Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Jan. 11, 1901)
seiner-gekom Roman donFerdinandNunteL l. Berlin! Berlin! Theodor Streitberg sah die haupt stcdt zum ersten Mal. Er blieb aus der rertreppe des Potsdamer Bahnhofes hen nnd sah hinaus in das endlose Gewii i des Piasei, aus den fünf he ledte traßen münden. Ein Gefühl der Kleinheit und Ohnmacht wollte ihn heschleichen, ais er seine Blicke an dexi sünssiöckigen Riesenhiiusern emporslie en ließ, und als zum ersten Mal das täubende Rauschen der Großstadt an sein Ohr schlug. Wie er setzt langsam über die AS phaltsESplanade nach der Königgrätzer straße hinüberschritt, in Gedanken ver sunken, wäre er sost von einem gelben Postwagen überrannt worden, der in eiliger Fahrt aus dem Bahnvostamt herausgerollt kam. Thedi. wie ihn seine Freunde nann ten, hatte sich nicht umsonst vor Berlin gefürchtet, und nun legte sich schon bei seiner ersten Ankunft die Riesenstadt wie ein Alb aus seine Nerven. Warum auch war er aus dem eng be glichen Kreise seines kurhessischen tädtchenz heraus-getreten er paßte nicht nach Berlin. Jn diesem leiden schastiichen Leben und Treiben mußte eine so seine Künstlernaiur wie er zu Grunde gehen. Trotzdem hatte er seit Jahren eine stille Sehnsucht nach Ber lin im Herzen getragen. Ein frischer Odem war ihm aus der Hauptstadt ent stgeugeweht Die Briese seiner Freunde j r ömten über von ihrem Lob. Sie hatten aus der heimathlichen Kunst- T schule nur ihre Vorbildung erhalten und ! waren zur-ersichtlich nach dem Sprec- s Athen gewandert, um dort zu richtigen ; Künstlern heranzureisen. Thedi hatte sie alle scheiden sehen; es wollte ihm nicht in den Kopf, daß er einen besseren Lehrer als Professor Haußmann finden könnte ; denn dieser Our nicht nur ein großer Künstler, son dern auch ein großer Mensch, und er hatte sich seiner mit vieler Liebe und Sorgfalt angenommen. Wozu also brauchte er Berlin ? l i t l z I l ! i Aber in dem kleinen Städtchen war I nichts zu verdienen. Es kam ja hier und ; da vor, daß eine Glückwunschadrefse für einen neugebackenen Kommerzienrath : sauber aquarellirt werden mußte, gele- ; lich lieh sich auch einmal eine schöne · rau in überladenern Provinzputz ma- Z Das war aber auch alles. Es fehlten die großen Aufgaben und das ; Verständnis für wirkliche Kunstwerk-. i Man konnte es daher dem jetzt drei- ! Mjährigen Streitberg nicht verargen, I daß er seine Angst vor dem rauschenden - Berlin iiberwand und lieber die Gefahr ! auf sich nahm, nach rüstigem Kampf im ? Strome zu versinten, als im Sumpfe i des heimathlichen Philisterthums weiter I Zu vegetiren. ( So war er denn in Berlin. » Das also war Berlin —- — —- — Wie er nun so langsam zwischen all den haftenden, eilenden Menschen nach dein Jnselperrons des Potsdamer Planes schritt, wurde er sico der Noth wendigieit bewußt, zuerst ein Empfeh lungsfchreiben an Professor Grimm, den Leiter eines Meisterateliers an der königlichen Atademie, abzugeben. Professor Haußmann. der allzeit gü tige und verftändnißvolle Freund, hat te, als er von Thedis Uebersiedelungs plan gehört, bedächtig den greifenKiinsi irrton gefchiittelt. Dann hatte er ge sagt: »Ja. mein lieber Junge, wenn Du Lust haft, und es Dich hinzieht, ich will Dich nicht halten. Aber überlege Dir alles gut. Deine Freunde gingen zehn Jahre früher nach Berlin. Jch hätte einer Reise nach Paris oder Hol iand freudiger meinen Segen gegeben. . Aber sie sollen nicht sagen, ich sei ein alter, unmoderner Narr, geh’ nach Ber lin, doch damit Du gleich in die rechten Hände kommst, werde ich Dich an mei nen Jugendfreund Grimm empfehlen« Diese Empfehlung trug Streitberg in der Brusttasche seines weniger schö nen als genialen Sainmetjackets. Er hatte den Mantel offen gelassen, weil dd Oktobers-inne noch recht warm —-- -.-. - Wohin sollte er sich nun mit seinem ! Gepsck wenden ? z Rathlos ließ er eine Pserdebahn nachz der anderen, eineDroschte nach der unoe l ten an sich vorüber passiren und starrte z in den unbekannten Strom. Da er-; schien ihm plöhlich zwischen den tauseno ’ fees-des Menschen, deren Fluthen sich « hße trenzien und stckutem verbanden M wieder trennten, je nachdem sie sich dem einen oder anderen Ziel entgegenbr n-, eine bekannte Persönlichkeit Er s schärfer hin. War das nicht sein Freund und Landsmann Ernst Pichler? M! Ein unerwartetes Glück, ihn get-de jth zu treffen! Er bog rnit eili euSchritten vom Leipziger Plah in die äussgnherstraße ein Theodor packte sein s res Gepäck schnell auf und wette rn gleichaltrigen Genossen nach. tmErnst! Zum Teufel, lauf’ doch nicht »Ach Gott, der Thedi. « Welcher Wind hist Dich denn hierher geweht? Willst M heim Minister urn eine Anstellung in Beinen-: Kunsttriihwintel einkom se Jkirk ich bleibe jest sitt immer istn das ein Entschlußt M o ; MÆI Un « — setlin Wtf Das ist recht und schsnz Du mit Deinem Ta lent durftesi daatnten nicht oertomrnen. Iber wie siehst Du denn aus? Mensch. Freund, Kollege, Du liiufst ja hier wie eine Karikatur aus den »I(iegenden Blättern« herum. Das muß Du Dir abgewöhnen Knöpfe Deinen fliegenden Mantel zu, ziehe Deine Sammtmantilla ans, taß Dir Deine von Ihm-Locken fcheeren und wirf das Rembrandtdach in I die Ecke!« «Wieso, was meinst Du damit?« »Gott ja-, Du bist ja ein hübscher Kerl, das läßt sich nicht leugnen. Das feine Nitschen, die großen duntten Äu f gen, der zarte schwarze Rubrnsbart, lau I ter feine Sachen, nur glaubt es Dir hier kein Mensch. So wie Du putzen sich in Berlin die Photographen auf und dir attlimatifirten Gipsfigurmiinner, ein fach, mein Freund, nicht auffällig ange than geht man in Berlin. Bei uns muß sich der Künstler in seinen Werten aus drücken, nicht in Sammetjacket undNem brandthut. s— Haft Du schon eine Wot nung2« »Nein, ich wollte meine Sachen in ei nem billigen Gasthof abstellen und dann Professor Grimm aufsuchen, an den ich Empfehlungen habe. Jch muß doch erst wissen, ob er mich in fein Meisteratelier nimmt, bevor ich eine Wohnung miethe, ich kann doch nicht eine ha-:be Stunde weit entfernt wohnen.« »Eine haibe Stunde ist gar nichts. Wir wohnen alle eine Stunde und mehr von unserer Werkstatt Zu Grimm willst Du?« »Ja, es muß mein erster Gang sein« »Ja, mein lieber Freund, das gebt nicht fo, wie Du Dir das vorstellst. Der Professor ist zur Zeit gar nicht in Ber lin, er ifi noch in seiner Billa inSchlach tensee, wo er ftets den Sommer zu bringt« »Nun, da muß ich mich eben nach ei nem billigen Gafthof umsehen." «Ach«wo, billiger Gasthof, Du bleibft bei mir, mein Nachbar hat den großen Rompreis erhalten und dampft heute noch nach dem gelobten Lande der Kunst ab. Er ift wie ich Meisterfchiiler von Professor Förfter, und bis Du was Bes seres hast, kannst Du in seinem Atelier schlafen. Es ist zwar verboten, in den geheiligten Räumen der Atademie zu pennen, aber ich werde das schon ma chen.« »Wenn Du meinst,a wars Sereiroerg unsicher ein« »Natürlich meine ich, die Sache ist abgemacht. Komm, wir gehen bis zum Brandenburger Tbor hinunter und neh men die Pserdebahn nach Charlotten burg. Vorläufig kannst Du neben mir ruhig arbeiten, und morgen oder über morgen suchen wir eine Bude siir Dich. Vielleicht weist Dir die Academie auch in Siegbmundshos ein Atelier an »- aber das sin Zutunstsarien und —- vorläu fig bist Du kostenlos uniergebracht.« .Du kannst Dir gar nichi vorstellen, wie dankbar ich Dir bin." .J wo, das ist meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Aber nun er: zahle mal. Jn Deinem Jnneren muß doch eine vollständige Revolution vorge angen sein, derß Du Deine kurhessi schen Penaten so leichtsinnig im Stich gelassen hast« Zeichenaiademie war Dir doch sozusagen garantirt ?« »Gewiß war sie mir garaniirt· Jck hatte ja bereits seit zwei Jahren den Abendunterrichi in der Gipsllasse.« I »Aber Mensch, Abendunterricht in der E Gipsussser Das wikft doch mindestens s seine hundert Mark irn Monat ab. und L das hast Du im Stich gelassen, um auss . Ungewisse nach Berlin zu kommen? Du hättest doch schließlich ein Maximalge I halt von zweitausend Mart erreichen - können. So’n Leichtsinn!'« I Streitberg, der den Einwand seines Freundes ernst nahm, machte ein trau . tiges Gesicht und fragte ganz verle gen: « s »Ja, glaubst Du denn nicht, dasz man ; hier-ebensoviel·ver—die»nen la»nn?« - »Gemlk3, mein Domi. now uns nun-; s tannft Du auch hier so viel verdienen, . aber Du mußt Dich mit Deinem Ta lent für zweitausend Mart wenigstens einen Monat quälen. Bist ja ein Dummtopf. Jch sage bravo, bravis simo, es war die höchste Zeit, daß Du nach Berlin kamst. Ein Kerl wie Du( muß Karrieee machen. Und wenn Dich Grimm in die Hände bekommt. Hopp, da kommt die Perdebahn. Gieb mir Deinen Maltasten und Deine Ta sche-« Sie waren zum BrandenburgerThor gekommen. Die Pferdebahn bog eben in die Charlottenburger Chaussee ein. Durch die Bäume und Sträucher schimmerte schon der bunte Herbst. Die Wege waren mit dürren Blättern über stiet, und ein frischer Humusgernch stieg aus dem Thiergarten auf. »Es ist ganz htihsch hier,« meinte Streitberg, »ich hätte gar nicht gedacht, » daß in der nächsten Nähe der Groß stadt ein so herrlicher Pakt gedeihen tönnte.« »Du wirst noch mehr nicht gedacht haben. Berlin und seine Umgebung bergen die wunderbarsien landschaftli chen Motive; es gehört nur ein Künst lerauge dazu, sie zu entdecken. Werde nur erst heimisch hier und laß Dich nicht von Berlins Herbheit zurück schrecken. Die Stadt hat für den süd dentschen Kleinftadter im Anfang zwei fellos etwas Ahstoßendes. Das mußt Du erst stiiberwinden. So nimmt das Kind der Mutter Brust nicht gleich tin Bergs willi an« »Es wara Lumhl mann von ein-, « »Me »Jn der prophetischen Weisheit-des ! Dichters natürlich.« Theodor gab leine Antwort; er stlickte mit seinen großen, erstaunten . Künstleraugen auf die Straße inaus, « iiber deren schmuiigen Ast-halt roschå ten und Radfabrer in sliegender Hast binjagten. Auf den sauber gefegten Fußwegen, die sich in langen Linien am Rande der Partanlagen binzogen, bewegten sich Spaziergänger in bunter Menge. - Da geht der Professor mit dein ro « ßen Hut und den weißen Locken, ein Kolleg memorirend, der Kaufmann, der von der anstrengenden Korntorar beit ein wenig frische Luft schöpfen I will; junge Damen in der inappen englischen Herbsttoilette promeniren « einzeln oder in Gesellschaft durch den Parl, und neben der Welt zeigt sich last bot not least die Halbwelt in ihrem aufdringlichen Putz und ihren totetten ; Bewegungen. Manchmal schlug die Glocke der Pferdebabn hell an, Fabrgäste stiegen aus und sprangen ab. Ständig wech selte das Bild, das an dem jungen Künstler vorüberzog »Bahnbof Thiergarten!« meldete jetzt der Schasfner. Die beiden Freunde stiegen aus. Eine ausgefahrene holperige Straße führte rechts an der Stadtbahn ent lang, auf die derSiegmundshof mit sei kk nen schönen neuen Häuser-i mündet. « Streitberg und Pichler gingen langsam i bis zum Ende der Straße, wo sich der s Spree gegenüber der massige rothe Zie s gelbau, das Atelierhaus, erhob. Kunst - beflissene Damen standen plaudernd an dem eisernen Gitterthar und ließen mit einem spöttisch-freundlichen Blick den I zugereisten Kollegen passiren. ? Die Rasenplätze des kleinen Gärt 3 cheng schimmerten in ganz ichwachem, i fast farblosem Grün, und in den ho i hen Bäumen batte der Herbst schon sei Z . ! J ne Wahrzeichen aufgebangt Theodor las mit Staunen die be rühmten Namen der Bewohner: Paul Thumann. Eugen Pracht und andere. An einem kleinen Pförtchen befand sich der Anschlag: Meisteratelier des Herrn Professorg Försterz dort traten sie ein. Der Hauswart grüßte lame radschaftlich. Pichler schloß die Thür zu einem kleinen Doppelatelier aus, das er mit seinem Kollegen. dem Gewinner des Rompreise·-. August Wassermann, - bewohnte. »So, nun setz« Dich din. Hast Die Hunger? Hast Du Durst?'« «Beides!" antwortete Streitberg stei miithig , »Gehst Du. so gefällst Du mir, nur nicht priide, nur nicht zurückhaltend. Mit Bescheidenheit lockt man in Berlin teinen Hund vom Ofen. Dahinten in der Ecke liegt der Scheffel, unter den ich früher mein Licht gestellt dabe, er sieht zu Deiner Verfügung; aber ich rathe Dir, ihn seinem wohlverdienten Staub nnd Dreck zu überlassen. Gehe kutagirt und aus Deine Kraft vertrauend Deinen Weg vorwärts!" Streitberg betrachtete mit wachsendem Interesse die Werte seines Freundes-. Da war ein mächtiger Drang-Mang, der sich mit seinen zottigen Pfoten an einen Baumstarnnt klammerte Und das wilde Gesicht mit den nasche-wen Zähnen vor wärts streckte: ein sitzender Kondor mit beispielloser Naturalistik modellirt, ein paar junge Bären, das Portrait eines Hundes und oben aus dem Gesirns zwi schen allerlei Studien eine Bildnißbiists »Ist das nicht Georg Guniprecht? fragte Theodor. »Natürlich, der Böcklin der Berliner Atademie, ein talentvoller Bursche.« »Die Büste ist ähnlich: ich begreise nicht« warum Du das wilde Gelhier mo dellirst!« «Erstens ist Aehnlichkeit auch iiir das Thier nothwendig denn jeder Thierkovf charakterisirt sich als eine Individuali tät siir sich. und zweitens, ein richtiger Künstler muß alles tönnen, aber nicht alles niaazetF Var wer besitzt-sage eine Opeziallml VII, man vol-Duns- rommuk Sieh da den aiten Rassel, der malt irr-on fein Leben lang brüneite Frauen mit großen, schwarzen Schlafaugen in bun , ten Gewändern Aber der Mann ver dient Tausende und bat leine Aus-lagen weder an Geld noch an Gedanken. Das Bild wird hingeilatkcht, mit dem Ver » ireiber abgelecki und ist fertig. Nur am Gotteswillen keine Originalität, mög - lichst zierlich, möglichst delikat, und taum ist die Leinwand draußen, fo ist sie auch verkauft und die Photographien bringen oft fast so viel wie das Bild selbst. denn es giebt kein Pensiontmädchen und tei nen Backfisch der nichi Russels Tänze rin oder Ba’adere, oder wie er seine Mei ster-wette a e nennt, in ihrer keuschen Tischlade versehkossen hätte. Das ist ein Geschäfi.« ; ichler hatte aus der Erde eine ver staubie Flasche Portwein herausgeholi und enitorki. Er goß ietzt zwei große Wassergliiser voll und fchob das eine sei nem Freunde hin: «Trin!e, Freundes-km es lebe die gedankenlofe Spezialität, ei lebe die Schablone!« «ani, Du bist ein Cyniter und nn ehrlich obendrein, denn Du handelst doch selbst nicht nach Deinen Reden. Jch bin erstaunt iiber Dich. Als funpler Bauern jun gingst Du von uns weg und als groäxn Meister finde ich Dich wieder.« «Pah, großen Meisterschiiler. Da ha ben wir irn vergangenen Jahre an einem Mmenialweri unseres Lehrers til-h tig mitgearbeitei. hier Freund Lasset m und ich. August! bist Du in Mk Ins dem Nebenatelier lernt-ein- uninte schet stummen · «'Komrn herüberck Der braune Vorhang, der die beiden Werkstätten von einander trennte, t sich auseinander und ej erschien ne lange, schlanke Gestalt, das seine Gesicht von einem wallenden, blonden Vollbart umrahmt. , Pichker stellte die Beiden vor. » »Nicht wahr, August, wir haben an ; Fiirsters Werk mehr gethan als die In de·,:en, aber wir find nicht einmal ge « nannt worden, weil wir noch Meister schiilee sind. Der da hat wenigstens sei 3 ne Entschädigung weg, kriegte den Drei tausendmarkpreis.« « »Na. wir haben die Anerkennung un seres Lehrers und das ist genug." s Bassermann hatte die letzten Worte mit einem leisen, sympathischen Ton ge sprochen. der Streitberg unwillkürlich . angenehm berührte. · »Nun hast Du aber Hunger und ich T habe nichts hier« ’ »O, das thut nichts,« meinte BZHM mann. Er verschwand hinter dem brei , ten Vorhang und rief von drinnen zu riick: »Ich habe ja meinen Reisevorraths ; schon zusammengelauit, davon kann ich abgeben Mache nur Feuer in Deiner i Küche, Ernst, damit wir Eier lochen.'· I Pichker kramte zwischen Givsbrocken und Flaschen und suchte eine alte Spi Erituölampe heraus, die er aus ein Gipspostament sehte und anziindetr. Jn kurzer Zeit war ein Bohö mefriih stück arrangirt, und in der schnellen E Vertraulichieit, die Künstlern eigen ist, I plauderten die Drei, als ob Keiner dem i Anderen jemals fremd gewesen wäre. Bassermann stellte dem zugereisten EKollegen alles ohne Weiteres zur Ver , sitgung, was er selbst besaß. Ju, er lief noch in die oberste Etage des hau Eses und lieh von einem beseeundeten ! Maler eine Staffelei, damit Theodor nur ja in der ersten Zeit keine Ausga ben hätte und sich gleich von Anfang an mit seiner Kunst beschäftigen konne. So kam allmälig die Mittagsstunde heran und mit ihr der Zug, der August Bassermann nach dem Süden bringen sollte Es war ganz selbstverständlich daß die Beiden den Kollegen an die Bahn brachten und mit einem »Glück aus« entließen. Vorher hatte man mit dem stellan Rücksprache genommen, und er versicherte, daß kein Anderer das Atelier Bassermanns bekommen s ollte, weil die beiden Freunde gern zu- . samtnen bleiben wollten. »Es ist doch aber ein Bildhauerate lier?« hatte der bebagliche Grautopf ge antwortet, war aber vor der kategori fchen Entgegnung Pichlers »das sei Wurfcht«. verstummt, und hatte das Versprechen gegeben, sich vorläufig je-« der Reubefehung der Werkstatt entge gen zu stellen. Das Schnellzug war aus dem Bahn hof herausgefahren, die Beiden wintten dem Freunde das letzte Lebewohl nach und kehrten nun mit der eigenthiimli chen Stille, die jeder Abschied im Ge folge hat, auf die Straße zurück· Theodor war lebhaft mit dem Ge danten an Professor Grimm befchiif tigt. Die Ungewißheit feines Schick sals lag ihm schwer auf dem Gewissen, er wollte fo bald als möglich die Ent scheidung herbeiführen, ob der Profef for ikn in fein Meisteratelier aufneh men wårde oder nicht. Alle Beruhi gungswotte Pichlers erweckten nur die eine Antwort: »Es wäre doch besser, wenn man den Profesf or aufsuchte." »Na, denn in drei Teufels Namen, komm, ich will Dich nach dem Bahnhof bringen. Zum Mitfahren habe ich na türlich keine Zeit, es ist auch nicht nö thig. Jedes Kind in Schlachtensee fagt Dir, wo Grimms Van liegt, und zu rück nach Siegmundghof zu finden, ist auch lein KunftftiieL Du machft densel ben Weg, den wir heute Morgen . . . .« »Ich weiß schon, ich finde mich zu recht,« unterbrach Theodor. »So tomrn nach dem Babnhof.« Als sie den Potsdamer Platz erreicht hatten, treuzte eine elegante Equipage den Weg der beiden Freunde. Jm Fond zurückgelehnt saß eine Dame von ebenfo auffallender Schönheit wie Tei lette. Pichler zog tief den hat, und Streitberg blickte verwirrt in die bren nenden Augen der tameradfchaftlich dankenden Frau. Fast ver aß er, fei » nen großenlltembrandthut a zunehmen. ; nnd er stand noch ein paar Augenblicke ’ sprachst-D dem weiterrollenden Wagen l nachhlickend »Wer ift denn daz?« fragte er den Freund. Dieser antwortete mit wichtig thuens der Miene: »Das ift rau Angelika Kaufmann, Engel oon i ren Freunden, Teufel von ihren Feinden genannt, Li ia von ihrem Manne gerufen. Frau Li Ia von den Vertrauien ihres Kreises. Angeschwiirmi. beneidet, geliebt, ge haßt, iurzum eine Frau, die im Stande ist, alle Leidenschaften der menschlichen Sele zu entfesseln. dabei die reichste nnd : lieben-würdigste Märenin Berlins.« »Ehe schöne Frau!« Theodor sprach es gedankenvoll vor sich hm, « « ein Freund, Angelika ist mehr als eine schöne Frau, aber ich will nicht vorgreifen. Du wirft sie kennen ler nen, so sicher, als wir in fünf Minuten den Wannseebahnhof erreicht haben.« Die beiden Freunde fchritten durch den schmalen Gang am hauptgebiiude des Poisdamer Bahnhofs entlang, um leich daran in das Bestibiil des nnjeebahnhofes einzutreten. Use an edem Werktage um diese Zeit war der ahnfteig mti jungen Damen und der-en dicht bei-blind Sie läch elten und licherteu und stießen einander an, als e den jungen Maler mit dem großen ut und der langen Mähne an tommen sahen· Streitberg aber ach tete nicht aus sie, er stieg ruhig in ein Kupee dritter Klasse und wartete ge duldig, bis der Zug abging. Bei dem Fahrpreis von zwanzig Pfenni en glaubte er in ganz kurzer Zeit amosiel zu sein, denn siir das wenige eld tonntr man doch höchstens ein paar Ki " lotneter fahren. Wie erstaunte er aber, , als man ihm sagte, Schlachtensee sei die « siinste Station, und er habe iiber zwan zig Minuten zu fahren. Mit gro ern Interesse beobachtete er T durchs Fest e: die mäkrische Landschaft . und sand Pichlers Worte vollaus bestä tigt, daß sie durchaus nicht arm an iünstlerischen Motiven sei. Wie die « Augen einer schönen Frau blickten ihn zwei dunlle Wassertiiinpel hinter Lich J terselde an. Die Kronen entsetnter : Kiefern spiegelten sich in dem stillen Teich, über dem sich sandige Haideufer erhoben. die bräunlich von dem leuchten den Grün des Winterroggens abstachen. Endlich tam Schlachtensee. Streit berg stieg aus und drängte sich mit an derem Publikum durch die Baron sperre. Ein Bahnbearnter gab aus seine i: Frage nach Grimms Villa die Antwort, e: solle nur um den See herumgehen, da werde er sie schon finden. Der See lag still und glatt, zwischen dem gelben Userschils machten sich schon die braunen Fruchtlolben bemerkbar-, der etwas düstere Wald wars sein ern stes Spiegelbild aus das Wasser, in das die späte Sonne schimmernde Linien zog Eine schweigende Ruhe lag über » der Landschast Der schmale Weg zwi- ; « schen Seeuier und Wildgatter war un- J belebt. Einige Villen erhoben ihr hanpt über die braune Userböschung. Jn ih ren zierlichen Gärten standen die trotzi- » gen Reste eines zurückgedrängten Wald- ; geschlechtes, die Kiefern, wie Riesen s zwischen dem zwerghasten Ziergesträuch. ( Eine litnitliche Ruine erhob ihre vor nehme Silhouette in den strahlenden Himmel. Tbedi schritt weiter, der laute Lärm eines Waldgasthoses schlug an sein Obr, und endlich umfing ihn die tiese Ruhe des märtischen Waldes-. Ein paar Dammttxiere betrachteten ihn neu gierig und verschwanden dann hinter der Höhe, ans der ein Schauslet bis an die Brust in den Binsen vergraben stand. Streitberg hielt entzüat an. Frei lich war es nicht der romantische Zau ber seiner heimathlichen Berge, was er hier sah, aber jene herbe Einfachheit und die drastischen Formen, die weni gen perspektivischen Anhaltspunkte, die ein todtiicheres Können voraus-setzten, zogen ihn unwiderstehlich an, und es war ihm nicht möglich, weiter zu gehen, ohne sein Stizzenbuch zu ziehen und zu zeichnen. Darüber aber hätte er beinahe den eigentlichen Zweck seines Ausfluges ver gessen. Mit Schrecken sah er, daß seine Uhr bereits aus vier stand. Eiligst räumte er seine Sachen zusammen und ließ sie in der weiten Tasche seines Sammetjaquets verschwinden Einige Waldarbeiter, denen er be- . » gegnete, wiesen ihn nach Professor - Grimrns Villa, deren eisernes Gitter ; thor er auch schon nach wenigen Minu ten erreichte. Er Zssnete und durchschritt den wohlgepslegten Vorgarten, zwischen dessen bunten herbstblurnenbeeten und Boskets die dunklen, hochstämmigen Kiefern einen eigenartigen Reiz auss übten. Aus einer gothisch stilisirten Holz-! veranda erblickte Streitberg einen ge deckten Tisch, an dem sich ein Diener unt dem Arrangiren von Teller-n und Glä sern eifrig zu schasfen machte. Theo dor war also zur Unzeit gekommen, der Meister würde wohl in der nächsten Viertelstunde zu Tisch gehen. Zurück aber konnte er ietzt nicht mehr, denn eine mächtige dänische Dogge hatte ihn be merkt, schlug an un sprang ibrn in langen Saken entgegen. Der Diener blickte von einer Arbeit aus und stieg dann die Verandatreppe hinunter, den Ankömmling argwöhnjsch musternd. Emgebent ver Mahnung seines Freunde-, nicht allzu bescheiden zu sein, fragte er in einem etwas geringschäyew den Tone, ob der Meister zu sprechen sei. Der Diener machte verblüfft eine tiefe Verbeugung und entgegnete mit leifer Korrettur der Frage : »Herr Pro fessor ist im Atelier, wen habe ich die Ehre zu melden ?« Streitberg zog den Brief seines Leh rers aus der Tasche und gab ihn mit einer Visitentarte dem Diener. Jn der Wartezeit beschäftigte er sich mit der D ge, bie sich zutraulich von ihm ben ro en Kon trauen ließ und ihm schließlich ganz tarneradfchaftlich die schmuhige Tatze hat· Während Streitber sich noch mit dem hunbe be chiiftigte, öffnete sich die Thür, welche au die Veranda führte und Pro essor Grimm erschien auf ber Schwelle, EmpfehlungsbrieL welchen ver Die ner ihm überbracht hatte, in der hand. Professor Grimm war eine bedeutende sue-Zurichten das wueve Streitbekg auf den ersten Blick klar. Eine hohe, traftvolle Gestalt, durchdringende, ideale Augen und ein turzgehaltener bereits er rauter Bart verliehen der ganzen Ge alt etwas Würdevolles, Jmponirendes. Schnell auf Streitberä zutretend, sagte er: »Seien Sie wi kommen, . junger herr, womit tann ich Jhnen dienen?« «Es ist mein sehnlichster Wunsch, un ter Jhrer Leitung meine Studien in Ber lin zu vollenden,« antwortete Streitberz Deshalb richte ich an Sie die Bitte, mich » . -.-- HI [ « —·I—— als Schiller in Ihrem Mlier auszuneh men.« F Prof. Grimm dachte einige Augen : blicke nach, dann sagte er: »Den Streit -berg, da Sie grade zur Stunde des » Soupers eingetroffen sind, so seien See, :- bitte, fiir einige Stunden mein Gast. I Jch werde Jhnen dann ausführlich Ant E wort geben.« . z Dantend nahm Sireitberg die freund « liche Einladung an und nahm an vem . wirklich ausgezeichneten Mahle theil I Während desselben wurde wenig espros Tchen, doch musterte Professor rimrn ? in unaussälliger Weise sein Gegenüber ’ wiederholt mit prüfenden Blicken. Nach dem der Kassee und die Cigarren ge bracht waren, lehnte Prof. Grimm sich ln seinen Stuhl zurück und sagte: »Also, here Streitberg, ehe ich Ihnen eine definitive Antwort auf Ihr Blei liegen gehe, lassen Sie mich Sie zuerst auf einen wichtigen Punkt aufmerksam machen. Jch bin ein Maler der soge nannten alten Schule. Die Kunst ist siir mich etwas Abstrattes,«dessen For men ewig fixirt und wie das nbftralte Schöne auch ewig unveränderlich sind. Diese Richtung ist nach den heutigen Kunstbegriffen veraltet und ihre Anhän ger tönnte man mit Recht als Märtyrer der Kunst bezeichnen, da ibre Werte nicht »modern« und deshalb wenig begehrt sind. Klingende Anerkennung wird Jhi nen deshalb wenig zu Theil werden« wenn Sie als mein Schüler meinen Fußtapfen folgen. Haben Sie jedoch genug ideale Begeisterung fiir unsere Kunst, um sie ihrer selbst willen zu iiben und zu lieben. sv heiße ich Sie als met nen Schüler herzlich willtvtnmen.« »Gewiß habe ich diese Liebe zur Kunst,« erwiderte Streitberg, indessen möchte ich Sie, Herr Professor, fragen. ob nach Jhrer Ansicht nicht zwischen bei den Richtun en, der alten und modernen Schule, ein ittelweg liegt, welcher, an allen unumftsszlichen Maximen des ab stralten Kunfthegrifses festhaltend, doch auch dein unliiugbar Guten der moder nen Richtung gerecht wird?« Professor Grimm senkte nachdenklich die Stirn und es vergingen einige Au genblicke, ehe er erwiderte: - « »Auch nur ist dieser Gedanke manch mal ausgestiegen. ja ich habe sogar in einigen meiner Werte versucht, ihn in die That umzusetzen, doch vergeblich. uer und Wasser tann man nicht derm schen und meiner Auffassung und meinem Können nach stehen sich die beiden Rich tungen so extrem ge eniiber. Doch will ich die Möglichkeit e ner solchen Mittel strasze nicht völlig verwersen. Nur wird es einer ,iingeren Kraft vorbehalten blei ben müssen, den Gedanlen zur Wahrheit zu machen. Was bis jetzt in dieser Rich tung geschehen ist. ist für der-. Künstler entschieden teine Offenbarung, att der Kunst sind Zerrbilder geschas en, dir deutliche Zeugen der Dekadenz sind-" »Herr Professor," erwiderte Streit berg, »auch ich betenne mich zu dieser Auffassung und betrachte die Kunst der alten Schule als das Fund-erneut ohne welches lein künstlerisches Gebilde zu schaffen ist. Trotzdem verwerfe ich aber nicht das Moderne, sondern nur dessen Auswiichse. Jhr Anerbieten, mich als Schüler auszunehmen. nehme ich daher mit Dank an nnd bin gewiß, es wird sitt mich vom höchsten Werthe sein." »Nun, so lomrnen Sie Mittwoch früh nm 10 Uhr in die Atademie, wo wir-das Nähere verabreden wollen« Und mit freundlichem händedruck entliefz Pro fessor Grimm seinen Schüler, welcher höchst befriedigt mit dem Erfola des ; Tages in dass1 Atetier seines Freundes i zurückkehrte. Il. » Eine Stunde später saß er bequem i in Pichler’å Atelier, welcher emsig an dem lebensgroßen Modell eines Orang Utang arbeitete. Naturgemäß sprachen die Freunde über Professor Grimm und Streitberg bemerkte, daß ihm trotz aller Starrheit seiner Kunstanschauungen und seines unbeugsamen Jdealisrnus der ma terielle Erfolg doch nicht gefehlt zu haben schiene. »Ja, ja, er hat’s verstanden,« be mertte Pichler, »aber er ist auch ein ganzer Kerl. Die Modernen zwar mögen ihn nicht« denen ist es zu stack lich und ihren Farbensudeleien zu se r feind. Mit großen Klecksen und un bestimmten Schmierereien läßt sich Freund Grimm teinen Wind vorma chen. Das paßt den jungen Dachsen natürlich nicht. Wenn sie ein halbes Jahr gepinselt haben, wollen sie gro ße Genies fein und machen Ansstellun gen ihrer Werte, das hat er ihnen gründlich versalzen-« »Es scheint, Du bist gegen die mo derne Richtung« « »Im Gegentbeil, ich bin ftir alles, was modern, aber ich verlange ein fer tiges, abgerundetes Kunstwerk, keine flüchtige, verschwommene Stizze, und wo die Natur bestimmte und feste Li nien hat, totll ich sie auch im Bild. Wo Farben und Konturen ze ließen. sollen sie auf dem Bild zerflie en.« »Das gerade ist ja das Wesen der modernen Kunst. Was ich von ihr in München gesehen habe, hat mich liber rascht, ich möchte fast sagen, geblendet. Gewiß sind einige Schmierfinten da runter, die rechnen natürlich nicht mit. » Aber die Neigung, nur das zu malen, ? was der Künstler siebt, und nur wie er ; ex sieht, das ist doch ein gewaltiger ; Fortschritt in der Kunst.« «’ (Fortsetzung folgt.) s B r o m b e r g. —- Bürgermeister l Schmieder ist zum ersten Bitrgerrneifter von Eisenach gewählt worden.