i, Hur settungdes Kinde-. Erzählung aus dem Artisten-Leben von B u r g. WH Es ist ein hartes Brot, das die Zir kus-Leute essen! Nur ganz Auser wiihlte unter ihnen beziehen hohen Ga gen, die aber immerhin auch keinen Er faf bieten für die Gefahren ihrer Be . fiir die besten die Zeit des Glanzes nur kurz; erfordert doch ihre Arbeit vor al lem Jugend und Elafticitiitt Sie war, nachdem sie schon längere seitdem Zirtusleben ganz fern gestan den, erst vor vier Jahren zu diesem zu rückgekehrt, aus Noth, um nicht mit ih ren beiden Kindern verhungern zu müssen! Das lleine Einkommen, das Direktor C. der Arttstin gewährte, war s« ) F - ihre Rettung gewesen. Aber ihre Kinder wuchsen heran, und die Bedürfnisse fteigerlen sich mit den Jahren. Noch schwieriger wurde die Lage, als ihr jüngeres Kind zu tränteln begann. Die Arzneien waren theuer! Zudem derordnete der Arzt fiir sie Soolbäder. Das heilmittel erforderte die für die Verhältnisse der Kunstreiterin uner schivingliche Summe von dreißig Mart im Manatl Wie sollte sie das Geld er iibrigen?! Sie mußte die Vorschrift des Arztes unberücksichtigt lassen, — und die Krankheit der Kleinen ver schlimmerte sich. Die Kollegen im Zirkus sahen da mals Frau Oltmanng immer mit ver meinten Augen, trübselig, niederge schlagen. Aber Niemand erfuhr den Grund, Niemand hörte ein Wort der Klage vvn ihr. Da hieß es eines Morgens bei der Probe: · »Der Direktor wünscht, daß in der neuen Pantomime auch Damen mit durch’s Wasser reiten. Er will dafür Zulage geben« »Na, ich thu’5 nicht für im Mart Zulage!« ertlärte eine Springpferd Reiterin ca erhängt-n Zudem dauert selbst» i. Die Summen steigerten sich vaio org ins Unendliche. Jede Dame bemühte sich, ihre Vorrednerin noch zu überdie ten. Nur Frau Oltmanns blieb still nnd betheiligte sich nicht an der Oppo sition. Abends vor der Vorstellung meldete sie sich im Privathureau des Direk ots. . »Na —-was giebt’s denn ?« fragte der Chef in seiner kurzen» militärischen Art ’ — Verlegen stand ihm die blasse Frau gegenüber. Unsicher irrten ihre gro ßen schwarzen Augen von einem Ge genstand zum anderen. Sie suchte nach Worten. war aber zu verschächtert, um den Anfang zu finden. Endlich überwand sie ibre Schen. »Der-r Direltor,« sagte sie, »ich höre, Sie wiinschen auch Damen-Reitrrinncn bei der Wasser-Pantomime!« »Ja. -- Und-Z« »Wer es thut, soll Zulage bekom men?« »Ja« »Wenn wenn der Herr Direktor mir » s-« wenn ich Is» Mart Zu: lage haben soll, so will ich es thun!« »Hm —« --«- »O Mart! Das ist viel! —--— aber weil Sie es sind, Frau Ott rnanns. so muß ich mal ein Auge zus drücken« Das ängstliche Gesicht der Finnstrei ierin erhellte sich. »Vielen Dant, Herr Direktor. vielen Dankt« Freudestrablend, von der driickenden Sorge befreit, begab sich Frau Oli manns in die Garderobe. Ihre Kolle ginnen waren wiithentn »Für 30 Matti! Das ist ja lächer lich!! Sie sind Schuld daran, wenn die Gagen immer schlechter werden! Es ist eine Schande!« « - « Dies und noch vieles andere munte fie hören, aber sie nahm alle-H geduldig hin und entgegnete: ,,Dreis3ig Mart kosten die Wider, die der Arzt meinem Rinde verschrieben hat« Ich bin froh, daß ich so viel ver dienen lann, ucn meine Gertrud wieder gesund zu machen!« Einige Tage später fand für den neuen Effekt-Trick die erste Probe statt. »Sie können den Harrag reiten,« sagte der Regisseur zu Frau OltmannZ. »Der springt gut und sicher· Sie haben nichts zu thun, als fest im Sat tel zu sitzen. Lassen Sie nur den Gaul ganz allein gehen!" Drei Herren hatten sich, außer der Frau Oltmanns, an den Sprüngen zu betheiltgen. « Von der Seite des Stalleinganges führte ein Aufstieg zur Höhe der Bühne empor. Oben war Plan sür einen turzen Anlauf. Die Thiere konnten ihre Aufgabe Sie hatten sie schon oft prohirt. Nur Harras ging heute zum ersten Mal un ter dem Darnensatiel. ,,Erst Filouk iommandirte unten· der Negi eur. Die Leine wurde gelöst, und das Pferd galoppirte von der Brücke her auf den schmalen hölzernen Brückensteg, den eine beträchtliche Höhe von dem Wafseeskafsin trennte. Ein Peitschenhielx »san«-Beant« Das Wasser sprihte ho aus, und Roß und Reiter schwammen zur arge-silber liegenden lSeite. »Jest Waldptinzl« Der Rappe säumte sich nnd spea unwillig; aber sein Reiter zwang ig zmn Gehorsam. »Noch warten mit Oatdeniat Gar vmia spkiugt zur-w Ekst Hakkagej Borwiirtst« J Wohlgezielt, im richtigen Moment J tras den Wallach der ausmunterndeL Hieb. Mit einem prächtigen Sah s sprang das Pferd bis in die Mitte des . MandghBassinT und die Oltmanns « rührte sich nicht im Sattel. Aber hinter ihr plötzlich Lärmen, Schreien, Huftritte, die von der höl zernen Brücke dumpf herüberhallten! Gardenia hatte sich von der Leine lag gerissen und war Harras dicht auf den Fersen gefolgt l — ,,Nichtspkingen! Hauctihnt Nichts springen!« schrie es durcheinander. Aber der Schimmel ging seinem Rei- ; ter durch. Den Körper lang gestreckt, « sauste das Thier durch die Lust, Har- s ras und seiner Reiter-in nach. Das Unvermeidliche geschah! Die Huse des Pserdes trasen Frau Olt ) manns im Rücken und zwar mit sol lcher Wucht, daß sie leblos aus dem ! Sattel glitt. i Man brachte die Ungliickliche in eine i der Garderoden und bettete sie dort, so ) gut es ging. Sie kam nicht wieder zum ) Bewußtsein und starb, noch ehe der s Arzt erschien. l »Warum ist die Frau auch so toll- « kühn gemesen,« sagte der Doktor, der I ihren Tod tonstatirte. »Ja, —«—· aus Tolltiihnheit ist es wohl ; nicht geschehen,« entgegnete einer der « Artisten zögernd. »Ja, mein Gott, ——— warum denn?!« , »Um 30 Mart Zulage als letzte Ret s tung siir ein todttrantes Kind sys Qui dein Xaliliiugslsnlb ! ap» s Novellette von P. K a l d e w e y. J —..-....,.- -- Prinz Karnedal schwang allerorten z sein lustiges Szepter. Und keine Stadt wußte sich wohl winigek undi freudiger unter die freudige Herrschaft E zu beugen. als die ehrwürdige thei- · nische Metropole, in der schon seit? Jahrhunderten dem Munimenschanz H ein so großes Recht eingeräumt war. ; Wie viel hatte er schon vom Kölnerz Kameval reden hören, der junge Dr. . Evas-. und nun war seine Versetzung « an die Kölner Regierung gerade zu ei: I ner Zeit erfolgt, wo das lustige Trei- J ben seinen Höhepunkt erreicht hatte. E Also gleich hinein in den tollen Stru- » del! »Rosenrnontagszug und Götze nichball,« das war das Programm für » die nächsten Tage. Die jungen Kolle- ; gen von der Regierung wollten schon s dafur Sorge tragen, daß er, der Neu- i angelommene sich nicht fremd und ver- s lassen in dem Strudel vorkomme. l »Besorgen Sie sich ein flottes Ko ftiim, lieber Ebers, und stellen Sie sich I recht pay-nich um zwölf Uhr bei Mos- s ler ein· Das Weitere wird sich dann l schon sinden.« ( Ein blauer himmel lachte in das Zimmer, als Kurt Evers am Rosen- l montag erwachte. »Schon zehn Uhr! Himmel, da ist es höchste Zeit zur Tot- l lette, wenn ich pünktlich bei Moslerj sein will.« t ! l Zur festgesetzten Stunde trat er in das belannte Weinrestaurant, das am heutigen Tage die Zahl der »Gecken«' laum zu fassen vermochte, ein hochge wachsener junger Mann in der lleidsa- I men llnisorin eines Grenadierg Fried richs des Großen. Die weiße Perriicke « bildete einen wirksamen Gegensatz zu den lustig funlelnden dunllen Augen, l und der lecl ausgewirbelte lleine I Schnurrbart oervolltommnete den sym pathischen Eindruck, den dieser schniucle Soldat machte. Einen Augenblick i schaute er suchend umher, doch da wur de ihm auch schon von einem Tisch, an dem eine Anzahl rheinischer Bauern Platz genommen hatte, lebhaft zuge loinlt. »Hnllo, Euere-, hierher Mensch, sie · F sehen wirklich fatnog aus ! Sie wollen - wohl einen Sturm auf Datnenherzen i unternehmen Z« . So und ähnlich scholl es dem An . kömrnling entgegen, der lachend Platz i nahm. s »Na, hören Sie, Kollege, viel« Zeit haben toir nicht mehr. Wir ziehen jetzt s gleich in Corvore unter die Fenster deH I Chesg und singen so lange, bis sich die Damen zeigen. Dort ist nämlich eine - reizende Nichte zum Besuch. Nicht nn: ! hinweist-, sondern auch noch Gord . sischchen Soll aber höllisch spröde sein, vielleicht wagen Sie den Sturm, I Ebers-! Jetzt aber die Maske vor’g Gesicht und nun log, meine Herren.« Ein fröhliches Narrenireiben herrsch te auf den Straßen, die unsesee kleine s Gesellschaft berührte. Scherzworte flo gen htn und zurück und verriethen in ihrer Fröhlichkeit und Ungezwungens heit den humor, der den Kindern des Nheinlandes von jeher eigen ist« Jn zwischen war auch das Regierungsgei däude erreicht, in dessen erstern Stock werk sich die Wohnung des Präsidenten befand. »Als o, verehrteKollegen,« ries lachend der Anführer des kleinen Masken trupps, Assessor Dr. Helm, »ich thue Jhnen hiermit kund und zu wissen, daß die reizende Nichte »Anm« heißt. Wir beginnen nun unseren Chorgesang mit dem Dymnus: »Ach, Anna, zu dir ist mein liebstee Gang!« Wenn ich drei zähle, singen Sie kost« »Ach, Anna. zu Die ist mein liebstet Inn ,« ertönte ei nun aus den ju nd seis Kehlen in den sonnigen in tetteg hinein. Und siehe da! Der erste tier- toar noch kaum verklungen, als ch oben einfen er össnete und in dem elden eine ledl blonde Mädchenge stalt erschien die sich lachend auf die Straße herabbeugte. Dr. Ebers hielt in seinem Gesange inne. Täufchte er sich, oder war das nicht die junge Dame, mit der er vor acht Tagen von Frankfurt aus hierher gereist wars Nein, er irrte sich nicht, sie war es, der er bisher vergeblich zu begegnen versucht hatte, mit der er fich fo vortrefflich unterhalten und die ihm doch ihr Reiseziel so hartnäckig ver schwiegen hatte. Und wenn ihm noch ein Zweifel geblieben wäre, er schwand, als er das eigenthiimliche Münzenarkn- ? band wiederertannte, das sie damals - getragen und das er soeben an ihrem : vollen, weißen Arm bei einer schnellen - Bewegung der Hand blitzen sah Ein Lied nach dem anderen wurde gesungen. Mit einem Male verschwand . ——- -—.- - -.«..--. . die junge Danie, nm nach einem Aus ; genbilcl mit einer großen Diite zurück- E zutehrem ans der sie nun mit vollen Händen Süßigkeiten unter die Sänger warf, die sich mit lautem Jubel auf die leckere Spende ftiirzten. Und einer un ter ihnen erhaschte noch etwas anderes als Fondants nnd Pralinfses; Knrt Ebers erblickte zn seinen Füßen plötz lich etwas Glänzendes und sah beim Aufheben, daß es eine der St. Georgs Münzen war, ans denen das Armband seiner Reilegesiihrtin bestand. Froh lockend steckte er den Fund in die Ta- « sche, dessen Verlust die Besitzerin sicher noch gar nicht bemertt hatte· Wenn ihm das Glück hold war, dann konnte ? er vielleicht heute Abend auf dem Gür zenichball der Verliererin ihre Münze wieder zustellen. Mit Ungeduld erwartete sinkt Ebers » den Beginn des Abends. Mit besonde rer Sorgfalt hatte er sich in das Ko ftiini des Margnis Pofa gehiillt, das ihn bei seiner hohen, fchlanken Figur trefflich kleidete. Eine leichte, seidene Halbmaste vor dein Gesicht, betrat er den Ballsaal, wo fchon ein buntes Ajiastentreiben herrschte. Ob er sie wohl finden würde, um derentivillen er das heutige Fest besuchte? Das eigen artige, aschblonde Haar, das schon beim ersten Sehen einen so mächtigen Zau ber anf ihn ausübte wie leicht konn te es durch eine andersfarbige Perriicle verborgen fein! Kurt gab schon jede Hoffnung aut. nachdem er nun seit einer Stunde die weiten Säle nach allen Richtungen durchguert hatte. Doch, was war das? Jene Pierette im kurzen, weißseidenen Rock. von dessen Biillchenschrnuck sie bei ihren graziösen Bewegungen förmlich umtanzt wurde, nahm mit fchelmischer Gebet-de ihre lange Pfeauenfeder, um ihm leicht damit über die Wange zu streichen, und dabei sah er —— sein Herz stand förmlich still vor Freude — das Armband mit den Georgsmiinzen Hier war kein Jrrthum möglich. sie war es, sein Glücksstern war ihm treu geblie ben! «Sch·one Meiste, darf ich Dich ein wenig begleiten ?« begann Kurt die Un terhaltung, indem er seiner reizenden Nachbarin den Arm bot. Diese legte mit einem leichten Niclen den ihren hinein, und die Beiden betra ten nun den Tanzsaal, wo gerade die Paare zu einer Quadrille antraten. Mit einem fröhlichen Lachen fügten sich die jungen Leute in ein Viereck ein, wo gerade noch ein Paar fehlte. Da begann auch schon die Musik ihre flotten Weisen. »Nun, Colomvinchen, tanzt man in Köln ebenso gut wie in Frankfurt?« Ein fragender Blick war die Ant wori. Wer konnte denn dieser Marquis Pola sein, daß er gleich errathen hatte-, wer sich hinter der Maske versteckt-? Sie kannte doch noch keine Menschenseele, da sie ja erst seit acht Tagen hier weilte, das verwöhnte Prinzeßchen, die einzige Tochter des Millionärg Kramer. Sie nahm sich den Muth, ihn zu fragen: »Woh« tennn »Hu nnch denn f« Rathe einmal, nnd wenn Du eg rich tig erräthst, gebe ich Dir als Belohnung die Georgsmiinze, die Dn heute verlo ren hast, wieder zurück« Das ging doch iiber den Speis-. Was mochte dieser fremde Mensch sonst wohl noch alles wissen? »Ist das Ihre ganze Weisheit-I« fragte sie schnippisch »Gott bewahre, ich weiß zum Bei spiel, daß Sie Anna heißen.« Vor ihrem Geiste ließ sie alle Be kannten Revue passiren. Ein Frank sueter war es sicher nicht, das hörte man am Dialekt. »Aber die Münze?« entgegnete fie» endlich ileinlaut. »Jetzt nicht, vielleicht später! Erst wollen wir bei einem Glase Selt auf Wassenstillstand anstoßen.« Doch da ertönte mitten in diese Un terhaltung das Demagtirungszeichen Mit einem Ruck riß Karl Evers die Maske vom Gesicht und machte vor Anna Zimmer eine höfliche Verbeu gnug. ,,Nun?« »Ah, mein Reisegefährte!« entfuhr es der überraschten jungen Dame. »Im Uebrigen Dr. Kurt Evers, Re gierungs-Reserendar und Reserveleut nant der 4. Kürassire. Zugleich er laube ich mit, hnen die Münze zu überreichen, die ie heute Morgen ver loren, als Sie uns mit zarter hand Süßi leiten spendeten-« »S e waren also auch dabei?« »Wie "iibeeall, wo es gilt, Jhnen zu huldigerc«,« erwiderte Kett «"·alunt. · Sie erröthete bis heran uesStirns und das Blut schoß ihr siedendheiß durch die Schlafen. s — »Schade, das-, es mit der Masten- I steiheit zu Ende is, « sagte Kurt schel- . misch, indem er ihr tief in die Augen blickte, »denn sonst hätte ich Jhnen heute i noch viel —-- oh, sehr viel — zu erzäh- « len gehabt.« »Nun, gar so Schlimnieg wird es doch auch nicht sein,« erwiderte sie neclisch »Eben beginnt der Walzer s »Rosen aus deni Siiden", den tanze ich l für mein Leben gern. Wenn Jhnenj daran liegt, dürfen Sie mich dazu en- j gagiren. Nachher —-—-« ; »Und nachher, Fräulein Anna?« , fragte er athenilos. Z »Jawohl, nachher plaudern wir über « dieses Thema weiter, so lange es Jhnen . gefällt.« « Gleich darauf flog das junge Paar s dahin —--- vielleicht das schönste undi schmuckste von allen, die sich eben im ; Tanze drehten. Jn jedem Fall aber s das glücklichste l —--«—-— s — Jus drin Volle. —.. Mit einem hoheitkvouen Lächeln, das ! nach dem Urtheil seiner zahlloer Ver- s ehrerinnen dem schönen, blondbärtigen s Künstlerantlitz etwas geradezu ,,Olym: s pisches« gab, hatte Rolf Hilgers nach : seinem Erscheinen in der Gesellschaft die « Dutzende von Glückwiinschen entgegen- T genommen, die ihm von allen Seit-en : aus Anlaß seiner gestern publizirten » Ernennung zum Professor dargebracht ’ worden waren. Man wußte, daß die- J Her Titel einen Theil des Honorarsdav tellte fiir sein letztes Porträt Jhrer ko- » niglichen Hoheit, der Prinzessin Marie, ’ von dem alle Welt entzückt gewesen war, » obwohl Dr. Mariae-, der angesehensie Kunstkritiker der Hauptstadt, es in fei nem Blatte einen weiteren eklatanten Beweis fiir den iiinstlerischen Nieder gang des ehedem so viel verfprechenden Malers genannt hatte, So hoch man just auch das- Urtheil des Dr. Marias schätzte, diesmal hatte er mit seinem Verditt die helle Entriistung sämmt licher jungen und alten Leserinnen her ausgefordert. Denn so prachtvoll ges malte Edelsteine und Spitzen wie auf diesem Porträt der Prinzessin Marie hatte man kaum je zuvor gesehen; die große Kurschleppe war von einer gercgs der entzückenden Naturwahrheit. Und daß der Maler den spitzen Schultern » Jhret königlichen Hoheit eine so anmu thige Rundung, ihren etwas dünnen "Lippen eine so entzückende Herzforni und ihren wäsierigen Augen ein so bes riickendes Feuer gegeben hatte, waren nur die wohlberechtigten Beihilfen eines feinsiihligen Künstlers gewesen, der sieh immer bewußt bleibt, daß ein Porträt doch vor allem dazu da ifi, dem Porträ tirten selbst Freude zu machen. Der neue Herr Professor fühlte sich denn auch durch die absällige Kritik of fenbar nicht im mindesten getroffen und beunruhigt. Sicherlich würde er keine andere Erwiderung gehabt haben, als sein berühmtes ,,oln’mpische«5« Lächeln, wenn man etwa taltlos genug gewesen . wäre, in seiner Gegenwart ihrer Er wähnung zu thun. In den·Kreisen, deren Gunst fiir ihn entscheidend war, wußte man ia nichts Von einem Nieder gnnae seiner Kunst, die zahlreichen Or den bewiesen eg. die er in zierlichen Mi niatursExemplaren an goldenen steti »chen auf dem Reversz seines Frackes trug: und nicht minder bewiesen es die märchenhnften Summen, die man ihm fiir die heiß ersehnte Auszeichnung von ihm gemalt zu werden. ehrfurchtsvoll zu Füßen legte. Nein, er stand auf der Höhe des Ruhmes und kein arinseliger Recensent vermochte seine Stellung zu erschüttern Es unterlag keinem Zwei fel, daß das heutiae Ballfest des Herrn don Hansenmnu, eines unliingst aeadel ten Kaufmanns, erst durch dieAnwesen heit des geseierten Künstlers seine recht-: Weihe erhielt, und daß Rolf Hilger trotz seiiicr’zwei11ndbierzig Jahre und seines-«v merklich gelichteten Scheitelh- ungleich aröf3ere Triumphe iiber die Herzen der schöngeschmiickthi Frauen nnd Mäka lein feierte, algz der schneidigfte junge Leutnant oder der eleganteste Gesandt schafts-Attach("s. Er tanzte natiirlich nicht, sondern be aniigte sich, bald hier« bald dort Carl-: zu halten wie eiii getriintes Hans-t. Rithl und Icileichgiiltia glitt sein Blick iiber die bunte Gesellschaft hin, die ihn umgab. Da Plötzlich zuckte es eigen thiimlich über sein Gesicht und in hasti ger Frage wandte er sich an den ziifät: lig neben ihm stehenden Hausherrn: ,,Sagen Sie mir doch, bester Ba ron -—« Herr von Hasemann liebte es, so genannt zu werden »wer ist jene Dame da drüben mit dem schönen wei ßen Haar?« Der Gastgeber blickte hinüber Und erwiderte leichthin: »Ein Fräulein Wörner, Herr Pro fessor!« ,,Martha Wörucr ·— nicht wahr?« »Ja, ich glaube, daß dies ihr Vor name ist. Sie toar Jhnen also schon bekannt ?« »Ich erinnere mich dunkel, ihr früher einmal begegnet zu sein, so vor fünf zehn bis achtzehn Jahren. War nicht ihr Vater damals Kommerzienrath . oder etwas dergleichen?« »Allerdings. Und ihre Bekannt- z schast mit meiner Familie stammt eben l aus jener Zeit wo ich mit ihrem Vater s in geschäftlicher Verbindung stand. Der s Mann hat dann Unglück gehabt, ist bei- ’ nahe ganz verarmt und vor zehn Jah ren gestorben, ehe er sieh wieder hatte in die Ost-arbeiten können. Die Tochter lebt seitdem irgendwo in der Nrovinz" in einem Damenstift, in das sie sich mit If j ihrem kleinen mütterliche-c Ekbtheic ein- ( getauft hat und hält sich augenblicklich ( nur besuchsweise hier in der Hauptstadt l auf. Sie ist übrigens noch keineswegs I so alt, wie ihr weißes Haar es vermu then läßt -—-— höchstens sechsunddreißig oder siebenrinddreiszig Jahre.« Die Wißbegierde des berühmten Ma- . lers schien vollkommen befriedigt; denn ? er stellte keine weitere Frage. Aber er « blickte von nun an sehr oft zu der schlau- ; ken, in einfaches Schwarz gekleideten l Dame hinüber und zeigte im Gespräch I mit seinen Verehrerinnen eine Zer- z streizthein die ausnahmsweise diesmal » nich blos affektirt, sondern ganz ehr lich schien. - Uni· Mitternacht etwa, als die Paare sich eben auf den Tontvellen ei nes feurigen Walzerg wiegten, stand er plötzlich in der ganzen Pracht seiner reifen männlichen Schönheit vor der weißhaarigen Stiftsdame, deren zar tes, feines Antlitz trotz einiger harter Linien an den Mundwinteln noch im mer mit vollem Recht schön genannt werden konnte, und machte ihr eine ar tige Verbeugung. »Ich weiß nicht, ob Sie sich meiner erinnern, mein gnädiges Fräulein, — mein Name ist Hilgers, — Rolf Hil gers ——« Sie neigte bejahend den Kopf, ihre klaren dunklen Augen richteten sich voll und unbefangen auf sein Gesicht. »Gewiß, Herr Professor —— mein Gedächtnifz ich nicht so schlecht, daß ich in diesen kurzen siebzehn Jahren unsere einstige Bekanntschaft schon vergessen haben sollte. Sie haben sich ja auch äußerlich nur wenig veräu dert.« i 4 l l l 1 Uowoyi er eg fonir m Uragen oer gesellschaftlichen Höflichkeit mit der Wahrheit nicht allzu genau nahm, ge wann er es doch nicht über sich, ihr das Kompliment zurück zu geben. Denn sie hatte sich wirklich fchr verändert, seitdem er sie vor siebzehn Jahren zum letzten Mal vor sich gesehen in bezau bernder, jugendlicher Anmuth und miidchenhafier Lieblichkeit »Es sei doch wahrhaftig gut, daß es damals so und nichts anders ge kommen ist, dachte er in der verschwie genen Stille seines Herzens. »Wenn ich mir vorstelle, daß sie jetzt meine Frau wäre, —— eine richtige Matrone! Das Schicksa! hat es doch zuweilen besser mit uns im Sinne, als wir in unserer Unvernunft es verdienen.« Aber es glimmte trotz dieser auf lrichtigen Genugthuung doch in» ihm ; auf wie ein Verlangen nach Revanche « für die Demüthigung, die er einst an k diesem Mädchen erfahren. Es reizte ! ihn unwiderstehlich, sie noch empfind I licher, noch beschämender fühlen zu las sen, was sie verloren. »Siebzehn Jahre —- erwiderte er, »ift es wirklich schon so lange? Wie doch die Zeit vergeht! Mir sieht uns l sere letzte Begegnung vor den Augen, wie wenn sie vor kaum siebzehn Mo naten stattgefunden hätte. Es war auch auf einem Balle, wie heute. Und ich weiß noch, wie glücklich ich über die Einladung gewesen war, weil sie mir die Möglichkeit gewährte, mit Jhuen zusammen )u treffen. Aber ver zeihen Zie, daß ich davon spreche Vielleicht ist es Jhuen peinlich an diefe vergangeneu Dinge erinnert zu werden.« « . »Nicht tin Wermgnem Herr Proser sor! Etwas Peinlicheg haben doch . wohl nur solche Erinnerungein deren wir ung- zn schämen haben.« » Wie stolz und liihl das tlana. T Hatte sie etwa die verinessene Absicht, ihn herausznfordernk Nun wohl, da sie ca nicht anders wollte, mochte sie ihre Strafe haben. »Da Liviirde in diesem Fall e selbst brständlich nicht zutreffen,« sagte er sehr verbindlich, ,,loenigste115 nicht siir Sie. inein aniidiaes Fräulein! Was mich betrifft, so kann ich allerdings nicht leugnen, daf; ich mich damals ein wenig geschänit habe. Grausamer war ja auch kaum jemals ein Mensch von der Höhe der stolzesten Hoffnungen herabgeschleudert worden,"als es mir in jener Ballnacht durch Sie geschah. Jch habe lange und schwer unter der bitte ren Enttäuschung geljtten, das dürfen Sie mirlglaubenR »Ich würde diese Versicherung als einen Vorwurf empfinden, wenn eg an jenem Abend für mich eine Mög ligteit gegeben hätte, anders zu han deln.« »Gewiß, Sie konnten mir teine bes sere Antwort geben, da Sie ja meine Neigung nicht erwiderten. Aber wenn dies nicht der Fall war, so hätten Sie mich vielleicht vorher etwas anders be handeln tönnen, als es geschah. Jch war ein unerfahrener junger Mensch von kaum sünfundzwanzig Jahren. Und ich wähnte in Jhnen zum ersten Mal ein Wesen gefunden zu haben, daß mich ganz verstand. Wenn Sie sich in Wahrheit gar nicht sonder-lieh für mich interessirten, Fräulein Wörner, — weshalb gaben Sie sich denn so viel Mühe, mit meiner unbedeutenden Per son?" »Ich könnte Jhnen die Antwort da rauf verweigern, aber weshalb sollte ich nicht aufrichtig gegen Sie sein? Gerade weil ich mich für den Künstler in Jhnen ebenso sehr interessirte als für den Menschen, mußte ich Ihnen je ne Antwort geben, die Sie mir wohl ånzwischen schon längst verziehen ha MQY - . »Pardon — aber das verstehe ichi nicht ganz, mein gnädiges Fräulein!« »Sie hielten micheben sitt ein rei ches Mädchen, aber ich habe an dein nämlichen Tage aus dem Munde mei nes Vaters erfahren, daß ich aufgehört hatte, es zu sein.« Professor Hilgers machte ein etwas ungläubiges Gesicht. »Und deshalb wiesen Sie mich ah? Hatten Sie denn eine so schlechte Mei nung von mir, daß Sie mich für einen ganz gewöhnlichen Mitgistjäger hal ten konnten?« »Nein, ich hatte von Jhnen die höchste Meinung, die man nur von ei nem Menschen haben kann. Ich zwei felte keinen Augenblick, daß Sie mich unbedenklich auch dann zu Jhrem Wei be machen tviirden, wenn ich Jhnen keinen Pfennig zubrächte. Aber ich wußte auch, daß ich dann wie ein Blei gewicht an den Flügeln Jhres Genius hängen würde. Und ich wollte nicht schuld daran sein, daß· Sie dem be quemeren Erwerb zuliebe den Justini ten der großen Masse huldigen mußten, statt einzig den göttlichen Eingebungen Jhres Genies zu folgen.« Das Ioar bei Gott etwas ganz An deres, als er zu hören erwartet hatte Für einen Augenblick war er ganz be troffen; dann aber schalt er sich selbst einen Narren. Sie hatte ja Zeit ge nug gehabt, sich auf diese großartige - Erklärung vorzubereiten, und er hätte fürwahr noch immer der unersahrene - siinfundzwanzigjährige Jüngling sein müssen, um sich durch derartige ro manhafte Phrasen bethören zu lassen. »Wenn dies Jhre Beweggründe wa ren, Fräulein Wörner, so kann ich nur « auf das Tiefste beklagen, daß Sie mich . damals mit Ihrer Antwort auf meine ? Werbung etwas ganz anderes Vermu then ließen. Als ich Sie fragte, ob ein ; Vlnderer Ihrem-Herzen näher stände-, - als ich, antworteten Sie mir mit einer ziemlich unzweideutigen Bejahung. ; Und Sie ließen mich sogar den Namen ; jenes Glücklicheren errathen.« , »·-2)cll Ycllmcll clUcS Wlllclllchckcth Idessen Antrag ich wenige Stunden früher bestimmt und für immer zu rückgewiesen hatte.« Sie sagte es mit derselben gelasse nen Einfachheit, in der sie das ganze bisherige Gespräch geführt hatte. DiesmaL das fühlte Rolf Hilgerg mit überzeugender Gewißheit, hatte sie nur die volle Wahrheit gesprochen ,,Berstehe ich Sie recht? Sie gaben mir einen Korb, obwohl Sie mir gut waren?« »Ich that es, weil ich Ihnen gut war. Und ich denke, wenn Einer von uns beiden in jener Nacht schwerer gelitten hat, so wäre ich es gewesen« Fassungslos vor Erstaunen sah der Professor auf sie nieder. Und in die sem Augenblick dünkte ihm die Verän derung, die sich während dieser sieb zehn Jahre in ihrem Aussehen voll zogen, bei Weitem nicht mehr so groß. Und er erinnerte sich mit einem Mal sehr deutlich an die herrlichen Stun den, die er dereinst ihrer seltenen Klug heit und ihrer edlen, reinen Begeiste rung für alles Große und Schöne zu danken gehabt. Sich tiefer zu ihr herabneigend, sag te er mit gedämpfter Stimme: »So war es im Grunde nur ein un seligeg, verhängnißvolles Mißverständ nis;, das uan damals getrennt. Und mich dünkt, wir wären beide sehr this-— richt gewesen, Marthat Aber vielleicht ist diese späte Aufklärung doch noch nicht zu spät erfolgt. Jch wage nicht, Ihnen in diesem Augenblick von etwas Anderem als von herzlicher Freund schaftzu sprechen. Diese aber, so hoffe ich, werden Sie nicht zurückweisen. Wie Sie dereinst meine Muse gewesen sind, wollen Sie es von nun an auf-J Neue sein, Martha?« Wieder sahen ihre klaren Augen ihn fest und ruhig an, aber mit einen-. klei nen, etwas welnniithigen Lächeln schilt telte sie den .stops. »Nein, Herr Profeorl Und da ich dic- zu diesem Augenblick riickhaltloS offen gegen Sie gewesen bin, so lassen Sie mich auch den Grund für dieses Nein aussprechen. Das Opfer, dag- ich Jhnen damals mit blutendenr Herzen gebracht habe, es ist umsonst gewesen. Sie haben den bequemeren Weg einge schlagen, auch ohne daß ein Bleigewicht an den Flügeln Sie dazu nöthigte. llm den wohlfeilen Beifall der Menge zu gewinnen, haben Sie das heilige Feuer in Ihrer Brust erstickt. Und auch wenn ich kein verbliihtes Mädchen wäre, könnte ich nicht mehr die Muse eines Künstlers sein, der sich selbst verloren.« Er wurde der Nothwendigleit einer Antwort iiberhoben, denn eben gesellte sich die Dame des Hauses zu ihnen, um eine Frage an Martha Wörner zu richten, und der berühmte Maler fand somit die sehr willkommene Gelegen heit, sieh unauffällig zurückzuziehen Eine Viertelstunde später hatte das weißhaarige Stisstsräulein das Ball fest verlassen, ohne daß noch ein weite res Wort zwischen ihr und dem Pro fessor gewechselt worden wäre. Aber auch der große Rols Hilgers ver schwand heute viel früher, als es sonst seine Gewohnheit war. Und daheim in seiner eleganten Junggesellenwohs nung mußte er. vor dem Spiegel ste hend, seinen Blick sehr lange aus den goldenen Ordenstettchm ruhen lassen, ehe sein in’s Wanken geratheneg Selbstverttauen ; wieder gefestigt und ;»daö«« statts erschiltteete Gleichgewicht seiner Seele vollkommen wieviel-esse stellt war.