Schwankende Liebe. Roman von Ferner-and Rnntei. thrtsenunaJ Das war so getomm«:1: »Zu! selben Zeit, etwa als die drei Künstler ihr Mittagsmahl nach den Strapazen des Firnisztages einnat, men, setzten sich auch nAgelita und ihr Gatte in Wilmersdors zu Tisch. Schon am Ta e vorher hatte Kausmann eine cigent miche lErregtheit an seiner Frau bemerkt, aber er wollte nicht den ersten Anstosz zu einer drohenden Aus einandersetzung geben. Er kannte Ans gelita genau und wußte, daß ihre Er regtheit von dem Drange herrührte, ihm irgend etwas sie lebhaft Bewegen des mitzutheilen Und da sich das Ehe paar seit der letzten Zeit ständig aus Kiiegssusx befand, so ätte Kaufmann es siir einen tattischen Fehler gehal ten, irgend welches Interesse zu ver rathen und sich somit zur Offensive verleiten zu lassen. Er mußte ganz genau, je länger er eine abwartende Haltung bewahrte, desto stilrmischer wurde die Erregung seiner Gattin, bir— sie schließlich aus dem Punkt angekom men war, wo sie nicht mehr schweigen konnte. . Kaufmann war sich allerlei Ueber tretungen bewußt, von denen er nicht aern hatte, daß Angelika ihn darüber ,-.ur Rede stellte; denn so seltsam eg «:nrb Mem-n man in seinem Leben nahm Angelika doch noch einen großen Plan ein. Er war ein tomplizirter Charakter. Bei all seiner Kälte « Riicksichtslosigleit in ges IMR Dingen, bei aller Skru lloiakeit in seinen Mitteln zum eldverdienei!, hatte er doch jenen unbeugsamenStol,i, den auch arotze Verbrecher sehr oft be sitzen. Er wollte außerhalb des Ge schäfte§ ein Gentleman bleiben, und er rermied es ängstlich, Veranlassung zu geben« daß über ihn aeklaischt wurde. Denn die Männer sind die besten, das wußte er genan, über die die Welt am wenigsten zu reden findet. Als er nun bemerkte. daß Angelika sich ibin melzr isnd mehr entfreindete, hätte er um alles in der Welt nicht seine Kreise etwas Derartigee durchfühlen lassen mögen. Wenn erses aber nicht hin tern konnte, wollte er wenigstens selbit die Initiative zu dieser Entfremdung igeien haben. Er spielte sich daher einen Freunden acgeniiber auf den Lekemann hinaus, ohne eigentlich recht mit seinem Herzen bei all den kleinen Diimchen zu sein, mit denen er Abends im chambre separee Sekt trank. Trotzdem hatte er eine gewisse Furcht, daf; nAaeilka von diesen Dingen er fuhr. Viellicht wei er seine schöne Frau noch iebtelz jedenfalls iibie das rein Körper-liebe an ihr noch einen aei wissen Zauber aus, und der Gedante, sie zu verlieren, war ibm peinlich liein anderes weibliches Wesen ver mochte seine Sinne in einen ähnlicher-. Rausch zu versetzen wie Angelika Und je mehr sie sich Von ihm ziiriielzoc, desto heller brannte in ihm die Flam me seiner Begierde. Aber das war eiå nicht allein, was ihn an sie fesselte. Angelika war für die Gesellschaft deute eine gefeierte Schönheit, die das Recht hatte, sich den Hof machen zu lassen, die im Grunde aber doch mit ihrem Gatten imsbesicn Einveriiebmen lebte. Dieser schien wohl ein Leb mann. aber nicht schlechter als tausend Andere aus seinen gesellschaftlichen Kreisen. Er nahm es lzwar mit der ehelichen Treue nicht allzu genau, liebte aber im Grunde seine Frau und re speltirte die Ehre seines Hauses. Diesen Standpunkt mußte Raus nsann bewahren, wollte er nicht in dein gefährlichen Kampf, den er führte, un terliegen. Er hatte daher nicht ohne eine gewisse Beklemmung Anaelita’-"J Erreatheit beobaaytet und sich zur Taktik des Abwartenz entschlossen. So lange die Dienerschaft noch bei Tisch zugegen war, belierrschten sich beide Gatten in inusterlzafter Weise. als aber die Tafel aufgehoben war und die Domeftiten sich entfernt hatten, verstummte plötzlich das aleicheiltiae, anfänglich barmlos aefiihrtc Gespräch, und es trat eine schiviile Pause ein, in der feder«der beide-n Gatten mit fie berhafter Spannung das Wort des Anderen erwartete. Kaufmann war seiner Frau ohne Zweifel an Selbstbe berrschuna überlegen, denn er spielte leeren Moeratäsichen beium. Jetzt nabin er das silberne Löffelchen und tlapperte scheinbar ganz harmlos an beizdiinnen Por«zellan.» Angelika-Her lllulllc MI( llckcclcm Wiss lcllk BU« viette, sprang auf und warf sie auf den Tisch, «Laß doch dies blöde Geilapver’« »Du bist wieder sehr nervöz Liia. Ich wtirde Dir zu einerErbolungsreise rathen." l »Ich ibn gar nicht neevös, habe auch seine Lust, zu reifen, es gefällt mir im Gegeniheil sehr gut hier." »Es ist in auch recht schön, aber viel klcht IVUkVefi Du Dich in der erfriscteni den Luft der Alpen wohier fühlen als in dem dumpfen, etwas iumpfigen Kiima unserer Bild-. vielleicht könnte Dir nnch ein Kreis anderer Menschen nicht scha den.'« »Du weißt doch daß mein Kreis der selbe breit-e Woäin ich mich wende meine Getreuen folgen knir. Jch will auch»gar teine anderen Menschen sehen. mein Berliner Verkehr ist mir gerade recht. Aber ich begreife nicht, weshalb Du mich entfernen tnöchtest.« »Ich möchte Dich aar nicht entfernen Im GeqentdeiL es ist ei: Opfer, wenn ni- Dich ziehen lasse.« Sonntags sYlatI beilage " aes »Enzeigek und herolcl«. J. P. Wind-sph, Herausgeber « . Grund Island Ncbr den 8. März 1901. Jahrgang 21 No. 27 Das Ieicht hingeworfen-Wort versetzte Angelita in eine heftige Aufregung. Was wollte ihr Gatte damit sagen's Ahnte er, was sie aus dem herzen hatte, und beugte er schon jetzt ihrem Wunsche nach Trennung vor? Sie verhielt sich einen Augenblick ruhig und sann nach, aus welche Weise sie geschickt zu dem Hauptthema der heutigen Unterhaltung gelangen könne »Ich führe doch eigentlich ein recht trauriges Leben an Deiner Seite.« «Wieso? Du hast Alles, was Du Dir wünsches .« »Nein! Mir fehlt der warme Schein, den die Harmonie der-Charakte« und die Liebe in die Ehe bringen " Kaufmann mertte, daß Angelika sich dem Hauptpunkte des Wortgefechteg näherte. Aber er hütete sich wohl, etwas F seiner Entdeckung durchblicken zu ,,en und antwortete ganz gleichgiltig: z »Das muß dann wohl an Dir liegen, fich liebe Dich mehr, als Du ahnst.« J»Heurl-,ler! Deshalb verbringst Du Juch Deine Abende mit allerlei Grifetten und Koietten.« »Ich leugne es nicht, aber ich thue es mehr, weil es zum guten Ton gehört. Unsere Gesellschaft ist fürchterlich grau sam- Sie würde einen Mann in meiner Position einfach auslachen, sollte er sich ihren Gewohnheiten nicht fügen, oder sie würde mich für einen Plebeher ver schreien. Glaube mir, ich war Dir nie untreu.« Angelika lachte turz und trocken auf. »Du zwingst mickt doch wohl nicht, derartigen Unsinn zu glauben.« »Ich zwingt Dich nicht. Aber ich halte es für eine Gemeinheit, dem Worte eines-— Mannes zu mißtrauen.« Pein Mart- suä Guts-n Napels-r Kaufmann, dem kein Versprechen heilig ist, der jeden Handschlag bricht, wenn es eine Gegenmine an der Börse zu spren« gen gilt.« »Ganz recht, mein Liebling. Aber der Herr Bankier Kaufmann und der Pri vatmann Kaufmann sind zwei höchst verschiedene Charaktere; ,der Letztere ist ein Kavalier und fordert von seiner Gat tin, als solcher behandelt zu werden« »Auch dann, wenn er Geld von ihr oerlangt?« »Ah, Du spielst aus meine Goldminen spekulationen an. Ich wollte Dich ja zu meinem Geschäftsthetlhaber machen, zu meinem Verbiindeten. Frage Alle, die je mit mir zusammen gearbeitet haben, ob Einer mich auf einem faulen Pferde crtappt hat« ,,Ertappt hat Dich wohl Keiner. trott dem bin ich überzeugt, daß Du sie Alle betrogen hast« Kaufmann sprang auf. Eine heiße Blutwelle schoß ihm ins Gesicht und seine Augenbrauen zogen sich finster-ju sammen. Er machte ein paar Schritte nach dem Fenster hin und blickte in den sonnigen Garten hinaus. Nach einer kurzen Weile wandte er sich wieder um. »Du bist eine Dame und ich muß mir derartige Angrisfe von Dir gefallen las sen, ohne Dir eine einzige Antwort zu geben« die darauf gehört. Ohrfeigen!« »Ich hätte Dich gar nicht fiir so rück sichtsvoll gehalten und ich muß Dir ges stehen, Deine einzig richtige Antwort wär mir lieber gewesen als Deine un besiegbare Zurückhaltung Mir sind Männer ohne Blut unsympathisch« »Du täuschest Dich in mir. Jch bin nur gut erzogen und weiß mich zu be herrschen. Was Du bei Deinen Deta denten Blut und Leidenschaft nennst. Zenne ich Ungezogenheit und Mangel an » att.« Wiederum war Kaufmann gewandt dem direkten Eingehen auf die Tren nungsfrage ausgewichen und Angelika zitterte in vhnrniichtiger Wirth, weil es ihr nicht- gelingen wollte, den Fuchs aus seinem Bau herauszuwaen Die Iuyue, daß Kaufmann ihre halbenAndeutungen absichtlich mißverstand. Aber sie wollte trotzdem nicht allzu direkt aus ihr Ziel losgehem denn eine dunkleAhnung sagte ihr, daß ihr Gatte, wenn ihre Absicht erst tlar zu Tage trat, sich weigern würde, in eine Trennung zu willigten Sie mußte ihn zwingen, selbsi den Ge danken auszusprechen Aber die Zeit drngte, Streitberg wollte Gewißteit und sie sehnte sich nach einer Klärung der Verhältnisse »Warum suchst Du meine Freunde zu beleidigen? Wenn sie Dir nicht pas sen, so sprich Dich doch aus.« »Was hätte das fiir einen Zweck? Du wirst ja Streitberg doch nie ausgeben, troßdem Du weißt, wie unsympathisch er mir ist. Glaube nicht, daß ich etwa eifersiichtia bin. Jch weiß ganz genau, daß eine schöne Frau das Recht hat, sich den Hos machen zu lassen. und unter all Diesen, die Dich umschwärmen, ist Keiner, dessen Konturrem ich fürchtete« »Du täuschest Dich vielleicht.« ,.Vielleicht. Jch kenne nur Einen. der ernsthaft genommen zu werden verdient, und das ist Streitberg. Der aber wird niemals iiber seine Provinzmoral hin auslommen Er ist ein Mann aus an derem Holz als Deine Dekadenten. « Du tönntpst Dich auch darin täu schen« »Nein! Aber um diesem Eiertanz ein Ende zu machen, will ich Dir sagen, wag Du beabsichtigst. Du liebst Streitberg, er aber hat Dir erklärt, nie der Geliebte einer verheiratheten Fau zu werden« Angelika erblaßte tief. »Aha, Dein Schreck giebt mir Recht. Du willst nun in Deiner Verblendung von mir die Ehescheidung sordern.« »Und wenn es so wäre?« Verbanne diesen Gedanken ein für allemal aus Deinem Gehirn. Jch werde mich nie zu einem derartigen Standal hergeben. Jch habe keine Lust, in die Zeitung Zu kommen-« So werde ich die Scheidung erzwin gen.« s »Ich sehe diesem Versuch mit Ruh entgegen. Aber s»oiel sage ich Dir, wenn Du meinenNamen in den Schmutz ziehn, wenn Du mein Haus dem Klatsch preis giebst,« nud nun trat er aus sie zu, seine Augen suntelten in wildem Feuer, er ballte die Faust dicht vor ihrem Gesicht, »so erwürge ich Dich mit dieser Hand Also hüte Dich « Angelika fuhr entsetzt ein paar Schritte zurü. »Aber sage mir nur, was mich an Dich sesselt.« »Die lonventionelle Lüge. Und wenn wir doch einmal heute uns einander die Wahrheit sagen wollen. Du bist mir der reine Schild, hinter dem ich ungestört meine Geschäfte treiben kann. Eine Ehe scheidung wiirde mich in den Mund der Leute bringen, und das wäre der Ruin meines Hauses-. « ,,Deiner Spetulation sag lieber. Das CHqu UUV Wust qu III-, Flut-u engsten-, würde den verbrecherischen Jobber zu grell beleuchten, als da er seine Künste noch weiter treiben könnte. Aber das soll mir gleichgiltig sein. Jch hafse Dich und verachte Dich, und wenn Du zu Grunde gehst, mn geschieht mir die erste und größte Freude in meinem Le ben.« »Ich werde dafür sorgen, daß Du diese Freude nicht erlebst. Und ich der sichere Dir hier auf das Wort eines Kavaliers . . .« Angelika ckandte sich ab und sah ihn verächtlich iiber die Schulter as »Ja, auf das Wort eines avaliers. Deine Verachtung trifft mich nicht. In dem Augenblick, wo Du einen Schritt thust, der den öffentlichen Standal dro vozirt, in diesem Augenblick hast Du aufgehört zu leben.« »Ach, glaube doch nicht, daß Du mir damit Angst einjagstWas liegt mir denn am Leben ? Jch liebe Streitberg so un endlich, daß ich ohne ihn doch im Grabe oder im Jrrenhause enden würde. Deine Drohung hat also für mich gar keine Kraft« · »Also so weit ist es schon, nun, dann werde ich eben andere Maßregeln ergrei sen. Fürchte nicht, daß ich zu schwach sei, Dir und Deinem Geliebten die Stirn zu bieten, ich vernichte Euck Beide.'« »Er ist stärker als DU. An seiner reinen Größe scheitern alle Deine ver brecherischen Unternehmungen Vor einem Wink seiner Hand versintft Du in nichts, Du elende, erbärmliche Zah lenmaschine.« Kaufmann hatt-. wieder die volle Herrschaft über sich gewonnen. Er streckte sich behaglich in seinem Sesse! aus, ver schränkte die Arme über der Brust und sah die Bild erzeigte schöne Frau mit sclllcll cqlgsscll UIIUGII Ill- UUJ cUch Weile begann er mit einem lalten, spöt tischen Lächeln: »Es ist gut, daß wir bei unserer Ver handlung leinen Zeugen haben. Die Welt würde sonst einen schönen Begriff von mir betommenk »Die Welt soll alles erfahren Jch werde nicht mehr schweigen, ich werde Dich Deinen Gegnern preisgeben.« »Thue es doch, wenn Du es kannst. Und was hättest Du über mich zu sagen?« »Deine Verbrechen ausdecken will ich.'· »Pah!« Er lachte hell auf. »Meine Verbrechen! Ich bin lalt und rücksichts los im Kapitaltriea. Ich nutze die Macht aus, die mir das Geld giebt, weite1 nichts Moralisch inaa dagegen wohl Mancher etwas einzuwenden haben, aber rechtlich. ,Mir genügt es schon, Dich moralisch todt zu machen." »Verai nicht, daß Du von dem un moralisch erworbenen Gelde Deine Feste aefeiert und wie eine Fürstin gelebt hast«-s »Dazn berechtiate mich meine Stel luna und meine Persönlichkeit« «·Zicaeaeben. Aber warum hast Du Deine Skrupel nicht schon friilser aus gesprochen? Du wußtest, daß es bei mir nicht immer ganz irämermäßig mos ralisch zuging. « »Ich wußte es nicht, als ich Dich bei rathete. « »Aber fpiiter.« »Ja, ich schwieg, weil ich hoffte, Du würdest die Hoffnungen erfüllen, die Du in mir als Bräutigam erwecktest.« Hast Du meine erfüllt? Du schweigst Nein! Ich wollte eine ebenbürtige Ge fährtim ein Weib voll Feuer, die ich bec schwenderisch mit allem Luxus umgeben hätte, und die nsit dafür ihre Seele schenkte, eine heiße Seele, die mich nan det zermiirbenden agesarbeit in den Ha schischrausch der Liebe versetzen sollte Du warst eine lalte Puppe, die sich vor-. belade-ten, nervlosen Buben anscher men ließ.« »Und was warst Du mir? Jch wollte einen ganzen Mann, voll Kraft und Größe, mochte er auch ein Teufel sein, enien Mann, der meine Seele gefunden hätte, und hätte er über Verbrechen und Tod gehen sollen. Du warst nichts von . dem. Was ist dagegen Streitberg?. l Welch eine unermeßliche Männlihteit, welch eine Fülle von Liebe welch eine Gluth....11nd Du .,,Apoll bei einem Sator« »Das Sathrspiel folgt der T:agödie. z Machen wir es einmal umgekehrt, nehmen wir die Tragödie zuletzt. Wage nicht noch einmal in meiner Gegenwart von Deinem Geliebten zu sprechen, Du »Sprich es au;3«. das Wort, dag mich von Dir tienni. Du magst mich halten, wofür Du willst, Du bist mir nichts gegen ihn, er ist mir alles-. Er ift mein Schicksal, meine Sonne, ihm jauchze ich entgegen, ich liebe ihn mit einer Liebe, die grber ist als meine Schande, Deine Genossen gewesen zu sein, mich dem Ekel Deiner Leidensckaft preisgegeben zu haben. Er ist mein J lück, mein Leben, mein Tod, mein IGott und meine Religion» Und Du I Du bist» .,ah wie ich Dich hasse wie ich Dich verachte» l »Weib! Jetzt ist H genug!« · »Es-r faßte sie wild an den Schultern und schleuderte sie zurück, Faß sie tau melte und in einen Sessel stürzte. Dann , sprang er auf sie zu und schüttelte seine Fäuste vor ihrem Gesicht, seine Augen blitzten in entsetzlicher Wuth »Du hast mich beleidigt, Du hast mich begeifert, Du hast den Mann in mir wachgerufen. Schließe ab mit Deiner Vergangenheit, von nun an will ich Dein Herr sein. .. O, Du . .. fchamlose« »Courtisane... sprich es nur aug, jedes Schimpswort klingt mir aus Dei nem Munde wie Musik, es mahnt mich an die süßen Liebeslaute Streitbergs.« »Nichts mehr von ihm, Du siehst ihn nie wieder, von heute ab bist Du meine Gefangene.« »Hoho! Das wollen wir doch einmal sehen.« Mit schnellem Griff erfaßte Angelika den elektrischen Filingelzug und drückte auf den Knopf. Aber als der Diener sich über das Vestibiil dem Zimmer neiherte, vertrat Kaufmann ceiner Frau den Weg, ging hinaus und zog die Thür hinter sich zu. Angelika hörte nur die wenigen Worte, die er draußen sprach, aber sie sagten ihr genug. ,,Telephoniren Sie nach dem Geschäft, ich lasse Meisenbach bitten, sofort her auszutommen.« Meisenbach war Kaufmanns Kassen bote und ihm unbedingt ergeben. Als j er das Zimmer wieder betrat, fand er i Angelika hoch aufgerichtet, die rechte ! Hand auf den Eisch gestützt » »WCD llllusl ON lclll JELTLITUUUUIB fragte sie ihn tust harter, klangloser Stimme. »Er wird von heute ab Dein Kerker- J meister sent, nur wenige Tage, das ver spreche ich Dit, bis ich meine Verhält nisse so weit rangirt habe und Deutsch land verlassen kann. Von da ab werde ich mein Leben nur der Rache widmen, Du sollst zusammenbrechen unter meiner Faust. Du hast die erbärmliche Zahlen maschine ein« klein wenig falsch beur theilt. Jch will Dich strafen Dein Le ben lang, und da, wie ich annehme, die grBte Strafe siir Dich meine Gegen wart ist, fo wirst Du mich nach Ame rita oder Australien, oder wohin uns unser Weg führt, begleiten.« »Niemals!« »Ich sage Dir, Du wirft mich be gleiten.« »Du kannst mich nicht zwingen wider meinen Willen-« »Das wollen wir fehen.« »Schust! Du wirst mich nicht zwin gen, ich hin stärker als Du . . . Du ohnmächtiger Schimchlops·« Sie sprang auf den Speisetifch zu, wo noch die kleinen scharfen Desserts messerchen laan, nnd- ehe Kaufmann sie hindern konnte, hatte sie sich einen Schnitt in den Puls-—- beigebracht. Beans mann stand eine Selunde leichenblaß, dann entriß er ihr das Messer, aber das Blut rann schon leise über die Hand. Es war keine gefährliche Verletzung, das « fah er sofort Eine Serviette diente als H erster Verband Angelika wollte sich gegen seineHilfe wehren, er hielt sie aber eisenfest nud drückte sie auf einen Sessel nieder. Da fing sie laut an zu weinen, ihre Kraft war gebrochen sie glitt vor ihm auf die Knie niede.f nd jammerte schluchzendt »Hier liege ich vor Dir- im Staub, Du Entsetzlicher, ich flehe Dich an, vernichte nicht mein Lebensglück Nimm mein ganzes Vermögen, nimm alles, was Du willst, ich will als Bettlerin von Dir gehen, nur laß mich ziehen, halte mich nicht. Was kann Dir denn eine Frat. sein, die einen Anderen liebt, die mit allen Fibern ihres Herzens sich nach die sein Anderen sehnt. Sei großmüthig, sei barmherzig und gieb mich frei. Sieh, ich habe ja nichts auf der Welt als diesen Mann, ich müßte zu Grunde gehen, wenn ich ihn verliere Du willst ein Kavalier sein, aber Du kannst es doch nicht wollen, daß eni armes-» schwaches Weib schuldlos Dein Opfer wird. Jch kann ja doch nichts dazu thun, daß tei; ihn liebe, daß meine Seele nach ihm ver lnagt, daß mein Herz nach ihm schreit, daß er alle meine Sinne und Gedanken beherrfcht. Felix, ich flehe Dich an, bei allem, was Dir Vielleyht noch heilig ist, gieb mich frei! Gieb mich frei! Gieb mich freil« Jhre Arme wurden kraftlos, ihre Au gen schlossen sich, und die Unglückliche fiel schwer auf den Teppich nieder, unr einr Ohnmacht umhüllte ihre Sinne-. di( Ol- bit Es war tiefe Nacht, als die unglück liche Frau erwachte. Sie lag in ihrem Bett, eine Ampel warf spärliches Licht auf die Möbel und Vorhänge. Eine wiitbende Hitze raste ihr im Blut. Sie sah Streitberg mit einer Schlangenpeit sche, scheußliche Personifikationen des Wahnsinns hetztnd, Kaufmann in der rothen Kutte des Henker-Ei mit fürchter lichem, leichenfahlern Gesicht und den Augen eines Vampnrs. Jhre Zunge klebte und lag ihr wie ein glühendes Stück Holz irn Munde. Da fühlte sie plötzlich ihren Kopf aufgehoben, sund eine kühle Flüssigkeit benetzte ihren dur stenden Gaumen. Auf die brennende ; Stirn legte ji cheni weiches-, kühles Et ·was. Langsam lehrten ihre Sinne zu riict nnd damit auch die Erinnerung an die erlebte Szene. Jetzt erkannte sn auch Kaufmann. Seine Augen ruhten mitleidig, liebevoll, besorgt auf ihr. Jst Dir wieder besser, Angelika?« War das derselbe-Mann, der sie seine ganze tnrannische Macht hatte fühlen lassen, der sich mit der Leidenschaftlich keit eines Versinkenden an sie klammerte und sie nicht loslassen wollte? So wa. er ja noch nie gewesen, so energisch, so gewaltthätig und so eisig kalt. Und jetzt war er ganz Liebe und Sorge. Ein eigenthiimliches Gefühl beschlich sie. Hatte sie den Mannn vielleicht in den langen Jahren ihret- Ehe verkanntt Hatte sie vielleicht nur die eine Seite seines Charakters kennen gelernt: den rücksichtslosen, Vor keinem Verbrechen zurückschreckenden Spekulanten? Den Mann, der alles nach Geld abschätzte, der jeden Dienst bezahlen zu können glaubte? War vielleicht wirklich zwi schen dem Bankier Kaufmann nud dem Privatmann Felix Kaufmann ein so großer Unterschied, wie er Vorhin ange deutet hattte? ! »Wie fühlst Du Dieb« icb bin so froh, daß Du wieder bei Bewußtsein bist. Schlafe ient. es ist bald Moral-n nnd der Sanitätsrath kommt.« Er reichte ihr einen Löffel Arznei, den sie begierig nahm und bald darauf einschlief. Leises Sprechen weckte Angelika von Neuem aus dem Schlaf. Heller Son nenschein lachte durch das osfene anss ster und süßer Blumendust drang her »ein. Sie war ganz llar bei Sinnen H und glaubte, fast alles nur geträumt zu haben, was ihr Fürchterliches begegnet, aber ein leiser Schmerz an der Hand erinnerte sie an die Wirklichkeit Sie sah Kaufmann bleich und iibernächtig mit dem Sanitätsrath am Bett stehen »Wie gehi es Ihnen, gnädigste Frau?« »O, ganz gut, Herr Sanitätsrath.« »Das sreut mich . .. es ist nun alles vorüber.« wandte er sich an Kaufmann, »Sie können sich nun auch etwas Ruhe gönnen. Das ist ein Gatte . . ." Der Sanitätsrath faßte lächelnd Anaelilag Hand... Drei Tage und drei Nächte nicht vom Bett gewichen. So pflegt nur die Liebe-« A--gelika glaubte m träumen. Ein eigenthiimiiches Gefühl von Beruhigung kam iiber sie und sie schloß die Augen Schon halb im Schlafe hörte sie noch den Sanitätsrath sprechen: i - I »Sie können ganz ruhig reisen, natür-« — lich in kleinen Etappen, vielleicht eine Nacht im Schlaswagen . . . Die ganze Sache ist mehr seelische-c Natur . . . von einer Wunde kann man nicht sprechen. Aber Sie müssen jetzt schlafen, lieber Freund.« F Damit verabschiedete er sich. « Angelita richtete sich im Bett auf: »Du willst reisen, mit mir reisen?" I »Beunruhige Dich nicht. Jch bin s nicht die Bestie, für die Du mich hältst, s ich weiß eine leidende Frau zu schonen. ! Ich wünsche auf einige Wochen zu bee reifen, aber man soll weder auf der "Bant, noch aus der Börse davon ersah-— ren. Alle Mittheilungen nimmt Met fenbach in Empfang und telegraphirt sie mir sofort nach Tirol. Du mußt aus dieser Umgebung fort.« »DreiTage hastDu bei mir gewacht?« »Das ist nicht der Rede werth. wenn Du nur wieder wohl bis .« Er setzte sich neben das Bett, nahm Angelikas kalte Hand zwischen die sei nen und blickte ihr» bekümmert in die schönen, jetzt fast erloschenen Augen. Endlich sagte er: »Es bedarf wohl Deinerseits keiner besonderen Vorbereitungen zu der ReiseZ« »Nein! Das Allernothwendigste kann die Jungfer packen. Jch dars sie doch mitnehmen?« »Selbstverständlich! Du darfst Alles, wag Du willst, nur nicht einen Anderen lieben als mich.« Er blickte sie heiß an, nahm sie in die Arme und küßte leidenschaftlich ihre kal ten Lippen. Was war denn das? Angelika sah er staunt aus. « »Ach, Du wunderst Dich. Aber ich wei es selbst nicht, wie es über mich ge kommen ist. Mir ist. als ob ich Dich erst gefunden hätte, als Du mir Deinr Liebe zuStreitberg gestandest, da loderte es heiß in mir auf· Eine wilde Eifer sucht, die mich eine Unthat hätte be gehen lassen können, hatte sich meiner bemächtigt und ein wahnsinniger Schmerz, oa ich Dich verlieren soll. Ja habe ja geglaubt, das sei Alles in meiner Brust todt Und kalt. Ich kann Dir aicht sagen, was mich bewegt, dasGefithl ist mir so neu und doch von so verwir rendem Zauber, es ist nur eins möglich, ich liebe Dich, Angelika,""und er lachte schmerzlich auf. »Es ist traurig, daß ein Mann seiner eigenen Gattin dies Geständniß machen und mit Zittern und Zagen auf eine Antwort warten muß.« Angelika sah ihn zweifelnd, staunend an. Sie fürchtete wohl, daß sein ganzes Benehmen eine Finte sei, daß er sie in einen Hinterhalt locken wollte. Aber seine Augen blickten sie offen und frei an, und sie wagte nicht, ihren Befürchtungen Ausdruck zu geben. ,,Laß mir nur ein paar Wochen Zeit,« begann er jetzt von Neuem auf sie einzu reden, ich will versuchen, Dich zurückzu gewinnen. Jch habe Dich ja nicht ver standen in den langen Jahren unserer Ehe. Jch wußte ja nicht, daß Du ein Charakter seiest, eine starke, leidenschaft liche Fran, wie ich sie mir immer ge wünscht. Jch hielt Dich für eine lyrische Schwärmerin, fiir ein Stückchen Blau strumvs. Zum ersten Male sprudelte mir die heiße Quelle Deiner Seele ent gegen. und ein Anderer war es, der sie entdeckt und gefaßt hatte. Nur ein paar Wochen gieb mir Gelegenheit, um Dich zu werben, laß mich um Dich sein alle Stunden des- Tages in Tirols hoher, einsamer Natur-. Wenn Du ihn dann noch liebst, sollst Du frei sein, sollst hin gehen, wohin Du willst. Willigst Du ein?« . Angelika nickte müde und traurig. Hätte er vor Jahren so zu ihr gespro chen, ein einziges dieser leidenschaftli chen Worte hätte die ganze Menge dek dekadenten Künstler, der pikanten, ja sogar etwas überpikanten Frauen aus ihrem Salon herausgefegt. Heute war es zu spät oder . . . war es vielleicht doch noch Zeit? War ihr Her-denn schon un auflöslich an Streitberg gefesselt, oder » hatte si: sich ihm nur zugewandt, um I ihre Einsamkeit zu tödten? Hatte sie E nicht auch einmal geglaubt, Korn zu lie ben und wie bitter fand sie sich getäuscht. Welch ein Glück, in dem eigenen Gatten auch den Geliebten zu besitzen. Durste I sie ihm. dem anaitvoll Mrbenden die letzte Möglichkeit, sie zu gewinnen, det sagen·? Nein! Das wäre ungerecht, das wäre verbrecherisch Sie setzte sich nun in dem Bett auf und sagte leise, doch nicht ohne Wärme: « »Du bist gut, Felix, viel besser, als ich glaubte.- Jch habe Dir viel abzu bitten.« »So willst Du mitkommen, ganz stei willig, ohne Zwang?« Sie nickte. Und er nahm sie mit einem unsicheren, zweifelnlen Ausdruck in den Augen an seine Brust und drückte seine Lippen aus ihre Stirn. Mit einem warmen, herz lichcn Blick dankte sie ihm diese taktvolle, zurückhaltende Lieblosung. Mit einem leichten Neiaen des Kopfes sant sie in die Kissen zuriick und schlief sanft ein. Kaufmann verliess jetzt zum ersten Mal das Krankenzimmer. Er legte sich in seiner Stube aus das Sopha nieder. Er war müde, seine Gliedet schienen ihm wie abgestorben Und diese Frau hatte er so verkannt. Sie war wirklich sein besseres Ich, sein unberührtes Selbst. und wenn er ihr die Welt zu Füßen legen mußte, cr wollte sie gewin nen. Schlus- solgt.)