Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Oct. 19, 1900)
. us Cs er zenstrrem Roman von Ormr.n;—s Sanoor. CINtlshMgJ ’ Muhme Panscher räusperte sich ener sga , und der Professor erwachte. « tschuldigen Sie, liebe Irau,« sagte er lächelnd, »ich hatte beinahe vergessen, weshalb ich gekommen bin. Jch suche eine Wirthschasterin an Stelle meiner M. Auf ihrem Sterbebette bat sie ist , kurz vor ihrem Tode, auf ihre , , räulein Friederiie Häusling cufnreri am gemacht; wenn die junge me geneigt wäre —- —« »Natürlich! —- natiirlich!« rief Muh nee Pauscher eifrig. »Das wäre in der Ehr-i ausgezeichnet! Sie müssen wissen. - s si ich lieber heute als morgen von hier zöge, Herr Professor; nur dieRiick t auf die Nike hält mich noch hier . Es fällt nämlich furchtbar r, etwas Passendes für sie zu fin n, da sie doch nicht gerade als ge kähnliches Mädchen in Stellung gehen ann.« »Sie könnten sie mir also auch em pffsehlenW fragte der Professor inter e irt. »Na Und ob! Das Mädchen hat ein fach gar keine Fehler, wenn sie auch manchmal ein bischen zu hoch für uns er- » kinsåsh aber das ist ein Familienfeh- ; er.« l »Was meinen Sie damit?« fragte; hanssem i . »Na, das Aparte!« erklärte die Pan-— s scher. »Aber daran sind nur die Bü- . cher vom alten Langermann selig ( schuldi« »Die Bücher, — ach, ja!« sagte der Professor-, »ich vermisse sie hier; wo sind die Bücher des Herrn Langermann hingekommen?« «Die Rike hat ihre Kammer damit vollgepfropft!« versetzte die Frau eif rig. Abends liest sie darin. Herrjemi neh! Solche Bücher! Da ist auch nicht ein einziger vernünftiger Roman oder so was darunter! Keine halbe Seite Markte ich darin lesen!'« »Gehört Ihnen das Haus hier, Frau Paufcher?« fragte der Professor unver mittell. « »Mir?« wiederholte fie. »Nein, das ehöri der Rite von der Mutter her. er jent muß es verkauft werden; was sfotl das Mädchen damit? Aber nun wäre es wohl das Befie, wenn ich die Riie einmal rieer« »Ich bitte darum, Frau Paufcher,« sagte der Professor zustimmend. Die Alte verschwand. Wenige Mi nuien später trat Friederike Häusling iiber die Schwelle. Der Professor fah auf den ersten Blick, daß Friederike ihrer Mutter in Bielem ähnelte; ihr Gesicht hatte dieselbe rie Ovalform und die gleiche reine ebe, wie das feine Antlih der Ver storbenen. Sie hatte auch die hellen, braunen Augen und das glänzende weiß Uende Haar ihrer Mutter geerbt. Aber «E war irosdem eine ganz andere Er scheinung. Es war mehr Wesentliches In ihr; ihre kräftige, dabei anmuthige Figur. ihre gutgeformten, aber arbeits harien hände erinnerten an den Wert tag. in dem ihr Leben wurzelte; fie fah weder hausbacken, noch kleinbiirgerlich aus, aber mit einer Mondscheinprinzef sen oder einer Sonnenfee konnte sie auch nicht verglichen werden« »Ich höre von Taute, daß Sie mich als Haushalterin tret engagiren wünschen,« sagte sie, nach m sie ein paar Sekunden vergeblich auf eine Anrede des Professors gewartet hatte, »ich bin gern bereit, die Stelle anzunehmen, und ich hoffe, meine Lei stungen werden Jhren Ansprüchen ge nügen. Jch werde mir jedenfalls Mühe geben, Alles so zu machen, wie Sie es wünschen.« Jhre Stimme klang klar und angenehm. Gottfried Theater Hanssen betrachten das junae Jliäcciten mit seeigenoem 1 Wohlgefallen »Ich habe wenig Wün-; sche,« sagte er; »Sie werden schon mit i mir zufrieden sein, Fräulein Häuålin;; nur möchte ich, Daß Sie bald kommen, —- rechi balol —- Können Sie da5?« -—— »Ich kann ganz gut schon heute kom men,« erklärte das junge Mädchen sich bereit. »Das freut mich!«« sagte er lebhafter, als das sonst feine Gewohnheit war. »Die Sache wäre ais-) abgemachi, nicht Wllhk?« ; »Gewiß!« lautete die Antwort. ; Der Professor nahm feinen Hut, um su schen. An der Thür stand er aber « still; wie vorhin empfand er plsslich das lebhafte Verlangen, noch einmal das Blüthen-Eisen hinter dem hause ehen. »Ich mochte Ihren Garten fe « sagte er kurz, und ohne eine Er » » Mäuhkklem Riräpte erd in die « , · , eine ü un durch die Mägde Thür in den hof Der Langermannssche Garten von Mk war verschwunden; aus dem Blumenparadies war ein nüch Quadrat Gemüfeland geworden; s der Bimbaum stand noch, und an set Mauer wuchsen noch ein paar Zenti neher und Lilienftauden, wahr Rachkiimmlinge jener Rosen M Liiieth die in jener nie vergessenen chi ihren Duft verhauchten. ARE tummelte der Professor Iris-mi- vvr sich hin und entfernte sich kurze-us Gruß. W iß mal ein Verriielter!« sagte W u r; »mii dem wirft Du Mxkrfhabem Nike! Aber la II W verdrießen vie Stelle i i W doch gut; wieviel Gehalt hast Du ausge macht?« «Dariiber ist noch nicht gefprochen,« sagte das Mädchen luer «et wird nicht « daran gedacht haben, und ich auch nicht!« Muhme Paufcher schüttelte den Kopf. »J, fo weist« ii erte sie ihren Unwil len; «vergiht da Mädchen die haupt such-! Du hist komisch, Rin, aber krei kigh Du bist ja auch so ’ne halbe Ge e rte.« Der Professor begab sich unterdes · nach haufe, nnd zwar nach dem vorüber j gehenden Unwillen iiber die Verände s rnng in dem Elumenparadiek feiner t Jugend, mit der frohen Ueberzeugung, daß Karen eine gute Wahl fiir ihn ge troffen habe, und daß ihm sein Haus nun bald wieder ein gemiithliches Heini fein wiirdr. Gottfried Theodor Oansserfs Fami lienhau- liegt mitten im Proletariervier tel der Stadt; in feiner anfpruchsvols len Bauart und mit feinen weiten Raumoerhaltnisfen sticht es wunderlich von dem eng gepferchten und gedrückten Kleinleben der benachbarten Gassen ab I in denen größtentheils Arbeiter, Hand werker und kleine Gewerbetreibende woh nen. Die Laune eines Vorfahren hat ge rade diesen Plah ausgesucht um das prächtige Haus darauf hinzustellen. Er foll überhaupt ein sonderbarer Kauz ge s wesen sein« der Erbauer, Abraham Riese ; Hanssen, dabei ein Menschenfreund in ; des Wortes schönster und edelster Bedeu tung. Schon seit beinahe zweihundert Jahren — er ist 1720 gestorben — ruht ; er in der Familiengruft aus dem Mark garethentirchhos; trotzdem lebt sein An denlerunoch heute unter der Bevölkerung des »kleinen« Viertels Eine Menge Geschichten, in denen der gute Abrabam j Riese Hanssen als Helfer der Weinberg ten und großmüthiger Beschützer der Ar men und der ungerecht Leidenden aus- - tritt, haben sich von Enkel auf Enkel ; vererbt und werden noch heute erzählt. j Schon bei seinen Lebzeiten hat er sich durch eine Menge großherziger Stiftun-; gen zu wo hlthötigen und gemeinnützigen ! Zwecken ein bleibendes Denkmal mich-Z tet, unb- es geht die Sage, daß er ur- - sprünglich auch das große Haus naeh seinem Tode a ls Waisenhaus bestimmt habe, aber dann verheirathete er sich ins hohem Alter noch, und da dieser späten Ehe noch ein Sohn und Erbe entspros sen, so war das Haus in der Famic ie I verbl ieben. « Generationen sind seitdem iider die Schwelle des alten Hauses ein- und ausgezogen, und die Familie ist pietät voll und fchönbeitssinnig genug gewesen, um nie die geringste Veränderung an E dern herrlichen alten Bauwerk vorzuneh men- So ist es in feiner ursprünglichen alterthümlichen Schönheit erhaiten ge blieben. Die Borderfeite der mächtigen Fen ster ist überreich mit erlerartigen Aus bauen und kleinen Ball-Ins verziert. Nach südlicher Art ist das Panz irn Viereck gebaut und bildet in der Mitte einen hof, urn den herum unten ein ar ladenartiger Säulengang und oben an dem ersten Stockwerl vorüber eine breite Galerie führt. Auch der eingemauerie Springbrunnen fehlt nicht; aber er stand jahrelang trocken; erst der Pro fessor ließ ihn vor ein paar Jahren repa riren nnd mit Wasser versorgen. Jm hochfomnier, wenn die Sonnen hitze den Aufenthalt im Garten un möglich macht, ist dieser kühle, fchattize Hof ein entzückendes Plätzchen. Da fie- i hen in großen Kübeln prächtige Lorbeer- i häume und Palmen unter den ANY-ern i Katteen von seltsamen Formen und ! seltsamen Formen und ausländifche I Blattpflanzen umgehen das Bassin des Springdrunnens, dessen Flnth in ein- . tönigem Rhythmus auf- und nieder- I rauscht. Um die Säujen fchlicgin sich üppige Gewinne brennend rot-her Kapu- . zineriresse, blauer Und weißer Riema- z tis und süß duftenoen Kapeiioiiurn5. I anendig ift das Haus ebenso behaglich s wie iornfortadel eingerichtet Eine » Menge Raume aller Größen find darin ; vorhanden, faalartige Gemächer, luftige, freundliche, helle Zimmer und tleine ; trauliche Raume mit lauscht-gen Erler piätzen und malerifchen Batzenscheiden In den Fenstern. Das Familienhaus des Professors Gottfried Theodor hanffen ift ein Juwel in feiner Art, und man konnte es den heirathslufiigen und hei rachfähigen Damen der Stadt kaum verargen, wenn der Wunsch, darin als Herrin zu walten, mindestens ebenso lebhaft in ihnen war, wie das Verlangen danach, als Gattin des Gelehrten dessen Piofeffoetitel zu theilen. Dem Haufe fehlte thatfächlich nichts als die hang frau. n der fett Laufs Tode verflos senen it hatte fich der Professor diese Mehrheit seufzend eingesteht-! mäiimi aber nun wurde ei anders. taki-eile häusling trat schon aen fe Tage ihre neue Stellirn an, nnd alsbald wehte ein neuer Gei des Be Mdnrch die Räume. Dax nnge n fand fah merkwürdig ra ch in ihren Pflichten zurecht und le te in das ganze haniwefen ein; unter ihren ihefbneden ordneten sieh alle Dinge wie von e e. Schon am nächme verbesserte diesem-e des Haus ern, als er, in das Speifesinnner tretend, das junge Mädchen ten schlichten, hellen Vanslleide mit faudereen weißem Latzfchitrzchen am gedeckt-en Irühftiickstifch hantieend fund. Das. Zimmer war hell, und angenehm duechtoärmi von dee Morgenfonne, deren Licht in dem funkelnden Sildeefefehire Letzte- ein Strauß frifeh gefehn its-et, that-feuchter Syrinaen fland auf M dem Tische. Rir nds mehr toar aus den ; Nanigedohnten lächelt der Miit-eh so wie auf den vielen antiten und moder nen Kunst- und Nippesgegenstiinden auch nur ein Ständchen zu sehen s Friederite erwiderte freundlich den Gruß des Hausherrn «Dars ich Ihnen .einfchenten, Kett Professor?« fragte sie. Der Prose or niste. »Ich dittet« er widerte er in einem Tone, ioie er sonst 7 nie sprach, .und dann holen Sie auch eh flink Tasse nnd Teller. Fräulein riederitez Sie werden in Zukunft nn ; mer mit mir am Tische essen unt-trinken ch bin es milde, meine Mahlzeiten at ! lein einzunehan« »Wenn Sie ei wünschen, —- gewiß. gewi« antwortete Jriederite freudig. s In der« nächsten Minute tvar sie wie i der nüdbae und seste sich ihrem Gedieter ge J SMU s Dem herrn Professor war seit vielen sJahren nicht so wohl gewesen, als dei diesem Frühstück, das er in Gesellschaft sseiner neuen jugendlichen hausgenossin seinnadm Er mußte sie immer ansehen. Wsie sie so dasasz mit ihrem jungen, fri s schen heiteren Gesicht, war sie eineVers ! korperung desFriihlingstages, der drau i ßen über der Erde glänzte Es freute ihn ordentlich zu beobachten, wie gut es ihr schmeckte und wie appetitliche Manieren » sie hatte. Und wie nett sie zu plaudern - dei stand unbefangen und doch bescheiden ; und tattdoll Nicht das geringste an ihr ( ; erinnerte an Muhme Pauschew Wasch- i ’ iiiche, in der sie doch manches Jahr ihres ! ji ngen Lebens derbracht hatte. Di e M te « hat recht, es liegt in der Familie!" dachte der Professor. ,.Gerade so und nicht an ; ders tonnte ich mir Eusebius Langu f man-PS Enkelin und Angeiita’s Töchter s then denten.« F «Warum beißen Sie nur Friederite?« ? fragte er piötzlich aus seinen Gedanken F heraus-. »Ich en sinne mich, daß die Mutter enimai sag te, sie hatte mich so nach ei nem Jugendsreund genannt Jch glaube auch taum, daß in unserer Familie Friedrichs und Friederiien existiren Uebrigens riefen mich die Eltern sriiher F r i e d ak« Vansjen fah nachdenklich vor sich nie der; er zweifelte in diesem Augenblick nicht. nach wem Angelika ihr Kind Frieda getauft hatte, u. die Ertenntniß, wie treu die ehemalige Geliebte fein An denken bewahrt hatte, erfüllte ihn mit Rührung und Beschiiniung «Frieoa!—— Fräulein Frieda!« fagte er, »so werde auch ich Sie tiinftig nennen; ich habe Ihren Großvater und Jhre Mutter gut gekannt. Es gab eine Zeit, in der ich tägticher Gast in dem Häuschen in der No ngasfe war. Hat Ihre Mutter mit Jh en nie davon gesprochen?« Fiiederite schüttelte den Kopf »Ni chi daßi wüßteN erwiderte sie. »Ich war jsr aii erst tauni zehn Jahre, als sie starb. Jch bin früh Waise geworden , sirgte sie leiser hinzu. »und wenn ich es auch so weit ganz gut bei Muhme Pair scher hatte, sie konnte mir doch nicht die « Mutter ersehen. und so recht heimisch « habe ich mich seitdem Tode meiner Miit . tei nicht mehr in unserem Häuschen ge fühlt.« Sie stockte; ihre hetien Augen trübten sich und um ihren hübschen Mund zuckte et schmerzlich ,Jch hoffe, mein haus wird Ihnen das fehlende heim ersehen·, sagte der Professor ernst. »Ich mache mir schwere Vorwürfe, sagte der Professor ernst. »Ich mache mir schwere Vorwürfe, daß ich mich nicht schon früher nach den An hörigeii per lieben Fremide aus meiner Jugendzeit umgesehen habe. Aber Sie glauben nicht, wie schwerfällig man wird, wenn man, wie ich. jahrelang nur für ! feine Studien lebt hoffentlich w rd ues s Ihnen nicht zu einsam bei mir wer Friederite fchiitielte das blonde Köpf chen. «Einsam?« wiederholte sie. »Wie so? —- Jch denke, in dem großen Hause giebt es allezeit zu thun, und mir ist nie wohler als bei rer Arbeit.« »Aber Sie werden doch nicht immer arbeiten wollen!« entgegnete Hanssenx .S:: müssen täglich einen Spaziergang stechen und wenn Sie in hren freien Stunden gern lesen, to steht hnen meine ganze Bibliothet ziir Verfügung« Dante, diese Erlautniß werde ich nur zu gern benutzen«, antwortete sie mit anfleiichtendem Blick. Der Professor hieit ihr zum zweiten « ngal feine Tasse zum Einschenten hin; eJ machte ihm Vergnügen Dabei auf vie kleinen, flinken Hände zu iehemvenen die röthtiche Arbeitsfarbe nicht das min deste von ihrer Anmuth nahm. Jn der alterthümlichen Thor·- Ein fahrt des Hauses nach der Straße zu hieit in diesem- Moknent ein Wagen, dem eine ältere, schwarzgetieibete Dante entstieg. Es war rau Senator Wede tcsrnp, eine Stie schwester des alten Nach hanssen Die Dame mochte in ber Mitte der fünfziger Jahre stehen, ihr Haar war aber schon ganz weiß. Jhre regelmä ßigen, strengen Gesichtiziige redeten von i einstiger großer Schönheit nnd ihres haltung war die einer Fürstin. Jeden falls war iie eine Erscheinung, die nicht teieht übersehen wurde. Früher hatte sie wenig im Dante ihres Siiefbrubert ver kehrt. Sie hatte sich nie mit ihrer Schwii erin, ber verstorbenen Mithin ureehtfinben tönnen, und nach beten Lohe genirte Karen’S brüöte Art sie bei ihren gelegentlichen Besuchen dermaßen, daß sie es vorzog, diese auch ferner auf ein Minimum zu befeheiinten Frau Senator Wedetamp war zwar weder eine furchtsam, noch übertrieben em pfindliche Natur; aber der atte Hat-S prache ihres Neffen hatte eine Manier, Grobheiten mit Malieen nnd an ü lichen Vertretung-n zu verbränmn e in M der Seele zuwider war, und der lie des halb lieber aus dem Wege ging. Erst nachdem auch Karen das Feld eriiumt hatte, kam sie öfters, um, wie e la te, ihre Berwandtenpflichten zu erfit en und in dem verwaisten Daushalt etwas «nnch dem Rechten« zu sehen. Zuweilen, wie auch heute, tehrte die Frau Senator schon Jriih Morgens, wenn sie nach ihrer vor der Stadt bele enen Fabrik hinausfahr, bei ihrem Reis ’ n ein, um ein halbes Stündchen mit J ihm zu plaudern und ihm dabei mit nli ? " lerhand guten Rathschliigen zu regali ren. Sie nieste dem Bärbelchen. das die Thitr aufmachte, einen hochmüthigen Gruß zu. »Der here Professor im Ar reitszimmer?" fragte lie sehr von oben herab. »Noch heim Frühstück im Veranda zimmer,« erwiderte das Mädchen mit ei nem Knietö. Die Senntorin machte eine abweh rende Handbewegung, als das Börbele sich anschickte, voranzueilen »Bleib bei Deiner Arbeit," sagte sie, »ich brauche nicht angemeldet zu werden!« Sie schritt langsam durch den Kortidor, der in einen großen, vornehm angelegten : Treppenplatz mündete. Ein paar Selunden lang blieb die stolze Frau stehen; ihre Brust hob plötz lich unter einem tiefen Athemzug, der beinahe wie ein Seufzer klang, während ein trüber, verschleierter Blick ihre Um gebung streifte. Gerade-aus öffnete sich die Flucht der beiden Treppen mit ihren lostbar geschnitzten Gelöndern und den tiefrothen, von blanlen Messingstöben gehaltenen Smyrnaiiiufern. Die gli tzernhelle Fläche eines mächtigen venerier niichen Spiegels bedeckte die Hauptmann und wurde zu beiden Seiten flantirt von mannshohen Kandelabernz in den Ni schen standen alterthümliche Truhen, und links von der Treppe theilte ein schwerer, gewirtter Vorhang den Plan in zwei Theile» Frau Wederamp ronnre niemals ein Gefühl des Unbehagens unterdrücken, wenn sie in dem hause weilte, in dem sie selbst einen Theil ihrer Jugend ver iebt hatte. Es war nach ihrer Meinung eine fiindhafte Jronie des Schicksals. daß das herrliche alte Familienhaus dem unverbefferiichen Hagestolz in die Dände fiel, — das prächtige Saus und das große Vermögen dazu, das ihr Neffe mit feinen Gelehrtenmucten und in seiner Junggefellenanspruchsiosigteit weder richtig zu würdigen, noch zu verwerthen wußte. Ihr Vater war schon noch be jahrt gewesen, als er die zweite Ehe ge schlossen, aus der sie mit zwei noch jün geren Schwestern hervorgegangen war. Nach seinem Tode tarn, der Famiiiens tradition gemäß, das Haus an den ein zigen Sohn erster Ebe, der beinahe ebenso alt wie feine Stiefmutter war und der turz oorber gebeirathet hatte Die verwittwete Stiefmutter zog mit ihren drei Mädchen dann in eine andere Wohnung. Frau Wedetamp war die mittlere der drei Schwestern; sie hatte in der hei rath mit dem Fabritbesiher Wedetamp eine sogenannte gute Partie gemacht« und man hielt sie allgemein fiir sehr wohlhabend, ja, sogar fiir sehr reich, es gab ihr doch allemal einen kleinen Stich, wenn sie im Hause ihres Neffen umher ging. wo der Eindruck des gediegenen Reichthum5, der sich in jeder Einzetheit bemerkbar machte, auf sie einwirtte, sie wußte selber nur zu gut, aus welchem Grunde. Sie seufzte noch einmal recht nachdenttich im Weitergehen. Da —- wie ein elettrifcher Schlag durchfuhr es sie, und sie blieb vor der Tbär des Verandazimmers betroffen sieben. Was war denn dass Sie hörte mehrere Stimmen. — eine ihr unbe kannte weibliche Stimme? Sie mußte sich gewaltsam aufraffen; dann klopfte sie an und trat ein. »Schön guten Morgen!" agte sie mit Betonung. «Ah, Pardon! Jch störe doch nicht« Du haft Besuch, wie ich sehe, Gottfried!« Sie hatte eine etwas gedehnte Art zu sprechen; in ihren Zügen fah man nie, feibft nicht bei der heftigften Gemütbss erregung« eine Veränderung aber in dem Blick, mit dem sie Friederite mu sterte, war dennoch etwas Aufgeregtts. »Guten Morgen, Tanie Auguste!·' sagte der Professor gutgelaunt. »Be such? Nein! Das ist meine Hausge nossin, meine neue haust-ame, Fräulein Friederiie HäuslinM wenn Du Dich ein bischen bei uns aushältst, wirst Du finden, daß wieder eine neue Lust im Hause weht.« »Das spüre ich schont« erwiderte die Senatorin; es war schwer zu unter scheiden, ob der trockene Ton ernsthaft oder ironisch zu nehmen sei. Die anmuthige Verm-sung des jun gen Mädchens wurde von der Frau Se nator mit einem steisen Kopsnicken er widert. Friederite mochte empsinden, daß ihre Anwesenheit der Senatprin nicht gerade erwünscht sei; deshalb rii te sie Tas sen und Teller aui ein Ta t und ver ließ damit das Zimmer-. »Wie kommst Du aus einmal zu die ser hauchälterin«t« richtete Frau Wede tamp, sobald das geschehen war« an ihren Ressen die Frage. »Kann hatte sie mir vor ihrem Tode bereits als ihre Rachsol erin vorge schlagen und empfohlen; findest Du sie nicht auch allerliebst?« · »Mit« machte die Dame würdevol1; »ich inde sie zu jung und zu hübsch siir die tellung hier im Hausei« «Zu jung und zu hübsch?« wieder holte Hanssen »Ei was! ugend und Schönheit sind doch teine Fe ler.« natorin, indem sie langsam ihre seidenen handfchuhe adstreifte. »Du bist, nimm mir das nicht übel, Gottfried, wirklich naiv in dieser hinsicht. Jch weiß übri gens nicht« was ich don dem jungen Mädchen denken foll; sie hat jedenfalls diel Muth; jede andere anständige junge Dame wiirde sich zehnmal desin nen, ehe sie zu einem unverdeirat ten Manne als Daushölterin ins us zieht. Man weih, wie die Leute in sol chen Fällen urtheilen. Freilich ist fie wohl eigentlich. wie es auch Karen ge wesen, nur ein besseres Dienstmädchenl· «Durchaus nicht!' fagte der Profes for entriisietz «sie hat medr Takt und Herzensdildung als manche junge Da me aus den sogenannten besseren Fami lien. Und das iidrige ist geradezu lä cherlichl Jch mit meinen grauen Haa ren—' »Nun, nun! ege Dich nur nicht aus, Herr Neffe!" Die Senatorin lächelte ein wenig und fuhr fort-» »Ich will Deinem Schützling ja gar nicht zu nahe treten. . Alle Achtung vor Deinem grauen ’ hauptez aber ich meine doch, Du thö- . test tliiger daran, Dir das junge Ding i nicht allzusehr zu verwöhnen. Ich seh-, · sie frühstiiclt mit Dir am Tische. ch « will Dich natürlich nicht korrigiren, u mußt selber wissen, was Du willst, aber es thut meistens nicht gut, sich mit die sen Leuten auf vertraulichen Fuß zu - stellen; sie wissen später nicht mehr die richtige Grenze innezuhalten Und ob Das wahr haben willft oder nicht. die Welt ist nur zu rafch mit einem bösen Wort bei der Hand, wenn sie zwischen Herrn und Dienerin eine Vertraulichs leit· wittert.« «O, darum sorge ich mich nicht!« der setzte Hanssen kurz. »Die Welt full mich in meinen vier Pfählen ungeschoren lassen. Mit dieser »Welt«, Du meinst doch die der Lästermiiuler und Ratsch basen, hat-e ich nichts zu schaffen. Fräulein Frieda wird immer mit mir zusammen speisen. Warum? Nun, es macht mir Vergnügen, ihr junges, Mid fcheg, freundliches Gesicht vor mir zu sehen und mit ihr zu plaudern. Jst das etwas sLZchiinimeH?« »Durchaus nicht!" gab die Frau Se natorin gnädig zu; »aber Du könntest noch etwas Besseres in der Art haben. Du solltest heirathen, Gottfried. »Heirathen? Nein, dazu bin ich denn doch zu alt! Das Thema ist erschöpft! Punttiim, ftreu’ Sand drüber!« Sie lachten Beide bei der Erinnerung ari diese Redeweise der alten Knien. »Aber toarum setzest Du Dich nicht, Tante?« suchte der Professor das Ge spräch aus ein anderes Thema zu len ten. »Ich möchte Dich ein paar Minuten ganz ungestört sprechen«« antwortete die ante; »hast Du die für mich übrig?« »Selbstverstiindlich!« rief hanssem wir können in mein Arbeitszimmer ge hen, wenn's Dir recht ist. Bitte!« Er stieß die Flügelthiir, die in das Ne benziminer führte, zuriick und ließ die Senatorin eintreten. hieran folgte er ihr und zog die Thiir hinter sich zu. Ein vielstimmiges Vogelgezivitscher empfing die Eintretenden. Jn einer rie sigen Voliere, die im Lichte der beiden großen Doppelsensier stand, trillerten und jubelten hunderte kleiner, bunter, ausländischer Natursiinger. Man muß te fich erst an dasKoiizert gewöhnen, be vor man seine eigene Stimme hören und verstehen tonnte. Den Professor störte das nicht; ini Gegentheil, die kleinen lustigen Vogel stiirimen roaren ihm unentbehrlich; er tonnte eigentlich nur arbeiten, wenn er er hörte· aber er wußte wohl, daß man sich nicht gut bei einem Geräusch unter halten tonnte. Ein Ruck an der Vor hangschnur und die bunte Schaar war verhüllt, das Konzert verstummte. Frau Wedetamp nahm in einem Armsessel Platz. Sie schien sehr erhitzt, denn sie ließ ihren Spitzenuinhang von den Schultern sinken und fuhr sich ein paar-mal mit dem Taschentuch über die leicht geröthete Stirn. »Ich habe Nach richt von Felix,« hob sie an, »er toinmt morgen nach hause und wird natürlich dann ganz hier bleiben.« Der Professor nictte zustimmen-. »Das freut mich für Dich, Tante2« sag te er. »Hosfentlich nimmt er Dir die Last des Geschäftes ganz von denSchul tern·« «Ja, hoffentlich,« erwiderte fie;«,,er wird sich allerdings erst einarbeiten müssen; darüber wird immerhin einige Zeit vergehen.« « Der Professor antwortete nicht« « »Wir haben in den legten Jahren mit mancherlei Schwierigkeiten zu tonipfen gehabt,« fuhr Frau Wedeiainp fort. «Berlufie, ungünstige «K·on1untturen, Konkurrenz, und Gott weiß. was sonst noch, wirkte zusammen Genug, ich habe mich tapfer wehren müssen, uni immer den Ko f oben zu behalten.« Der Profe or nickte wieder. »Ich wei , Sante, derseßte er; »ich meine, l hätte Dir schon eher eine Stütze ein müssen; alt genug ist er doch nun nachgerade, um den Ernst des Lebens begreifen zu können· Außerdem ist es doch schließlich sein eigenes Geschäft, dem er sich zu widmen hatt« »Ich hoffe, er wird draußen Manches gelernt und gesehen haben, was er in der Zukunft verwerthen kann. Wir be absichtigen große baulichenBeränderuni gen on der Fabrik vorzunehmen, auch iin Betrieb wird vieles anders. Wir werden demnächst einen neuen Malzi taffee aus den Markt bringen und ei nen flüssigen Kassee-Extratt, der, weit billiger als der Bohnentafsee, diesen -.—.—. ! nicht nur erseht, sondern auch weit ein « facher zu bereiten ift.Jch hoffe, wir der den ein großes Geschäft damit machen. . Das wäre freilich auch nothwendig. Die I Sache kostet nämlich ein Heidengeld.« Sie machte wieder eine tleine Kunst pause, bevor sie weiter sprach: »Die « Konkurrenz ift das Unglück und die Ur z sache des wirthschastlichen Niedergan « ges heutzutage, die scheusliche, unge funde Konturrenzt Was muß man heu te alles aufbieten, um damit Schritt zu halten. Früher tannte man weit itber unsere Provinz hinaus keine Eichorien als die von Wedetamp Söhne. Die Piickchen waren einfach in rothes Pa pier grwiaelt, und damit waren wir fertig-. Komm jeht aber! Zuerst iam die Bildergeschichte, das ließ man allen falls passiren, aber einmal dazu ge bracht werden die Kinder und Kunden nun jeden Tag anspruchsdoller. Heute beansprucht man anstatt der billigen Glanzbildchen ganze Serien tünstlerifch ausgeführter Bilder als Zugabr. Und nicht genu damit, man giebt Messer, Gabel, Löffeh Servietten, handtiicher, « kurz, einen ganzen Hausrath drein, und T an Stelle des rothen Papiers sind Glä ser, Tasten, Gewürztönnchen getreten. Einige Firmen bewilligen sogar kom plete Kaffee- und Eß-Service bei Ab nahme von hundert Piiclchen Cichorien und wenn das so fortgeht, wird es am Ende noch so weit kommen, daß man schließlich Gutfcheine auf ganze Woh nungssEinrichtungen giebt, die sich forgsame Hausfrauen und Köchinnen im Laufe der Zeit auffparen und schließlich einfvrdern können. Das sind schlimme, ungesundeVerhöltnissel Aber was will man machen? Da giebt es nichts weiter, als einfach aufhören oder mitgeth Frau Wedelamp schwieg wieder eine Minute. Der Professor erwiderte noch immer nichts-. . »Du yau uns in per letzten Herr et nige Hypotheken gegeben«, hob die Se natorin von Neuem an. »Wir waren ja leider genöthigt, Summen aufzuneh men. Besonders zu Dank verpflichtet bin ich Dir dadurch gerade nicht; Du lannst Dein Geld nicht sicherer und rentabler unterbringen als bei uns, und ich hätte überhaupt mehr Kapitalien be kommen können, als ich brauchte, aber man läßt nicht gern fremde Leute in die Verhältnisse blicken. Deshalb lomme ich auch heute mit einer Bitte zu Dir. Jch habe übermorgen einen Wechsel von sechstausend Mart einzulösen, und ich bin gerade jetzt fchlecht bei Kasse; ich wollte Dich bitten, mir die Summe auf drei oder vier Wochen zu leihen.« Sie hatte ein rasches Ja ihres Neffen erwartet, aber sie täuschte sich. Der Professor war kein Zahlen nrensch« aber seine Vorfahren waren alle handelsherren und gute Nechner gewe sen, und ein fchlvacher Reflex der lauf tnännischen Tugenden und Eigenscha - ten seiner Familie war auch au ihm haften geblieben, freilich nur in Gestalt einer vernünftigen Vorsicht und einer weisen Sparsamkeit in Geldsachett Bei all seiner übrigen Unlenntniß praltis scher Dinge hätte er es übrigens nie fer ti gebracht, eine größere Geldsumme lerchtfertig hinzugeben, ohne zu wi en, weshalb und warum und zu we In oder wessen Nutzen. Es war richtig, dasz er den Wede larnps einige hpothelen gegeben hatte, aber diese bez· serten sich bereits hoch in die Tausende. Und wenn er auch lei nen Augenblick zögerte, der Tante Se nator das erbetene Darlehn von ein paar weiteren Tausend Mart u bei willigen, so fand er es doch richtå bei dieser Gelegenheit ein paar ernste orte kiber ihre Verhältnisse einsließen zu las en. t 's( 1 ( i t( I ( i »Du besinnst Dir-ist« fuhr Frau Zwe- II delamp auf. »Ja, wenn Du nicht willst, i gehe ich natürlich eine Thür weiter; ich meinte nur, Du als Verwandter — ——" »Ich besinne mich nicht wegen des Darlehns!« unterbrach der Professor fre. »Ich möchte Dich nur auf dies und . jenes aufmerksam machen, Tante Aus · guste. Du tla ft über schlechte Zeiten. Jn Wahrheit tnd weder Konjunkturerh noch Konkurrenz schuld daran, wenn . Du von Jahr zu Jahr mit schweren i peiuniiiren Sorgen zu läknpfen haft. Daran ift vor allem die nnsinnigeGelds vergeudung Deines Felix schuld! Läu fällig habe ich erfahren, wie er drau en lebt, nnd ohne Dich tränken zu wollen, F tann ich Dir nur fagen, daß ich bis jetzt leine Urfache gehabt habe, auf die sen Vetter stolz zu fein. Felix lebt in Berlin und Wien und Paris nicht wie der Sohn einer wohlhabenden, achtbas ren Bitt ersamilie, sondern wie ein leichtfinniger Thnnichtgut, —- wie ein richtiger Berschtvenderl Wüste Gelage. die fich iiber die ganzen Nächte ausdeh nen, Verhältnisse mit den luxuriöfrften Ansprüchen, zart-I. Umgang mit zweifelhaften rsönlichteitenz das find alles Sachen, Gef tchten, die nicht in , den Rahmen des Le ns eines an andts : gen ringen Mannes gehören· d aber ans einend n Felix-' Lebensbedingun gen zahlen. fonders das Spiel! Du weißt jedenfalls besser noch als ich« was die»Sptelleidenschast fiir einen Ge schaftsmann bedeutet —- Nuin, —- Un tergangs« — (Fortfeiknng solgt.) W W e r t h l o s. i Baron: Hoffentlich werden Sie lich nicht weigern, mir die 1000 Mart zu i hen, mein alter Name bürgt Jhnen.« Geidvekleiheu »Bedauere, auf alte Sachen leihe ich prinzipiell nicht«