Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, November 23, 1900, Sonntags-Blatt, Image 14

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    ..«- H«
Yngenieur Horstmann
...Roman von...
Yikhekm Hegekey
LIM
s . II net-Oh
Daj Laternenlicht unter den trie
fenden Scheiben warf zuckende Lichter
über gen Morast der Straße. Der
Wind deulte noch immer in denBaum- J
tronen. Zerbrochene Aeste waren bis E
susö Trottoir geflogen, in den blecher
neu Rinnen glucksts das rnit Eisstiicten
»derniischte Wasser, und von den Dä
chern ergoß sich ein dichter Sprühte
gen. Die beiden gingen schweigend
und gegen den Wind antämpfend bis
sur Jatobistraße.
Bett hatte den Kragen aufgeschla
gen und verfluchte innerlich dieses
scheuszliche Wetter, das ihne den Glanz
seines Cylinderg verdarb. Aber auf
den Jngmieur schienen Sturm und
Nässe keinen Eindruck zu machen. Mit
wuchtigen Schritten, da , der Schnur
unter seinen schweren Otieseln in e
Höhe spriytg ging er gemächlich weiter,
den Kopf in den Nacken geworfen. Von
Einen rothen Backen, aus den dünnen
bträhnen seines Schnurrbartes rann
das Wasser hinunter. Plötzlich fragte
tr:
«Wohnen die Leute schon lange in
Düsseldors?«
»So lange ich denken tann."
«Nach dein Leben, das sie führen,
sollte man annehmen, daß sie ziemlich
vermögend sind.«
.Darüber iann ich Ihnen wirklich
keinen Aufschluß geben«
»Ich fragte auch nur so obenhin,«
erwiderte der Ingenieur. Jedenfalls
stachen sie einen soliden Eindruck.«
holleder lachte.
»Solide!« Wenn die nicht solide
sind. dann weiß ich überhaupt nicht,
tvet solide sein soll. Die Düöbachs ge
öören zu den besten Familien. Sie
haben ja gehört, was die alte Dame
für Grundsätze hat. Als junger Mann
tommt man sich ganz zertnirscht vor.««
Horstmann nickte bedächtig.
»Manchmal freilich trügt der
Scheinl« — « « »
«
yornmann und Voueoer waren in
die Viltotiastraße eingebacken Auf ih
rer Seite hatte ein Photograph feinen
Laden· olleder blieb stehen und zeigte
in das ll erleuchtete Schaufenfter,
wo auf dem dunklen Pliifchgrund hin
ter verschiedenen männlichen Bildnis
. sen ein weiter Halbkreis düsseldorser
Damen ausgestellt war.
«Hübsch, nicht wahr? Da soll sich
mal einer anderswo umsehen, ob er da
auch so viele nette Mädchen findet.
Illle zum Küssen —- leider keine zum
Deiratben.«
»Warum nichts«
»Ja wenia Moneten!'· erwiderte
Bert. »Wenn ich 'mal heirathe, muß
mindestens eine halbe Million her
auskommen Das habe ich meiner
Mutter auf dem Todtenbette geschwo
ren."
Der Jngenieur hatte die Reihe der
Bilde-e mit gleichgültigen Blicken über
flogen· Plötlich deutete et auf eins.
»Das ist ja Fräulein Düslsach.«
«Richtig!« versetzte Bett leichtczim
horstniann lieh den Blict nicht ab
von der Photographie, die Anna in
einem reichen, tief aus-geschnittenen
Ballkleid darstellte.
»Hi- inöchte das Bild haben.«
« ber der Photograle wird-? Ih
nen kaum verlaufen. Jch glaube, das
ist nicht einmal erlaubt.«
JWenn Ihnen viel daran iiegt,«
fuhr Beet fort, «mich kennt der Pho
Vgtgpbs«» «
»Sie thäien mir einen großen Ge- "
fallen,« fu«-ge der Ingenieur, wäh
rend seine ugen vor Freude glänzten.
oZugleich griff er in die Tasche;
eder schien diese Bewegung ozu
übersehen und ging rasch in den La
den Als er zurück kam, gab er Herst
nsiann das Bild.
»Ich werde es gut verwahren. Sie
haben mir einen großen Gefallen ge
Sie waren seht-einend weiter ge
jZangen, bis horfnnann unter einer
terne sieben blieb.
»Ich möchte Sie etwas fragen, Herr
holleder.« .
«Bitte.«
«Fkiinlein Diisbach ist aus guter
Familie, ihre Mutter lebt in geordne
ten Berpälinissem sie ist in dem Alter,
wo die jungen Mädchen sich verloben.
Warum ist fre noch freis«
Beet suckie die Achseln.
Deine Ahnung! Jch weiß nur, daß
schon Mancher bei ihr einen Korb
edit hat« Die nimmt nicht den er
«teSie wartet auf irgend einen adeli
gn Lieuienani, « sagte Horstniann
arm
seri Wie, wie der daß in ihm
MM enden Menf schen an seiner
engeheiine Wünsche er im
errieih Er war uber
nnd die ihr-nd des Jn
halten würde. wenn et
sing-er nach ihr aus
, daschen s war ee über eui ,daß
wenn eeruchfeine enn
»Unser mmsie Muntdeuwllrk
,M Medic einen reichen Mann nnd
iit Beet war es noch ein Glück. wenn
iefe Verbindung durch feine Vermitt
lung zu Stande lam. Aber in die em
Augenblick war ihm der Gedanke, aß
Anna dem häßlichen. brutalen Bauer
angehören sollte, fast unerträglich. Er
hätte gern jeinem Begleiter ir end eine
kränkende Bosheit in’s Ge Iet- e
schleudert, daß ihm die Liebesge an en
vergingen. Aber er bezwang sich. er
schluckte Haß und Neid hinunter.
.Einen Lieutenanti Ah. bah, iäber
die Naivitiit ist sie hinaus. Die nimmt
Jemanden, an den kein Mensch ge
dacht hat —— irgend ’n en reichru
Protzen.«
Auf der Königsallee pfiff der Wiin
noch ärger als vorher. Der Jngrnieir
stapste schweigend und eigensinnig trei
ter, immer gerade aus« der Himmel
mochte wisset-» wohin. Schließlich ver
lot Bett die Geduld.
»Ich möchte nach Hause nehm Ich
bin wirklich naß wie ’ne Katze.« «
Horitmann blieb stehen« seine zwin
kernden Augen weit aufreißend, ten
Arm seines Begleiter-s wie mit einem
eisernen Band umpressend. polterte er
heraus:
»Ich will Fräulein Düsbach heira
then —- wenn sie mich nimmt!·«
Das Blut war ihm in’s Gesicht ge
schossen, das Weiße in seinen klugen
hatte einen grellen Glanz, und in dem
anzen Ausdruck des Mannes lag eine
ildheit, als wenn er geingt hatte:
i;Di«e Borse her, oder es geht an’s Le- «
en.«
»Sie werden mich sur verruat nai
ten, Herr Holleder, daß ich noch on
dergleichen denke. Aber bis jetzt habe
ich all meine Tage geschustet und mich
geplagt und habe rielleicht mehr Hinter
mir gebracht als ein Dutzend andere.
Jch bin kein schöner Mann, tein ele
ganter Schwerenöther, wie sie hier ber
umlausen. Aber dafür lann ich mei
ner Frau was bieten, ich kann ihr cin
reiches Leben im großen Stil schaffe::,
wenn sie sich darnach sehnt. Jch bin
nicht mehr jung, schon fünfzig, aber
was die Arbeit nicht abgenutzt hat,
das isi noch da. Die Knochen sind ne
sund. Hinterm Ofen zu hocken, bade
ich kein Verlangen, ich bin frisch sind
start. Jn der Beziehung kann ich esner
jungen lebenslustigen Frau schon ge
nügen-Nun sagen Sie. ob Sie etwas
;oinen,« stieß Bett unwillig herror.
»Das ist der Haken. Sie wisien es
nicht, und ich weiß es nicht. Niemand
kann wissen, was solch ein Geschöpf «
im Kopfe hat. Wenn ich hingebe und T
sage ihr mit dürren Worten: »Friiu
lem Düsbach wollen Sie mich zurn
Mann?« dann dreht sie sich um und
lcscht mich aus. Und davor hab’ ich
Angst. Angst, wissen Sie, An sitt
Jetzt sollten mich zehn Kerle anso en,
ich wollte ihnen schon meine Finste zei
gen. Aber dies Mädchen, dies halbe
Kind, das nichts von der Welt Ver
steht —- daö schnürt mir den li»-.r.r
zu und macht mich zum dummen Jun
gen." -
»Na« so schlimm ist das doch nicht«
»Sie md iung nnd können tas.
nicht verstehen. Aber ich bin alt. Und
mit dem Alter wird man hart und
mißtranisch Wenn tnir das Märchen
geringschätzig wie dem ersten besten
»nein sagte —- ich . . . ich glaube, ich
schlüge e um die Obren.«
Bett mußte unwillkürlich lachen.
»Sie brauchen doch nicht leich mir
der ThiireinI hause zu sa en. « ch
würde erst mal vorsichtig die Fii l
hörner ausstrecken.«
Aber der Jngmieut schüttelte heftig .
den Kons.
»Damit verstehe ich mich nicht. Ja
oder nein!'«
Bett grinste still vor sich hin. Da
legte goestmann schwer die Hand aus
seine »- ltet und sagte:
Werth-Lieben Sie haben mit heute »
schon einen Gefallen gethan· Spre
chen Sie mal mit dem Mädchen!«
Der Maler wurde blaß, und das»
Lächeln um seine Lippen bekam einen
bösen Ausdruck.
«Glauben Sie, das wäre von Vot
theil?"
«Ja. Jch verstehe nicht, andere
Leute zu zu überreden. Die
Dinge machen, das kann ich. Aber so
lange es Ich um schöne Worte han
delt, habe Ich immer jemand anders
vvræeschickt Seien Sie in diesem
Fa e mein Fütsprechet.«
»Ich will mein Möglichsteö versu
n «
Horstmann streckte seinem jungen
Freunde die Sand bin.
danke Jhnen.«
Nin Evenelinsplahe trennten sie
Bett versprach, Anna am näch
" n Tage»auszusuchen. Als er schon
z t lu tete und sich mit entwen
; tione em ächeln verabschiedete, sagte
f detJngenieut mit einem Blick aus
f die gide schwarzen Haare des
annes, auf die weißen
n
tm en
« e, die hinter dem trat-sen
imbatt blittem
htt, sckn Kerl wie Mel . .
ItaJna Sie. esache tt«
dankend-is CIitzt-l- ioie ist-trans
It
d ei l
Ei- wsåsk ist-II Mit-IN
« zweistlhafte Baumeister unsicherer Un- s
rend er das riiumiae Wohniimmer
dur ·tt. a hmete er tief auf. Seine
Wer ng lag in guter Hand. Das
Mdehen mußte thdrtcht sein, wenn sie
ihn ausschlag.
Er zündete das Gai an und seste
F bequem in einen der breiten Lehn
i
hle von rothem Plüsckr Auf dem—
seh lag ein großes Couvert mit amt
lichen Siegeln. horstmann le te die
Beschaut-gen und Berechnungen iserte
und las noch eimal das Schreiben, das
i m den Bau der Brücke übertru .
nn holte er aus feiner Beutttascse
Kanns Photographie und legte sie ne
den den Brief.
Den Kopf auf seinen Arm gestüit
schaute er beides an. VielerleiGedanten
gin en durch seinen Geist. Er dachte
an rt und wunderte sich uber das
Vertrauen« das er diesem halbsremden
Menschen entgegengedracht hatte.
Er dachte an das Mädchen, dessen
rohe, strahlende Augen gerade in
feine sahen. Ader nach einer Weile
richtete er sich auf. Er steckte sich eine
schwere Hamna-Ciaarre an, der ein
ige Luxus, an den er sich gewöhnt
satte. Den plumpen Kopf mit den
noch nassen Haaren gegen den rothen
Sammet lehnend, starrte re traum
verloten zu dem hellen Licht empir.
Ein ungeheueer Glücksqefiiht übertam
ihn mit einem Male -— Das Gefühl,
daß er jetzt an Dem Wendepucir scfnes
Lebens stand. Aus- den Lisuvcen ernes
« halbverwilderten Landes- «var er in
die Heimath zurückgekehrt berufen zu
einem Wert, dessen Ausführung feinen
Namen in die der ersten Ingenieure
Deutschlands reiben würcr. Es trar
vorher mit der Eintritt-Jung und
Knechtschast. er stand nicht mehr auf ;
schwantem Boden, war nicht mehr der »
« ternehnrer. Der Pian, auf dem er von
nun ab stehen würde. war sicher wie
ein Fels, die Regierung war sein Aus
traggeber, und ebenso wie ihre Lauter
leit würde auch die seine über allen
Zweifel erhaben sein. Ihm war, als
hatteer den tiefen. duntlen Tunnel,
in dessen trüber Stickluft er bis jetzt
gehaust hatte, endlich durchbohrt und
vor ihm lag im Sonnenglanz ein
neues Land. Er reate die Brust und
breitete die Arme aus wie ern befreiter
Titan. Dann dachte er an das Mäd
chen. das er sich zum Weibe nehmen
wollte. Sie war schön. et konnte sich
voll Stolz mit ihr zehen.
Die Zutunft that iin vor ihm auf
in glänzenden Bildern. und sein nach
Ehren und Genuß büritenbes Herz
tranl sich satt in weitfanveiscnden
Phantasien, die all seine heißen Wän
sche erfüllten. Die Vergangenheit lag
hinter ihm in tiefem Buntel . ..
Es war meer als dreißig Jahre ber,
daß Horsimann einen Eindruck erlebt
hatte, der siir sein ganzes Leben ent- «
scheidend sein sollte.
Der Pfiss einer Latomvtive, das
dumpsePrasseln auf den Schienen, das
die Mibe eines Zuges ankündigte, das
Heranfausen der Eiseniolosse, unier
deren Gewalt der Boden erzitterte, und
die im nächsten Augenblick schon wie
Phantorne der Lust verschwunden wa
ren —- diese Eindrücke. gegen die wie
am Ende unseres Jahrhunderts fast
aiinzlich abgestumpft sind, hatten es
in vierzebnjiihei en Buben, der an
der Hand seines aiers vor der da
mals seit weniaen Jahren eröffneten
bergischernärlisckxn Eisenbabnlinie
stand, so mächtig angetban, daß er von
dem Augenblick an teinen anderen Ge
danken mehr hatte, als den, solch ein
eiserneö Thier zu besteigen und selbst
zu lenken. Es war, als wenn das
Schicksal ibn in diesem Augenblick mit
mächtiger band aufgeeiittelt und ihm
den Weg gewiesen halte, too seine Be
stimmung lag- ·
; Aus den einsamen, weltrntlegenen
. höben des betgischen Dorfes Lurmgen
I war der Vater nach Elberfeld hinunter
gestiegen, um sich dort neues Werlze
zu tausen. Er war ied, weit un
breit bei ten Bauern lannt als ein
Mann, der triiftiger den mmer zu
fii ten vermochte, als rgend em
mieb der Umgegend.
Sein Bub sah aus« als wurde er
seinem Vater einmal leichlonimen,
vielleicht ibn gar übertreffen Derselbe
Bau des sreilich noch unentwickelten
Kdrperä, breite Brust und kurze, stam
mige Beine, dazu zwei Arme, die jetzt
schon tüchti zuschlaaen konnten und
manch nnge iikiges Stück Eisen breit
gehäminert ba ten. Auch lag in dein
. Gesicht des Jitii en chon etwas von
dein trohigen Gr inm es Vaters. der
; ein jähzorniger Mann nnd ein gefähr
’ licherGegner im Wirthshausstreit war.
Aber das erstaunte Ausblitzen der Au
gen, der Zug eines sehnsüchtiaen, bis
« ur Wildlieit gesteigerten Wunsches,
- get das Gesicht des Jungen beseelte,
hätte sich in den grob geschnittenen
Zügen des Vaters nie ausprägen tön
nen.
Ob das die Eisenbahn sei, wohin sie
führe, woher sie käme? hatte der Biib
« esragt, aber der Alte, der das Ding
Beute elbst zum ersten Male sah wußte
T keine ntwort und sagte desha nur:
» Halt die Schnauze!" — Als er aber
; nach Besorguna seiner Eintiiuxe den
Sohn in der kleinen Gastwirt schast,
wo er ibn elassen hatte, wieder ans
J suchen woll e, sand er ihn nicht inebr.
De- Skiinge sioar an jene Stelle, wo der
Ba amin die Chanssee durchschnitt,
zu ageschlichem von da sand er, im
iner den Geleisen folgend, den Weg
uni sah-thos, wo er einen ng ab
bainpsen sa . Jett tonte er erLusi
nach einer-« brt nicht inelir wider
n· In Dunkelheit kletterte er
einen der Güterwaagons und machte
ais nächsten Metze-it eine Ret e mit,
die ihn viele Mei ostwarts achte. .
sind Rasse-e entdeetäev ihn, estt txurde
W n nz ei von
dem geduckten then zwi chen den Boh
len nach use transportiri.
Sein ater schlug ihn halh todt.
Aber ei war, als wenn der Bad durch
das Stückchen Welt, das er gesehen
hatte, iider Nacht »zum Mann erwach
sen wäre, er schrie nicht mehr wie
sriiher vor Schmerz. lsondern nahm
stillschweigend die Pr« gel hin, mit
einem Ausdruck grimmiger Wildbeit
im Gesicht Gegen seine Wanderlust
und den Drang nach jenen schwarzen
Ungethiimen gab es von nun an letn
Halten mehr. Wenn der Vater ur
Dämmerstunde im Dorf war, erin lte
e: seiner Mutter von den Erlebnissen
auf der Eisenbahn, beschrieb, wie er
unter den Ballen gehockt hatte. und wie
die Bäume, Felder, Wiesen und Häu
ser an ihm vorbeigeflogen waren. bis
aus einmal der weiße Gischt der Loto
motive ihn umhüllte, daß er nur das
Getöse der rollenden Räder vernahm.
Sein letztes Wort war sietö: »Ich will
auch so einer werden, so’n Eisenbah
ner.« Wenn seine Mutter ihn dann
aber staate, wie er das anfangen
wollte, dann lonnte er nach langem
Brüten nur die Antwort geben: »Wie
idskss mache, weiß ich nicht. Ader ich
iixach’«2!«
Doch er mußte sich noch gedulden.
Taa aus, Tag ein standen Vater und
Sohn mit ranchqesckrviirzten Gesichtern
am Amboß sich aegeniider, in dem
Halt-dunkel dcheristatt, oie im Som
mer durch die geöffnete Thür, im
Winter durch das unter dem Blasebalg
glühende Feuer Licht empfina. Sie
wechselten selten ein Wort, auszer daß
der Alte in dem Getöse der Hammers
schlage seinem Sohn einen Befehl zip-O
schrie. Und dann schwang er seinen
Hammer, als wenn er irgend eine
grrße Wuth in seinem Innern hätte,
die er an dem Eisen auslassen müßte.
Mit seinem Sohne ging er womöglich
; noch schlechter um. als mit den remden
. Lebt-haben die er stiiher geha t. Ost
genug stieß er ihn mit dem glühenden
Eisen gegen das Schurzfell, oder schlug
ihm die Zange um die Ohren. Aber
der Junge sing ietzt an trotzig auszu
mucken, und wenn er einen Knuss be
trmmen hatte, ließ er den Hammer mit
solchem Ingrimm niedersausrn, daß
dem Vater die glühenden Spiihne ins
Gesicht spritzten
Das ainq to beinahe ein Jahr lang
Ueber die Eisenbahn hatten die beiden
nie ein Wort miteincnder gewechselt.
Der alte Schmied war nur durch feine
Frau mii Gustavs Plänen bekannt ac
isxordem Aber eines Tages kam dieser
später als gewöhnlich herunter. Er
batteSonntagstleidee an, sich ein Bün
del geschnürt und trug in der band
einen derben Eichenftoctl So trat er
in die Werkstatt ein.
»Ich geh’ jetzt, Vaterl«
Der Alte sah ihn groß an und er
widerte nur:
»Du bist wohl gekl!«
»Ich bin nicht geei. Jch will jehi
H geizen. Jch kann mir mein Brod sel
s ber derdienen!«
’ Der Schmied ließ den Hammer sin
I len. ging auf feinen Sohn zu, riß itm
das Bündel aus der Hand und gab ihsn
selbst einen Stoß, daß er aus der
Thiit flog.
) »Nun siehst Du Dich aus und gehst
an die Arbeit!«
Aber der Junge hatte sich aufgerich
tet und wiederholte seine Worte·
»Ich gehe, Vater, ich bin alt genugs«
; Und mit dem Fuße aufstampfend,
. schrie er in einem Laut, in dein seine
» Tanze wilde Sehnsucht zum Ausdruck
I am:
! »Ich muß gehen. Jch hatt-s hie
! nkchi ehr länger ausl«
Nun wurde der Alte wirklich wü
tbend, er ergriff einen schweren Feuer
halen und stürzte sich mit einem Fluch
auf seinen Sohn. Dach ehe er zu
lchlagen konnte. hatte dieser einen
hatnnier ergriffen und schwang ihn
über seines Vaters Kopf.
»Vater, laß los, sonst-sich fchlag’
Dich lapui!«
Um unsorua so jammerten sinn
loser Wutb lag in feinem Gesicht, daß
der alte Schmied furchtsam zurückwich,
als wenn er in dem Sohn den Meister
gefunden hätte. Er wars den Feuer
haten bei Seite und sagte ruhig:
«Thu den Hammer wegl«
Jrn Augenblick aber, wo dieser den
Hammer hatte Wien lassen, stürzte er
sich aus ihn. r Sohn wich dem
Schlage aus und schrie: »Schlag mich
nicht! Schlag mich nicht! l« Dann hiel
ten die beiden Männer sich umschlun
gen, sie sagten jetzt lein Wort mehr,
bald waren ihre Gesichter dunlelroth
vom Widerschein der Gluth, bald starr
len sie Isich mit weißleuchtenden Augen
an, wa· rend einer den anderen unter
zulriegen suchte. Schließlich gelang es
drm Alten, den Sohn in einen hausen
eiierner Reisen bineinzuwersem dann
kniete er aus ihn und schan zu, daß
das Blut binuntertrasß jeden Schlag
mit einem lriistiaen Fluch begleitend.
Daraus wars er den Halbohnmächtiaen
ur ThiIr hnaus und sagte ihm, er
solle sich an der Pumpe waschen.
In der nächsten Nacht brannte Gu
durch. -
»Wie ich's mache, wei ich nicht.
Aber ich mach’s!" Dies ort wurde
der Wa lspruch seines Lebens. Mit
diesem ort bahnte er sich von nun ab
seinen Weg durch dick und dünn, liber
wand er die Varurtheile derer, die
nichts von ihm wissen wollten« legte er
ndernitse nieder, die unüberwindlich
chienety errang er Erfolge aus Er
alsa die man lamn siir laubhast
hie t, die man am allerweniarteas aber
ihn ingetrautsdiittr. Denn der sin
stere. wortlarae Bursche mit den trpr
—
aen Augen unter vufchigen Brauen,
mit ver buckli en Stirn. die wie aus
Metall getr« schien. in auf
alle Leute den Eindruck eines uniins
tot-set
Alz gewöhnlicher Erdarbeiter bei
der Bahn fing er an. Mehrere Jahre
führte er ein elendes Dasein. Ader in
rein Zusammcnlehen mit diesen hunt
durch einander gewürieiten hausen
lernte er seine Leute rennen und ve
herrschen. Ohne ie eine Grammatik
in der Dand gehabt zu haben, lernte
er doch to viel polniich und italienisch,
daß er fich nothdiiriiia verständigen
rannte. Abends saß er noch lange
wach in feiner Erdhiittr. wo die ande
ren längst auf ihren Strohsiiclen
schnarchten. und brütete iiver techni
schen Lehrbuch-sin, die er sich von sei- »
nen Ersparnisfeii getauft harte. ern «
ganzen Lag uher ivalite cr bei Der »
Arveit die halb verstandenen Pro- !
vienie in seinem Kopfe hin und her. !
Eine iinftere Schivermurh lafieie wah
end dieser ganzen Jahre auf ihm, die z
ihn viel alter erscheinen ließ, ais er -
war. Er litt unter seiner Stellung,
er litt darunter, daß er fich auf einein s
falschen Platz befand. Jn einer wah
ren Berserterivuth schwang er seine
Hacke und riß die Erdschollen herun- ;
ter, als irenn er selber dort unten noch
iin tiefen Dunkel begraben lage und
sich auf diese Weise zum Licht empor
arbeiten könne. Nie war er eigentlich
fröhlich, auch nie betrunken. Aber
wenn irgend einer ihn reizte, so ergriff
i n ein Jähzorm daß er in feiner
"chternheit sinnloser und befiiali
cher war, als andere im tollste-i
. ansch. Nachdem er mehrere Jahre
lana aus viele·Weife gearbeitet, hatte
er sich die Mittel erspart, in Zürich ein
technisches Institut zu besuchen. Jri
einein Alter. wo die jungen Leute vorn
herkömmlichen Bildiinasgang schon
als fertige Ingenieure in den pralti
schen Dienst eintreten, fing er erst an
zu lernen. Und wie gering die Ver
lenntnisse auch waren, die inan va
nials von den Schülern verlangte, io
wurde ihm der Weg durch die Hörsäle
doch fast noch schwerer, als der Wen
dahin. Er zeichnete sich durch nicht
aus, als durch die dumpfe Entschlos
senheit, womit er Tag und Nacht ar
beitete, freilich ohne äußere Erfolge zu
erzielen. Nur seine tonftruttiven Ar- «
betten waren derart. das die Lehrer
einerseits über die naive Einfalt des
Phantasten, der von der ungeheuren
Komplizirtheit wirklicher Verhältnisse
teine Ahnung zu haben schien, lachten,
und ihn auf der anderen Seite doch
wegen feiner Oti inalitöt und einer
gewissen grandiofen Kühnheit in sei
nen Entwurfen verwundert ansahen.
Diejenigen von seinen Lehrera, welche
ihm wohlwolxtem und ihn nicht ganz
verworfen, meinten, er sei in feiner
Art ein Genie, aber ein dumpfes
Genie, ohne den erleuchtenden Funlen
des Verstandes,sdas nie etwas Reali
grbares schaffen würde. Er hatte
aran nur immer die verzweifelte
Antwort:
»Gebt rnir einen Mathematiter. der
die N nungen in den Einzelheiten
richti9« tellt, machen werde ich es fchvn
Mit Mühe und Noth bestand
borstenann seine Eramina und führte
dann wieder ein vagabondirendeg Le- l
ben, seht aber wenigstens als llnrer
Jngeniuer. Damals, in der Zeit der
rapiden Eifenbahnbauten, fand jeder,
der einigermaßen verwendbar war,
eine Stellun . Jahrelang ltickte es
ihm ni t, sich ir endwie ervorzus
thun. a endlich chlug seine Stun
de. Er hatte eine Stelle als Inge
nieur der Unianbant, die damals den
Bau der fchon einmal vertrachten un
garischen Nordostbahn fortsetzte. We
eines großen Sumpfes sollte die
enentrace in einem rneilenlangen
Bogen eführt werden, was ntcht nur
die her ellung um Hunderttausende
vertheuerte, sondern auch die Linie
selbst nnrentabel . rnachen rnußia
l Botnrnann reichte ern Projeu ein zur
eberbriiclung des Sumpfes-. Luni
Glück hatte er einen Freund gefun en,
der feinem bilflofen, plumpen Ent
wurf einen wissenschaftlichen Anftrich
gab. Er reiste nach Budapeft und
trat personli für feinen Vorschlag
ein. Einem erbör von Finanzba
ten und ngenieuren unterzogen,
wußte et an all’ deren Kreuz- und
Querftagen nur die halsstarrige Ant
wort Zu geben: »Wie cch’s mache,
weiß ch nicht. Aber ich mach's.'«
Die halbe Verzweiflung der Unter
nehmer-, die am Ende ihrer Mittel
standen, und denen jede Tollliihnbeit
bessere schien, als der sichere Rain,
machte sie für das Projett gefügig.
horftmann führte seinen Willen
durch. Die fcheinbare Unetgriindlich
teit des Sumpfes, der immer neues
Material verfchluctte, ein Aus-brach
von Typhus, wiederholte Mentereien
der Arbeiter, nichts lonnte ihn zur
Umlehr bewegen. Am festgesetzten
Tage glitt die Maschine iiber die Ei
enftriinge bin, leicht schwankend auf
em moori en Grunde, wahrend zu
beiden Se ten des Dammes trübe
Waffeeblafen aus kein Sumpf auf
fiiegen. Die Bahn wurde von staatli
chen Sachverständigen abgenommen.
Der tolltiibne Inaenieur lachte über
die Blindheit dieser Leute. die pedan
ttfchetnige Kleinigkeiten beanstande
ten und nicht mertten, daß an man
chen Stellen der Balmdamrn ein hohles
Bretter-wert war. um das nur lockere
Erdmatfen aefchüttet waren. Er
wußte wohl, daß tn absehbarer Zeit
das bolz verfaulen würde. doch in
fchen, hoffte et, würde lich der dar
gefchiittete Erdtitrver genügend
w
ttxxcnltdirt haben. vnrn die sahn in
n nun an gab et keinen begehr
teren Jngrnienr als ibn. Er toar mit
feiner Rudsichtttoftatein die ohne Ve
denten das eigene wie fremdes Leben
CY7«5»St-kel fette, der aefunoeneMann
fnr diese großen, dtt auf Winle
gegrandeten Gesellschaften die nach
dem Wie nicht fragten, denen- es nur
darauf ankam. date etne Bahn mag
lichft billig und bis zur festgeiepien
Zeit gebaut wurde. Er wich dar nichiz
. mehr zurück. Keine Aussicht cui
! Durchbdhrung treter Berge, ’ nicht die
- Notwendigkeit hatt-hoher Damme,
nicht Flüsse, noch Sittndfe, nrch Fet
fen schreckt-n ihn M DaJvo di
anderen zaghaft wurden, feste fein
Kraft ein. Er verlachte alle Regeln tser
Schule und richtete eine förmuchx sie
dolution an durch feine Art zu dahin.
Wenn früher die herbeifaysffung
des Materials in diese der Kanne ent
leaenen Gegenden eine der qrafnen
Schwierigteiten gewesen war, fo stellte
er den Grundsatz auf, die Bann-eile
miifse sich nach der Beschaffenheit des
Landes richten. und man müsse das
Material verwenden. das man vor
fände. Wenn es früher geheißen hatte,
der seies, den man als Untern-ge ver
wendete, dürfe nicht tteiner axs eine
Erbse, nicht größer als ein Tand-net
fein, so tagte er, daf; Kics überhaupt
nicht nöthig fei. und verwendete statt
dessen Sand oder Asche, oder irgend
ein anderes StopfunasmateriaL Its-en
fo machte er mit den Zieaetiteinen und
mit anderen Dingen. Aber es war we
der Gewissentotigteit noch Gewinn
sucht, die ihn to handeln tiefem sen-.
dern vor Allem die Emdörmxg gegen
alle hergebrachten Lehren, argen arte
Autoritäten für die. der »Seit
mademan", eine fast gehösfige Ver
nett-Luna bewies. Und dann rrar es
cncks das ftdlze Vertrauen auf feine
Kraft, das Bewußtsein, das-, its-in astee
zu wagen erlaubt fei. wovor die Hei
nen Geister zurüaichrertten cit, Man
e: sich selbst in feinem Innern zagt-m
füt)ite, waren ei- aerade die womka
lenken Ltbmachuaaen feiner Freunde
nnd dir Angriffe feiner Reiner, die
feinen Eigentum anfinchclten, daß er
rur noch trosiger und verinesfixsner
vorging.
und das Gtua war rmn ver an- m
nen Unternehmungen hatt-« dei sein-m
Bahnbatiten in Ungarn form-hu wie
tei der-. noch größeren in Runmnim
Tinte der verschiedensten Kaiaknituten
brachte er sie alle zu einem antei- tin-pie.
Und es gab für ihn keine grkkere
Freude, als wenn er den geliebte-r
Ussisf seiner Lotomotive und das
dumpfe Tosen der Eisentalosse in gie
srn weltentlegenen Geacnoen ver
nahm, die er selbst erst mit der Kultur
verbunden hatte.
Jn demselben Maße. rvie seine tech
nischen Fähigkeiten entwickelte nch
auch sein Organisation-staunt Mit
einem kleinen Stamm geschulter Leute
drang er in unwirtdtiche. hatt-asiatisc
Liinder vor und wußte sich dort aus
einer Bande zusammengelaufenen Ge
sindels ein feste-L ihm unterrdönizes
Arbeiterheer zu gestalten, über das er
reriiigen konnte, wie nur ein Gene
raltssnnus des dreißigjährigen Krieges
über die ihm eraebene Soldatesttn
Troßdem war er mehr aefüichtet ais
geliebt von seinen Arbeitern. Längst
hatte er sich gewöhnt. den Reovtver in
der Tasche zu tragen. . Oft genug war
das Wirthshaug oder die Var-me, die
ihm zur Wohnung diente« dem Angrisi
revoltirender Massen ausgesetzt Aber
er wußte sie stets niederzuzwingen
durch List oder Gewalt.
Dirne es zu wollen, durch die Ver
hältnisxk da u gebracht war er aus
einem ngetellren ein Gut-unterneh
tner ewordeth der Sirenen auf eige
nes isito aus baute. Dadurch legte er
den Grund zu seinem großen Vermö
gen
s . - s-.- n-«s l—Äl
VMU llUk Ictllcl Axt-Hut Hut Haue
er sich verlobt mit der Saht-: ein-:
lleinen Beamten. Er hatte das Platz
chen eigentlich nie geliebt. Halb m· ei
nem Anfall von Vergegen, der ihm
das befcheidene Dasein eines-Familien
vaterö erstrebensweeth erscheinen lies,
halb aus Dankbarkeit gegen die El
tern, die ihm in feiner ersten kamma
lichen Zeit viel Gutes erwiesen hatten,
hatte er die Wahl getroffen.» Spatek
als er in die· Höhe kam. lofte er fein
Wort ein. Aber die kurze Zeit des
ufamrnenlebens war für die beiden
eine Qual. Er paßte nicht zu dieser
edriickten, kleinriirgerlichen Frau.
Dielleicht weniger in Wirklichkeit, ais
in der Entbindung daß fie das ganze
Leben hindurch seine Begleiterin fein
würde, hing fie wie eine Sessel an lei
nen Füßen. Er war rund zu ihr, ehne
es zu wollen, sie verdarb ihn- das Le
ben durch ihre tleinlichen Miiteleien.
Er athmete au«, als er durch feine
Reisen von ihr getrennt wurde.
Nach anderhalbjähriaer Ehe starb
sie, ohne daß sich die beiden ineinander
eingelebt hätten. Sie hinterließ ihm
eine Tochter, die bei der Großmutter
blieb. Er vergaß feine Frau nach tur
zer Zeit und fo wenig hatte er sich mit
ihr eins gefühlt, daß er nicht einmal
fiir fein Kind Interesse hegte.
Gortfehung frigU
Laut der Entfcheidun der franzö
Efllken Gerichte hat die räfin Guld
a tellane in Zukunft täglich nur noch
81650 zu verzehren. Es mu ein be
iingftigendei Gefühl fein, si mit ei
ner solchen LCMJC te durch die Welt
schlagen zu m en.
i is i
In der Leiter des cigenditntels
lann Meinste iiber die anderen
Welches-net