Eine Blidnpeicer Geschichte von E v. LIJiudcriisz. Es war in desn Bade-site Tatrpi siired, wo si: sich kennen lernten. Beta war Maler, der mit seinem letzten Bilder der schiffe-ei :;lle, das er in der Akademie angnestellL großes Aussehen erregt hatte und dadurch plötzlich in di Mode gekommen war. Alicc war die einzige Tochter eines Großgntdbesitzerz auH der Bacsla, wo man den schwarzen Erdboden mit Gold aufwiegi. Auf der Bergpromenndc zum »Kolbe:cit - Wasserfall« war es ge wesen« wo sie sich zum ersten Male be gegnete-L Sie schritt in einiger Ent fernung Von ihm an der Seite ihrer Mutter, von einer Schaar junger Leute gefolgt, in lebhaftem Geplnuder den Wer-; lsinain Er halte dagegen in tie fem Sinnen Den thon gesenkt nnd grü belte iiber seincxx neuesten Entwurf. Ein iilberhclles Lachen schallte plötzlich an sein Ohr. Er blickte um sich. —- — Was an Alicc sein Interesse zuerst erweckte. das waren ihr blondeö. in der Morgensonne goldig schimmerndes Haar und ihre graziöse, geschmeidige Gestalt An wen ihn doch dieser ei .genartig schautelnde Gang, nach Art der Spanieriimen, nur erinnern moch te? Plötzlich schlug er sich mit der lHerni- vor die Stirn. Jetzt hatte er es. — -—— — zucara ! weine kleine Dchaferrm das-« Driginal seines Bildes, deren lieblich pitantem Gesichtchen er eigentlich seine ganze Berühmtheit zu verdanken hatte. Wie war es nur möglich, daß ihm dies nicht sofort eingefallen war ? Ein lei «ser Seufzer entfuhr seiner Brust. »Arme, kleine. thärichte Maral Was wohl ans ibr geworden fein mag ? Besonders vor einigen Monaten hatte noch ihr Bild oft in feinen Trän men gespalt, und bei dem Gedanken . an sie fühlte er immer etwas toie Ge wissengbissr. Jetzt, bei der Aehnlich leit des fremden Mädchens mit ihr, war die ganze Erinnerung an das lik vslebnifr mit der kleinen Mara in ilnn wieder wach geworden. Vor zwei Jahren, war ihm die Jdee der »Schäferidhlle« gekommen. Er " ar darauf worhenlang in den Stra ten und Vorstädten Budapests herum gejagt, um ein feiner Vorstellung ent sprechende-:- Modell zu finden. Er dachte sich das Gesicht feiner Schäferin als etwas außerordentlich Aparteis, aus den größten Kontrastcn Zusam mengesetzte9. An jedem Modell hatte -er etwas ausznsetzen Da ging er eines Nachmittags-, nach dem er schon stundenlang vergebens umhergelanfen war, mißgestimmt die Neredefcher Straße entlang. Jn Ges danlen vertieft,- wäre er beinahe an ein fiinfzehnjähriges Mädchen angeprallt, das, ärmlich gekleidet, mit einem Bün del Wäsche in der Hand, daherlam. .Aergerlich über seine Ungefchicklichteit, rief er »Pardon !« Da fiel fein Blick J voll in das Gesicht des Mädchens, und ; es hätte nicht viel gefehlt, daß er auf i der Straße vor lauter Freude einen i hellen Jubelruf aus-gestoßen hätte. l Ja, das war das leibhaftige Modell, H nach dem fein Sehnen ging. Dieses I Ichalthafte, naive, piiante Gesichtchen l mit den tiefblauen, von fchwärmeri fcher Gluth durchleuchteten Augen. Wie schnell im Denken, fo war er auch rasch im handeln. Er hatte sie sofort angefprochen und gefragt, ob sie ihm nicht zu einem Bilde Modell sitzen wolle. Zuerst hatte sie ihn nicht ver standen. Nachdem er ihr aber die Sa che tlargelegt, hatte sie ihm ganz fchlicht geantwortet, daß da doch vor allen Dingen erst die Mutter befragt wer den miisse. Darauf hatte er sie in ihre ärmliche Wohnung in der Vorstadt be gleitet. Auf dem Wege dorthin er zählte sie ihm ihre ganze Lebensge schichte. Sie war die Tochter einer ar men Wittwe, die früher bessere Tage gesehen, jetzt aber sich und ihre Toch ter durch Wäschenähen ernähren muß te, das sie für ein Geschäft übernom men hatte. »Das wäre schon alles recht," setzte die Kleine lebengmuthig hinzu, »wenn die Mutter nicht plötzlich irant geworden. Der Arzt sagte, es wäre mit der Lunge nicht richtig, aber gewiß wird das bald wieder vorüber geben« Bela hatte das Geschäft mit der Mutter sehr bald abgeschlossen Von nun ab saß ihm die tleine Mara täg seh einige Stunden Modell und dafür vers-rate er die kleine Familie mit dem Nöthigftem Die Kollegen beneideten den Maler um sein schiines Modell und boten alles auf. ihm dasselbe abspensiig zu machen, doch ließ sich Mara nicht dazu bewegen, einem Anderen zu si en. Eines Tages-, als sie auf dem Sie nbloct mit dem ihr anbefohlenen träumerischen Blick so regungslos dasaß, muß sie zu verfüh rerisch ausgeiehen haben. Ein Kollege Belas hatte sich hinter sie geschlichen nnd drückte auf ihren üppigen Mund einen Kuß. Wie eine Tigertatre sprang die Kleine auf und hatte sich mit ihren Nägeln in das Gesicht des jungen Man nes förmlich eingegraben, so daß Bela dazwischen treten mußte· Nun ließ sie von ihm ab und barg den Kon be schämt in die Spihenschiirze der Schö- i ferin. Sie war nicht dazu zu bewegen, das glühende Gesichtchen zum Vorschein u bringen« ehe der Uebelthciter das - telier geräumt. —s—-—-«—.-.- — -.-—-»7» Von diesem Tage an ließen die Freunde Oelas das Mädchen in Ruhe. aber man fing an, den Maler mit sei nem Modell zu stecken. Letzterer wäre tein Mann gewesen, wenn er aegeniiber dein Liebreiz des- Mädchens kalt geblie ben, aber ihre Jugend und Unschuld rührten ihn und außerdem war er zu sehr Ehrenmann, um seinen aufwallen den Leidenschaften nicht Einhalt gebie ten zu können. Da starb plötzlich die Mutter Moras. Bela nahm die Beerdigung in die Hand und kaufte dem Mädchen ein Trauer tle1d. Zwei Tage nach der Bestattung erwartete er die kleine Mara zum ersten Male vergebens und da er um die Vollendung seines Bildes besorgt war, so machte er sieh schließlich selbst auf den Weg. sie zu holen. Er fand das junge Mädchen in tiefen Gram versun len und heftig schluchzend vor. Als er aber, von großem Mitleid bewegt, ihr Trost zusprechen wollte, sprang sie von der Sophaecke, in der sie zusammenge iauert dasaß, plötzlich auf und warf sieh ihm an die Brust-, sein Gesicht mit leidenschaftlichen Küssen bedeckend. Das warf auch all seine guten Vor sätze iiber den Haufen. ——- ——— — Mara behielt fernerhin die kleine Wohnung, die sie bisher mit ihrer Mutter innegehabt, und arbeitete weis ter fijr ihr Geschäft. So war es ihr eigener Wille. Nichtsdestoweniger be trachtete sie sich aber jetzt als Herrin im Atelier des Malers, wo sie daher nach ihrer Laune waltete und ein- und aus ging, und Vela konnte es nicht über das Herz bringen, ihr in dieser Hinsicht ir gend welche Schranken zu setzen. Wohl beunruhigte ihn mitunter das eigen thiimliche Berhältnisz, in dem sie zu ein ander standen. Auch kam ihm der Ge danke an eine Heirath mit ihr. Da er faszte ihn aber doch ein gewisses Ban gen, denn so sehr er dem kleinen Modell auch zugethan war, hatte er sich seine zukünftige Gattin doch etwas anders träumen lassen. Jnimerhin setzte er sich iiber diese Frage mit dem Leichtsinn des Künstlers hinweg, indem er den Ver lauf der Dinge der Fügung des Schick sals iiberlief3. Mittlerweile war die ,,Schäferidylle« ausgestellt und hatte das Glück des Ma lerg gemacht. Es liefen mannigfache Bestellungen ein. Eine interessante junge Dame aus der Gesellschaft hatte sich in den Kopf gesetzt, sich von dem »schönen Maler« (wie man ihn allge mein nannte) ebenfalls als Schäferm verewigen zu lassen. Bei der letzten Sitzung sprach die junge Dame ihren Dank und Entzücken iider das Gelin gen des Bildeg dem Maler geaeniiber aus-, worauf er ihre Hand galant an seine Lippen zog. In diesem Armen-: blicke öffnete Mara leise, wie es ihre Art war, die Thür. Man hatte ihr Kommen nicht bemalt Eine Selunde lang starrte sie auf die Szene, der sie in ihrer Eifersucht eine andere Deutung gab, dann aber sprang sie mit einem Satze zur Staf selei und zerrte das Genrälde herunter, um allem Anscheine nach mit den Fü fzen daraus zu stampfen. Bela hatte Noth, sein Wert zu retten. Empört und zornerglüht iiber das Gebahren des Mädchen-J schrie er sie fast rauh an und fragte, mit welchem Recht sie es denn eigentlich wage, sich auf diese Art in seinem Hause zu geberden· Er «l)e fahl ihr sofort, sich zu entfernen. Schon bei seinen ersten Worten fielen Maras Arme wie gelähmt herunter, dann aber war sie mit aschfahlem Gesicht und ver störtem Blick, ohne ein Wort der Er widerung, davongestürmt. Die junge Dame, die sich- da ihr Bild ja unversehrt geblieben, tiber den kleinen Vorfall mehr belustigte als iirs gerte, suchte den in arge Verlegenheit gerathenen Maler zu trösten. Nach ih rer Entfernung war auch Belas Zorn baldigst verflogen. Er sah sich nach gjtara um, tonnte sie aber nirgends fin en. -« --.-« - i « zags Darauf suchte er ne in inrer Wohnung auf, mußte aber hier zu sei ner nicht geringen Bestiirznng erfahren, daß sie schon in aller Frühe mit ihren wenigen Habseligteiten ausgezogen sei. Wohin, ließ sich nicht ermitteln, und trotz aller Nachforschungen, die er nach jeglicher Richtung hin anstellte, blieb sie seit diesem Tage siir ihn berschollen. Einige Wochen darauf machte Bela eine Studienreise, die mehrere Monate dauerte und mit dem Ausfluge in die »hohe Tatra« geendet hatte. » Das toar die Geschichte der kleinen » Mara, die bei der Aehnlichkeit des fremden Mädchens mit ihr in seinem Geiste wieder lebendig wurde. Nun hatte er die voranschreitende Gesellschaft, die bereits am Wasserfälle stand, eingeholt. Er kam hinter Alire v. Vegh zu stehen. Ob die junge Dame, so fragte er sich, wohl auch im Gesicht der tleinen Mara ähnlich sehen mag? Er wurde den Damen von einem Be kannten vorgestellt. Die Züge des jungen Mädchens hat-. ten mit denen seines Modelles nichts gemein und doch toar ihr Gesicht mit den tiesduntelen, seucbtschimmernden Augen das lieblichste und geistvollste, das der Maler in seinem Leben je ge sehen. Jhre Blicke begegneten sich und tauchten ein paar Setunden lang in einander. Bela lkühlte, wie ihm eine mächtige Bluttve r nach dem Kopfe stieg, und eine leichte Röthe färbte die Wangen des jungen Mädchens. Von dieser Stunde an war er nicht von ihrer Seite gewichen, zum nicht geringen Angernisz sämmtlicher heirathstandi Bat-en und Partienjäger, die sich unt T den lieblichen Goldsisch geschaart. I Ebenso schien die Mutter Alicens gar . l nicht damit einverstanden, die, selbst eine gebotene Griifin, mit ihrer Tochter sehr hoch hinaus wollte. I Bei einem der nächsten Ausfliige der Badegesellschaft fügte der Zufall, daß ; sich die beiden jungen Leute bei einer Biegung des Weges selbst überlassen waren. Keiner von Beiden hätte spä ter darüber eine richtige Auskunft ge ben können, wie es gekommen, daß sie, deren Seelen sich vielleicht schon bei ih rem ersten Begegnen gefunden hatten, sich so plötzlich in den Armen lagen. Und so kam es, daß man nach Verlauf von vier Wochen auf dem Beghschen — Gute in der Bacsla die Hochzeit der . Tochter des Hauses mit dem Maler Bela Hallasz feierte· Alice hatte sehr zu kämpfen gehabt, ehe ihre Eltern die Zustimmung zu die ser Verbindung gegeben, besonders da gerade zur selben Zeit ein Fürst Jani schewsly um ihre Hand angehalten. Hauptsächlich aber war es Alicens Mutter gewesen« die sehr viel gegen eine Ehe mit einem simpelen Anstreicher, wie sie ihn oft zu nennen pflegte, der nicht einmal ein »von« vor seinem Na men aufweisen konnte, einzuwenden igehabt hatte. Nur dem energischen Dazwischentreten ihres Vaters, den sie endlich nach vielen Bitten dazu bewog, siir sie Partei zu nehmen, hatte sie es zu verdanken, dasz sie sich jetzt das Weib des geliebten Mannes nennen durfte. Das überglückliche junge Paar trat die übliche Hochzeitsreise nach Italien an, auf der es sich nach einigen Wochen in Nizza befand. Eines Morgens, als die Ncuvermählten eben am Strande auf der Promenade des Anglais saßen, kam der Hoteldiener an Beln herange schritten. um ihm eine soeben einge ztroffene Depesche nebst einem Briese - zu überreichen, dessen mannigfache Poststempel ertennen ließen, daß er be reits seit Monaten unterwegs war. Die Depesche brachte eine freudige sNachricht über ein soeben vertaustes , Bild des Male-IT Die junge Frau jubelte über diesen neuen Triumle ihres Gatten, doch wurde ihre Aufmerksamkeit plötzlich von einem gleichzeitig in den Hafen ein laufenden Schiffe abgelenlt. Bei ei nem Blick auf die Adresse des Briefes « wurde Bela von bangen Ahnungen er . griffen, denn dieselbe trug die unsiche ren und lindlicheu Schriftziiqe Moras. Er öffnete ihn nit Hast nnd las Fol " g« ldcö . l »Lieber Bela ! Als Du mir einmal die Tlsiir ge wiesen, da schwor ich mir, Dir nie mehr ; im Leben begegnen zu wollen. Doch J muß es anders kommen, denn wir ge E hören zu einander. Ich habe ein An l recht an Dich, verstehst Du, ein An recht, das mir weder Gott noch die Menschen streitig machen dürfen. Doch nein, ich will nicht auf meine I Rechte pochen, will meinen Stolz vor ; Dir beugen, tniefällig will ich Dich an ; flehen : Habe Erbarmen mit mit und rette vor dem Elend, vor der Schande Deine unglückselige Marct.« Jn diesem Augenblick hatte sich Alice « , umgewandt und blickte in das gänzlich T ver-störte Gesicht ihres Gatten. »Was hast Du, Bela ?« rief sie ent setzt, und rnit einem Blick ans den Brief fügte sie hinzu : »Hast Du etwa schlechte Nachrichten erhalten ?« Der Maler stammelte heiser : »Wir miissen fort, müssen sofort nach Buda vest reisen l« Und allen weiteren Nach fragen ihrerseits beugte er mit der Er klärung vor : »Sp«citer sollst Du alles erfahren.« « Noch an demselben Tage verließen sie Nizza· Nach der Ankunft in ihrer Buda pester Wohnung nahm sich Bela kaum die Zeit, seinen Reiseanzug abzustrei sen, und verließ sodann unter dernVor wande unaufschiebbarer Geschäfte so fort das Haus. Die junge Frau warf sich, noch in Hut und Mantel, erschöpft in einen FauteuiL Da fiel ihr Blick auf den verhängniszvollen Brief mit den vielen Poststempeln, der zu ihren Füßen zertnittert auf dem Boden lag« und den ihr Gatte in seiner Eile wohl hage fallen lassen. Hastig griff sie da na . —- —— — l Da hielt sie also in ihren Händen den Schlüssel des Räthsels zu dem mehr als sonderbaren Benehmen Be las, das ihr seit einigen Tagen so viele Sorgen bereitet. Sie zögerte einen Augenblick, ehe sie ihn entfallete. Nach dem sie den Brief gelesen, glaubte sie einen Moment lang, die Besinnung verlieren zu müssen, doch raffte sie sich sofort wieder auf. Was nun thun? —- — —- Den Mann, der sie um ihr Lebensglück so schändlich betrogen, so fort ohne ein Abschiedswort verlassen ? Doch nein, sie wollte den Kelch der Lei den bis zum letzten Rest austrinlen, wollte alles wissen. Jn dem Briese stand deutlich die Adresse der Schreiberin und nach einer halben Stunde befand sich die junge Frau mit hochllopfendem Herzen vor dem Eingange einer kleinen Dachwoh nung in der Luitpoldgasse. Sie öffnete leise die nur angelehnte Thür, blieb aber vor dem Bilde, das sich idr im Jn neren des Raumes darbot, wie erstarrt auf der Schwelle gebannt. Jn der mehr als ärmlich ausgestatteten Stube saß ein etwa neun Monate alter Knabe ans dem Fußboden, mit einem zerbro chenen Holzpferdchen spielend. Jn dem dürftigen Bette jedoch lag ein junges Wesen fast noch ein Kind, auf dessen Gesichrchen sich bereits das Nahen des W Todes abspiegelte. Sie hatte den Kopf an die Brust Belas gelehnt und sprach mit röchelnder, monotoner Stimme : »Siehst Du, wie ich zum ersten Male von Deiner Heirath erfuhr, da kam mir der Gedanke, Dich zu tödten. Dann aber hat mich das Leiden Besse res gelehrt. Jch habe eingesehen, daß ich eigentlich nur für meine eigene Schuld büße. —- —— Laß nur, ich weiß schon, was ich spreche! Jch habe Dir meine Liebe fast mit Gewalt aufge drängt. Jch hätte wissen müssen, daß ich Dir in meiner Einfachheit nicht ge nügen konnte, daß sich Deine Künstler seele nach etwas Besserem sehnte. — — Aber ich hatte Dich so grenzenlos ge liebt! — —— Doch schau, das Kind ist an allem unschuldig und es ist doch Dein Blut, und wenn ich wüßte, daß es namen- und vaterloss aus der Erde umherirren sollte, so könnte ich im Grabe keine Ruhe sinden.« Der Maler strich sanft über ihr fah les, abgezehrtes Gesichtchen. ,,Beruhige Dich, Liebling, ich schwöre Dir bei meiner Ehre, daß das Kind alle Rechte genießen soll, wie sie ihm als meinem rechtmäßigen Spröszling zu gekommen wären, und wenn es mein Lebensglück kosten sollte!« Jetzt erst gewahrte er seine aus der Thürschwelle stehende Frau. Er warf ihr einen entsetzt verzweifelten Blick zu. Ein nerviises Zittern durchlief seinen Körper. Ja, es mußte wirklich sein Lebensglück kosten! Das konvulsivisch zuckende Gesichtchen Maras war bei Belas Gelöbnisz ruhiger geworden. Jetzt fing das Kind zu wimmern an. »Mama, Mamat« brachte es in kläg lichem Tone hervor. Ein grenzenloser Schmerz spiegelte sich auf dem Gesichte der Sterbenden und sie stammelte mit trauriger Stimme: »Das arme Kleine wird teine Mutter mehr haben!« Da kam plötzlich Leben in den bis dahin so starren Körper Alicens. Mit festen, zielbewußten Schritten ging sie auf das Kind zu und hob es in ihre Arme. Der Junge, der sie wohl fiir seine Mutter hielt, legte vertrauensvoll seine Qlermchen um ihren Nacken. Ali cens Gesicht war wie verklärt, als sie sich zu der Sterbenden niederbeugte. »Armes Weib,« sagte sie sanft, »be ruhige Dich, denn Dein Kind soll we der den Vater noch die Mutter entbeh ren!« Mara rif3 die Augen weit auf, die schon sast entschwundene Seele lehrte aus einen Moment noch einmal zurück, den blassen Mund umspielte ein seliges Lächeln. Sie hob den Arm und hauchte : »Sei gesegnet !« Dann fiel die Hand schlaff herunter und die miiden Augen hatten sieh zum ewigen Schlafe geschlossen. Eine schwere Thriine entrollte den Augen Belas und blieb aus« dem blonden Haar der Verschieden-In haften. Er bettete Maras Köpfchen zart auf das Betttis sen, dann jedoch warf er sich vor seinem Weibe auf die Ftnie und berührte den Saum ihres Kleides mit seinen Lippen. .-..————.»-«4-——- ——- — P s Ilosz der Tttkduse. ....-...—— Jn der Galerie des Louvre befindet sich ein Gemälde Von Gärirault das bei seinem Erscheinen im Anfang die ses Jahrhunderts in der ganzen kunst verständigen Welt ein ungeheures Auf sehen ertegte, sowohl durch die ganz neue Art der Farbengebung und Pin selführung, als besonders durch den furchtbaren Gegenstand, den es dar stellte. Die Mitte des Bildes, welches der Künstler das Flon der Meduse nannte, nimmt ein schmutzig - gelbes, zerfetztes Segel ein. Auf dem nach links vorn gestreckten Floß spielen sich die letzten Szenen der Verzweiflung ab, die dem Untergange der Fregatte »La Bis4d11se«' folgten. Mitten unter den Kämpfenden und Sterbenden nimmt besonders eine Ge stalt unser ganzes Interesse in An sprach, ein Weib, das zwischen Balken und Trümmern lauert. Die großen, dunklen Augen, unnatiirlich weit ge öffnet, starren in die Ferne, als ob sie dort ein furchtbares Schicksal sähe. Neben ihr liegt ein Mann hingestreckt, wie leblos, den Blick unverwandt auf das Weib neben ihm gerichtet. .·M· Savigny, einer der wenigen Ueberlebenden, hat über die furchtba ren Ereignisse einen ergreifenden Be richt hinterlassen, aus dem folgende Schilderung beruht. Die sranzijsifche Fregatte ,,M·«-duse«, mit 44 Kanonen und 400 Mann, war im Begriff, im Hafen von Rochefort die Anter zu lichten. Sie war nach dem Senegal bestimmt, dessen Gebiet im zweiten Pariser Frieden Frankreich wieder zugesprochen war. Unter dem Donner der Kanonen und dem jubeln- ! den Zuruf einer tausendköpfigenMenae am Ufer setzte sich das stolze Schiff in : Bewegung. Die Matrosen, zum gro ßen Theil Jtalienet und Regen sowie für die Kolonie bestimmten französi- ] schen Vesotzmannschaften, winkten die » letzten Abschiedsgriiße nach dem Lande I hinüber. s Zwischen den lebhaften Gruppen auf dem Verdect gina eine weibliche Per son geschäftig hin und her. Sie trug ein kurze5, buntfarbiges Kleid, zier liche Lnckstiefel mit halblangen Schäf ten und auf dem Kopfe eine totett zur » Seite geschobene Soldatenmützr. Um ihre Schultern hing an einem breiten Bandelier ein Fäßchen, aus dem sie den « —W- . I Leuten Etsrischungen einschenlte.— Es war eine Martetenderin. —- Sie mochte die Mitte der Dreißiger längst riberschritten haben, machte aber mit Ihrem frischrothen, lächelnden Gesicht und lebhaften Bewegungen einen übe-: aus anmuthigen Eindruck. Manch-es Auge ruhte mit Wohlgefallen auf der hübschen Martetenderin, deren Gestalt durch die Romantit von sechs Feldzii - gen unter Napoleon I. wie mit einer Art von Verklärung umstrahlt war. Auf dem Hintertheile des Schifer saß abseits von den Kameraden ein » Soldat. Das starre, fast leblose Auge, » das vollständig ergraute Haar, die ei j genthümlich gestrassten Gesichtsmus ; keln deuteten auf eine lange Reihe von ! Kämpfen und Entbehrungen unter den I verschiedensten Himmelsstrichen An diesem fleischlosen, aber sehnigen Kör per hatte die glühende Sonne Egyptens I und der Eishauch der russischenSchnee felder genagt. I Einen Augenblick blieb die Marte I tenderin vor dem Soldaten stehen, der ; sie nicht zu bemerken schien. Sie suchte E in dem verwitterten Antlitze I »Delpit. i« entsuhr es ihr wie un absichtlich. ! Der Soldat schlug die Augen auf. ,,Louise !« sagte er einfach. Nach einer Weile setzte sie sich neben » ihn. »Also siihrt uns das Schicksal doch noch einmal zusammen«, sagte sie. »Wer hätte es gedacht ! Es sind nun gegen achtzehn Jahre her. Weißt Du noch, Delpit, wo wir uns zum letzten Male gesehen haben ?« — Er durchstöberte sein Gedächtniß Er fand nicht gleich. Seine Erinne rungen schienen in dem Eise Rußlands eingefroren zu sein. ,,Jn Alexandria, « fuhr sie fort, »auf dem eghptischen Feldzuge,1798 Weißt Du noch? Wir waren m der arabischen Kneipe im Matrosenviertel. Jch sehe heute noch alles deutlich vor mir. Da tam daf- Nubieriveib. Erinnerster Du Dich ? Sie hatte ein grellrothes Tuch um den Kon geschlungen. Wir lie ßen uns wahrsagen· Weißt Du nocl;, was sie mir sagte ? Der da wird Dich 111nbringen, sagte sie, indem sie auf Dich wies-· Hast Du vergessen, Delpit ?« .--. »Da ocktchcfl VII llllah UllllUUUclc der Soldat, ,,jetzt erinnere ich mich.« — »Ja. meintest Du, ich hatte Lust, mich von Dir todtschlagen zu lassen ?« » Sie lachte bei diesen Worten; »Ich? Todtschlagen ?« antwortete « I Delpil mit einem Blick tiefer Kümmer - nis;. f »Ja, wer weis-, !« sagte Louise, sich lzu einem scherzenden Tone zwingend. k »Ihr Männer seid oft so wunderlich. f Wer kann Euch trauen ?« — f Dann sprachen sie noch eine lange f Zeit von ihren Erlebnissen in der Zwi ? schenzeit, von den Feldzijgen in Spa » nien, in Tirol, in Preußen, in Nuß » land. Er lebte wieder auf bei diesen - Erinnerungen. So trafen sie sich fast ; alle Tage während der langen Ueber i fahrt. f Inzwischen hatte sich das Schiff der Küste Afrikas genähert. Man unter schied in der Ferne ganz deutlich die Sandhügel der Küste. Eines Nach mittags herrschte unter den Offizieren eine große Erregung. Soeben hatte die Lothung nur fünf Meter Wasser tiese ergeben. Man stürzte zu dem Kommandanten, der ruhig auf seinem Verdeck saß. Man zeigte ihm die furcht bare Gefahr« in der das Schiff schweb te. Man forderte ihn auf, den Kurs sofort zu ändern. Er lächelte überle gen. Er gehörte zu einer der vor nehmsten Einigrantenfamilien Frank reichg, zu jenen traurigen Gestalten, die in der Verbannung während zweier Jahrzehnte nichts gelernt und nichts vergessen hatten. Eine Viertelstunde später hörte man ein lautes Knirschen und Krachen. Ein langes Zittern flog durch den hölzernen Leib des Kolosse3. I Die Fregatte war auf die stlippen aus-« ; gefahren. l l Alle Versuche abzutmnmeu waren ; vergeblich Als die Ebbe eintrat, sah i man, daß das Schiff unrettbar verla i ren war Eine ungeheure Aufregung ; bemächtigte sich der ganzen Vesatzuna ( Alles stürzte in dieBoote die mit Mühe ins Wasser gelassen wurden Es fan- l den etwas mehr als zweihundert darin Platz. Die übrigen schienen dem siche- i ren Tode preisgegeben. Unter ihnen « befand sich Delpit und die Marletende rin. Sie blieben ruhig in dem rings um sie tobenden Entsetzen. Sie hatten i kein Wort gesagt. Aber jeder von bei- s den wußte instinktmäßig, daß sie bei einander bleiben würden. Da das Schiff nur langsam Wasser zog, so machte man sich daran, aus Balken undPlanten ein Floß zu bauen Nun stürzte alles an die Taue, um sich herunterzulassen. Auch Delpit und Louise fanden dort Platz. Jn der allgemeinen Bestiirzung hatte man nur ganz unzureichend fiir Le bensmittel gesorgt. Einige Fässer Wein, etwas Trinkwasser und ein paar Tonnen Mehl —- wie lange konnten 145 Menschen damit reichen ? Jedoch waren die meisten guten Muth-L Die Küste war ja nicht weit. Jn der Nacht aber erhob sich ein furchtbares Unwetter. Hohe Wellen berge rollten heran und versetzten das Fahrzeug in eine schaukelnde Bewe gung. Während das Vordertheil sich aus dem Wogengebraus haushoch aus- » richtete, tauchte das Hintertheil in ein » unergriindlicheg Wellenthal ein, und bei jeder neuen Bewegunn durchschnitt l ein vietstimiiiiges« Angstgeschrei die » Luft, das Gebraus der Wogen und des s Sturmes its-ertönend « ; Als es Tag-geworden war, sah man. T daß sich die Schaar der Unglücklichen um etwa 60 vermindert hatte. Aber auch der grösste Theil de5.Proviants war fortgespiilt worden! Und was ; das Schlimmste mar, die beiden Boote. die das Flofz srl)leppte:i., waren sammt den Führern derselben verschwunden. Wehrlocz war das elende Fahrzeug mit seiner lebenden Last der Wirth der Ele mente preisgegeben Im Laufe des Tages begannen sich die menschlichen Leidenschaften zu entfesseln. Eine wilde Schaar von Matrosen und Sol daten schlug einige Weinfässer eiu und betrank sich bis zur Sinnlosigkeit. Jn — der folgenden Nacht erhob sich unter den Trunkenrn ein furchtbarer Kampf. Mit Aexten, Säbeln, Vajonetten und Messern gina man aufeinander los. Dampfe Schläge, heisere Fliiche, wildes Geschrei, wirre. Knäuel von Ringen den. Alls die Sonne des nächsten Tages das grauenvolleSchlachtfeld beleuchtete« sat) man, daß nur sechzig diese furcht bare Nacht überlebt hatten. Dazu wa ren alle Wasserwnnem sowie der ngte Theil der Weinfiisser ins Meer ge schleudert worden. Einige Verzwei felte, denen schon der Wahnsinn aus den Augen leuchtete, machten Miene, auch das letzte Faß Wein in die Wogen zu werfen. So sollten alle miteinan der sterben. Keiner sollte davon kom men. Besonders waren es Delpit und die Marketenderin, die sich den Wahn sinnigen widersetzten. Sie waren ver hältnißmäßig gut bei Kräften, da die Martetenderin etwas Schiffszwieback gerettet hatte, von dem sie jede Nacht heimlich einige Stücke knabberten. Noch mehrere Tage dieser furchtba ren Fahrt «- und keine Rettung ! Jn einer Nacht drang von einem Feuer, das zwei Neger angezündet hatten, ein eigenthiimlich brenzlicher Geruch zu Delpit und Louise hinüber. Ein Schauer des Ekels ging durch ihren Körper Sie wußten, was die Schwar zen brieten Stumm drückten sie sich die Hände-. Trotz des nagenden Hun gers konnten sie keinen Bissen essen. Erst als- es Tag geworden war, schoben sie sich verstohlen einen Brocken Zwie bark in den Mund. Ein unbemerkt in der Nähe stehender Matrose hatte dies gesehen. Sdsfort stürzte er sich mit wil dem Geschrei auf die Beiden los. »Diebe! Verräther !« schrie er. An dere folgten. Es begann eine neue Schlacht, furchtbarer als alle vorherge henden. Jn dem allgemeinen Getüm mel wurden zehn erschlagen uns ins Meer geworfen. Louise war schwer verletzt, Delpit zum Tode ermattet. Die kärglichen Reste ihres Vorraths waren verschlungen. Sie hatten nichts mehr. Eine-J Morgens hielten die zehn Männer, die allein noch unverwundet waren, einen Rath ab. Delpit war " unter ihnen Sie beschlossen, sich der zehn anderen zu entledigen. Dann konnte der Wein noch drei Tage länger reichen. Es war, als ob es sich um eine ganz gewöhnliche Sache handelte. Alle waren einverstanden. Zwei Jtaliener traf das Loos, die dem Tode Geweih ten über Bord zu werfen. Sofert machten sie sich an die Arbeit. Neun Ungliiekliche waren lautlos in den schäuruenden Wellen verschwunden. Nur einer war noch übrig. Es war die Marketenderin. Die Henker näher ten fich ihr. Da hörte Delpit Plötzlich einen Schrei. Zwei weit aufgerissene Augen starrten ihn sntsetzt an. Zwei Arme reckten sich verzweifelt nach ihm hin über. Da sprang er mit mächtigen Schritten zu der Geliebten. Er hob sie mit einein kräftigen Ruck in die Höhe. Einen Augenblick sah er in ihr Gesicht. Seine Lippen berührten die ihrigen. Sie lächelte-. Dann taumelte er an den Rand des Floh-Ia Langsam glitt die leichte Last aus seinen Armen in die Fiuthen ! -- ——— — Zwei Tage später wurden die Ueber lebenden von einer französischen Brigg ausgefunden Als man den bewußt losen Delpit aufhob, uiu ihn an Bord zu bringen, schlug er plötzlich die Augen auf nnd blickte um sich. Dann riß er sich aus den Armen seiner Be freier. Einen Augenblick später schlu gen die Wogen tauschend über ihm zu sammen. ——..-—-- —---- . Matschall - Sappe. —- Ein Pfund mageres in Stückchen getheiltes Ochsensleisch und zertleinerte Kale tnochen setzt man mit Salz und SUP pengriin mit kaltem Wasser zu; ein Stück Rinderinarl kocht man eine Stunde mit. Von einigen hartgesot jenen Eiern thut man das herausge nommene Gelbe und das tleingeschnit tene Mark in die Tertine, iviirzt mit etwas YJiuStatnusk, seiht die Brühe darüber, nachdem man sie noch mit ei ner Messerspitze von Liebig’,s3 Fleisch extratt Verstärtt hat. Unverbliimt. Bekannten »Nun, ich habe Jshnen meine Tochter vorgestellt, wie gefällt sie Ihnen?« Herr: »Hm, schwer zu sagen! Sage ich, daß sie hübsch ist, glauben Sie es nicht, und wenn ich das Gegentheil sa ge —- glaub’ ich’ö nicht«