ZEIT Ihr Schicksal Aug dem Rufs-schen von A. P. T f eh e ch o iu. I «--— -0--—--—— Sophie Paroan die junge hiibsche Frau des Notars Dnbjanzof, schritt langsam rnit Advvlat Jljin auf dem Waldweae hin und her. Sie waren Beide in der Sommerfcische und der Advolat wohnte in einer Villa neben derjenigen, welche dir Familie des No tars inne hatte. Eis war ein stiller, schwiiler Sommer-Nachmittag und hier im Walde unter den hohen Fichten war es noch wärmet, ais draußen auf den sonnigen Feldern. Oben sah man ein kleines Stiick des blauen Himmels mit kleinen, weißen Schiischen und in weiter , Ferne erblickte man einen hohen Eisen bahndatnr.i, der das Gelände durch-· « schnitt und von hohen braun:utl):n. Stamm-n umsäumt war, die in langen gleich-mäßigen Reihen neben ihn-. auf- - marschirt waren. · »Ich erwartete nicht, Sie tner zu treffen,«' sagte Sovhie Petrorna, zu Boden blickend nnd mit der Spilie ihres - Sonnenschirmes in dem vorjährigen' Laube rührend, »aber es mir lieb, dniz der Zufall mir diese Begegnung mit « hnen verschafft hat. Jch muß ernst aft mit Ihnen sprechen, damit wir dieser peinlichen Situation ein fiir alle — Mal ein Ende machen konnex-« Wenn ich Ihnen wirklich werth bin» Juan ; Mithajlovitsch, und wenn Sie eine« Spur von 5Achtung vor mir haben, so ; hören Sie mit dieser systematischen Verfolgung auf, die mich mehr peinigt, F als Sie sich vorstellen können. Sie solgen nrir stets wie ein Schatten, pla gen mich mit Liebeserllärnngen undi schreiben mir sogar Billet-T Großer Gott. wann wird dies endlich einmal « ein Ende nehmen ?" Sie wartete einen Augenblick aus« Antwort nnd als keine erfolgte, fuhr sie fort: »Und diese Veränderung ist ganz pliihlich, vor drei oder vier Wochen, v mit Jhnen vorgegangen, obgleich wir « uns schon fiinf Jahre kennen. Jcb ver stehe Sie gar nicht. Jvan Mithailos vitsch!« Sie blickte von der Seite ihren Bei . gleitet an, aber er that. als bemerlte er I es gar nicht nnd sah mit finsterem, lei- " denden Ausdruck zu den Wollen em: vorz· »Und Weic) km UUWUTVDTCEJ Spici treiben Sie.« sagte sie, die Schultern z! in die Höhe ziehend. »Ich bin verhei- - rathet. --—— glücklich verheirathet. liebe und achte meinen Mann und habe eine tleine Tochter, die ich vergöttere. Das s — sollten Sie doch wirklich bedenken! . Dazu lvinrnt, daß Sie, als mein alter , Freund, meine Ansichten iiber die Hei-— ligteit und Unantastbarleii des Fami lienlebens tennen.« »Ach, Du großer Gatt! Die Unan tastbarkeit des Familienlebens!" sagte Jljin mit einem tiesen Seufzer. E »Weshalb euszen Sie denn? Jch liebe meinen ann und ich achte ihn, und ich will nicht, daß etwas geschehen soll, was den Frieden und das Glück unseres Hauses stört. Jch würde mich lieber tödten, als Unglück und Schande iiber Andrej und mein kleines Mädchen bringen. Und jetzt bitte und beschwöre ich Sie, lassen Sie mich in Ruhe! Seien Sie mein Freund wie in alten Zeiten und hören Sie mit dein Seuf zen und Klagen aus, welches Sie oben drein gar nicht kleidet. So, nun ist das also abgemachti Lassen Sie uns von etwas Anderem sprechen-« Sie sah Jljin wieder von der Seite an, wobei ihr aussiel, wie blaß er war Das erregte ihr Mitleid. »Seien Sie mir nun nicht böse —— lassen Sie uns Freunde sein,« sagte sie sanft. »hier haben Sie meine Hand.« Er nahin sie in seine Beiden und führte sie langsam an seine Lippen. »Ich bin lein Schultnabe,« sagte er anmuthig. »Ireundsehast hat keinen Werth sür mich, wenn sie mir von einer Frau aebatgr wird, die ich liebes « »Nun lassen Sie es gut Iernz Die Sache ist ja abgemacht und wir sprechen lein Wort mehr davon. --—-- Aber, da ist die Bank J- wollen wir uns nicht einen Au enblick letzen?« ophie Petrvvna war es jetzt viel leichter um's Herz. Der schwierigste nnd delilateste Pnntt war erledigt nnd die Sache war nun so gut geklärt, daß sie Jljin mit Gemüthsruhe in’g Gesicht sehen kannte. Sie empfand sogar ein gewisses Wohlbehagen bei dem Gedan ken, wie weit überlegen doch die Frau dem Manne in einer derartigen Lage sei und es schmeichelte ihr, daß Jljin, der so tlug und talentvoll und vor Allem so männlich war, jetzt init ge beugtem Haupte neben ihr saß und sich ihrem Willen unterordnete. »Nein, die Sache ist nicht abge macht!« begann er nach einer längeren Pause. »Sie serti en mich immer mit der alten auswend g gelernten Leltion ab: »Ich liebe und achte meinen Mann und ehre die heiligleit des Familien lebens u. s. w» aber ich sa e offen und ehrlich: Ich Weiß- daß m n Auftreten ; gegen Sie schlecht und unmoralisch ist. Sehen Sie, ich bcn also aufkichtia, während Sie sich mit abgedroschenm Redensarten decken. Anstatt mich mit sreundlichen Worten abzusertigem soll ten Sie mir lieber sagen, was ich thun s oll.« »Das habe ich Jhnen ja schon ost ge nug gesagt. Reisen Sie abt« »Ach, Sie wissen ja sehr gut, daß ich es fiinf Mal versucht habe, aber daß ich jedes Mal wieder zurückgeksmmen bin. Nein, ich tann Jhre Gesellschaft nicht entbehren. Jch timpse dagegen , W .an, aber et nith mir ni ts. Ich kann meine Natur n cht mit ewalt bezwin gen. Verstehen Sie mich webt —- ich tann es nicht. O, wie schäme ich mich meiner Schwäche und Ohnmacht!« Er wurde ganz roth bar Aufregung und sing an, vor der Bank ans und nie der zu gehen. »Ich zerre an meiner Kette wie ein tviithender Hund," sagte er und ballte dabei seine Hände. »Ich basse und ver achte mich selbst. Du großer Gott, ich siihre mich auf, wie ein wahrer Liber tin, mache der Frau eines anderen Mannes die Kur, schreibe ihr idiotische Briese und entwiirdige mich in ihren und meinen eigenen Augen. Ah — ah!« stöhnte er, griff mit beiden hän den an seinen Kon und setzte sich wieder auf die Bank. »Aber Jhnen werfe ich Jhren Man gel an Aufrichtigkeit vor,« fuhr er in cindringlichem Tone fort. »Wenn Sie wirllich so viel gegen mein untoiirdiges »Spiel« hatten, warum lamen Sie dann hierher? Ich bitte Sie in meinen ksriefen beständig um eine lategorische Antwort, aber statt mir diese zu geben« treffen Sie mich alle Tage »znfällig« und aussen mich stete- mit denselben langweiltgen Phrafen.« »Man könnte wirtlich glauben, Sie hätten mich im Verdacht, mit Ihnen zu tokettireu,« ftammelte Sophie Petrov na. dunkel erröthend. »Dieser Ver dacht ist aber vollständig nnbegriindet. Ich habe stets Jhre Liebe zuriickgewie sen nnd Ihnen keine Hoffnung ge macht.« . »Ja, aber Sie sagten nie: Gehen Sie! gehen Sie! Hätten Sie das ge than, wäre ich längst verschwunden. Sie haben mir anf meine Frage keine Ant tvort gegeben nnd ich iverfe Jhnen diese Unbestimmtheit vor. Du großer Gott! Entweder spielen Sie mit mir oder..·« Jljin sprach seinen angefangenen Sah nicht zu Ende, sondern stiitzte den Tropf in die Hände und Sophie Petrovi na dachte über ilir Auftreten gegen ihn nach. Sie hatte seine Rurmacherei wahrlich nicht ermuntert, aber sie fühl te doch, daß sein Vorwurf nicht ganz unbegriindet war. »Es ift ganz richtig von Jhnen,« mir die Schuld zu geben!« sagte sie, achsel: zuckend, in Ermangelung einer besseren Antwort. »:Itun, ich hatte Ihnen Ehren Man gel an Aufrichtigkeit wohl nicht vor werfen diirfen," fuhr er seufzend sozi, »er stimmt wohl mit der Ordnung der Dinge iiberein. Wenn alle Menschen aufrichtig sein wollten, würde die Welt bald zum Teufel geben« »Warum meinen Sie das?« fragte Sophie Petrovna, welche eigentlich tein Interesse siir philosophische Betrachtun gen hatte, sondern nur froh war, das UnterhaltungsiThema ändern zu tön: nen. »Ein solcher Zustand paßt nur siir Thiere und Wilde. Da die Zivilisation einen Kornsort eingeführt hat, den man weibliche Tugend nennt, so muß die Aufrichtigkeit weichen. Ja leider, — das ist nun einmal so!« , Jliin schlug mit seinem Stocke an ei nen kleinen Stein, so daß er wenig stens siinf Ellen weit fortslog und setzte seine philosophischen Betrachtungen fort und Saphir Petrovna hörte ihm aufmerksam zu. Sie verstand aller dings nicht viel von dem, wag er sagte, aber es schmeichelte ihr, daß ein so klu ger, tatentvoller Mann wie er, seine Geistesblitze vor einer Frau, wie sie, spielen ließ, und sie bewunderte die Kühnheit, mit welcher er, der moderne Geist, neue Fragen der Zeit erörterte und löste. Als sie sich aber des Wun ders bewußt wurde, daß sie anfing, sich in ihn zu verlieben. erschrak sie so sehr, daß sie sich beeilte, ihn zu unterbrechen. »Entschuldigen Sie,« sagte sie »ich habe trotz alldem nicht recht verstanden, weshalb Sie von meinem Mangel an Aufrichtigkeit sprachen. Jch wiederhole meine Bitte: Zeigen Sie sich mir als lieber« guter Freund und lassen Sie mich in Frieden. Jch bitte Sie von gan zern Herzen darum!« « »Gut, dann werde ich also weiter tiirnpsen!« seufzte Jljin. »Ich werde mein Möglichstes thun, aber ich fürchte das-, bei meinem Kampfe nichts heraus lotnmt. Jch weisz setzt schon, wie das Ende sein wird. Entweder schieße ich tnit eine Kugel vor den Kon oder ich trinke, bis ich das Delirium bekomme. Wie soll ich sonst gegen den Wahnsinn anlämpfen? Was soll ich thun, wenn Jhr Bild in meine Seele eingewebt ist und Tag und Nacht vor mir steht so deutlich, wie jene Fichte da. Wel ches Wunder soll mich aus diesem un glückseligen, entwiirdigenden Zustande befreien, in weichem alle meine Gedan ken, Wünsche und tiräste nicht mir selbst gehören, sondern irgend einem bösen Dämon, der sich meines Wesens bemächtigt hat. Ach, ich liebe Sie — ja, ich liebe Sie so grenzenlos, dasz mein ganzes Jnnere aus seinen Fugen ge rathen ist! Jch versäume meine Ge -sch·cifte, siiehe meine Freunde und ver nachlässige meine Angehörigen Jch liebe Sie, —- ich bete Sie an!« Sophie Petcoona, welche diesen plöglichen Ausbruch nicht erwartet hatte, zog sich etwas von Jljin zurück und sah ihn erschrocken an. Thränen füllten seine Augen, seine Lippen zit terten und sein Gesicht hatte einen fra genden, bittenden Ausdruck »Ich liebe Sie!« stiisterte er, indem er seine Augen den ihrigen näherte. »Sie sind so wunderschön! Wohl leide ig in diesem Augenblicke, aber ich s todte es Ihnen, ich möchte trotzdem mein ganzes Leben lan so sitzen und Ihnen in die Augen sehen Nein, gis-eigen Sie still —- ich beschwöre Sophie Petrovna, die in des Wortes« eigentltchster Bedeutung iiberrumpelt war, machte verzweifelte Anstrengun ? gen, nni einige Worte zu finden, mit , denen Sie seiner Beredtsamteit ein I Ende machen könnte, aber ihr fiel nicht x das Geringste ein. »Nein, nun gehe i ich!« sagte sie zu sich selbst, aber ehe sie sich erheben konnte, lag Jljin zu ihren Füßen. s Ei uinsaßte ihre Kniee, sah ihr ins ; Gesicht und sprach heiße, leidenschaftli i che Worte zu ihr, aber sie war mit ihren i eigenen Gefühlen so beschäftigt, daß sie , gar nichts davon hörte Sie begrisf j nicht, warum sie blieb nnd machte sich i selbst Vorwürfe. weil ihr Unwille nicht . im Stande war, ihre Schwäche und , Ohnmacht zu besiegen. Sie ließ es ge ; schehen, daß Jljin ihre Hände mit Küs « sen bedeckte und sie blickte, wie er, nach ;beiden Seiten, um zu sehen, ob diese Szene anch teine Zeugen hatte. »Aber so seien Sie doch vernünftig,« I sagte sie endlich in verzweifeltem Tone. »Wohin soll dies führen? Was soll daraus werden?« . »Ich weiß es nicht! Jch weiß es . nicht! flüsterte er und machte eine z schnelle Handbewegung, wie um diese « nnangenehine Frage von sich abzuweh J ten « Jn diesem Augenblick hörte man den iauten durchdringenden Pfiff der Loto motive und dieser Laut, der sie in die v Prosa des Alltagslebens zuritelrief, : machte sie zittern. « »Ich habe keine Zeit mehr, —- ich muß gehen!« sagte sie und stand schnell » auf. »Der Zug kommt und Andrej ist darin. Jch muß nach Hause und das Mittagsessen besorgen.'· Sie wandte ihr glühendes Gesicht dem Eisenbahndamme zu. Zuerst tain die . Lotoinotive langsam vorbei und daraus eine Reihe großer, pininper Wagen. Es war nicht der Personenzng, wie sie ge glaubt hatte. sondern der Gitterzug. Sie eilte aber trotzdem fort, ohne Jljin anzusehen und ging auf demselben Wege nach Hause, aus welchem sie gekommen J war. Jljin ging ihr langsam nach. Sie sah ihn, als sie in den Feldweg einbog, aber sie bedeutete ihm mit einer Hand bewegung, er möge in gemessener Ent fernung bleiben. "" Als sie zu Hause angelangt war, , stand sie mehrere Minuten unbeweglich « in ihrem Zimmer und blickte gedanken » voll vor sich hin. · »Q, ich muß mich schänien!« sagte sie D laut, in sich selbst· »Ich muß mich schä men!« c l Sie gestand sich selbst, daß sie heute eine Begegnnng mit Jliin gesucht habe, damit es zn einer Erklärung zwischen ihnen kommen sollte nnd sie hatte es als einen Genuß empfunden, als er vor ihr ans den Knien gelegen hatte. Jetzt war sie sich dessen vollständig bewußt und sie verdammte ihre eigene Schwäche im höchsten Grade. »Arme: Andrej!«« dachte sie und vers snchte dabei· ihrem Gesichte einen liebe vollen Ausdruck zu geben. — »Und mei nc arme, kleine Varia, Du weißt nicht, welch’ eine schlimme Mutter Du hast. Vergeht mir, Jhr beiden Lieben, —- ich liebe Euch Beide so sehr, so sehr!« Und als ob sie sich selbst zeigen woll te, daß noch etwas von der Hausfrau und Mutter in ihr geblieben wäre, lies sie erst in die Küche hinaus und schalt das YJkiidchetn weil der Tisch noch nicht gedeckt war, nnd daraus nahm sie die kleine Varja auf den Arm, liebloste sie zärtlich nnd erzählte ihr, daß ihr Papa der liebste, beste Papa aus der ganzen Welt wäre. Als aber Andrej endlich kam, verschwanden oie Gefühle, welche sie mit Gewalt hervorgerufen, so schnell, daß sie lanm im Stande war, ihn zn begrüßen. Jhr Mann. der sehr hung rig war, machte schon einen Angriss auf den Braten, ehe die Suppe hereinge bracht war und seine Kangeräthschasten arbeiteten so eifrig. daß er mehrere Male förmlich schnalztr. » m- s »Unser Gollz uuunr Irr »Ju; uruc und achte ihn ja, aber warum ißt er nur so unappeiitlich!« Jhre Gedanken waren in derselben Unordnung und Verwirrung, wie ihre Gefühle. Sie gab sich Mühe, gar nicht an die Ereignisse des Vormittags zn denken, aber je mehr Mühe sie sich gab, Jljin aus ihrem Gedächtnisse zu ver bannen-i desto deutlicher fah sie ihn oor ihren inneren Auaeu. Sie wurde nach nnd nach so nerv·o·6, daß sie sich einhil-s dete, ihr Mann könnte merken, daß ihr etwas Ungewiihnliches geschehen sei, und sie beschloß deshalb, ihm zuvorzuiocn s men und ihm Alles zu erzählen. I »Ich möchte gern mit Dir sprechen, l Andres!« sagte sie, als er sich aus dass z Sopha legte, um sein Nachmittags s schläschen zu machen. ) »Na, was willst Du denn ?»« brummte z ekin schläfrigem Ton. , »Wir müssen hier sort.« t l l l l »Hm — wohin denn? Nach derStadt . ist es noch zu sriih.« »Nun, dann könnten wir ja eine klei . ne Reise machen.« »Eine Reise . . . «, sagte er gähnend. »Ja, das wäre ja ganz nett, aber wo soll : ich das Geld hernehmen? Und wer mei ne Geschäste so lange besorgen? — Wenn Du Dich langweilsi. kannst Du ja ans eigene Hand eine kleine Tour machen." Sophia Petrovna war schon im Be griffe, aus diesen Vorschlag einzugehen, s aber da fiel ihr ein, dasz Jliin sicher I diese Gelegenheit benutzen würde, um « in demselben Zuge und demselben Cou pö mit ihr zu reisen. Sie bedachte sich deshalb nnd sagte: - «Nein. allein reise ich nicht. —- Du · F« - WH mußt mit mir kommen." T »Ah, was ist das nur für eine Jdee!« « L seufzte er »Du mußt wirklich nichts Thürichtes von mir verlangen!« I »Oh, er geht noch mit,« dachte sie, s »und wenn wir erst glücklich unterwegs I sind, erzähle ich ihm Alles.« i Nachdem sie den Entschluß gefaßt l hatte, abzureisen, fühlte sie sich aller Ge ; saht entrückt. Jhr Sinn erlangte nach « und nach sein Gleichgewicht wieder, und I sie dachte mit einer gewissen Ruhe an Z das Borgesallene. Sie setzte sich an ; das Fenster und sah den Vorübergehen - den nach, und der Gedanke, daß sie das Z Richtige gethan und klug die Gefahr z abgewandt habe, erfüllte sie mit stiller ; Freude. Andere Frauen an ihrer Stelle ; würden vielleicht der Versuchung unter l legen sein, aber sie hatte förmlich geän ; ten bei dem Anhören von Jljins Liebes j ertlärungen, und ihr Sittlichkeitsgefühl s ging so weit, dasz sie vor einer Gefahr I floh, die vielleicht gar nicht existirte. i Als die Dämmerung hereinbrach, ! fanden sich die gewöhnlichen Sonntags I gäste ein. Die Herren setzten sich, wie i immer, an den Spieltisch, und die Da i men nahmen das Wohnzimmer in Be z schlag. Jljin, der später als die Uebri ’ gen kam, sah blaß und sehr niederge l schlagen aus. Nachdem er den Wirth Z und die Wirthin begrüßt hatte, setzte er : sich auf einen Lehnstuhl und dort blieb I er den ganzen Abend sitzen, ohne sich an der Unterhaltung zu betheiligen. Sophie Petrovna, die seine gedrückte Stim mung bemerkte, hatte wohl Mitleid mit " ihm, aber das Gefühl, daß er sie liebte und tief dadurch litt, erfüllte ihre Seele mit Triumph Sie war stolz auf seine Jugend, seine Schönheit und sein vor nehmes Wesen und das Alles wirkte so berauschend aus sie, daß sie den ganzen Abend lachte und scherzte. Sie hatte I aber doch in einzelnen Augenblicken das Gefühl, als wäre ihre Munterkeii nicht ganz natürlich und das verursachte ihr . dann einen leiten inneren Druck. Kurz vor Mitternacht gingen die I Gäste. Jljin war der Letzte. Sophie Z Petrovna hatte die kühne Idee, ihn bis auf die letzte Stufe der Terrasse zu be gleiten. Sie wollte ihm sagen. daß sie ; mit ihrem Manne abreisen würde, um · zu sehen, welchen Eindruck diese Nach « riiht auf ihn machen würde. Der Mond verbarg sich hinter den Wolken, aber e:- war doch so hell, daß sie sehen konnte-, wie leichenblasz er war und daß j seine Lippen zitterten. »L-;ophce . . . geliebte Soptne:" flu fterte e!, als sie ihm gerade die Mit theilung machen wollte-) und darauf iiberfchiittete er sie mit einer wahren Sündflnth von zärtlichen und schmei chelnden Worten. Plötzlich und ganz unerwartet legte er seinen Arm um ihre Taille und drückte sie fest an seineBrust. »Sophie . . . geliebte, theure So Phie,« sliisterte er, indem er ihren Hals dicht unter dem Nackenhaar küßte. ,.Seien Sie aufrichtig! —- Fliehen Sie mit mir!« Sie riß sich los und erhob dasbanpt, um ihn mit ihrem Zorn zu zerschmet tern, aber es war ihr nicht möglich, et« was Anderes hervorzubringen, als die ganz gewöhnlichen Worte: ,.Sind Sie toll! Sind Sie wahnsin nig.« ,,Kommen Sie mit! Fliehen Sie mit H mir in die Welt hinauss« fuhr Jljin « fort. »Als wir heute Morgen ans der Bank saßen, wurde es mir tlar, drer Sie ebenso wenig-Ihre Gefühle zu he tiimpsen vermögen, wie ich. Sie lie ; ben mich ——— leugnen Sie es nicht!« ’ Sie wollte sich entfernen, aber er er griff ihre Hand und fügte hinzu: -,,Wenn Sie heute nicht nachacben, thun Sie es morgen; ich fühle, daß es noch einmal dahin kommen wird. Wa rucn wollen Sie uns fo lange quälen? Sophie, geliebte Sophie, das Urtheil ist gesprochen, warum dessen Ausfüh rung verzögern? Warum uns noch 3 länger betrügen und täuschan O korn I men Sie, folgen Sie mir! Kommen Sie heute noch! Ich erwarte Sie!« Vlc lllz Im) roh unu ciiie ui v Haus-n Als sie in’s Wobnzimmer lam, sank sie ans einen Stuhl, denn sie war so auf geregt, das-, sie nicht aus den Füßen stehen konnte. Jhr Gewissen sliisterte ihr jetzt zu, sie hätte sich den ganzen « Abend recht leichtsinnig ausgeführt und sie hätte Jliin nicht aus die Terrasse - begleiten dürfen Sie sasz eine halbe Stunde unbeweglich, nur an Jljin den tend, nnd tanmelte dann in’es Schlus ziininer. Jhi Mann lag schon im Bett nnd so viel sie sehen konnte, war er be reits eingeschlnmmert. Sie setzte sich an’s Fenster nnd versuchte, den Feind zii bekämpfen. der ihrer Seelenriihe drohte, aber ihr Kampf war vergeben-. Sie war empört iiber ihre eigene Ohn: macht und Schwäche und kam zn dem Resultat, daß alle Gewissensbisse, die sie sich im Lause des Tages gemacht, nur eine elende Komödie «ewesen seien. »Ich habe getämpst, obgleich ich selbst wußte, daß es vergebens sein würde,« sagte sie zu sich selbst iind dabei hatte sie das Gefühl, als würde sie von einer ·unsicht«baren Macht aus dem Hause ge zogen. Jhr Herz llopste lant nnd sie eilte, tvie sel)iit·isuchend, zu ihrem schla senden Manne. »Andrej!« schrie sie beinahe. »Du reisest doch mit mir, nicht wahr?« »Es ist mir unmöglich —- Du weißt es ja recht gut!« brummte er schlaf trimlen. »Dir innszt allein reisen!« »Wenn Tn nicht mit mir kommst, verlierst Du mich, Andrej. Jch bin — ich bin verliebt —« »Was sagst Tu? —- Jn weni« fragte er. , »Das kann Tlr ja gleichgiltig seini« rief sie. »Ah, das ist wohl nur eine fixe Jdeel« sagte er, indem er sich im Bette aufrichtete. Er wollte ihren Warten nicht recht glauben, aber er fühlte sich doch unangenehm dadurch berührt. : Nachdem er einige gleichgiltige Fragen an sie gerichtet, sprach er seine Ansich ten iiber die Heiligkeit der Ehe, die Fol gen der Untreue u. s. w. aus, und als er mit seinem Vortrage ferti» war-, legte er sich wieder aufs Kopfkissen und schlief weiter. Seine Worte hatten keinen Eindruck auf Sophie Petrovna gemacht. Sie erhob sich und stand « lange in tiefe Gedanken versunken. »Schläfst Du?« sagte sie, ihren letz ten Rest von Energie zusammenwi fend. »Ich gehe hinaus, um den schö nen Mondschein zu genießen. —- Willst Du mit?« Er antwortete nicht und damit ent schwand ihre letzte Hoffnung. Sie « setzte ihren Hut auf, band ihr Mäntel chen um, schlich sich aus der Thür und zog sie leise hinter sich zu. Draußen war es kalt und stürmisch geworden, s sie merkte es nicht. Sie ging immer ; weiter, es war, als ob eine unsichtbare J Macht sie weiter jagte und jedes Mal, — wenn sie still stand, hatte sie das Ge ’ fühl, als wiirde sie vorwärts geschoben. »Du mußt Dich schämen! Schön-te J Dicht-« ftiismte sie mechanisch Jhre Wangen glühten vor Scham und Gemüthsbewegung Sie fiihlte nicht die Erde unter ihren Füßen, sie empfand es nur, daß eine Macht, die stärker war als sie selbst und welche die Stimme des- Gewissens betiittbte, sie unaufhaltsam weiter trieb. --— Crit-name ek- entnimmt-. .....-......... Von Multatuli. .—.—..-- -— »Kannft Du Dir vorstellet. -wie«s dein Luftfchiffer zu Muthe ist, wenn er alle Gewalt über das Sinken oder Steigen seines Ballons verloren hatt Wenn die Klappe, die das Gas innen halten muß, nicht schließt? Wenn’g tei nen anderen Ballaft mehr auszuwerfen giebt, als den Schiffer selbst? So war’s einmal zu Kassel, zur Zeit als da noch ein Kurfiirft wohnte nun ist er längst wegannektirt. In der Resi denz war Alles auf den Beinen, um den Ballon zu sehen. Das Ding war bei nahe außer Sicht, doch nicht aanz. Auf einmal bemerkte man, daß etwas lin perte und daß der Luftmann seines Fahrzeuges noch weniger cIerr war al aewöhnlich Er warf all’ feinen Sand ans und das Dinq sank, sank . ·. schlingerte hin nnd her. Der Mann » suchte an einem der Seile, die die Gen dcl mit dem Ballen derbanden, nach oben zu klimmen, offenbar in der Ab ! ficht. die Gagllappe zu schließen, die - nicht klar oder gebrochen war. Er der E wickelte sich mit einem Fuß in die Tau s enden, die hin nnd her schwebten durch die Luft ließ --s-— gelähmt wahr « fcheinlich durch Schreck und Angst, denn « der Bnllon fiel mit zunehmender Schnelligkeit -—— los, was er in Händen hatte fiel nnd blieb an einem Bein unter seiner Gondel hängen. Fahre Du nun fort . . . Du Schriftstel ler! Erzähle mal so ’n Biedien davon, was man empfindet, wenn man da so an einein Bein in der Luft bangt.« ,,Entsetzlich! Da fchlinacrt er ixn nn endlichen Raum . . »Das habe ich schon gesagt. Uebri gens-: kein Pathos, wenn ich bitten darf.« - »Ich werde mein Besceg tyun. Da hängt er an einem Bein und fiihlt siili fallen, während der Horizont von allen Seiten drohend gegen ihn anriirkt, sin) schließend wie das Maul eineo innen den Moiistrunis. Soeben noch überfal) er eine Menge von Fürstenryiiinern, jetzt nur Hessenland Jede Seinnde verengert den Kreis der Punkte, die er übersieht, nnd wettet zn streifen aug, was er als Punkte walte-nahm. Das Ganze schrumpsi ein, doch größer und größer schon werden die Theile Die zunehmende Schärfe, in der die Zion tnren sich vor ihm abzeichnein vers-tin digt mit grausamer Genauigkeit sein Urtheil veraus und mahnt ilm in ruhe losem Martern an die natiende Voll ziehung. Jeder Punkt wird ein Fleck. Jeder Fleck wird ein Kreis. Die Kreise nehmen eine unregelmäßige Form an, lengsim nnd griltenhaft erst, als ob sie schwankten in der Wahl, als-bald mit Schnelligkeit sich verändernd als nn widerruflich fixirt in ihrer war ren Gestalt. Was ein Bogen schien, ist scharfer Winkel geworden. Das Ge rade kriimmt sich und das Glatte wird gesägt. Was Neigung hatt-, tritt in voller Fläche entgegen. Was wellig war nnd Rundung, gebt über in ge brochene Linien. Dass WillenlossianiiL lige wird eigen und fest, das Unbe stimmte gewinnt Cl)aratter. Das Zer tliiftete eint sich nnd was geschlossen schien. bröckelt mit weiten Lücken von einander. Millionen Piinltchen, fortge stoßen durch Strahlen, die sich im Cen trutn entwickeln, eilen in rasenderFlucnt nach dein und iiber den Rand des Bil der-, worin sie entstanden, darnach über den Horizont, der sich schon enger nnd enger schließt. Und jedwedes Piinlts chen trachtet erst Bild zu werden« elie es vergeht, nnd jede dieser Bemühungen gebiert neue Piinttctnn, wegflieaend ans der Mitte, um am Ittande zu ersterbeu..· oder gerade unter dein Ungliictlichen, wirklich eine Form gewinnend, die sich mit blutgierigein Eifer ausbreitet, um denRaum zu schassen siir den zerschmet ternden AufvralL Und stetig fallend er kennt er Kassel, Will)elinsl«,öhe, die Kas — « - sel’er Aue . . . die liebe, poetische Au! Noch immer weiß er sich Rechenschaft see geben von seinem Zustand. Kerne wohl thätige Bewußtlosigteit hindert trin Sollte da das schreckliche Urtheil bott streclt werden? Da? der dunkle Fiel nnten, ——— da gerade-unter ian, Ie: Markt . . . Ach, wenige Augenblicke zu oor noch würde er reinen Unterschied wahrgenommen haben zwischen einer Grafschaft und einem Platz rnit schlen dem Volk. Wie nahe mnsz man der Erde sein, Even-n so ein Unterschied its-J Auge fiilltt sttnri er seilli beständig-! Und schon beginnt er Paläste Ja unter-schei den Von anderen Wohl«-innern Wahr lich, die Entscheidung n.rl;!. Erst fürch z tete er, das-, der Strick. Tier seinen Fus in grausamer Grile gefangen nahm, - ihn mit gleich grillenhafter Grausamkeit loslassen toiirde. Nun fiirclstet er’s nicht niel)r, doch hilft cis ilnn wenig, non die ser ersten Angst erlöst zu sein. Lllit oder olkne Gondel: er ist verurtheilt Er fällt mit dem Ball-In, der nach dem Verlust seines letzten Gases flat ternd nnd llnppernd dem unerbittliche-r . Gesetze derschloerlrast überliefert tout de, obne anderes Gegengewicht als nicht recht hinreichend-.- lltribnnn mit Der At mosphäre Denn sie läßt sich willig dnrchttieilem die trenlose Sclnneietilerirn die soeben das steigende Gefährt zu den Wolken erhob, nis- es noch nicht blessirt rocrt Und es stillt nun schneller nno schneller. Da setzt die qrmdratisclxe Rechnung ein, beinahe in an ihrer schwindelgebärenden Kraft. Keine Gnade-, schneller. schneller, bis zu der äußersten Grenze erreichbar-er Eile. ; Moeh wenige Augenblicke, nnd er if. ; zerschmettert Dak- sind Kirchen . E das ist eine Kirche . . . dir Kirihleid » cher . .. Schornsteine . . . Giebel . . . ein - Hauer Menschen« Noch ein Augenblick. . und er wird Personen unterscheiden können, Frauen von Männern, «M«c7nn" rson Mann, Kind von Kind! Noch kann er sehen und hören. Der Strick um sein Bein drückt nicht mehr. Das Seil, das ihn mit der Gondel verband, hängt schlaff. Das Schiffchen, nicht liinner getragen durch die fast geleerte Hülle des Gnses, nähert sich ebenso schnell wie er dem Boden, schiinnert neben und unter ihm oder um ihn herum. Alles sauft nnd wirbelt. Er hört das scharfe Pfeier der Luft, die er durch seinen Fall verdrängt llngebrnuchi eilt sie an seinen Lippen vorbei und spottet die eingeschrumdfte Lunge, die vergeblich sie zu Athein zu fassen sieh müht. DaI Geräusch, das aufsteigt von der Volksinenne, trifft sein Ohr. Es wird schon deutlicher nnd deutlicher. Alsbald wird er einzelne Stimmen unterscheiden können in dem eintöni gen Summen, das ihm die Nähe eine-r großen Anzahl Menschen Verliindet. Er fühlt und riecht die warme Aus dünftung der Menge « .. Und immer fällt et! Noch einen Augenblick und er wird ..... Gefallen bis zur Tiefe der höchsten Gebäude, schleudert ihn der Wind -ge gen das Dach des Theaters. Ver staucht, geqnetscht, Verwundet, hat er noch Bewußtsein, den Schrei zu verste hen, den die Sucht der Selbsierhal tuan ihm zurust: festhalten, festhal ten! Kraft ziuch -—- doch es wnr die letzte —-- zu thun, was der Instinkt ihm gebet. Er schlägt durch die Schiefer deckitnn, greift und umfaßt das Ge blili, klemmt sich fest nnd widersteht dem Ruck des-«- weiterfallendeu Lust wrnrlss.—, dag- ihn wegzureiszen sucht von seinem Zufluchtsort er ist geret iet! »Für Jemanderd der niemals herun terfiel ans der Luft, ist die Beschrei duna so iibel nicht,« sagte Adolf trocken. »Es hat meinen Beifall, dasz Du mehr Optita liineingebracht hast als Ein pfindfainkeiten. Fahre so fort. Trachte zu begreifen nnd begreiflich zu -·macl«,en, dann kommt das Gefühl von - selbst . . . das wahre! Und das Un- v « wab e. nun, das hat keinen Werth mein Dichter! Wer Gefiihle dik tirt, empfindet sie gar nicht, und wer solche Dittate nöthig hat . . . Ver-rückt heitt Da wir von Opticis reden, Du haft vergessen, zu bemerken, wie jeder Punkt gerade lothrecht unter dem ar men Teufel zu ibm aufzusteigen schien nnd sich darstelltc als die Spitze eines j Dolrneg »in Vertiirznng«, wie Gustnve Dor( die Dinger zeichnet, weil er mehr Fertigkeit besitzt als Geschmack Ein - ftiirzender Luftschiffer meint gespießt s ,n werden. Herrsc, es wird uns Men schen doch so schwer, uns mit Genauig keit vorzustellen, wie man fällt, so lange - man festen Boden unter den Füßen hat. Studire Dich ein Bisehen darin. Es wird Dir gut thun. Und erzähle mir nnn ’mal, wag da weiter pussirte mit dem Kasseler Lastschiffe-ri« »Ich denke, dac- Volt wird geiubelt haben?« »Volk, Volk, Du mit Deinem Volk! Das Volk schrie, wie esJ bei jeder Gele genheit thut. Das Volk hatte sich amti sirt. Sprich mir nicht von dem Ju bel. Er hat gar nichts zn bedeuten. Das Volk jubelte auch, als New Ko uiiidie spielte nnd Rom in Brand steck te. Ich will Dir sagen, wag weiter fssasfirten Der erste Gruß, den der arme Schiffbrüchige empfing alr- er sich durch das Dachgebiilt durchgearbeitet hatte und bewußtlos niedersank auf den Boden des Hostlzeciter3, war ein Scheltioort und eine Drohung. Der Jntendant deJ Theaters nannte ihn ’nen frechen Hund, der sich an einem s kurfürstlichen Gebäude vergriffen hät te! Das ist der Humor davon«