Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, October 26, 1900, Sonntags-Blatt, Image 14

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    Z Jn’s Bodcnloer
I
Erzählung von J. von Kopfs
· Essenthexx
(2. Fartteynnqq
Mach schloß die Augen. O, wäre
ei doch in den Tod gegangen! Sie
« lte sich so ohnmächtig, so unglucks
eleg. Ganz nuslos hatte sie ihrer
weichen Natur Gewalt angethan,
tte mit ihren Anspielungen aus die
rgangenheit sich vor sich selbst er
niedrigt, sich preisgegeben Und Ma
ria siegte dennoch . . .
Wie Frau Horstmann dorhergesagt,
war es hier draußen auf der roßen
havel sehr windig. Ein schar? ge
Jacktes, goldumrandetes, dunkles Ge
wölk stand am Abendhimmel nnd
Mitte he tige Windstöße über die
ssersla hin; die Segel flatterten
nnd zerrten an den Raaen Und das
Boot schwankte in seinem rasend
schnellen Fluge
Mary ühlte es über sich kommen
wie Schwindel- Sie sprach lein
Worthamehy saß· mit geschlossenen Au
sen
«Du Arme sürchtest dich«, sagte
fest Maria weich und fuhr ihr mit der
band über die Stirn. Und dann
wiederholte sie fast zärtlich: »Du
arme, arme kleine Maus!«
EineWeile blieb es ganz still. Marn
hörte nur das lattern und Knattern
geblähten egels, das leise rie- »
elnde Rauschen des Kielroassers. Und
der Ferne die Signalglocke eines .
Dankt-fett Dann wieder schlug ein
leises Lachen an ihr Ohr. Marias ;
endes Lachen. Und ein hinge- »
über ihren Kopf hinwe ein art
s Liebessan g z
nd ein tispdtlicheg Wehe erfaßte das
Pers des Mädchen, dag so einsam da
aß zwischen den Freunden Nun er ei
ner Anderen gehörte. fühlte sie, wie
sehr sienhn liebte. Und sie, sie wurde
icht wieder geliebt. wurde verschmäht,
xsehen, verlacht.
F ertes Wort von Ernst. Sie trie
Sie senkte den Kopf und barg das
gesteht in den Händen. Mochten die
iebezblicke, die schelmischen Gesten
nnd göttlichen Worte der beiden iiber
ihr zärtliches Haupt hinwegsliegen.
Plötzlich fuhr sie auf — das Boot
, tie sich mit jähem Ruck nach einer
. ite gesenkt. Und obaleich sie eben ge
dacht, es wäre am besten, zu sterben,
erschrak sie doch. Die Sonne. die noch
eben in röthlicher Glnth auf sie hernie
dergestrahlt, war mit einem Male bin
der dunklen Wolkenwand ver
chwunden Jn scharfen Stößen sauste
r Wind über die schaumgelrönten
Wellen. Und das Boot, das viel zu viel
spannter Leinwand trug, vermochte
Eos immer schwerer wieder aufzurich
. Schon hina das Bramseael, schief
zur Seite aepeitscht, im Wasser, dann
wieder slog es auf und spritzte ganze
Strahlen in das Bootsinnerr. Mit
tinheimlicher Geschwindigkeit sanfte der z
Kutter dahin. Maria vermochte den j
Kan nicht mehr zu halten.
«Jcb resse,« schrie Ernst, nnd er be- «
ab sich an die Leinen. Aber daBBranv
egeL gespannt zum Platzem gehorchte
n
»Ich I Its-« schrie Maria aanz hei
ter, wahrend Ernft’s Miene einige Be
rrgniß verrieth. »Man-, nimm du
S Steuer, schnell!«
Und während das Boot immer be- :
denklicher schwankte, wechselten die bei
den den Pla
Fast sinn oz griff Mary nach dein
Steuer. Mit je t weit auserissenen
uaen starrte te ans die beizeit Ge
lten hin, die sich da von dem brauen
Himmel abhoben. Sie tämpsien
gegen den Sturm, um ihm die Mai
UVL »Es Segel sy intxesßxw .
Da nand ihre helle, leuchtende Ge
kalt dicht neben der seinen. dunklen,
icht aneinander aefchmieat. Und
Mary fah jetzt, wie sich die lichte Ge
stalt dicht um die dunkle tanlte, und
wie die Lippen sich in eine-m langen
Knsse fanden. Und es ging ihr dursti
Herz wie ein zweifchneidiger Dolch.
Mit lrampfhafterAnftrenaung Hatte ;
Ernst das Segel herumgerissen. Wenn ;
Maria im Stande war, es nur eine
Biertelrninute lang in dieser Stellung T
festzuhalten, bis er die Schleifen gelöst,
die Ringe frei gemacht, dann mußte !
die Leinwand sinken, und die Gefahr ?
war nur noch halb fo groß. Aber ein ;
neuer gewaltiger Windstoß entriß ihr H
den Zipfel des Segels, das nun plötz- «
lich sich aufbliihte und mit einein gel- «
lenden Knacken die Raaen zerbrach. Jn
Fe n hing es in die Luft hineinz. ;
nd in demselben Augenblicke auch
ließ Mart-, von starrem Entsetzen ge
packt, das Steuer los —- rascher, alg
rann denken konnte, kipvte das Boot.
Ernst beachieie gar nicht, daß sie ge
rade da waren, an jener Stelle, vor
well-r ihn her-r von Zeichen gewarnt
—- da, wo man gleich ins Boden
e Ietfin .
crust und Maria fielen zuerst ins
Unser. Denn nach ihrer Seite bin
W das Fahr-eng. Mary hielt fich
IIO Orts-M fest, mit entf tem
. Mist-K den beides legefreut-, äu
Isc- , grauen, in en n
neichmiielten Use-i
Es » "Mchlngen. sie fabe
butwmkm
Uwsuwwst
als das Boot vollends umschlug und
als fsie sieh sinken fühlte und das Was
ser uher ihrem siederheißen Gesicht da
hinaleitem da siegte das dunkle
Grauen —- die Todessurcht
»Hilfe, Hilfe!« rief sie. »Ernst —
rette micht«
» Sie nannte ihn «du«, wie er damals
in der Tanzstunde einmal gethan —
; —· wie sie ihn im stillen immer nannte.
- Nicht er, sondern Maria hörte das
; deutlich.
Und schon warMary gesunken. Aber
eine schaukelnde Bewegung des gestürz
ten Bootes, an das sie sich noch immer
» klammerte, riß sie noch einmal hinaus.
»hilse, Ernst, Hilfe!« schrie sie von
« neuem.
!
Und sie vernahm deutlich, wie Ma
ria, an das jenseitige Ende des Boote
sich antrallend, rief
»Nette Mar , um Gottes willen —
ich schwimme Dort kommt das
Dampfschiss — rette —- rette Marht
Ich schwimme —- schwimme schon.«
E ne andere Welle etxiickte Muth
Klfa etrufe Aber schon ühlte sie sich
ge a
«Lozlassen! LoslassenP dröhnte
Crnsts Stimme ihr im Ohr. Er packte
sie um die Taille. Sie ließ den
Schisssrand fahren, ohne zu denken. «
Jn lunstgerechter Ruckenlage hielt
er sie über sich und schwamm in wohl
überlegten Stößen dem- Dampfer zu,
von dem sich auch schon ein Boot los
machte. .
Mary verlor die Besinnung; aber »
es war nur eine leichte Betäubung
durch den Schreck, das geschluclte Was
ser· Umgehen von neugierigen Men
schen erwachte sie am Bord des Dam- !
pfers zum klzewnßtseinc f « I
s »Die ledi,· horte sie tagen, unr
i dann wieder verschlang das dumpfe
s Stampsen der gehemmten Maschine
L die nächsten Worte. . etzt aber der
s nahm sie einen strebt ren Schrei:
«Wo ist — die andere Dame? Wo
l ist — Maria. Maria!" «
» Sie sah nichts von Ernst. Aber zit
ternd vor Frost in ibren nassen Klei
dern schrie auch sie:
.Maria —- Maria!« »
, Denn mit Blitzesschnelle war ihr
! alles tlar geworden. Maria hatte sich
j schwimmend retten wollen!
) Sie ri tete sich auf und blickte hin
f ab. Da tie eben Ernst, todtendlaß
und mit trie enden Kleidern, wie sie
elbst, mit dem Rettungsboote ieö
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i
ampsschisses ab. Maria war nicht ,
da —- nirgends zu sehen. Nur ihr« ;
Strohhütchen schautelte dort drüben
aus den Wellen. Wo war Maria? Sie
hatte dem Dampfer zuschwiminen wol
len. Alle Passagiere drängten sich an
die Backbordseite und Mary mitten J
unter ihnen.
Schon ziemlich treit von hier, in ap
« derer Strömung, trieb die »Ma!ie«,
den Kiel nach oben. In einiger Ent
fernung davon das zierliche, blumen
gescheniickte Strohhütchen· Frieolich
glitten sie dahin, das geirnterte Boot
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und das hütchen ..... und endlich —- s
ein helles Kleid, das unter dem Boote «
sichtbar wurde nnd wieder Versen-rann
Maria war unter den umgeitiirzten
Kutter gerathen.
Mary ab nur noch, wie Ernst und
die zwei änner von dem Dampfer
eine helle Gestalt aus dem Wasser zerr
ten. Es war Maria, die so tiilzn ge
steuert hatte.
Sie schleppte-i die regungslose, trie
gnde Gestalt in dem lichten Kleide an
ord und der Kapitän gab das Zei
chen zur Fortseyung der Fahrt.
Aus der blo n Diele. zwischen den
Bänken des ergniigungsdamp erö,
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lag dies « eMarta hingestreckt as «
weiße, g " Kleid schmuiig und zer- ;
rissen, die are aufgelöst and an e- I
klebt, die arren Augen halb of en.
das holde Gesickj bläulich ausgedien
en. Der ossene Mund ließ die wei
en Zähne durchschimmem Es war
wenig mehr zu sehen von ilzrer stolzen
SHnbein · «
s- st· s,kI-.,
Yclemanv Rouqu pas me gut-ca
unteren, vom Fieber geschüttelt, noch
immer ihre durchnäßten Kleider tru
gen. Woher auch trockene Kleider neh
men? «
Unter ten Passagieren befand sich
ein junger Arzt, ver gleich die Aermel
aufstreiftr. Er zerriß das feine, ge
stickte Kleid der Betunqlückten und
kniete ga z btutal auf ihrer schönen
weißen ruft, um durch hefti enDrnck
vie Athmung wieder herzuste en. An
wesende Damen erboten sich zum ostot
tiren. Das war ja eins der Erleb
nisse. bei denen man in angstvollem
Mitleid vergeht und die mit zu erleben
doch so sehr interessant ist«
Was giebt es da zu erzählen! Diese
schöne, el ante, junge Dame —- et
teunlent nd der hübsche In e Mann
mit dem Blick und der Seite r Ber
zweiflu !
Nach arti, die er neit Lebensge
fahr gerettet, fah auch jest keiner, fon
dern nur auf jene « te sich die all
gemtne Aufmerksamkett auf jene, die
er nich gerettet. -
cs war ganz dunkel eben.
hatte dte Betten til-te We- Mc
W ges sit. Au Anor tm des
seite- Iu an der Maschine tit
ne, Metallgegnstiinde u. t. w· erwärmt«
fiir den Falt, daß sich die Uthrnung
einstellen würde. Dann auch würden
Frottirungen sich angezeigt erweisen.
Mit geübterhantirung, triesend von
Schweiß und Erregung suchte der Arzt
immer und immer wieder in den »schu
nen blossen, von zerrissener Masche.
nassen Fetzen und irgend einem Plaid
balbbedeckten Körper den ersten Athems
zug einzuführen Es war alles inn
fonst. Maria athrnete nicht mehr.
Das slacternde Licht der niederen
Schissstajiite beschien eine noch immer
regungslose Gestalt.
Stumm und starr standen Ernst
nnd Mord dabei, als der Arzt erklärte:
»Alle Belebungsversuche sind der
gebens —- sie ist todt.««
Der Dann-fee legte soeben in Berlin
an. Und die Menge drängte nach dem
Ausgang. Nun dachte Jeder nur noch
an sich. Ganz allein lag die Todte auf
dem schmalen Sofa der Damentajüte.
Man hatte die Polizei gerufen, und
von dem Capitän war geboten worden,
io lange nicht an die Leiche zu rühren.
Der junge Arzt, selbst aufs Aeußerste
erschöpft, war gegangen, nachdem er
noch Ernst und Mary gerathen, rasch
die Kleider zu wechseln. Es tiinne ihr
Tod sein.
Der Tod —- das war ein leeres
Wort für die sinnlos Entsektem Jam
merertriintten, Schreckensstarrem
Ernst war iiber die Todte bingesuns
ten und regte sich nicht mehr.
Und Marn allmählich zum Bewußt
sein erwachend, daß er sie gerettet und
; Maria hatte ertrinten lassen, trat seht
s an ihn heran, legte die hand ans seine
Schulter nnd bauchte:
.Ernst —- Ernst . . .« Sie vermochte
nichts weiter hervorzubringen
Er aber schüttelte sie mit einer Ge
bärde des Abscheuez ab.
»Unselige!« ries er; »Sie ·- Sie
sind schuldts ·
IS — «- Ich
.Warurn ließen Sie das Steuer
los? Warum schrieen Sie so unsin
Mat«
Mord prallte, wie von einem Schlag
getrossen, zurück. Etwas Neues, Ent
setzliches stie« vor ihr aus« das sie trog .
nicht zu sa en vermochte· Und au J
giesversanh wie Maria, in’s Boden
o e .. . .
Viertez Capitel
.Du mußt heirathen, mein Junget«
seufzte Frau horstmann »Ich kann's
wirklich nicht mehr bezwingen, was soll
da werdens Die ganze Wirthschaft geht
Furtickt Nun tammt wieder das Ku
chenbaclen siir das Gesinde und dann
für uns . . .« Es war der alte Schick-·
talsruf, der Ernst ins Ohr tlang, wie
das Tantaluslied der Iphigenia. Er
sollte und mußte heirathen.
Inniq anhänglich den alten Eltern,
deren Glück und hoffnung er war, litt
er schwer darunter, anders zu sein, als
sie es wünschten. Er begriff sie ja, er
mit seiner Ueberlegenheit —- aher fie.
acht sie begriffen ihn nicht.
Seine Mutter hatte denTod Marias
als eine «Strase Gottes« angesehen,
hatte fleißig siir das ertrunlene Mäd
chen qehetet und nun, seit Maria sechs
Monate begraben, begann sie das alte
Lied:
»Du mußt heirathen — so geht es
nicht länger!«
Wäre Maria nur richtige »Braut«
gewesen, mit Zustimmung der Eltern
gewählt. förmlich verlobt — natürlich,
Ernst hätte vor ein bis zwei Jahren
lein anderes Mädchen ansehen dürfen.
Aber lot
Wohl sah sie, daß ihr Einziger in
tiefster Seele gebrochen war. Ader
gerade das glaubte sie deliimpsen u
müssen. Denn das »schlechte Mit -
chen« war ja gar nicht seine richtige
Braut gewesen. Das «schlechte Mäd
chen«, so sagte die Mutter —- das war
Maria, troh allem Respect vor dem
Tode. Denn man sagte ihr allerlei
nach. Und einem an " di en, braven
Mädchen« wie zum s ie dem Ma
rien-en, darf man n· tö nachsagen,
thut ei auch nicht. Etwas ist immer
an übler Nacht-ede.
So hatte sie die Sache Ernst erklärl.
Der aber war so furchtbar aufgefalp
ren« daß sie ras abschwiichte. Es war 1
auch kurz nach in Un liict gewesen, !
- das sie ja selbst, die tutter, nicht !
minder schwer erschüttert hatt-. Denn «
trie leicht konnte dem Sohne etwa-B .
passiren. Aber sie sah doch in dem
allen die Hand Gottes. Das schlechte
Mädchen war ertrunlen, und das
brave; gute Mädchen hatte Ernst ge
rettet —- fiir sich selbst, natürlich.
Nun stand Ostern vor der Thüre.
Eine Unmencse Arbeit wartete in Haus,
Feld und Garten. srau rstsnann
mit ihren zitterigen inen onnte ar
nicht überall dabei sein. Aber die n
rnbe ließ sie nicht schlafen. Eine be
. chriintte haussrau der alten Art, wie
; re war, hatte sie leine Ahnung von
. geschulten Dienstboten, sondern meinte,
: In jeden Kuchentetg ihre alten, wellen
» hände steilen zu müssen.
Was hatte man nicht alles site die
; sen einzigen Sohn gethan! Das we
H nigste, was er den alten Eltern schul
dig, war d die Wiegen-tobten -
eine brave ieaertochter. Das er
schien der guten Frau natürlich nnd
elbstverstiindlich
neben-aan es mußte anders ver
den nrtt Ernst. Wie der nur den
Winter verbraebt hatte — ja, brav
nnd leißig, wie inman —- aber im
rner les- er die Nase hängen, ins er
traurig. ver Glossen, melancholllsketnsi
ber, mer n unter Menschen in rtns
Die einzi schwach-tu , die er
Bann vieler Herbeit veraann boten
einsame Spaziergänge, die er unter
dem Borwande, zu jagen, machte. Aber
er brachte nie etwas nach Hause, und
die Parsamen Eltern meinten:
» m besten wäre es, die Jagd zu
rerpachten —- so lohnw nicht!«
Und nun war das Frühjahr gekom
Luen —- es mußte endlich anders wer
en.
heute, da er sich weigerte, nach Ber
lin zu fahren. zu Wirths, wegen der
neuen Kalilieseruna — denn Herr
Wirth begann wieder zu bauen — und
da er, das Gesicht in die Hände der
grabem murmelte: »Das lann man ja
ebenso gut brieslich abmachen —- ich
habe leine Lust« — da wurde ihr angst.
Die Ostersonne schien herein. Nun
fängt das Leben sijr den Landwirth
wieder an. Und nun hielt sich auch die
Alte nicht mehr. Der Junae mußte
heirathen, und zwar das Mariechen
Wirth . . . Das war ja die Hand
Gottes, daßlkrnst gerade sie ans der
schrecklichen Wassersnotb aerettet hatte.
Ernst, der in dem Großvaterstuhl
esessen, in dumper Sinnen und Brit
en versunken, erhob jetzt den Kopf.
»Quäle mich doch nicht, .liebe, liebe
Mutter-! Jch lann —- ich werde nicht
heirathen!'
»Aber, Junge, das lann dein Ernst
nicht sein. Wozu wärst du denn sonst
aus der Welts«
Er lächelte matt.
»Ja, damals habe ich auch gemeint,
ich wäre darum aus der Welt —- näm
lich, ucn glücklich zu sein —- neben
einer sunaen, lieben, geliebten Frau!
Aber az Schicksal wollte es nicht« Es
bat mein Glück zerschmettert vernich
äetziund ich war doch so schuldlos. da
er.«
Die alt-e Frau be riss. Ernst in
niG, soviel sie wuß e, an das Fraß
des schlechten Mädchens. Aber er be
trauerte sie, als wäre sie schon sein ge
» wesen fürs Leben. Er war trank, ;
Itotieslranh gebrochen hos unaslos.
wegen dieses schlechten ödchenBL J
Was sollte man nur thun, um ihn von i
keiesKer fürchterlichen Krankheit zu hei- l
U i
Wieder versuchte sie es leise:
»Aber Ernst, mein guter Junge,’du
tratst doch sonst so brav, so vernünf
tig-l Sie war dir ja nicht angetraut,
nicht einmal verloht —- du hast sie ja
kaum gekannt und dann —dann —
sie paßte nicht siir dich . . ·«
»Du irrst, Mutter. S i e paßte site
mich, gerade tie, sie und teine andere.
Aber das verstehst du nicht. so aut du
es meinst. Mit ihr wäre ich zufrieden
und alilcklieh geworden. Und nun
werde ich's nie mehr werden — nie!
Das ist ein schweres Wori, Mutter.
aber ich kann nicht anders.«
,Freoelhast ist es, mein Junge,«
zürnte sie; .es sterben auch andere!
Du findest noch eine Frau, mit der du
alilcklich wirst. Niemand ilt unersch
lich, außer das Kind siir die Mutter!
Du — du wärst mir unersetzlich!«
Wieder erhob Ernst sein blasses Ge
sicht, unheimlich leuchteten seine Augen.
»Mutter, Mutter!« brach er aus;
»keareisst du denn aar nicht —- ich bin
ic- schuld an ihrem Tadel Vor meinen
Augen ist sie ertrunten, elend zu
Grunde gegangen! Dies schöne, liebe
Wesen, dieser Sonnenstrahl — mein
Glück, mein Alles-! Und ich habe sie
vergehen lassen in ariiszticher Todes
noth· Sie hat vielleicht nach mir ge
iusen und ich habe sie nicht aebört—
sie gehörte mir an, und ich ließ sie
sterben! Neben mir lonnte sie sterben
—o, nie, nie tornrne ich darüber hin
aus. Cz ist zu aräszlich —eö kostet
mich noch den Verstand — das Leben!"
Mit runaenen Händen rannte er
ietzt in .r sonst so stillen Stube aus
und ad; die alten Tassen und die Glä
ser in der »Servante« klirrten von sei
nen Tritten
Voll Entsetzen sah ihm die alte Frau
. Diese Töne der Verzweiflung an
ihm, der lich nie laut gebärdete, mach
ten ihr Blut erstarren. Aber sie war
seine Mutter —- sie mußte ihn trösten
Ringan d Co
. u ianur eine ristenvslicht
ethan. mein Sohns Du hast das an
·re Mädchen gerettet, das nach hilse
ries. Der liebe Gott selbst miiszte dich
srei sprechen. Dir lonntest doch nicht
he ide aus dein Wasser ziehen!
»Warum denn nicht?« warf er da
zwischen. »Der!ei ist schon da wesen.
Ich war nur nicht aenua auf ein Po
sten. Und dann, Maria war meine
Braut, mein eigen —- die stand mir
näher-. Und was —- die andere, die
war feiae, wie Weiber lind. Di e hätte
sich an das Holz gehalten, bis das
Rettunggboot lam. Maria aber, acht
Nicht nut, daß sie todt ist —- sie h at
mich gerufen — ich weiß es —- döre es,
;an umsonst: Jch habe sie sterben las
en.« . ..
- Er leuchte vor Errequna. Zum ersten
Male war es, daß sein finsterer Jam
mer so hervorbrach. Ein unheimliches
Licht flatterte in feinen Augen. Was
sollte die arme, alte Frau nur thun,
; um den Wahnsinn von ihm iernzuhab
T ten, von ihm, dern Einzigeni
Sie ialteie die Hände:
»Gott hat es so gewollt, mein Sehnt
» Seine Wege sind wirklich wunderbar.
s Mark-then ist ein gutes, reines Wesen,
die hat wenig ihres Gleichen —- die
z mußte leben! Sieh tie doch einmal u
) kaute nnd du wirft tagen- die Inn-te
eben! Aber mn die. andere —- um
die war —tein Scheide . . .«
Die Mutter hatte das Wort nicht
unterdrücken können, obgleich sie ahnte,
da ei gewagt war.
tief-ihr nicht ant, er sagte nur
tran :
Darin bist dn eben nicht —
uetue gute Mutterl«
—
Aber ihr heleidigtes Rechtsgefuhl
sah ihr Muth.
»Ich bin’s ——lrtn’s«, rief sie- -U·M
die war kein Schade —daz war ein
—-schlechteö Mädcheni«
«Mutter!« flammte er ietzt auf;
»Mit-eisi, oder wir —- wir . . .«
Er stockte. »Geschiedene Leute«
wollte er sagen, aber seine Pietai
siiegtr. Er sprach’s nicht aus, doch sie
ahnte, was ihm aus der Zunge ge- s
schwebt
»Du wirst es noch einsehen-« faikte
sie; .noch erfahren —eg ist sundha t,
wie du reden-«
»Weil sie schön war, leichtiehig, iich
iiher die Alltiialichkeit erhob -——- ein
« tiihner Geist, eine muthige Seele »
das könnt ihr ja nicht begreifen, nicht
retzeihen!«
»Was hilft das alles, Ernst —- sie
war doch nicht . . . Sie hatte —mit
einem andern . . ."
. Aengstlich umschrieh die Mutter.
? was ihr doch das herz abdriictte, aus
Furcht, den Sohn zu tief zu treffen.
»Sie ist geliebt worden,« unterbrach
er sie; »mehr als einmal —- wie lonnte
! das auch anders fein? Das ist das
! Vorrecht der Schönheit und Bega
i bunå«
i . iewar — siewar ...«stain
, inclte die alte Frau und —- schwieg
wieder.
Denn das furchtbare Blitzen in sei
nen Augen erschreckte sie. Mochte sie
, auch das richtige Wort sprechen -—- nie
würde er ihr glauben.
; Er trat ieht zu ihr heran:
« »Liebe Mutter, ertrage eg, denn ich
T muß es auch ertragen. Wäre es nicht
uin deinet·, um euretwillen, längst
» wäre ich ihr gefolgt. Dahin gehöre ich
—- dorthin, wo s i e ist. Aber sei ruhig
—i thi« nicht« Nur auiile mi ,
nicht« Jch werde nicht lieben, nicht
heirathen —- iann nicht, will nicht,
darf nicht —- ich bleibe bei dir, Mut
ter. aber ich ——allein!«
Er war gegangen. Sie sah ihn dein
unde pfeifen und hinauf nach Walde
ber den Kaltbriichen gehen, wo er jeht
so ern, so viel herumschweiftr. Auf's
Wasser hatte er nicht wieder gehen
wollen. Man hatte ihm das Boot
wiederqebrachi, doch er wollte es nicht
mehr sehen. Er sandte es nach dem
Anterplah an der Van Rachen. Da
lag es, da saulte es müßig —— die
Marie.
hilflaz, trostlas blickte die alte Frau
ihrem Sohne nach. Welche Leidenschaft
in ihm steckte —- das hatte sie nicht ge
ahnt. Dageaen war sie völlig rath
los. Ein stiller, in sich getehrter
Knabe war er immer gewesen« aber
was da alles in ihm sasz und nun so
unvermuthet hervorloderte, daö lag
außerBerechnung der einfältigen, alten
Frau.
Und’?doch. es handelte sich nur da
rum, ihm beizubringen, wer und was
diese Maria aewesen· Wie aber sollte
das aescheheni Was thun, daß er es
glaubte, dcß er sie, die Mutter, nicht
tasitei
Vielleicht kannte Mariechen helsen,
das süße Mariechen oder Mary, wie sie
sag-ten.
In dieser Heirath schen die borst
rn( nns noch immer das heil ihres
Sohnes. Und der Alte, riel optimi
siischer und obersliichlicher ais seine
Frau, meinte: Darüber brauche man
sich teine grauen Haare wachsen zu tas
sen. Derlei mache sich qanz von selbst
Einst werde erit achtundzwanzia,
Marn Wirth nicht viel iiber zwanjig
—- die tonnten auch noch etwas war- :
ten. Wie lange hatte e r nicht gewar
tet! Balle vierzehn Jahre! Da war
noch nichts verlorenl
Ernst hatte Marn nicht wieder ge
sehen; so oft dazu Gelegenheit war,
hatte et sich zu .driicken« gewußt. Ein
his zweimal war der alte Harstmann
in Berlin, ein- bis zweimal herrWirth
aus dem Harsihoie gewesen.
Marn trug Trauer urn ihre Cou
sine. Sie war im Februar nach einem
anderen Neuhan ihres Vaters umge- -
äs- en und betreute ihre Geschwister.
, r Vater hatte ieine Eile, sie zu ver
heirathen, denn sie tvar ihm unent
bei-licht
aDie hrina ich immer an,« meinte
er stolz; »das ist eine tüchtige Person
und die bekommt auch etwas mit.«
Da wurde den atten dorstmanns
der Mund ganz wiisserin. Eine bessere
Partie war site ihren Jungen nicht zu
träumen. Was nur beginnen, damit
es so weit karn- Bielleicht, daß Mary
Rath wußte.
Und die besorgte Mutter lmt das
junge Mädchen zu sich, in der Oster
woche, damit sie ihr ein bißchen helfe;
es wäre so viel zu thun und Ernst auf
einige Tage verreist.
Wirklich hatte er einen Ausfikxg
noch Thüringen unternommen. Die
Eltern hofften davrsn Genesung fitr
feine kranke Seele. Sie begriffen
nicht, daß er gegangen war, um em-v
mal ganz allein zu sein.
Marn karn. Sie hatte ihre zwei jün
geren Brüder zu einer Tante hinaus-·
eschicki. Papa bedurfte ihrer nicht«
get lebte doch auszer ause.
Das waren schöne qe silr die alte
frau horstrnamn Meinem-, liber
ließend vor Zärtlichkeit war ihr
MaYn die Arme gesunken. Sie hatte
das fühl« eine Tochter zu bgtgeew
Unser s war gar nicht die e von
Einst. ie beiden scheuten lich davor.
Il Marn ging der Alten troh
aller« Unkennlmh der Verhältnisse
tapfer zur nd. Der Kuchen llr das
Gesinde ger etl; vorzüglich —- tv ary
sagte, nur urch qliickliekpn Zufall.
Denn tn Berlin kaufte lie den
beim Konditor. Es lobute nicht, das
theare dol« zu verhei en. »
erwies sich sachkundi
scitlt ; denn spie viele M
M
nungen hatte sie schon in Abwesenheit
ihres Vaters frisch scheitert und
neuen Miethern überae nl
Donnerstag Abend vor Ostern wollte
sie wieder nach Hause, weit am Char
freitaa der Vater möglicherweise da
heim sein würde. Aber Papa telegra
phirte, daß er wegen Verhandlungen.
einen Neubau betreffend. den Freitag
bei seiner Cousine zubringen würde.
bei der sich auch die Jungen befanden.
Und Marn blieb. Sie blieb gerne
als man ihr versicherte, daß Ernst erst
am Sonnabend käme. Auch er würde
natürlich die Ettern während der ; est
tage nicht allein lassen. Mit tei en
xchaftlichem Interesse hatte sich Mary
n die Wirthschaft auf dem Horsthofe
vertieft, hatte alles. lennen gelernt»und
mit einer Art angeborenem Verstand
Ukß betrachtet. Und am Donnerstag
Abend, ais die Kuchen so wohl gera
tben, als Mary selbst den Kassee ac
macht und so sehr lieb zu den aiten
Leuten gewesen« da fing Frau Vorst
mann zu fchluchzen an:
»Ach, Mariechen — Sie müssen bei
uns bleiben —- fiir immer . . . ais
unsere Tochter! Und Ernst tann’s
auch nicht besser treffen!«
Auch Herr Horsimann stellte seine
Pfeife sort und schneuzte sich heftig
vor Rührung. Er war ganz der Mei
nung seiner Frau.
Aber Marvö zartes, blasses Gesicht
ncbm fett eine seltsame Starrlzeit an.
»Das icnn ja nie geschehen, sa te
sie, »denn Jbr Sohn wird mich n e
mals lieben —- ich weiß es. Und ich
bin nicht imstande· etwas dagegen zu
thun. Er bat Maria geliebt und wird
sie immer lieben ——weit sie todt ist!«
Vergebens versuchten die Alten, die -
Bedeutung des tragischen Falles abzu
fchwiichen, redeten drum herum. Marts
blieb dabei: »Weil sie todt ist-—tveif
sie todt ist! Die Todten siegen. Sie
haben rechtts
- «
Und Cis Fkllll DONWUI llllll Uns
fpielungen darauf wogte, daß Maria
ern fchlechtez Mädchen gewefem da ver
frctc Marh enerqifch:
»Von den Todten foll man nur
Gutes reden! Jch bin ja auch mit
schuldig an Marias Tod, und nie, nie
werde ich argen fee zeu en! Und dann,«
fette sie hinzu, »es i ja auch nichts
gegen fie zu fagen!«
Frau Horftrnann fchwiea bestürzt.
Da war freilich keine hilfe zu erhof
fen, denn Mary schien fo fest Mtichcdi««
fen, daß an ihrem Schweigen nicht zu
riitteln war.
Aber was sollte nun werdeni Nur
auf die »Seit« hoffen, wie ihr Mann,
der fich jetzt wieder gemöchlich die
Pfeife stopfte und feinte
.Schode — schadet«
»Was denn, fchade —- fchade!«
»Nu. fsaft dies alles paffirt ift—— mit
der Marie!«
»Nun, und wenn’s nicht pafsirt
wäre. fo hätte Ernft das schlechte
Frauenzimmer aeheirathet.«
»Na, wer weiß,« meinte der Alte,
ftiebrlieben und heirathen ifi nicht das
e e.«
Er war noch ovtimiftifch in der
Rüelwirkuna, im Rückblick
»Der heirattet noch die Nichtitze.«
faate er Judex-sichtlich, »auch die Mary.
Aber freilich, das Malheur mit dem
Boot hat die Sache erschwert. Darüber
lcnn er nicht fo leicht hinaus —- man
niufz il;m Zeit lassen!'«
Nun, Frau Horftmanm obglei sie
viel weniaer gelernt und erfa ren
hatte, als ihr Mann, Frau Horftmann
fah tiefer. Da laa etwas. was gar
nicht fo leicht zu liberwinden war!
Das war diese Todte, dicfe Ertrun
tenet So aar unrecht freilich hatte ihr
Mann nicht. Die lebende Maria hätte
man vielleicht zumHaufe hinauswerfen
können die todte, die blieb! Die war
jetzt das Heiligtdum im haufe —da
ran durfte man nicht rühren.
M
Da schluaen die Hunde draus-en an.
Ein Boote brachte eine Devesche:
»Komm heute Abend zehn Uhr, ab
lzrlen iit nicht nöthig. Gruß, Ernit.«
So lam er noch heute Abend. Und
Mach war noch da! Wenn es möqlich
wäre, da etwas zu machen, diese schreck
liche Todte zu überwinden, die das
Glück des hauses nntergrubl Wie nur
sollte man über sie hinwea lommeni
Sie laa schon seit Monaten aus dem
Apostellirchhos in Berlin —- hier aber
lebte e sori —siir immer —immer!
Frau horstrnann liesz ihren Mann
zu Bett gehen und erwartete ihren
Schn, der an diesem schlinen Abend
zu Pest lam. Sein Gepäck hatte er
aus r Station gelassen.
Da war Ernst ·— etwas heiterer als
sonst; er meinte, er sei set-k« wieder zu
cause zu sein. Nur wollte er mor
gen noch einmal nach Berlin: und aus
as Eint-ringen der Mutter aab er ru:
Einmal zu ihrem Grabe —- ich
muß —- ich muß . . .«
»Aber Ernst · . .« wandte die Mut
ter leise ein.
»Jet, Mutter-, ich habe es fiir ein
Bornrtheil gehalten, war noch gar
nicht dort, noch nicht ein einziaeömat
Es erschien mir lächerlich —- konven
tionell! Aber nun läßt mir’s leine
Ruhe. Einmal muß ich hin, muß
sehen, wo«und wie sie liegt —- stir irns «
mer . . .
»Nun, so aehe —- dies eine Mal.«
sagte Frau horstmann ängstlich
Zieht bist· du wieder meine Nie
Muiter!« tres er dankbar. « d "
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