
ni- Dich ziehen lasse.«
Sonntags sYlatI
beilage " aes »Enzeigek und herolcl«.
J. P. Wind-sph, Herausgeber « .
Grund Island Ncbr den 8. März 1901.
Jahrgang 21 No. 27
Das Ieicht hingeworfen-Wort versetzte
Angelita in eine heftige Aufregung.
Was wollte ihr Gatte damit sagen's
Ahnte er, was sie aus dem herzen hatte,
und beugte er schon jetzt ihrem Wunsche
nach Trennung vor? Sie verhielt sich
einen Augenblick ruhig und sann nach,
aus welche Weise sie geschickt zu dem
Hauptthema der heutigen Unterhaltung
gelangen könne
»Ich führe doch eigentlich ein recht
trauriges Leben an Deiner Seite.«
«Wieso? Du hast Alles, was Du Dir
wünsches .«
»Nein! Mir fehlt der warme Schein,
den die Harmonie der-Charakte« und
die Liebe in die Ehe bringen "
Kaufmann mertte, daß Angelika sich
dem Hauptpunkte des Wortgefechteg
näherte. Aber er hütete sich wohl, etwas
F seiner Entdeckung durchblicken zu
,,en und antwortete ganz gleichgiltig:
z »Das muß dann wohl an Dir liegen,
fich liebe Dich mehr, als Du ahnst.«
J»Heurl-,ler! Deshalb verbringst Du
Juch Deine Abende mit allerlei Grifetten
und Koietten.«
»Ich leugne es nicht, aber ich thue es
mehr, weil es zum guten Ton gehört.
Unsere Gesellschaft ist fürchterlich grau
sam- Sie würde einen Mann in meiner
Position einfach auslachen, sollte er sich
ihren Gewohnheiten nicht fügen, oder sie
würde mich für einen Plebeher ver
schreien. Glaube mir, ich war Dir nie
untreu.«
Angelika lachte turz und trocken auf.
»Du zwingst mickt doch wohl nicht,
derartigen Unsinn zu glauben.«
»Ich zwingt Dich nicht. Aber ich halte
es für eine Gemeinheit, dem Worte eines-—
Mannes zu mißtrauen.«
Pein Mart- suä Guts-n Napels-r
Kaufmann, dem kein Versprechen heilig
ist, der jeden Handschlag bricht, wenn es
eine Gegenmine an der Börse zu spren«
gen gilt.«
»Ganz recht, mein Liebling. Aber der
Herr Bankier Kaufmann und der Pri
vatmann Kaufmann sind zwei höchst
verschiedene Charaktere; ,der Letztere ist
ein Kavalier und fordert von seiner Gat
tin, als solcher behandelt zu werden«
»Auch dann, wenn er Geld von ihr
oerlangt?«
»Ah, Du spielst aus meine Goldminen
spekulationen an. Ich wollte Dich ja zu
meinem Geschäftsthetlhaber machen, zu
meinem Verbiindeten. Frage Alle, die
je mit mir zusammen gearbeitet haben,
ob Einer mich auf einem faulen Pferde
crtappt hat«
,,Ertappt hat Dich wohl Keiner. trott
dem bin ich überzeugt, daß Du sie Alle
betrogen hast«
Kaufmann sprang auf. Eine heiße
Blutwelle schoß ihm ins Gesicht und
seine Augenbrauen zogen sich finster-ju
sammen. Er machte ein paar Schritte
nach dem Fenster hin und blickte in den
sonnigen Garten hinaus. Nach einer
kurzen Weile wandte er sich wieder um.
»Du bist eine Dame und ich muß mir
derartige Angrisfe von Dir gefallen las
sen, ohne Dir eine einzige Antwort zu
geben« die darauf gehört. Ohrfeigen!«
»Ich hätte Dich gar nicht fiir so rück
sichtsvoll gehalten und ich muß Dir ges
stehen, Deine einzig richtige Antwort
wär mir lieber gewesen als Deine un
besiegbare Zurückhaltung Mir sind
Männer ohne Blut unsympathisch«
»Du täuschest Dich in mir. Jch bin
nur gut erzogen und weiß mich zu be
herrschen. Was Du bei Deinen Deta
denten Blut und Leidenschaft nennst.
Zenne ich Ungezogenheit und Mangel an
» att.«
Wiederum war Kaufmann gewandt
dem direkten Eingehen auf die Tren
nungsfrage ausgewichen und Angelika
zitterte in vhnrniichtiger Wirth, weil es
ihr nicht- gelingen wollte, den Fuchs aus
seinem Bau herauszuwaen Die Iuyue,
daß Kaufmann ihre halbenAndeutungen
absichtlich mißverstand. Aber sie wollte
trotzdem nicht allzu direkt aus ihr Ziel
losgehem denn eine dunkleAhnung sagte
ihr, daß ihr Gatte, wenn ihre Absicht
erst tlar zu Tage trat, sich weigern
würde, in eine Trennung zu willigten
Sie mußte ihn zwingen, selbsi den Ge
danken auszusprechen Aber die Zeit
drngte, Streitberg wollte Gewißteit und
sie sehnte sich nach einer Klärung der
Verhältnisse
»Warum suchst Du meine Freunde
zu beleidigen? Wenn sie Dir nicht pas
sen, so sprich Dich doch aus.«
»Was hätte das fiir einen Zweck? Du
wirst ja Streitberg doch nie ausgeben,
troßdem Du weißt, wie unsympathisch
er mir ist. Glaube nicht, daß ich etwa
eifersiichtia bin. Jch weiß ganz genau,
daß eine schöne Frau das Recht hat,
sich den Hos machen zu lassen. und unter
all Diesen, die Dich umschwärmen, ist
Keiner, dessen Konturrem ich fürchtete«
»Du täuschest Dich vielleicht.«
,.Vielleicht. Jch kenne nur Einen. der
ernsthaft genommen zu werden verdient,
und das ist Streitberg. Der aber wird
niemals iiber seine Provinzmoral hin
auslommen Er ist ein Mann aus an
derem Holz als Deine Dekadenten. «
Du tönntpst Dich auch darin täu
schen«
»Nein! Aber um diesem Eiertanz ein
Ende zu machen, will ich Dir sagen, wag
Du beabsichtigst. Du liebst Streitberg,
er aber hat Dir erklärt, nie der Geliebte
einer verheiratheten Fau zu werden«
Angelika erblaßte tief.
»Aha, Dein Schreck giebt mir Recht.
Du willst nun in Deiner Verblendung
von mir die Ehescheidung sordern.«
»Und wenn es so wäre?«
Verbanne diesen Gedanken ein für
allemal aus Deinem Gehirn. Jch werde
mich nie zu einem derartigen Standal
hergeben. Jch habe keine Lust, in die
Zeitung Zu kommen-«
So werde ich die Scheidung erzwin
gen.« s
»Ich sehe diesem Versuch mit Ruh
entgegen. Aber s»oiel sage ich Dir, wenn
Du meinenNamen in den Schmutz ziehn,
wenn Du mein Haus dem Klatsch preis
giebst,« nud nun trat er aus sie zu, seine
Augen suntelten in wildem Feuer, er
ballte die Faust dicht vor ihrem Gesicht,
»so erwürge ich Dich mit dieser Hand
Also hüte Dich «
Angelika fuhr entsetzt ein paar
Schritte zurü.
»Aber sage mir nur, was mich an
Dich sesselt.«
»Die lonventionelle Lüge. Und wenn
wir doch einmal heute uns einander die
Wahrheit sagen wollen. Du bist mir der
reine Schild, hinter dem ich ungestört
meine Geschäfte treiben kann. Eine Ehe
scheidung wiirde mich in den Mund der
Leute bringen, und das wäre der Ruin
meines Hauses-. «
,,Deiner Spetulation sag lieber. Das
CHqu UUV Wust qu III-, Flut-u engsten-,
würde den verbrecherischen Jobber zu
grell beleuchten, als da er seine Künste
noch weiter treiben könnte. Aber das
soll mir gleichgiltig sein. Jch hafse Dich
und verachte Dich, und wenn Du zu
Grunde gehst, mn geschieht mir die
erste und größte Freude in meinem Le
ben.«
»Ich werde dafür sorgen, daß Du
diese Freude nicht erlebst. Und ich der
sichere Dir hier auf das Wort eines
Kavaliers . . .«
Angelika ckandte sich ab und sah ihn
verächtlich iiber die Schulter as
»Ja, auf das Wort eines avaliers.
Deine Verachtung trifft mich nicht. In
dem Augenblick, wo Du einen Schritt
thust, der den öffentlichen Standal dro
vozirt, in diesem Augenblick hast Du
aufgehört zu leben.«
»Ach, glaube doch nicht, daß Du mir
damit Angst einjagstWas liegt mir denn
am Leben ? Jch liebe Streitberg so un
endlich, daß ich ohne ihn doch im Grabe
oder im Jrrenhause enden würde. Deine
Drohung hat also für mich gar keine
Kraft« ·
»Also so weit ist es schon, nun, dann
werde ich eben andere Maßregeln ergrei
sen. Fürchte nicht, daß ich zu schwach
sei, Dir und Deinem Geliebten die
Stirn zu bieten, ich vernichte Euck
Beide.'«
»Er ist stärker als DU. An seiner
reinen Größe scheitern alle Deine ver
brecherischen Unternehmungen Vor
einem Wink seiner Hand versintft Du
in nichts, Du elende, erbärmliche Zah
lenmaschine.«
Kaufmann hatt-. wieder die volle
Herrschaft über sich gewonnen. Er streckte
sich behaglich in seinem Sesse! aus, ver
schränkte die Arme über der Brust und
sah die Bild erzeigte schöne Frau mit
sclllcll cqlgsscll UIIUGII Ill- UUJ cUch
Weile begann er mit einem lalten, spöt
tischen Lächeln:
»Es ist gut, daß wir bei unserer Ver
handlung leinen Zeugen haben. Die
Welt würde sonst einen schönen Begriff
von mir betommenk
»Die Welt soll alles erfahren Jch
werde nicht mehr schweigen, ich werde
Dich Deinen Gegnern preisgeben.«
»Thue es doch, wenn Du es kannst.
Und was hättest Du über mich zu
sagen?«
»Deine Verbrechen ausdecken will ich.'·
»Pah!« Er lachte hell auf. »Meine
Verbrechen! Ich bin lalt und rücksichts
los im Kapitaltriea. Ich nutze die Macht
aus, die mir das Geld giebt, weite1
nichts Moralisch inaa dagegen wohl
Mancher etwas einzuwenden haben, aber
rechtlich.
,Mir genügt es schon, Dich moralisch
todt zu machen."
»Verai nicht, daß Du von dem un
moralisch erworbenen Gelde Deine Feste
aefeiert und wie eine Fürstin gelebt
hast«-s
»Dazn berechtiate mich meine Stel
luna und meine Persönlichkeit«
«·Zicaeaeben. Aber warum hast Du
Deine Skrupel nicht schon friilser aus
gesprochen? Du wußtest, daß es bei
mir nicht immer ganz irämermäßig mos
ralisch zuging. «
»Ich wußte es nicht, als ich Dich bei
rathete. «
»Aber fpiiter.«
»Ja, ich schwieg, weil ich hoffte, Du
würdest die Hoffnungen erfüllen, die Du
in mir als Bräutigam erwecktest.«
Hast Du meine erfüllt? Du schweigst
Nein! Ich wollte eine ebenbürtige Ge
fährtim ein Weib voll Feuer, die ich bec
schwenderisch mit allem Luxus umgeben
hätte, und die nsit dafür ihre Seele
schenkte, eine heiße Seele, die mich nan
det zermiirbenden agesarbeit in den Ha
schischrausch der Liebe versetzen sollte
Du warst eine lalte Puppe, die sich vor-.
belade-ten, nervlosen Buben anscher
men ließ.«
»Und was warst Du mir? Jch wollte
einen ganzen Mann, voll Kraft und
Größe, mochte er auch ein Teufel sein,
enien Mann, der meine Seele gefunden
hätte, und hätte er über Verbrechen und
Tod gehen sollen. Du warst nichts von .
dem. Was ist dagegen Streitberg?. l
Welch eine unermeßliche Männlihteit,
welch eine Fülle von Liebe welch eine
Gluth....11nd Du .,,Apoll bei einem
Sator«
»Das Sathrspiel folgt der T:agödie. z
Machen wir es einmal umgekehrt,
nehmen wir die Tragödie zuletzt. Wage
nicht noch einmal in meiner Gegenwart
von Deinem Geliebten zu sprechen, Du
»Sprich es au;3«. das Wort, dag
mich von Dir tienni. Du magst mich
halten, wofür Du willst, Du bist mir
nichts gegen ihn, er ist mir alles-. Er
ift mein Schicksal, meine Sonne, ihm
jauchze ich entgegen, ich liebe ihn mit
einer Liebe, die grber ist als meine
Schande, Deine Genossen gewesen zu
sein, mich dem Ekel Deiner Leidensckaft
preisgegeben zu haben. Er ist mein
J lück, mein Leben, mein Tod, mein
IGott und meine Religion» Und Du
I Du bist» .,ah wie ich Dich hasse
wie ich Dich verachte»
l »Weib! Jetzt ist H genug!«
· »Es-r faßte sie wild an den Schultern
und schleuderte sie zurück, Faß sie tau
melte und in einen Sessel stürzte. Dann
, sprang er auf sie zu und schüttelte seine
Fäuste vor ihrem Gesicht, seine Augen
blitzten in entsetzlicher Wuth
»Du hast mich beleidigt, Du hast mich
begeifert, Du hast den Mann in mir
wachgerufen. Schließe ab mit Deiner
Vergangenheit, von nun an will ich Dein
Herr sein. .. O, Du . .. fchamlose«
»Courtisane... sprich es nur aug,
jedes Schimpswort klingt mir aus Dei
nem Munde wie Musik, es mahnt mich
an die süßen Liebeslaute Streitbergs.«
»Nichts mehr von ihm, Du siehst ihn
nie wieder, von heute ab bist Du meine
Gefangene.«
»Hoho! Das wollen wir doch einmal
sehen.«
Mit schnellem Griff erfaßte Angelika
den elektrischen Filingelzug und drückte
auf den Knopf. Aber als der Diener
sich über das Vestibiil dem Zimmer
neiherte, vertrat Kaufmann ceiner Frau
den Weg, ging hinaus und zog die
Thür hinter sich zu. Angelika hörte nur
die wenigen Worte, die er draußen
sprach, aber sie sagten ihr genug.
,,Telephoniren Sie nach dem Geschäft,
ich lasse Meisenbach bitten, sofort her
auszutommen.«
Meisenbach war Kaufmanns Kassen
bote und ihm unbedingt ergeben. Als
j er das Zimmer wieder betrat, fand er
i Angelika hoch aufgerichtet, die rechte
! Hand auf den Eisch gestützt »
»WCD llllusl ON lclll JELTLITUUUUIB
fragte sie ihn tust harter, klangloser
Stimme.
»Er wird von heute ab Dein Kerker- J
meister sent, nur wenige Tage, das ver
spreche ich Dit, bis ich meine Verhält
nisse so weit rangirt habe und Deutsch
land verlassen kann. Von da ab werde
ich mein Leben nur der Rache widmen,
Du sollst zusammenbrechen unter meiner
Faust. Du hast die erbärmliche Zahlen
maschine ein« klein wenig falsch beur
theilt. Jch will Dich strafen Dein Le
ben lang, und da, wie ich annehme, die
grBte Strafe siir Dich meine Gegen
wart ist, fo wirst Du mich nach Ame
rita oder Australien, oder wohin uns
unser Weg führt, begleiten.«
»Niemals!«
»Ich sage Dir, Du wirft mich be
gleiten.«
»Du kannst mich nicht zwingen wider
meinen Willen-«
»Das wollen wir fehen.«
»Schust! Du wirst mich nicht zwin
gen, ich hin stärker als Du . . . Du
ohnmächtiger Schimchlops·«
Sie sprang auf den Speisetifch zu,
wo noch die kleinen scharfen Desserts
messerchen laan, nnd- ehe Kaufmann sie
hindern konnte, hatte sie sich einen
Schnitt in den Puls-—- beigebracht. Beans
mann stand eine Selunde leichenblaß,
dann entriß er ihr das Messer, aber das
Blut rann schon leise über die Hand.
Es war keine gefährliche Verletzung, das «
fah er sofort Eine Serviette diente als H
erster Verband Angelika wollte sich
gegen seineHilfe wehren, er hielt sie aber
eisenfest nud drückte sie auf einen Sessel
nieder. Da fing sie laut an zu weinen,
ihre Kraft war gebrochen sie glitt vor
ihm auf die Knie niede.f nd jammerte
schluchzendt
»Hier liege ich vor Dir- im Staub, Du
Entsetzlicher, ich flehe Dich an, vernichte
nicht mein Lebensglück Nimm mein
ganzes Vermögen, nimm alles, was Du
willst, ich will als Bettlerin von Dir
gehen, nur laß mich ziehen, halte mich
nicht. Was kann Dir denn eine Frat.
sein, die einen Anderen liebt, die mit
allen Fibern ihres Herzens sich nach die
sein Anderen sehnt. Sei großmüthig,
sei barmherzig und gieb mich frei. Sieh,
ich habe ja nichts auf der Welt als diesen
Mann, ich müßte zu Grunde gehen,
wenn ich ihn verliere Du willst ein
Kavalier sein, aber Du kannst es doch
nicht wollen, daß eni armes-» schwaches
Weib schuldlos Dein Opfer wird. Jch
kann ja doch nichts dazu thun, daß tei;
ihn liebe, daß meine Seele nach ihm ver
lnagt, daß mein Herz nach ihm schreit,
daß er alle meine Sinne und Gedanken
beherrfcht. Felix, ich flehe Dich an, bei
allem, was Dir Vielleyht noch heilig ist,
gieb mich frei! Gieb mich frei! Gieb
mich freil«
Jhre Arme wurden kraftlos, ihre Au
gen schlossen sich, und die Unglückliche
fiel schwer auf den Teppich nieder, unr
einr Ohnmacht umhüllte ihre Sinne-.
di( Ol- bit
Es war tiefe Nacht, als die unglück
liche Frau erwachte. Sie lag in ihrem
Bett, eine Ampel warf spärliches Licht
auf die Möbel und Vorhänge. Eine
wiitbende Hitze raste ihr im Blut. Sie
sah Streitberg mit einer Schlangenpeit
sche, scheußliche Personifikationen des
Wahnsinns hetztnd, Kaufmann in der
rothen Kutte des Henker-Ei mit fürchter
lichem, leichenfahlern Gesicht und den
Augen eines Vampnrs. Jhre Zunge
klebte und lag ihr wie ein glühendes
Stück Holz irn Munde. Da fühlte sie
plötzlich ihren Kopf aufgehoben, sund
eine kühle Flüssigkeit benetzte ihren dur
stenden Gaumen. Auf die brennende ;
Stirn legte ji cheni weiches-, kühles Et
·was. Langsam lehrten ihre Sinne zu
riict nnd damit auch die Erinnerung an
die erlebte Szene. Jetzt erkannte sn
auch Kaufmann. Seine Augen ruhten
mitleidig, liebevoll, besorgt auf ihr.
Jst Dir wieder besser, Angelika?«
War das derselbe-Mann, der sie seine
ganze tnrannische Macht hatte fühlen
lassen, der sich mit der Leidenschaftlich
keit eines Versinkenden an sie klammerte
und sie nicht loslassen wollte? So wa.
er ja noch nie gewesen, so energisch, so
gewaltthätig und so eisig kalt. Und jetzt
war er ganz Liebe und Sorge. Ein
eigenthiimliches Gefühl beschlich sie.
Hatte sie den Mannn vielleicht in den
langen Jahren ihret- Ehe verkanntt
Hatte sie vielleicht nur die eine Seite
seines Charakters kennen gelernt: den
rücksichtslosen, Vor keinem Verbrechen
zurückschreckenden Spekulanten? Den
Mann, der alles nach Geld abschätzte,
der jeden Dienst bezahlen zu können
glaubte? War vielleicht wirklich zwi
schen dem Bankier Kaufmann nud dem
Privatmann Felix Kaufmann ein so
großer Unterschied, wie er Vorhin ange
deutet hattte? !
»Wie fühlst Du Dieb« icb bin so froh,
daß Du wieder bei Bewußtsein bist.
Schlafe ient. es ist bald Moral-n nnd
der Sanitätsrath kommt.«
Er reichte ihr einen Löffel Arznei,
den sie begierig nahm und bald darauf
einschlief.
Leises Sprechen weckte Angelika von
Neuem aus dem Schlaf. Heller Son
nenschein lachte durch das osfene anss
ster und süßer Blumendust drang her
»ein. Sie war ganz llar bei Sinnen
H und glaubte, fast alles nur geträumt zu
haben, was ihr Fürchterliches begegnet,
aber ein leiser Schmerz an der Hand
erinnerte sie an die Wirklichkeit Sie
sah Kaufmann bleich und iibernächtig
mit dem Sanitätsrath am Bett stehen
»Wie gehi es Ihnen, gnädigste
Frau?«
»O, ganz gut, Herr Sanitätsrath.«
»Das sreut mich . .. es ist nun alles
vorüber.« wandte er sich an Kaufmann,
»Sie können sich nun auch etwas Ruhe
gönnen. Das ist ein Gatte . . ." Der
Sanitätsrath faßte lächelnd Anaelilag
Hand... Drei Tage und drei Nächte
nicht vom Bett gewichen. So pflegt
nur die Liebe-«
A--gelika glaubte m träumen. Ein
eigenthiimiiches Gefühl von Beruhigung
kam iiber sie und sie schloß die Augen
Schon halb im Schlafe hörte sie noch
den Sanitätsrath sprechen:
i - I
»Sie können ganz ruhig reisen, natür-« —
lich in kleinen Etappen, vielleicht eine
Nacht im Schlaswagen . . . Die ganze
Sache ist mehr seelische-c Natur . . . von
einer Wunde kann man nicht sprechen.
Aber Sie müssen jetzt schlafen, lieber
Freund.« F
Damit verabschiedete er sich. «
Angelita richtete sich im Bett auf:
»Du willst reisen, mit mir reisen?"
I »Beunruhige Dich nicht. Jch bin
s nicht die Bestie, für die Du mich hältst,
s ich weiß eine leidende Frau zu schonen.
! Ich wünsche auf einige Wochen zu bee
reifen, aber man soll weder auf der
"Bant, noch aus der Börse davon ersah-—
ren. Alle Mittheilungen nimmt Met
fenbach in Empfang und telegraphirt sie
mir sofort nach Tirol. Du mußt aus
dieser Umgebung fort.«
»DreiTage hastDu bei mir gewacht?«
»Das ist nicht der Rede werth. wenn
Du nur wieder wohl bis .«
Er setzte sich neben das Bett, nahm
Angelikas kalte Hand zwischen die sei
nen und blickte ihr» bekümmert in die
schönen, jetzt fast erloschenen Augen.
Endlich sagte er:
»Es bedarf wohl Deinerseits keiner
besonderen Vorbereitungen zu der
ReiseZ«
»Nein! Das Allernothwendigste kann
die Jungfer packen. Jch dars sie doch
mitnehmen?«
»Selbstverständlich! Du darfst Alles,
wag Du willst, nur nicht einen Anderen
lieben als mich.«
Er blickte sie heiß an, nahm sie in die
Arme und küßte leidenschaftlich ihre kal
ten Lippen.
Was war denn das? Angelika sah er
staunt aus. «
»Ach, Du wunderst Dich. Aber ich
wei es selbst nicht, wie es über mich ge
kommen ist. Mir ist. als ob ich Dich
erst gefunden hätte, als Du mir Deinr
Liebe zuStreitberg gestandest, da loderte
es heiß in mir auf· Eine wilde Eifer
sucht, die mich eine Unthat hätte be
gehen lassen können, hatte sich meiner
bemächtigt und ein wahnsinniger
Schmerz, oa ich Dich verlieren soll. Ja
habe ja geglaubt, das sei Alles in meiner
Brust todt Und kalt. Ich kann Dir
aicht sagen, was mich bewegt, dasGefithl
ist mir so neu und doch von so verwir
rendem Zauber, es ist nur eins möglich,
ich liebe Dich, Angelika,""und er lachte
schmerzlich auf. »Es ist traurig, daß
ein Mann seiner eigenen Gattin dies
Geständniß machen und mit Zittern und
Zagen auf eine Antwort warten muß.«
Angelika sah ihn zweifelnd, staunend
an. Sie fürchtete wohl, daß sein ganzes
Benehmen eine Finte sei, daß er sie in
einen Hinterhalt locken wollte. Aber seine
Augen blickten sie offen und frei an, und
sie wagte nicht, ihren Befürchtungen
Ausdruck zu geben.
,,Laß mir nur ein paar Wochen Zeit,«
begann er jetzt von Neuem auf sie einzu
reden, ich will versuchen, Dich zurückzu
gewinnen. Jch habe Dich ja nicht ver
standen in den langen Jahren unserer
Ehe. Jch wußte ja nicht, daß Du ein
Charakter seiest, eine starke, leidenschaft
liche Fran, wie ich sie mir immer ge
wünscht. Jch hielt Dich für eine lyrische
Schwärmerin, fiir ein Stückchen Blau
strumvs. Zum ersten Male sprudelte
mir die heiße Quelle Deiner Seele ent
gegen. und ein Anderer war es, der sie
entdeckt und gefaßt hatte. Nur ein paar
Wochen gieb mir Gelegenheit, um Dich
zu werben, laß mich um Dich sein alle
Stunden des- Tages in Tirols hoher,
einsamer Natur-. Wenn Du ihn dann
noch liebst, sollst Du frei sein, sollst hin
gehen, wohin Du willst. Willigst Du
ein?« .
Angelika nickte müde und traurig.
Hätte er vor Jahren so zu ihr gespro
chen, ein einziges dieser leidenschaftli
chen Worte hätte die ganze Menge dek
dekadenten Künstler, der pikanten, ja
sogar etwas überpikanten Frauen aus
ihrem Salon herausgefegt. Heute war
es zu spät oder . . . war es vielleicht doch
noch Zeit? War ihr Her-denn schon un
auflöslich an Streitberg gefesselt, oder
» hatte si: sich ihm nur zugewandt, um
I ihre Einsamkeit zu tödten? Hatte sie
E nicht auch einmal geglaubt, Korn zu lie
ben und wie bitter fand sie sich getäuscht.
Welch ein Glück, in dem eigenen Gatten
auch den Geliebten zu besitzen. Durste
I sie ihm. dem anaitvoll Mrbenden die
letzte Möglichkeit, sie zu gewinnen, det
sagen·? Nein! Das wäre ungerecht, das
wäre verbrecherisch Sie setzte sich nun
in dem Bett auf und sagte leise, doch
nicht ohne Wärme: «
»Du bist gut, Felix, viel besser, als
ich glaubte.- Jch habe Dir viel abzu
bitten.«
»So willst Du mitkommen, ganz stei
willig, ohne Zwang?«
Sie nickte.
Und er nahm sie mit einem unsicheren,
zweifelnlen Ausdruck in den Augen an
seine Brust und drückte seine Lippen aus
ihre Stirn. Mit einem warmen, herz
lichcn Blick dankte sie ihm diese taktvolle,
zurückhaltende Lieblosung. Mit einem
leichten Neiaen des Kopfes sant sie in
die Kissen zuriick und schlief sanft ein.
Kaufmann verliess jetzt zum ersten
Mal das Krankenzimmer. Er legte sich
in seiner Stube aus das Sopha nieder.
Er war müde, seine Gliedet schienen
ihm wie abgestorben Und diese Frau
hatte er so verkannt. Sie war wirklich
sein besseres Ich, sein unberührtes
Selbst. und wenn er ihr die Welt zu
Füßen legen mußte, cr wollte sie gewin
nen.
Schlus- solgt.)