K———r— -..- .» .., . per Steh-mit Robellette von G u st a v Wie d. Es war in dem Sommer, salsDich draußen am Kattegat, eine Meile von Ebeltoft, wohnte. Jch hatte gerade das Fenster geöffnet und reette mich wohlbehaglich und athmete die frische Morgenlnft ein, die bom Meere her iiber den schmalen Strand dahin strich. Jch hatte in der Na t so gesegnet geschlafen — von itvii f bis acht einhaib Uhr, nur mit ei tler Unterbrechung um fünf Uhr wo ich stets aufwaches und ein Glas Wasser trinke. Und dann hatte ich so reizend ge triiumt — von netter Gesellschaft und allem, was dazu gehört. Und nun ien die Sonne und blintte iiber das , asser. Und es waren tleine weisze Gipfel auf den Wellen und große weiße Strandmdven in der Luft. Das Ganze war frisch und löstlich und einladend; und ich gähnte wieder und reckte mich und lächelte behaglich und freute mich auf den Tag. Da schwenkte plötzlich ein Mann in Hemdsiirmelm mit bloßem Fion nnd auf den Strümpfen um die Ecke meines Hauses. Er lief, was er nur konnte ltber den Grasplatz, zu dem Gehöft hin unter, wo ich meine Mahlzeiten ein nahm, während ich dagegen in der ein samen unbewohnten Villa, die fünfzig Ellen vom Wasser ablag, schlief und arbeitete Ich tannte den Mann wohl Er hiesi Christian und war Wertfiihrer drunten im Kaltbruch Indem ich ihn vorbeilaufen fah, sagte lch mir: heute ist herrliches Wetter, die Sonne scheint, die Vögel fingen, das Gras spricht, der Himmel ist blau, und du bist in befter Laune aufgestanden, so daß es atturat ein passender Zeitpunkt fiir einen Kaltberg wäre, zusammen stürzen und vier ftrebsame und recht mobile Familienväter zu begraben! lind ich warf mich in die Kleider-, fuhr zum Haufe hinaus, Christian nach In das Gehöft· Als ich das Entree erreicht hatte, strich er. im Hinausgehcn begriffen, wieder an mir vorbei nnd hätte mich beinahe über die Thiirschwelle gewor sen. »Was ist denn los?« »Ein Seehund,« sagte er, piionieip roth und schmähend »Was?« wiederholte ich. Aber er war schon zum Hofe hinaus « nnd sprang in seinen Strümper den Weg hinunter Dtinnen im komptoir saß mein Wirth, der Gutsbesitzer, am Schreib- - tisch nnd schloß seine Kaltrechnnng ab, » denn es war Sonnabend. »Was ist losst« sagte ich. »Was hat Christian?" »Ein Seebund.« »Ein Seehund? —- Hat et ihn gebis sen?« »Gebissen? Sie wissen gewiß nicht, was ein Seehund ist ?« »Ja, bei Gott, das weis-, ich,« sagte ich. »Ich bin Hauslehtet in Naturge schichte·gewesen.« »Wie, zum Teufel. wollten Sie denn haben, daß er ihn beißen soll?" »Ja, das weiß ich nicht — es ge schieht ja soviel Wunderbates . . . Was wollte er denn mit dem Seehund?« »Was er wollte? Er wollte ihn na türlich schießen.« »Schieszen«t« »Ja, schießen, mit einer Büchse.« «Jawoht. ja. das verstehe ich schon ! Sie brauchen nicht so laut zu schreien! Der Aaltbekg ist also nicht eingestürzt Z« Der Gutsbesitzer drehte sich auf sei nem Stuhl um und mustette mich aufmerksam. Osten Sie mal«, sagte er dann, »ich meine eben daß mit Ihnen irgend etwas vassirt ist.«' »Absolut nicht!« sagte ich. »Abso lut nichts »Im Gegentheil. Jch habe eine seiten gesegnete Nacht verbracht. Aber nun kommt der Mann hier an der Villa vorbeigesaust, auf den Strümpfen und mit bloßem Kopf — nnd man liest ja so viel in den Zeitun gen —«« »Nein — es ist wirklich nichts ande res als ein Seehund!" »Ja, aber nun iagenSie mir doch«, bat ich siehentlich —- »wa5 ist’5 denn mit dem Seehund«s« »Er liegt —- unten -- im Wasser — beim Kallbkuch —- nnd — nun w will s— Christian — ihn — ichießen!«, er lliitie der Gutsbesitzer eindringlich und schlug sich bei jedem Wort, das et sprach, mit der flachen Hand auf einen seiner Schenkel. »Aber, et hat ja ieine Büchse!« »Nein —- er —- hat — ieine — Biichiei nein«. fuhr mein Wirth in derselben aufreizenden Akt fort, ,,——— und et —- iani —- hier herauf — um sich —- eine —- iu —'—- borgen — abet — ich —- habe —- leine —- Patro neul« »Na —«, sagte ich, »dann —- schießt -—— er — ihn —"—— also —- nichi!« »Ja, bei meiner Seelen Seligkeit, er ichießt ihn, Manni« . »Ja, aber, er hat doch keine Büchse!'« sagte ich. dem Weinen nahe. «Menich«, sagte der Gutsbesitzer und legte mitleidig seine Hand auf meine Schulter — ,.es giebt doch mehr Büch sen auf der Weit als meine, nichti« I« »F « »Und nun iii er zu den Waidhösen gelaufen, um eine zu beionunen.·' F » « ·..»- - »-, ... --. z »Ja den Waldhöfen. — Das ist ja » iiber eine Viertelstunde weitt« s »Ja, freilich. Aber er läuft doch.« t »Ja den Waldhöfen?« » ,,8u den Waldhöfen.« s »Wartet denn der Seehund auf I ihn?« , »Zum Deabel, ja, er wartet!'« ! »Wo, sagen Sie, liegt er?« fragte I ich eifrig. , »Allmiichtiger Himmel«, sagte der Gutsbesitzer und faltete die Hände. — I »Sollen wir nun wieder von vorn an ! sangen?« ! «Nein«, sagte ich, ,,nein, ich tveiß es T tvohlt Jch geh’ schont« , Und dann ging ich. , »Wollen Sie nicht erst Jhren Kaffee s»trinten?« rief er mir nach. I »Nein", sagte ich, ,,dazu ist jetzt leine « Zeit.« « Jch lief über das Feld nnd zu mei - ner Villa hinunter, wo ich mich mit ei . nem Revolver und einemSonnenschirm E versah, um mich doch nicht ganz unbe I lvaffnet einznfinden. Darauf ging der ! Weg das Ufer entlang bis zum Kalt « bruch. Dort unten war nicht ein Mensch zu sehen. Schaufeln, Haken und Hebe stangen lagen planlos durcheinander geworfen. Ein Paar Holzschuhe stan den hier und ein Paar andere da. Und dort unter dem Hügel hielt ein halb - gefüllter »Kipplatren« einsam and ver lassen auf den Schienen. Es sah aus, als ob die ganze Mannschast die Flucht ergriffen hätte, von unbändiger Angst I gepackt. Nur der Berg stand da, seine hundert and fünfnndzwanzig itnponi I rende Faß hoch und mit seinen wech ) selnden Schichten Kies, Thon, Warten I nnd Kaltsteinem Und er sah solide nnd kräftig genug aus« um bis ans Ende der Welt und noch ein paar Jahrhun s derte länger Stand halten zu tönnen. T Aber vom Seehand war keine Spur zu erblicken. Ich wandte mich um nno san uoer das Meer hinaus: Ganz vorn am Ufer war es dunkelblau, weiter draußen grün, dann wieder braun nnd ganz draußen blau Ein paar Schiffe se gelten mit vollen Segeln weit fort und näher am Lande lagen ein paar Fi scherboote und warfen Netze aus. Die Wellen schlugen plätschernd gegen die llfersteine, und die Sonne strahlte, und Möven und Seeschwalbcn kreisten in großen Bogen iiber meinem Haupte. Aber im Wasser war auch lein See hnnd zu erblicken. Da begann ich, das Ganze zu be: : renen. Jch steckte den Revolver in diev Tasche und den Sonnenschirm unter den Arm und dachte daran, daß es eine Schande wäre, daß-ich nicht oben auf dem Gut meinen Kaffee getrunken bat te; denn mir begann inwendig flau zu werden, nachdem Begeisterung und Spannung sich gelegt hatten. Aber ich ging doch weiter an der Küste entlang, von dem neuen Kallberg srrt und auf den alten zu. Unterwegs stieß ich wieder auf ein Paar Holzfchuhe nnd zwanzig, dreißig Schritt von die sem entfernt lagen ein paar graue Woll hrsen mit weißer Barte »Also diefen Weg hat das Heer genomnien!« dachte ich und fühlte mich neu belebt, zog den Revolver aus der Tasche, spannte den Sonnenschirm auf und ging weiter. Und gerade während ich den Kopf iiber eine Art Wall oder Damm empor streette, den Steine und Kies gebildet haben, die vom Hügel fort »gelippt« werden« fiel mein Auge auf den See hund. « Er lag -—— fiinfzig Ellen vom Lande ab — auf einem Stein und sonnte sich. Als er mich kommen hörte, wandte er den Kopf nach mir um und zwinlerte crrdgant mit den Augen. Jch streckte dem Thier meinen Revol uer entgegen lies; die Verniclelung im Srnnenschein spielen und sagte: Kannst Du dagegen was ausrichten, alter Junge?« Aber der Kerl wandte höhnisch den Kopf ab, streckte sich behaglich und — gähnte. Und dann lag er wieder still und ließ das Wasser iiber sich hinschla gen. Icy Milch ckolllckl, Dcllll Dcl Ochl Abstand war ja gar keine Rede davon daß ich den Burschen mit meinem Re volver ausmuntern konnte. Jch schaute umher, um zu sehen, ob nicht irgendwo ein beherzter Mann verborgen saße, den ich dazu bewegen konnte, mit mir auf tem Rücken hinauszutvatem damit ich im Stande war, zu schießen. Aber er tvar kein Schimmer eines Menschen zu entdecken. Der Seehund lag direkt draußen nnd machte mich zum Narren. Und es schien mir, als ob ich ihm ansehen könnte, daß er sich köstlich amiisirte. Er rollte seinen wurstigen Körper von einer Seite zur anderen, bog die Hinter-ph ten und den kleinen abgestußten Schwanz über den Rücken vor, gähnte und schnaufte und stieß die Lust wohl behaglich durch die Nasenlöcher aus! Und hin und wieder schien es, —- als spurlte er nach mir. Es ärgerte mich fürchterlich, hier stehen und mich in seine Ungezogenheis ten sinden zu sollen, und ich begann, stark daran zu denken, mich auszullei den und in’s Wasser zu gehen, um ihn zu züchtigen. Da hörte ich plötzlich ein leises Nas seln der Steine dort am Abhang. Und ehe ich mich noch umivenden konnte, fällt ein Schuß . . . zwei, drei, vier ——— Mas sen von Schüssen! Und gleichzeitiq wimmelte es von Menschen unten auf - dem Strande. An der SpitzeliesCl)ri- z slian, immer noch ans den Strümpfen « »Ist - F - ——t und im bloßen Kopf; und hinterher kamen die anderen Kaltbrecher ange trabt und die gesammte waf-«enfiihige Mannschaft aus den Waldgehtftew « Der Seehund ist vom Stein ver schwunden; aber man sieht ihn liegen und sich unter der Wasserdecle winden. »Hcraus nach ihm! Heraus nach ihm!«· brüllen sie im Chor. »Jetzt geht er auf den Grund! —- — . Der Teufel hol’ mich! Der Teufel hol’ m.ich!« steht einer und schreit —- — »Christian, Christian, eil’ Dicht Eil’ » Dicht« ; Und resolut wirft Christian seinem . Nachbarn das Gewehr zu und stürzt sich » in’s Meer —-- -—— mit den Hosen an und Henid und Weste und Strümpfe und allem! s »Es ist ein bischen rechts!« schreit I einer f »Esist ein bischen 1inks!« schreit-in « anderer. ! und Christian sieht und tanzt Ma ’ zurta zwischen den Steinen, bis an die Brust im Wasser! »Hier ist er,« meldet er dann. —- »Er liegt unten auf dem Grunde!« »Herunter mit Dir, Cl)ristian!« » »Ja, aber —« l »Herunter mit Dir! — Wirst Du wohl herunter! Duct’ Dich nur tüch - tig !« I Und Christian verschwindet unter ; den Wellen. Bald daraus taucht cr wieder auf. »Er lebt!« meltet er. »Er will bei ßen !« Und das Wasser rinnt dem Mann . über das Gesicht wie die hellen Theti nen »Du mußt wieder hernniert« ruft man ihm zu. »Du mußt, hol’ mich der und jener, wieder herunter, Christian chenl Pack ihn in den Rumpf! Wir können doch nicht um den Fisch korn men !« C ristian verschwindet wieder. Das Wa er brodelt und bildet Ringe, wo er untergetaucht ist. Aber nach ein paar Setunden richtete er sich auf, und dies mal bringt er das Thier. Er hält es triumphirend an den Hinterpfoten und es windet und dreht sich, um los-zukom men. Das Heer aus dem Festlande stößt ein Hurrahgeschrei aus, während Chri stian siegegstolz hinaufwatet und den »Fisch« vor sich aus das Ufer wirft. ,,Prn——uh!«. sagt er dann und giebt einen halben Eimer Seewasser von sich, —— »der war Potzwetter gerade tiefsin nig genug!« »Bist Du naß geworden ?« fragte eine mitleidige Seele. »Hier-« grinst Christian und gleicht selbst einem Seehund, so dicht hat das Wasser ihm die Haare an den Kon nnd die Stieider an den Körper geleckt. Sie stehen alle zusammen und schauen cni den richtigen Seehund, der zu ihren Füßen liegt. Der blintt mit den Augen und zeigt die Zähne und scheint ans eine Gelegenheit zu lauern, wieder von ihnen zu entwischen. Man kann gar nicht ent decken, wo er getroffen ist. Sie pusfen ihn mit den Büchsenrohren und unter suchen ihn nnd sprechen davon, daß sie ihm gewiß einen »Gnadenschuß« geben müssen. Da sagt plötzlich einer: »Aber Deine Uhr, Christian Z« »Ja, «Himmeldonnerwetter!« sagt Christian und langt die Uhr aus der Westentasche und hält sie an sein Ohr. »Sie tickt doch!«, sagt er beruhigt und gießt das Wasser aus dem Gehäuse. »Und das Geld!« ruft plötzlich einer ter Ralibrecher. »Was siir Geld?« - »Unsern Tagelohn, den Tn heni Morgen bekommen hast !« »Gott und Vaterl« sagt setzt Chri stian und steckt die Hand in die linke Hosentasche und zupft drei patschnasse Zehntronenscheine heraus, die von der Feuchtigleit briichig geworden waren wie altes Löschpapier. »Rucknct, das ist ne Echweinerei!« sagt ein anderer der Arbeiter nnd nimmt die Scheine vorsichtig zwischen zwei Finger —— »was zum Teniel woll tett Tn auch draußen im Wasser, Du Rindvieh!« - »Ihr habt mich doch da herausge jagt!« meinte Christian Heratiggejagts Du hattest es ja sein lassen können!« »Das Thier sollte doch heraus!« »Ach, der dreckige Fisch! Tar- wäre wirklich gleich gewesen, ob wir ihn be tcmmen hätten oder nicht!« sagte der « andere und schaute verächtlich nach dem Seehund, der beständig dalag nnd mir » den Augen blintte. »Aus diesen hier, s Ten Wischlappen, wird im Leben keine ! Münze mehrt« t »Nein, das ist es, was ich immer ge- i scgt habet« nahm ein dritter Flandre cher das Wort (ein großer dicker Mann mit einem rothen leuchtenden Gesicht und gewaltigen Gliedern), »wir wollen, Potzwetter, Christian nicht länger zum Wertsührer haben, denn er denkt nie mals weder an eins. noch an’3 andere!« »Nein«, sagte ein Vierter, »wir kön nen doch nicht unsern Tagelohn seiner Kinterlitzchen wegen aus’sSpiel sehent« »Die saule Kreatur!« sagte Nummer drei wieder und spie auf den Seehunds Und plötzlich beugte er sich nnd ergriff ihn an den Hinterpsotein schwenkte ihn ein paar Mal in der Lust herum und schleuderte ihn dann so zehn Ellen weit in’S Wasser« »Nun kann ihn Christian ja holen, wenn er Lust hat«, meinte er. »Denn jetzt hat er doch nichts von uns Anderen bei sich, das er mit seinen Possen ruini ren kannt« L v Und dann wintte er den Kameraden mit dem Kopf zu. Und sie folgten ihm alle auf venk Weg zum Kalibruch, lang sam, schweigend mit gebeugten Häup ern. Die Mannschast aus den Waldhöfen tand einen Augenblick ungewiß und sah ihnen nach. Aber dann nahmen sie ganz still die Gewehre über die Schul tern und schlichen den entgegengesetzten Weg davon. . Und nun waren nur Christian und ich allein aus dem Wahlplatz übrig. Er stand mit seiner Uhr in der Hand nnd ich mit meinem Revolver und meinem Sonnenschirm. Und als ich ein wenig verlegen und gedrückt über das Meer hinschielte, kam Es mir bestimmt vor, als sähe ich den Seehund den Kopf aus dem Wasser stecken und über uns lachen. — -—.s.-—«ss- - »Nicht heirathen.« --—.--—— Novellette von G u st a v L e o n W e l d o n. -....4..—.. Als das würdige Fräulein Gudula Bonardieux, Vorsteherin des rühmlichst bekannten Mädchenpensionats von Bretteville-le-Grand —- vollendete Er ziehung, mäßige Preise, seinste Rese renzen —mit ihren jungen Zöglingen den bedauernswerthen Herrn Bouton, Professor der Geographie, zu seiner letzten Ruhestätte geleitet hatte, war in der ganzen großen Klasse eine allgemei- ; ne Aufregung und ein endloses Geplap- H per all der kleinen rosigen Mündchen, denn es galt eine sehr ernste Frage. »Auf wen würde die scharfsinnige Wahl des Fräuleins Direttrice fallen, um den armen Entschlafenen zu er setzen?« Wie würde der Name des neuen Leh rers sein? Welches seine Neigungen, welches das Parsum, das er bevorzug te? Würde er das gutmüthige Aussehen Papa Boutons haben und seine goldene Brille? Geheimnisz! Die große Cäcilie Martin, welche dem Pen sionate als Zeitung diente, kiindigte im Vertrauen ihren Mitschülerinnen eine große Nachricht an: »Er heißt Sim plice und wird morgen kommen!« « Es war in der That am anderen Morgen, als Fräulein Gudula Bonat « dieux, die zu diesem Anlasse ihr orange l farbenes Sammethäubchen ausgesetzt hatte, in der großen Klasse erschien, ge folgt von einem langen, mageren und blassen jungen Manne. Er trug einen I schwarzen Gehrock mit weiten Schößen » und eine dunkelbraune Krawatte. Kei ne Brille, kein tarrirtes Taschentuch, wie Papa Boniom dagegen ein sanftes, i fchiichterneg Aussehen, das Verwunde I tung erregte· »Meine Kinder,« sagte die Direltrice, »ich stelle Euch hier Euren neuen Geo graphielehrer, Hean Simplice, vor. Es ist das ein sehr gelehrter, sein gebildeter , Mann, der mir Ehre erweist, indem er » einwilligt, Euch zu unterrichten. Ver ’ haltet Euch ihm gegenüber, wie Ihr Euch gegenüber Herrn Bouton verhal ten habt. Jch rechne aus Euch« Und während der Neuclngclommene iich tief verneigte, zog Fräulein Gudula Bonardieux sich mit Würde zurück. Ein Gemurmel ging durch die ganze Klasse; die Mädchen wechselten unter einander ihre ersten Eindriicke aus. Toinette Gilet machte Claite Au briot daraus aufmerksam, daß der neue Professor keinen Schnurrbart be saß, und Celestine Langlois entdeckte, daß er einen ergötzlichen kleinen Punkt aus der Nase hatte. Genevirsve Benoit, die Anspruchsvolle, sah mit Verachtung aus seine häßliche Krabatte, und Ros sette Bonnard jauchzte vor Wonne beim Anblick seines Regenschirmes. »Meine Damen«, begann Herr Sim plice mit sehr sanfter, etwas unsicherer Stimme, »ich hoffe, daß wir gute Freunde sein werden.« Der« arme Junge war sichtlich einge schiichtert. Dieser Schwarm von jun gen Mädchen von vierzehn bis fünfzehn Jahren ——-- ein schreckliaics Alter — ängstigte ihn ein wenig, und er hörte mit Bestiirzung das Lachen, das schrill durch den Lärm hindurchklang »Herr Bouton«, sagte er, »ist, wie ich glaube, bei Turlestan siehe-n geblie ben und er begann den Unter richt. Es war eitel Wonne. Niemals hatte sein Vorgänger so zu ihnen gesprochen· Herr Simpliee mußte sehr gelehrt sein, denn er sprach von diesen fernen Gegen den, als ob er sie selbst gesehen hätte. Er berichtete iiber lolale Sitten und gab Anetdoten zum Besten. Sofort iiir ihn eingenommen, folgten- die Da men init Entzücken, nnd als das Glockenzeichen die Freistunde verkünde te, hallte ein »Schaut« durch den Saal, das ihm ein Lächeln entloette. Am nächsten Morgen erzählte man sich im ganzen Pensionate, daß die Großen einen wunderbaren Professor erhalten hätten. Man gab genaue »Ein zelheiten über feine Person, seine Kra tvatte, seinen Regenschirm. Nach Verlauf eines Monats war ltderr Simplire ganz und gar der Freund der jungen Damen geworden. Sie bemühten sich, während sie sich mit den Geheimnissen Zentral-Asiens vertraut machten, die geringsten Ein zelheiten aus dem Leben des Herrn Sinipliee kennen zu lernen. Er hatte eine empfindliche Kehle und nahm häu fig Zuckerplätzchein die er in bescheide nen Papierdiiten verbarg. Er verab scheute die Zuglnst und hatte eine Vor liebe siir kleine Vögel. Einer Moraenss hinterlegte eine tm W bekannte Hand aus seinem Pulte eine ziselirte silberne Bonbonnidre mit ei nem zierlichen Billet, das die geheim nißvolle Aufschrift trug: »Unserem geliebten Lehrer.« Herr Simplice erröthete bis über die Ohren und ließ einige gerührte Worte vernehmen. . Eine Woche später gab ein Dienst mann bei der Hausbesorgerin an die Adresse des jungen Professors einen reizenden Stieglitz in einem himmel blauen Käfig ab, und am darauffol genden Tage stellten mehrere Damen unauffällig einige distrete Fragen nach dem Befinden des kleinen Vogels. « Kurz, es grenzte an Vergötterung Die anderen Lehrer magerten sichtlich ab vor Neid und Aerger, und dex Professor der Ariihmetit sprach davon, seine Demission einzureichen. ,,Haben Sie keine Angst, Herr Sim plice!« sagten die Damen; »wir wer den Sie vertheidigen, wenn man Sie angreift.« Am 1.7. März, seinem Geburtstage, verlas Rosette Bonnard, die Jüngste der Klasse, einen Glückwunsch in Ver sen, worin er mit einem Helden des alten Grckechenlands verglichen wurde, und Geneviesve Benoit überreichte ihm in feierlicher Weise eine Azalea in ei nem prächtigen Topf. Tief gerührt, erlaubte sich Herr Simplice, Genevicsve auf die Stirn zu küssen. Und da nun Rosette Bonnard ihrerseits vortrat, hatte er«die Freund lichleit, auch sie zu umarmen. Die übrigen jungen Mädchen folgten der Aufforderung, und die ganze Klasse ließ sich auf die Stirn küssen mit den Worten: »Wir werden dem Fräulein nichts davon sagen.« Bald war es nicht mehr Zärtlich keit, was man für ihn hegte, sondern Liebe. Jkaulclll WUOUUI Bollclkolcllx much ernstlich unruhig. Sie fragte sich, ob in der Geographiestunde nichts Ver dächtiges vorgehe, und da ihr der gute Ruf ihres löblichen Pensionats — voll endete Erziehung, mäßige Preise, sein ste Referenzen —-— über Alles ging, wohnte sie persönlich dem Unterrichte bei. Alles spielte sich in tadelloser Weise ab. Die Damen waren wirklich kleine Engel, und die Direttrice selbst sühlte sich von dem anziehenden Vortrage des Herrn Simplice bezwungen. ; Jndessen der Hauskneister, der be- 1 stimmte Weisungen hatte, benachrich-( tigte sie, daß Claire Aubiot ihm fünf zig Centimes angeboten hatte, um Herrn Simplice heimlich ein in Seide l gestickte-s Porteseuille zuzustellen. Das ; Portesenille wurde abgesangen und l mit Beschlag belegt. Das FräuleinJ völlig außer Fassung, verlor darüber « den Appetit und fragte sich mit Schre- ! cken, ob sich nicht in der That standa- l löse Dinge in der großen Klasse ereig- « neten. Nun ereignete es sich, daß gerade der Regierungs - Kommissar eintraf, um sich von dem Stande und den Fortschritten der Anstalt zu überzeu gen. Das Fräulein, welches Werth daraus legte, bei der hohen Behörde in Gunst zu stehen, führte ihn in die Klasse des Herrn Simplice, in der Ge wißheit, daß ihre Zöglinge sich auszu zeichnen verstönden. Sie hatte sich nicht getäuscht: der Regierungstomtnissär selbst war völlig bezaubert von den jungen Damen, die von Turtestan sprachen, als ob sie es sämmtlich schon besucht hätten. Der Regierungstommissär nahm Fräulein Gudula Bonardieur bei Seite und sagte ihr: »Sie habenda einen ganz hervor ragend tüchtigen Lehrer. Jch werde höheren Ortes über ihn berichten und mich bemühen, seine Beförderung nnd Ernennung an einein der großen Ly ceen durchzusehen« Ah, jawohll Beförderung! Ernen nung! i Fräulein Gudula Bonardieux hatte diese schreckliche Eventualität nicht ins Auge gefaßt. Was sollte dann aus dem Erziehungsinstitut werden, das der Stolz ihres Lebens war und fiir das sie sich seit zwanzig Jahren unuter- I brochen aufopferte? l Man mußte ihn zu halten suchen, um jeden Preis! Und während der Nacht, einer fieber haften, schlaflosen Nacht, hatte Frau lein Gudula Bonardieur plötzlich einen erleuchteten Gedanken, einen ungeheuer lichen Einfall, der vielleicht Alles ins Geleise bringen wiirde ; es war ganz einfach : Herrn Simplice zu heirathen. Freilich, er hatte tein Vermögen. Aber war sein Wissen nicht viel werth voller ? Und welch eine Ehre würde es fiir sie sein, das Pensionat eines Tages vergrößert, ja berühmt zu sehen unter der Autorität seines Namens ! Und dann . . . . liebte sie ihn denn nicht schon ein wenig, so ganz im Innersten ihres Herzens ? . . . . Schonend, wie es sich seitens einer Frau geziemt, die gezwungen ist, selbst den ersten Schritt in einer so delikaten Angelegenheit zu thun, weihte Fräulein Gudula Bonardieux Herrn Simplice in ihre geheimnißoollen Pläne ein. Der junge Mann zeigte sich sehr ge schmeichelt und schien mit einem Lächeln darauf einzugehen, indem er sich jedoch vorbehielt, die endgiltige Antwort erst am folgenden Tage zu geben. Die Sache wurde in der gro 3e Klasse noch am selben Abend bekannt Cäcilie Martin, die «;-3ciluna,, hatte fich « L-,-.-.. » » Ess gerade auf dem Gange vor dem Kabi nette der Direttrice befunden, als diese bewegte Scene sich abgespielt hatte. ,,Rache !« erschallten Stimmen. Jawohl, Rache ! Und als der junge Professor am nächsten Morgen in der großen Klasse erschien und seine Tages stunde über Japan geben wollte, em pfing ihn ein dumpfes Gemurmel. »Meine —- Dameu,« sagte er beurt ruhigt, »meine lieben Freundinnen . . .«' »Es giebt keine lieben Freundinnen mehr !« schrie Rosette Bonnard aus dem Hintergrunde des Saales. Herr Simplice erhob sich, zitternd vor - Erregung : s »Was soll das heißen, meine Da . men ? Jch verstehe Ihre Haltung nichts I Sie, so reservirt sonst, so artig . . .« f «Undankbarer ...... « ertönte eine l t s i Stimme. ,,Undantbarer !« wiederholte das Echo auf zwanzig Seiten. Als er zu sprechen versuchte, begann der Lärm von Neuem, zur Empörung ausartend, zum Ausstand. Die Feder I haltet und die Hefte flogen durch die Klasse, und die Schreibmappen fielen i am Fuße des Katheders nieder Asch sahl verschränkte Herr Simplice vie ) Arme, indem er sich vergeblich bemühte, s den Sinn all dieser Phrasen zu erfas sen die sich treuzten: »Und meine Geschenke l« »Und meine Küsse l« ,,Geben Sie das Geld zurück !« « : Dann, nach Schluß der Klasse, be » gab er sich feierlich zu Fräulein Gudula : Bonardieux und überreichte ihr eine« s lange Strafliste. Er fügte seine Identif sion als Professor des Pensionats von Bretteville-le-Grand hinzu, und er « mußte der Direktrice zu feinem Bedau » ern die Mittheilung machen, daß er nach reiflicher Ueberlegung beschlossen habe, dem Junggesellenstande treu zu bleiben. · Noch an dem elben Abende bestieg er den Zug nach aris und kehrte in jene entlegenen Gegenden zurück, von wo er gekommen war, den Stieglitz in seine-n blauen Käfig und die Geschenke, die er erhalten hatte, mit fich nehmend. Nie mand wurde seine Abreise gewahr, die sich bei hereinbrechender Nacht vollzog. Am anderen Morgen kam Fräulein Gndula Bonardieux trostlos, mit ver störten Blicken, ihr orangefcsrbenez Häubchen verkehrt anf ihrem nrauen Haar, selbst in die Unterrichtsstunde, um der großen Klasse die Demisfion des Herrn Simpli ce anzuzeigen Sie fand die Damen in großer Aus regung, leise und unruhig mit einander flüsternd, und als sie schwankend die Stufen des Katheders hin-aufstieg, hielt sie plötzl ich entsetzt vor der g: riß-: n schwarzen Tafel inne : eine weibliche Hand hatte mit Kreide die geheinitxisz vollen Worte darauf gesehricfsei : »Nicht heiraihs: n. t« —---—— , — A u s d e rn F e st Von Frida Schanz. Auf dem Festfaus dem lichterblanken, Hört’ ich heute ein Paar — sich zanken! Seltsam war die Sprache der beiden; Konnten sich wohl auf den Tod nicht« leiden, Führten so schonungslos ihre Fehde, Grissen sich an mit so spöttischer Rede, Tauschten Hiebe, so hitzig lohend, Sahen sich an. so muihig drohend, Reizten sich mit so kühnem Recken— — Jch vernahm es mit Angst und Sitte cken, Blickte die beiden an, gar flehend! Aber plötzlich wurde ich sehend Durch ein Licht, das den Blick mit hellte, · Sah ich, daß Liebe sich so verstellte! Lachend hab’ ich mich weggewendet; Meine Seele hat mir’s geblendet: Unter feindlichen Offenheiien Sah ich’5 wonnig und warm sich brei ten, » Sah ichs selig und tief sich dehnen: Heiße Liebe, mächtiges Sehnen, Treue, durch keine Macht zu trennen-, . Allertiefsles Einanderkennen, Allersonnigster Glanz und Schimmer. Lachen mußt ich den Abend immer! — Ans dem Heimweg, beim raschen Wan dern, Unter Flocken, voraus den andern, Dacht’ ich mir die Schelme, die beiden. Wie sie sich dann wohl erinnernd wei den An dem fröhlichen frischen Witze, An dem goldenen Wogengeblitze, An dem funkelnden Spiel derStunde—-— Ueber dem tiefen, liefen Grunde! Ho I Korruption in Südasrika. Ein australisrher Freiwilliger schreibt aus Südafrita: »Die britische Regie rung wird rechts und links bestohlen. Einige Proviant-Unterossiziere und Soldaten, die in den Borrathsmagazi nen angestellt sind, machen sich, wie all gemein bekannt ist, kleine Vermögen. Jch habe es selbst aus dem Munde mehrerer solcher Leute gehört, daß sie durch Verkauf von Regierungs-Vorrä then 200 bis 500 Pfund Sterl. profi tirt hätten; und ein Mann, der Ber treter einer Firma von Fleischlieseran ten war, erzählte mir, daß er über 200U Pfund Sterl. »gema.cht« habe, blos da durch,· daß er mit siillschweigender Gutheiszung der betreffenden Qfsizier«.«s — requirirtes Rindvieh beansprucht und dann den Behörden« resp. dem Firisegkxniinisier aliz ,-Qciiesert« verrech iict Visite-F s«