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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Jan. 25, 1901)
Ihnenieude Liebes Roman vonIerdinandRuniel. PH— GABRIEL-) Mechanisch riiekte sich Streitberg eine kleine Stasselei zum Atelierfenster, suchte ein Stück Malmappe hervor und, die Palette zur hand nehmend, tastete n mischend mit dem Pinsel in den satbenslecken herum. Seine Blicke hin ken tote gebannt an dem alterthüm icheu Thronsesseh und fein sabelhastes Oe « nisz zauberte ihm die Erschei nung r schönen Frau in den reichen Mrunlstuhh an dem noch das seine Par fiim der Besucherin haften geblieben war. Wie im Traum glitt sent der Pin sei über die leere Fläche, die einzelnen -Yrbensleae nahmen mehr und mehr stalt an, vom dunklen Hintergrund hob sich der seine Goldbrokat des Sessels ; ab,und in weichenWellenlinien schmiegte I sich eine weibliche Gestalt in die Form . des königlichen Stuhls. Deutlicher und deutlicher nahm diese Gestalt das Judi vidnelle der Frau Angelika an, in gro Oen galten siel das englische Kleid über den ih, die seine Hand ruhte lässig auf der Armlehne und der Kopf schien leicht z in das Rückenpolster gedrückt. Ein gol: T diger Reslex spielte in den schwarz-; tockigen haarem und das seine Profit z iöste sich in elfenbeingelblichetn Ton I von den schweren Falten des dunkelto- E then Thürvorhanges los. Die brennen den Augen blißten der Mund war zu einein kindlichen Lächeln leicht geöffnet, noch hier ein Strich, dort ein wenig Be wegung in dem lichten Ton, ein flüchti ger Wisch mit dem Daumen, dann trat Thedi uriick und die Erscheinung der selten fchönen Frau war fiir immer ge bannt. Der junge Kiinftler glaubte. daß er nur wenige Minuten gebraucht habe, I um die Siizze zu malen. und er war erstaunt. als Gumprecht in seiner pol ternden Art bei ihm eintrat: »Du haft wohl gar keinen Hunger heute. was machst Du denn Schönes?« Mit diesen Worten trat er hinter die Stasselei seines Freundes und schrie baut-aus: » »Frau Liia. die schone Frau Lcraz Hat sie Dich auch schon irn Sack?« »Du kennst die Dame?« Gnrnprechi lachte. »Mein Gatt, wer wird sie nicht ken nen, die maderne Rahel. Sie hat Dich wohl zu ihrem großen Diner eingela den und Du hast natürlich zugesagi?« »Nein. noch nicht« »Dann beeiie Dich, denn wenn Dich die Lila ihres Saan für würdig hätt. bist Du schon halb gemacht laube mir, sie hat einen Blick für das Große, oder sagen wir fiir daz, was dem Publikum inmoniri. Alle ihre Freunde, die sie als unbekannte Jünglinge in ihren Kreis Iog,.stnd als Sterne aufgegangen sobal fie sich in der Oeffentlichteit zeigten. Nun aber komm, Pichler, wartet auch ichs-st- . . Uns nun irai er ern paar Schriiie hinter die Staffeiei. iniff die Augen ein nnd versank einen Augenblick stumm im Uns-hauen der Siizzr. »Das hast Du famos gemacht. Thevi, hat e Dir gesessen?« ’ » ein, ich hatte einen so starken Ein druck von ihr, Daß ich die Siizze nur au der Einnernng maite." »Dannrrweite:, das ist eine hübsche. Krafiprohe, ich fange wieder an. Dich zu bewundern wie vor Jahren auf cer Aka heinir. Das muß Grimm fehen.'« Und ehe Sireitberg den Freund zu- s rückhalien kannte. war er draußen und kehrte wenige Minuten später mit dem Professor zurück. Der Meister reichte feinem Schiller die hand: »Na, hier hat sich wohl waa Großes zugetragen, daß mich herr Gumprecht mit-ten aus meiner Arbeit hierher citir Es r« »Ja wohl. Herr Professor, hier hai sich etwas zugeiragen. Jch habe Sie geru fen, inn ein Genie aus der Taufe zu he ben. hier-, sehen Sie, das hat unser Provinzanstreicher aus der Erinnerungy gen-ask ! Grimm trat an die Staffelei Eine Lange Pause. Die schlannke seine Hand griss in- den spärlichen Volldart, irrie dann über die Stirn, um das strasfe Haar zurückznstreichen »Das isi wirklich groß, ich gratulire, Herr Sireitbersgk Ein Zug wehrnüthis ger Restgnation spielte um die geistvollen Augen des großen Meisters. »Sie sind mir schon aus den- Hiinden, lernen tön nen Sie bei mir nichts mehr.« Und nun tcasen sich die Blicke der bei den Männer, sie standen einander gge en Tiber wie die Knusigeschichte ihrer Zeit. Zier die derfmtende Anschauung einer nchbtiithe des Klassizismus, dort der Stürmer und Dränger einer neucn Kunst, einer neuen Philosvvbie der mit sicher Hand die brausenden Wogen ei ner neuen Zeit darstellir. »Es isi alles drin, was wir verlan get-, lieber Streitberg, und doch ist es ein-s Inder-L Denn es ist auch alles den-, was die Moder-neu wollen, das J 7stische, die Herrschaft über Iik kenne ren; Kaulslnmåim Si- W nur i e orine e n kuth ie linken iie in den leise gen ihrer Seele getros Ums oder fiva izögrnwzz dgsi r n s ji« M, nnd vergessenw Sie die weder P « ds- M i-« Wild W tes bemichtisä habe-, daß der alte, un inoderne, der "sterte Stimm, der silber bogenmnler, der kein Berstiindniß sür die neue Zeit bat, Sie beute steisprach. Ihnen den Meisterbrief gab und Sie als ollege umarmte.« Und wirtlich driicite der berühmte Mann in tieser Rührung den jungen Künstler an feine Brust. Es war ein Augenblick der höchsten Weibe. vor dem tell-txtt der Spötter Gumprecht schweigen mu e. »Lassen Sie mich bei meinen alten Formen, ich kann mich nicht mehr än . dern, ich muß bleiben. wie ich bin: I »So ward einst Francia überfliigelt von z sRassaeL der jüngeren Kraft-« Runi i kommen Sie mit mir, meine herren, aus - diese Stunde miissen wir trinken.« T I Jm Hinausgehen stieß Gumprecht den ; imnrer noch keines Wortes mächtigen Z I Streitberg an und sagte: - »Du. Grimm ist doch ein großer Mann.« UT Es giebt nichts Oederes als einen Re gentag im Winter. Berlins Straßen sind mit einem zähen Schlick bedeckt und dichter Nebel ballt sich über der Stadt s zusammen. Ein unangenehmes Klaticben trisft das hohe Ateliersenster und aus die äußere Blechbriistung schlägt Tropfen um Tropfen aus, ein Geräusch, das die stärksten Nerven zur Revolution bringen kann. Streitberg sißt vor seinem Zeichen pult und arbeitet ums Geld. Der Aqua relllasten. Wassernäpfr, Pinsel und Stizzenbiicher liegen um ibn herum, an der Erde und aus Stühlen alte Schminsledethän.R, in denen er Anre gung zu originellen Schriftzeichen sucht und findet. Er ist tein Polititer und war es nie· Aber um aus den Minu tarten siir Brand stets modern, stets pi tant zu sein, genügt es nicht, das rein Künsilerische zu studiren, er muß auch die Politik und das soziale Leben seiner seit beachten. und eine Fülle von ruini gen und agressiden Gedanken strömt ihm zu. Aber von allem, was ihm einfällt, scheint ihm nichts bedeutend genug. das « groZe Diner der Frau Ungeuta zu schmücken. Er will etwa-;- aus dem Jdeenkreise der schönen Frau Ge horenes bringen. Aber vielleicht hat sie teine Ideen, vielleicht ist ihr einziges Verdienst der Glanz ihrer Erscheinung, der Schimmer ihrer weichen Haut und der tiefe, satte Ton ihrer dunkelen Au gen, die in Blau schwimmen wie eine Wetterwolte, überraschend am sommer lichen Azur aufgestiegen Vielleicht ist sie wirtlich nichts als elegante Form! Aber was geht ihn Frau Angelita an, was ihr Jnneres, ihre Gedanteni Mag sich damit doch ihr Gatte abfinden. Thedi streicht sich über die Stirn, als ob er seine Gedanken verscheuchen wolle. Er stopft von Neuem die lange Pfeife und giebt sich mit Eifer seiner Arbeit hin Es vergeht eine kleine Zeit, und schon wieder rastet die hand des jungen Mei sters-, wieder flattert ein verlorenerBlick in die Tiefe des Ateliers. wieder hebt sich vor seinem Auge aus dem Goldbro tat des alten Thronsessels die elegante, geschmeidige Gestalt Angelika5. Aet gerlich wirft er das Blei auf den Tisch. Wozu hier sitzen und an die Frau eines Anderen denken. Er will hinaus in den Thiergarten, in den Grunewald, weit hinaus, wo die Natur in ihrer her ben Reinheit die Gedanten erfrischt und den Kopf klärt. Aber da hört er das leise Rinnen der Tropfen. Es regnet. »Es regnet ja,« sagt er sich und wen det sich wieder reiignirt den Menutar ten zu. Doch es will heute nichts wer den. Die Gedanken fließen ihm spär ; lich zu, und es ist ihm, als ob sein Pin . sel in eine zähe Masse getaucht wäre, er kommt nicht dorwarts. So sehr er s sein Denken sonst in der Gewalt hat, so energisch er sich in anderer Zeit zu tonzentriren versteht, heute gelingt es ihm nicht, sich von Angelitas Bild frei I zu machen. Also dann homoopathische s Arzenei schlucken den Teufel durch Beetz ebub austreiben, das Phantasie bild durch die Wirklichkeit verscheuchen. Es ist ja auch heute Donnerstag, Ange lita empfängt zum Fünf-theilten Was werden alles für Tanten und Ontels versammelt sein« was mag dort über Kunst und Litteratur geredet werden. Einerlei, er will hin, er will sie sehen im Kreise ihrer Getreuen, vielleicht be freit das seine Gedanken von thr. Nun wirft er den Arbeitstittel ab, schiiipft in sein Sammetjacket, und ohne feinem Aeußeren einen festlichen Anstrich zu geben, geht er hinaus. Der Regen schlägt ihm unangenehin entge gen, er hüllt sich tiefer in die Falten sei nes havelockj und zieht den weichen ( Hut in die Stirn. Schon ist es fünf . Uhr, und der Weg zu Angelika, die in « einer stillen Privatstraße des Potödev mer Viertels wohnt, ist weit und schmutzig. Also eine Droschle. Jn dem hohen romanischen Bestibule empfangen zwei livrirte Diener den jungen Künstler-. Sie wundern sich über den seltsamen Anzug des Untern inenden, aber nichts zeigt auf den wohl geschulten Gesichtern, daß sie gewöhnt sind, nur herren in Ueberrock und Cy linder zu empfangen. Angelika hat das Straßenlostüm vollständig von ihrem Jourfix verbannt. Der eine Diener nimmt Streitberg die Karte ab und ver sckywindet hinter einer hohen sogenthiiy ,- der eine breite Doppeltreppe einver AAMWM W I Wzn scheu vi- phe Musik« so l sag-ur- Lerdn um auf die namens-« H schmückte rennenestrade. reicht Tbeoddr ; beide Hände, und ibn mit einem glückli j chen Lächeln überstrahlend, zieht sie ihn I in den Satan. Die beiden Diener sehen ! sich an und scheinen sich ohne Weiterei zu ! verstehen, denn sie nicken und begiben sich aus ihre Pliihe zurück. " »Wie gliiellich bin ich, lieber Meister. l daß Sie gekommen sind. Jch habe den ganzen Nachmittag so intensid an Sie ! gedacht, ich habe an- meiue Gepackt-u I nach anen ausgestreckt, meine Seeie ! floß zu anen bin. Sie mußten kom j men. ob Sie wollten oder nicht, ich « wußte es, denn ich hatte Sie in der Ge-. I walt.« " s Bielleicht täuschen Sie sich. gnädigste « Frau, mich hat Niemand in der Ge : walt.« k « O seien Sie doch aufrichtig," und wieder blickte sie ihn mit ibren tiefen, seltsamen Augen an, daß er verwirrt den , Kon senkte, aber er antwortete nicht-, « ; Angelika ließ fest seine beiden Hände : los und schritt ian daran. Sie lud ihn ’ ein, in einem bocharmigen Sessel Plas; » zu nehmen, während sie sich auf ein Ta- l bouret kauerte, die gefalteten hände in l den Scheoß legte und den schönen Kon l zu seinen ernsten, meiancholischen Künst- I leraugen erhob. l «Wissen Sie auch, was Sie gethan habcnk« »Nein!« .Sie haben sich an mir und meiner aufrichtigen Bewunderung iiir Ihr Ge nie dersiindigt. Glauben Sie, daß man einer Freundin mit Unwahrheit lohnen darf?« . Ein kaltes irdniiches Lächeln verhär tete für einen Augenblick das Gesicht des Künstlers. »3eigen Sie mir nicht die eiserne Muth ich weiß, wag Sie damit sagen wollen. Sie finden es unerhört von ei ner Frau, sich nach einer einzigen Be gegnung Jbre Freundin zu nennen, und dennoch bin ich es. Und da ich es bin. bin ich es ganz. Wollen Sie mich nicht zu Jhrer Freundin, so brauchen Sie auch nicht herzutdmmen.« »So viel Güte überraschtmich Jch muß gestehen, ich bin verwirrt· Verzei hen Sie meine Unbebolfenheit. ich bin ein Kleinitädter, eine Prodinziale und angewandt im Verkehr mit Damen.« .Aber Sie sind totett.« »Gnädigste Frau.« »Ja. totett, ich nehme es nicht zurück. Sie wissen genau. wie Sie der dunkle weiche Sammet kleidet, darum kommen Sie nicht irn oorschristsrnäßigen Ueber rocl. Jch dulde sonst leinen anderen Anzug in meinem Salon, Sie find der Erste, der die Ausnahme wagt, und Sie sind auch der Erste. dem ich es gestatte", und nun reichte sie ihm ihre Hand. «Lasien wir diese lonventionellen Plän teleien, ich bin tein Backsiich, ich fah wohl in Jhren Augen, daß Sie mich he wundern, daß Sie mich schön finden wozu also gesellschaftliche Phrasen ma chen, wozu eine tünstliche Schranke aus richten, die unsere Empfindungen doch schon beim ersten Zusammentreffen übersprungen hatten. seien wir doch ehrlich« lieber Meister." .Sie sind bewunderngwerth. gnä digste Frau.« »Meine Freunde nennen mich Lila, und in Ihrem Kreise nennt man Sie Thedi, nicht wahr? Jch finde die Ab liirzungen schön in ihrer liebenswürdi gen VertraulichleitX .Aher ich bin wirklich oerbliisst von so viel Güte Verzeihen Sie, wenn ich undankbar erscheine, lalt und theil nahrnloå, ich bin es wirklich nicht« Sie erschienen in meinem Atelier wie das : Glanzphantorn des Glücks und ich habe seit jener Stunde mit meinem Gehirn im Kampfe gelegen Jhre Personlichteit daraus zu oerbannen. .Und es ist Ihnen nicht gelun gen. Sehen Sie, ich habe es Jhnen ja gesagt, und Sie wollten es nicht glau ben Es giebt eine Wirkung in die Ferne. unser Wille überhriickt Raum und Zeit. Ich habe Sie heute Abend sehen wollen« und Sie sind gekommen, ich habe Sie mit meiner Seele gerufen, und Sie mußten folgen, ob Sie wollten J oder nicht Mein Wille entrang Ihnen den Pinsel mein Gesiihl umschlang Ihr Gefühl und zog Sie unwiderstehlich in diesen Solon-« .S1nd Sie ein Medium und glauben Sie an Spiriiismug?« Angelila lachte kurz und hart. »Nein! Jch glaube nur an die Kraft meiner Persönlichkeit an die Energie meiner Leidenschaft. Ich glaube an mich, wie ich an Gott glaube.« »An Gott?« Ein leises Befremden mischte sich in den Ton dieser zwei Worte. «O, nicht an den Gott, von dem man in Kindergeschichten er äblt, nicht an den Mann mit dem grasen weißenBart, wie ihn die Juden dachten. Jch glaube an Gott als an das Urgeset der Welt, an Gott als das Urwasser, das Urfeuer, den Urdemanten, an Gott als den Kern der Welt, an Gott als die Urkraft, von der Atome über die ganze Welt er ftreut leben, die zu ib.n zurück mit en, wie der Tropfen Wasser zurück muß auf die tiefste Sohle de- Erbe, ob er alt Nebel imRaum tanzt oder alsschäurnem de Welle den B des Schiffes nmlost. Ich glaube an ott als den Meister meiner Seele, als den Meister J rer Seele, den gnädigen Schenter alles u ten, den ornigen Zerstörer alles Bissen nnd Sch echten.« »Und ich glaube auch an ihn, tote ich In Sie glaube, schöne Ungelcta.« Und nun drei-rein betses M seinen Ins-. spann M Its —.-..·— I st- mit su- ews du sama-. met-» chen,?and die er in glühendem Taumel an se ne Lippen ng Dann anten die Eheiden Hände fest umschlo en nieder g und drehten sich in einem Druck der I mehr sagte als die tiefsten Schwiirr. Ein F Druck unter dem zwei heiße Seelen sich Fgefunden hatten zu einer Bermiihlung Ides Leidens und der Qual. Nach einer f stummen Pause ließ die schöne Frau des jungen Meisters hand fahren und sie l fliisterte mit ihrer leisen schmeichlerisch stosenden Stimme: i Es tomnien Gäste, fett gehören wir nicht mehr uns selbst « Und nun flogen schon die Flügelihiii , ten auf und es rauschte eine seltsame Gesellschaft herein. Ein Mann, lang ·und diirr wie eine Bohnensiange, znit hoher, tahler Stirn und einem in den spihen Knebelbart herabhängenden Schnurrbart. Er führte an seinem lan In Affenarm ein nur halb so großez - ämchen mit einern runden Kinderkre sicht und süßen blauen Augen. j " Streitherg fühlte etwas wie Eifers I « sucht als ersah daß Angelika die Boh- ; nenstange fast ebenso tameradschtlltlich herzlich begrüßte toie ihn Mit den i Beiden war ein herr gekommen der sich z in dem hochmadernen, schwarzen Ueber roct wie ein Paftor ausnahm, wenn nicht der unheimlich flackernde Blick i hinter dem übermäßig dicken, schwarzen j Horntneiset und der schwere Nahrun- " hieb, der sich vom Ohr zur Nase durch den spärlichen Vollbart zog, allzu sehr das Welttind verrathen hätte. Der Mann hatte Form. Er nahm mit einer chevaleresten Verbeugung Angelika-« hand und führte sie an seinen stack-eli gen, firudpigen Schnurrbart. Sie aber entzog sich ihm schnell und faßte die tleine Frau an die Schultern« drückte sit zärtlich an sich und brachte sie wenige Schritte vor Streitberg. » «Lieber Meister, die Frau unseres Don Quichote. die lleine reizend Elena, der Stern unserer Gesellschaft. Und hier ihr Gatte, der so groß ist. daß an seinem Kon stets eine andere Tem peratur als an seinen Füßen ist.« Streitberg der-beugte sich. und der lange Olshausen schüttelte ihm lordial die hand. schüttelte dabei eine lange Hamlettocke » .Na, wir tennen uns ja schon vom hörensagen« Kollege, sintenral wir un ter einem Dach ichusten müssen.« »Und hier«, jest wintte Angelika den schwarzen herrn heran, »Herr Dotter Korn, der ausgehende Stern der moder nen Lnrit, ein höchst angefeindeter, aber desto talentvollerer Dichter.'« Der Dottor verbeugte sich tief und in die Stirn, die seinem eckigen Gesicht etwas seltsam Jnteressantes verlieb. »Ich babe von Jhnen schon mebr ge hört. als Sie glauben, lieberProsessor«· wandte er sich jehr an Streitberg, den er vertraulich unter dem Arm nabm uno in eine Fensterecte zog. io das: die schwe ren Vorhänge die Beiden sast verbar gen. »Sie haben eben von der schönen Lita vernommen. daß ich mich in meinen Mußestunden, deren ich leider nur vier undzwanzig tagsüber dabe, rnit der Li teratur beschäftige. Ich gebe jetzt ein kleines Büchelchen heraus, das die Liebe in einern eigenartigen Cytlus seiert. Dazu brauche ich einen interessanten Jlluitrator. Wären Sie dafiir zu ha ben?« »Wean der Dichter mir etwas zu deuten iibrig gelassen hat. wenn er nicht alles fiir sich allein beanspruchen will, sondern den Maler als tongenialen Künstler neben sich duldet.'« »Sie sind mein Mann, Professor, wissen Sie, diese Figürchen nnd Blu menstiietchenzeichner sind mir total zu wider. Es muß der Dichter mit dem Mater gehen. Und sehen Sie, ich habe meine Gedichte schon in ihrem äußeren Bau aus eine gewisse ästhetische Form gestellt, daß schon der Druck an sich ein Ornament ist.« Ueber Streitbergö Gesicht huschte ge dantenschnell ein ironischeö Lächeln. die Schnurrbartspihen zitterten leise. Der Dottor bemerkte es nicht. »Trohdem aber halte ich mir aus, die Anordnung des Buches vollkommen glbststiindig zu übernehmen, denn das ildchen dahin zu stellen, wo derDrucker ( gerade freien Raum gelassen hat, ist eine Barbarei.« · l i Doktor Korn klatschte in die hande. » »Professor, Professor, Sie haben Ge- E schmack. Jch sagte Jlmen schon, Sie - find mein Mann, wir beide müssen zu sammen arbeiten. Warten Sie nur, wir werden dem blöden Philisterthum schon zeigen, was die Elle tostet.« »Das ist gar nicht weine Absicht, verehrter Herr Doktor. Jch male, weil ich malen muß, so gut und so schlecht« wie ich’i gelernt habe. Jch bin kein Kliquenmensch und kein Parteier ch bilde meine Gedanten auf der Le n tvand, und ich prätendtre nur, daß das Publikum von meinem Bilde denkt, was ich gedacht habe, als ich es fehqu «Empsindnngen ausliisem Das ist ja gerade des Künstlers höchster Tri umph. Wenn Sie das können, lieber Professor, dann ist der Erfolg sicher." «Nennen Sie mich doch nicht immer Professor, das ist mir wirklich pein lt " »Na ja, Sie haben Recht. Das ist noch so eine Angetvohnheit der alten Zeit. tvo man glaubte, daß ein Mann ohne Titel auch ohne Talent sein müsse· » Ich hadezden Zopf auch mitgemacht und netch meinen Dotter viel Geld kosten » lassen. Es war Unsinn, aber trohdem - ei i « n W MMIL MWMQ sit-. when-um« satte ers-de Meile Uns-Zeit nennt-M - danken m man Revolutionär s n. das Alte r en, das Reue bauen. Also. Sie tllu riren mein Buch !« l ..Berehrter here Dottor, ich sage nicht Ja und sage nicht Nein, ich muß das Buch lesen, ich muß ei kennen und muß sehen, ob siir mich dabei etwas zu ’ holen ist. »O, mein perleger zahlt, was Sie sordern." »Warum itt es mir nicht, ich meine nur tiinstlerisch.« Nun wurden sie unterbrochen Ange lita tam aus ihre Fensternische su. »Natürlich! Piasel und Feder ha ben sich schon gefunden und sich sosort von der Gesellschaft absentirt. Das dulde ich nicht, hier gehört Niemand einem Einzelnen, wir gehören alle ein ander, wir sind aIe nur Theile des Mi lieus. Also heraus aus den Ecken, meine Herren, der Tbee ist fertig. Streitberg verbeugte sich. nnd als Angelika seinen Arm nahm, um sich in « den vKreis der Gäste siibren zu lassen, sagte er in scherzendem Ton : ! »Der Pinsel entschuldigt sich.« l »Und die Feder hat wohl tuchtig Re- s tlame siir ihr neues Buch gemacht ? s Sie miissen Korn nehmen« wie er ist, « ein eminent begabter-, gedankentieser« Mensch. Aber da nur Wenige siiblem s daß er es ist, die Welt ihn bis sent noch I verspottet und seine Meisterschast nicht I anerkennt, so sucht er persönlich siir I seinen Ruhm zu wirlen, das heißt, er ! ist in demselben Verhältnisse anma- I szend, als er sich siir einen großenMann hält, und da er sich über die Größten seiner Zeit stellt. so ist er auch der An maßendste seiner Zeit.« »Und trotzdem dulden Sie ihn in i Jhren Salons ?« »Ich brauche ihn, denn er ist Mitar beiter einiger Wochenschristen, in de nen er meine jungen Künstler und Poe ten besprechen muß . . . ." » . . . . Und Ihren Joursix.« »Seien Sie nicht boshast, mein lie ber Freund, Jeder hat hier den strit ten BeiebL nie meinen Namen in einer Zeitung zu nennen. mich selbst weder in Marmor, Bronze oder Thon nachzu bilden, nie zu vortriitiren und möglichst wenig von mir zu sprechen. Jch will die Fee bleiben, die im Geheimen wirkt, deren leises Walten man siihlt, ohne sie selbst se zu sehen.« ,,«Lllso bescheiden sind Sie auch. Jch lerne Sie von Minute zu Minute mehr bewundern." »Schon vorhin dar ich Sie. boghaft zu sein. Sie thun mir ernst haft web, lassen Sie eB. Nehmen Sie mich als das, wofür ich mich gede und nichts Anderes.« Streitberg liefz den Arm der schö nen Frau fallen und derbeugte sich ge messen. Sie deachtete es indessen nicht und blieb an feiner Seite, bis eine An- l zabi neuer Gäste ihr die Verpflichtung auferlegte, den jungen Künstler zu der lassen. Gumprecht und Pichler traten jetzt . ein. Sie fielen mit lautem Jubel iiber den Freund her und etablirten sich un ter einer riesigen Palme an einem klei nen Marmortifchchen mit Thee und Tagwe Ein eleganter Herr, znit einem Ge sicht, wie man es auf den Bildern von Hans Memling findet, bartlos» mit langem, ftraffem, von der Stirn ,.nach dem Nacken getömmtem Haar, pafsirt jetzt den Gesichtskreis der drei Freunde i »Du Schortchi, wer ist denn der alte ; Niederlander t« .,Ach, der da ? O, das ift eine große Berühmtheit —- Er ift Glasmater und Symbolist, be schäftigt « sich besonders mit den alten Techniten, mit alten Firnissen und alten Farben und hört auf den Namen Gottwalt BechteL Uebrigens ein feiner, tatentdoller Kerl. Und da kommt ja auch fein Dichter, der Sym bolift German Charles. « Der eben Genannte ging ge bückt, war gleichfalls barth und hatte ein interessante-, fcharfgefchnittenedtsv ficht mit träumerifchen, wettverlorenen Auge-. Der Mann interessirt mich«, sagte Streitberg dem Dichter gedankenvoll nachfchauend. »Warte, iai werde Dir seinen neuen Gedichthand holen, dann seht Du Dich still in eine Ecke und studirst den Poeten und den Maler. Jn weniger als zehn Minuten ist einer von den Beiden bei Dir,» und Du bist in der Lage, Dich über ihre Persönlichleit genau zu infor miren." »Aber woher sollen sie denn wissen, « daß ich ihr Buch habe?« »Du kennst Gottwait und German schlecht. Alle zehn Minuten geht Einer oder der Andere hinein in die Biblio thet, wo aus dem schönen runden Tisch die Werte von Angelilas Freunden aug liegen Einer oder der Andere sieht nach, oh eine dieser unsterblichen Tha ten fehlt. Jst das der Fall, so durchw bert der Eine oder der Andere, der die Entdeckung gemacht hat, das haus von oben bis unten, bis er den Ungliialichen gefunden hat, der in dem Buche liest. Dann hesiet er sich den ganzen Abend an dessen Sohlen. um ihm tlar zu ma chen, daß der größte Dichter des neun zehnten Jahrhunderts German Charlez und der riißte Maler Gottwalt Bechtel sei. Wi st Du Dich dem aussetzen, so hole ich Dir den neuesten Band.« »Bitte, ich werde mit Allen sertig. und irh interessire mich sowohl sur den Meinung-Kopf wie iir den symbolistii slsen Orpheus lebha t genug, uin ihnen eine holde Stunde su widmen.« W. Idee die· Ab cht der Freunde knen nicht znr Aue ung, denn Lith schlug plöslich an ein riesiges Gen das n einem eleganten Brett-Missi hing, und Gurnprecht fliisterie Tini-Vor i ZU! . «Pass’ aus, iedi wird ein Dichter srec dressirt dorgefiibrt. « Angelila ries dann ieich darauf idre Gäste in den großen anl, wo Freund Korn ein neues Geisteetrerk vorsrogen ’ werde. Das war ein Erei nifz sur den » Solon, denn wenn der DE ter uuch ern gar dizarrer Geselle war"nnd sich von allem herkömmlichen in der Lunis fern hielt, so brachte er doch immer originelle Gedanken und originelle Formen, ubee die man nachdenken. sie bewundern oder verspotten konnte. . Das hatte Tbedi theils von fernen Freunden erfahren, theils in den Zet tungen, die er seit seinen Arbeiten file Brand eifrig studirte, gelesen. Er wnr deshalb verhältnismäßia estxaunh da er einen originellen Kods fix te, dessen Werte zu illustriren ihm Gelegenheit gab, die Fülle von geistvollen Formen mit Stist nnd Feder zu bannen. Als er den Salon betrat, fand er An gelika seiner harrend. Sie nahm un genirt ieinen Arm, den sie leise drückte und fliisterie ihm zu: »Passen Sie auf, Sie werden einen großen Eindruck haben. Er hat mir schon viel von dem Gedicht gesprochen. und er bat «es speziell für mich gemacht Leider tann ich Jhnen deute nicht ouC German Charled verführen, er isi kein bimmelstiirtnender Wortgewnltiger wie Freund Korn, sondern ein seinet. sin niger Poet. Ihm ist die Form eben so viel als der Inhalt, und ich glaube nicht, daß er sein neues Wert derlesen wird. da er es selber noch nichi für fer tig erilärL Aber nassen Sie anf.« Streiiberg sal; den Dichterdoktor fest aus einer mii rothen Tepptchen belegte-I Eiter-de, die Hand auf eine gotbische. noch Bechiels Zeichnung geschnisteSiim lengaierie gelegt, die siegesbewußien Blicke über die Gesellschaft schießen-. Angelika sliisierte wieder von Neuein: »Sieh: er nicht ans wie ein Feldberr vor der Schlachi?'· »Wirk) er sie gewinnen?'« fragte Streiiberg mit einem leisen Lächeln. ..Jn meinem Solon sicher· ob dor der Welt, das ist eine andere Frage." .Jch bitte anszumerken,« rief der Dichter jetzi. Und gleich darauf nannk er. mit einem finsteren Philosopbenblik sein Publikum messend, den Titel : Der Gottegfucher. Ich ging durch galt-schwangen Felder Jn heißer Miltagzgluth. Eine heiße Fluid Feuchiblaurn Dunste-Z wallt über sie Wälder, Die in dunkler Ruhe weit in der Ferne Sich mit dem Dimknel vermählen; Zitternde Sterne Gliihrn, tauchen. schmälen. Fenrrtropfen fallen vom Qui-, Glnihlnflbtnnnen tanzefm rauschen, plät kn, Vor meinen kochenden Sinnen Bauen sich Zinnen Von dramatisch glißernden Feuerglets fcherm — in in ihnen Gott? Ich suche ihn. nnd et läßt sich nicht sin « den Ich kqu ihn, mik- ek wia sich nicht cis-« den Vor mir rauscht blutiger Mohn, Ein ferner, leiser, zitternder Ton, Wie Klingen von Veilchen nnd And ! man T Schläfers in Rausch meine Sinne schon, Meine Kraft ist am Wellen Jn gluthfarbige Reiten T Brunstthauiges Gras - k Sink ich hin. ' , s Wo finde ich MI? T Der die Urglnih Macht« ! Der das Gleißen und Glänzen nnd MI ; Und das schwarzblam Junleln der läh ) » f lenden Nachl. l ; Wo sind- ich W f Und wie ich zergehe in Licht und Dunst, YBlumenodem undschmelzenverBrunfL · h- ich mich wachsen zur Feuersiiule Und niedersenken ini Wassersirahl Gottfeuerirovfen Jagen und klopfen Jkn herzen von Stahl Tief unten ixn Erdenkern wogt und brandei Ein Meer, an dem Heini-Sterblicher lan et Ein Meer von Feuer, vons Blumen und Steinen. Ein Meer vor- Feivern nnd bluinisen . Damen. Ein Meer voll Freude, voll Qual uns Noth. Ein Meer voll Blau, Grün, Gelb uns Roth. Ein Meer voll Leben, Ein Meer voll Tod« »I. Ein Meer voll Begeifierunxn -« Ein Meer voll Spott. Dies Meer ist Gott! « Der Alleäschaifen ver Allesethalier, Der Allesgliihen der Alleierinlten Der große, grausige, gütige Gott! Korn verbeugie sich nor seinem jin-en versunkenen Publikum. Er trat ice-von der Esttade nnd schritt auf II gelitn zu,- die ihm beide Gänse We und ihn auf vie rapierdutchiurchte Stir küßte. A—(7·ff«yi-rifesnns folgi.) T s gie Erst-then ". . einen ie erne war siteer MWZM ZWEI- is rächva : . , teee en e I ichs-W