l ec Ykrdäthtigr. Novelle von Mareel Tynairr. Herr von Saunah war mit sieben undvierzig Jahren noch schlank wie ein junger Mann, mit frischer Gesichtsfar be, klaren Augen und blondem haar, in dem sich kaum einige Silbersiiden geigten. Stets gesund und guter Lau ne. war Saunah immer noch verwöhnt und geliebt, am meisten aber von seiner Tochter! Die Geburt des Kindes hatte der Mutter das Leben gekostet. Die Toch ter war lieblich, ohne schön zu sein, und glich nicht ihm, sondern war das leben dige Portrait der armen Verstorbenen. Eine schlanke Brünette mit zarten, fei nen Farben, die an matten Elfenbein ton erinnerten, Haar, Augen und Au genbrauen des jungen Mädchens wa ren so weich und schwarz wie Sammet, und dabei war sie trotz ihrer Jugend so ernst, so vernünftig. Saunay war der glücklichste Vater; er wollte der Freund, der Kamerad, der Vertraute seiner Martha sein und hoffte, sie durch alle diese Eigenschaften lange fiir sich zu be halten. Ueberall führte er sein geliebtes Töchterchen hin, wenn es nur irgend die gute Sitte erlaubte. Er ruhte nicht eher, als bis er ihr irgend ein neues Vergnügen bereitet hatte, so dasz Mar tha manchmal mit leisem Lächeln sagte: »Aber Väterchen, Du wirst wohl nie vernünftig?« ,,Laß doch, mein Kind, ich bin klüger als Dut« Und er erschöpste sich in Ausfliichten, die er selbst erdachte. Schlittschuhlau sen. Reiten zur friiben Moraenstunde in den schönen Alleen des Bois de Bon logne, kleine Diners in den besten Re staurants folgten in bunter Reihe — Alles stets nur zu Zweika; der Vater war eifersüchtig wie ein Verliebter. Er wollte keinen Dritten dulden, der mit der Absicht tominen würde, sich der großen Mitgift und der hübschen Toch ter zu bemächtigen. Die Mitgift! Das mochte noch an gehen! Saunay tüminerte sich wenig um die Mitgift, aber seine Tochter, die hätte er gern behalten mögen! »Ja, aber möchtest du denn nicht spä ter auch einmal Großvater werden?« fragte ihn einst Martha. »Ach, Gott bewahre mich davor!" rief Sonnen-. Aber in ihren Augen war ein stum nier Vorwurf zu lesen. Er erschrant und dachte bei sich: »Sollte mein Töch terchen verliebt sein?« If If If Ja, Martha war verliebt! Sie wußte die guten Eigenschaften ihres Vaters wohl zu schätzen, liebte ihn auch aufrichtig, aber ganz anders liebte sie einen jungen Deputirten, den sie in ei ner Gesellschaft, wo ihr Vater —- der unvorsichtige Papa -— sie hingesührt, tennen gelernt hatte. Durch sein ernstes gesetztes Wesen, seinen sanften und freundlichen Ge sichtsausdruck war Jean Brest zuerst Martha vortheilhaft ausgefallen. Nach einigen Monaten, in denen sie häufig in Gesellschaften zusammen gewesen, war es von vielsagenden Blicken zu Worten und schließlich zu einer Unterhaltung gekommen, die zwar nur flüchtig zwi schen zwei Kotillon - Touren geführt war, Martha jedoch vor die Nothwen digteit stellte, den Vater auf den An trag Jean Brest's vorzubereiten. Sie erzählte ihin alles, ihren ganzen un schuldigen Roman, und das war für den armen Saunay ein harter Schlag. Er schalt, brummte und grollte, dann wurde er weich gestimmt, ergab sich in sein Schicksal und veranstaltete selbst die Berlobungsseierlichieiten. Der große Tag tani heran, und am selben Abend reisten Jean und Martha nach dem Süden. Saunay hatte nun reichlich Zeit, darüber nachzudenken, womit er seinen Schwiegersohn nach der Rückkehr am meisten ärgern könnte. n-h -- --e-..- et-. c-- m-» Fin- »si UIIU II sksuuv Its-us neu-« us-- - Maßen erfinderisch. Die leidige Poli tit ergänzte, was die Eifersucht des Schwiegervaters nicht zu Stande brachte, und trotz Marthas Bitten und Thriinen war sechs Wochen nach der Hochzeit der Bruch zwischen Gatten und Vater vollständig. Jean, dessen Ge duld zu Ende war, hatte seinen Schwie gervater gebeten, seine Besuche einzu stellen, und Saunay seinerseits hatte geschworen, nie wieder das Haus s eines Schwiegersohnes zu betreten. si- - «- i An einem sonnenhellen Frühlingstag saßenMartha und Jean beimFriihstiick. Durch die offene Thür der Veranda stu thete das Sonnenlicht herein. Fean sagte seufzend: »Es ist wirklich zu angweilig, daß heute Sitzung im Ab geordnetenhause ist. Welch’ schönen Spaziergang hätten wir zu zweien ma chen tönnen.« »Erst die Pflichten und dann das Ver gnügen!« antwortete Marthen »Die ,,Frtihjahrsausstellungen im »Von march6« haben begonnen, vielleicht kann ich oortheilltaft tausen, und dann werde ich Dich an der Brücke gegenüber dein Abgeordnetenhause erwarten — voraus gesedt, daß es Dir recht ist?« »Wenn es mir recht ist! Du bist ein Engelt« ries der Gatte strahlend. Er . freute sich umsomehr til-er diesen Vor schlag, da ihm seine junge Frau seit eini gen Tagen merkwürdig verstimmt und zerstreut vorgekommen war Puntt sechs wartet here Brest an der verabredeten Stelle aus seine »gute, klei ne Frau«. So trat ihn ein Freund, der vor einer Woche bei dein jungen Ehepaar zu Tisch ewefen war. »Nun rest, was machst Du denn dorti Komm mit mie. wir wollen ein Glas Bier zusammen trinken!« »Ich habe eine Berabredungt« sagte Jean. »Haha, ein Stelldichein!« »Wenn Du willst, ja! Jch warte auf meine Frau. Sie hat mich hier um sechs l Uhr treffen wollen, und ich fange an, mich zu beunruhigen, weil sie noch nicht J i hier ist!« s ! »Ach wa5!« fagte der Freund harm- z l los, ,,wie lannft Du Dich darüber beun- Z I ruhing Frau Bkcst wikv wohl durch , etwas anderes aufgehalten sein; ich habe : sie eben im Caf6 Riche mit einem blon- l den jungen Mann gesehen, wahrschein lich einen Verwandten.« »Meine Frau im Cafs? Ein blon der junger Mann? Du mußt Dich täu schen!« »Ganz sicher bin ich nicht, aber ich möchte dennoch jede Wette eingehen, daß keine andere Frau so graziös ist, so lange schwarze Wimpern und se wundervolle-E- . eigenthiimlich aufgestecktes Haar besitzt! Schon das allein dient als Erlennung.« Und die beiden Herren gingen zusam men fort. Auf dem Heimweg konnte Jean die Worte seines Freundes jedoch nicht ver gessen und nahm sich vor, seine Frau zu fragen. Sie war zu Hause, noch in der Straßentoilette und —- wie sie sagte — beunruhigi, daß ihr »arm« Liebling« sie länger als bis sechs ein Viertel erwartet hatte. »Dent' Dir nur, Jean, ich bin so lan e im Bonmarch6 gewesen« und dann ha- J ge ich meine Freundin getroffen. Sie J hat mich mitgenommen, wir haben zu- J sammen ein Bischen gegessen, ich komme : eben erst von ihr; sie hat mi-« so lange j «o-I«-ß«lO-n tmle Mis- nnrk Hm ais-often i ....»,...,.. . ., .-. . .-.. ..-.., ............. zimmer waren.«« »Was hat nur Thomas für dummes Zeug geredet!« dachte Jean. »Er hat Maria gewiß mit e: ner Unbekannten, die ihr ähnlich ist, verwechfeIL Jch will gar nicht mit meinem Frauchen von der Sache reden.« Wenige Tage später traf er wieder seinen Freund. »SiehftDu, Du haftDich neulich doch getäuscht. Es war nicht meine Frau!' »Nun, jedenfalls war eine fchmeich t hafte Aehnlichkeit vorhanden. Außer dem kam mir das silbergraue Koftüm und der mit Veilchen geschmückte Hut fo bekannt vor.« »Und der junge Mann?« fragte Jean und wurde blaß, denn in der Beschrei bung erkannte er die Toilette feiner Frau. »Der junge Mann? Wenn ich »jung« sage, fo war das vielleicht übertrieben; einMann von 35——-40 Jahren, vielleicht auch über 40 —- blond, sehr varnehni sehr aufmertfam gegen die Dame. Wahr fcheinlich war es der Gatte, und jeden falls war er verliebt.« Jean lachte gezwungen auf und trenn te sich von feinem Freund. i Sollte Martha ihn belogen haben? E um hinter Marthas Geheimniß zu koni rnen. Dies leichtfmnige Verhalten tam von der unglücklichen Erziehun» durch ' den Vater. Jean war in feiner Liebe zu Martha geneigt, alle Schuld auf den Schwiegervater zu schieben. »Ich frühstücke heute nicht hier-« sagte Jean am anderen Tage »Wo gehst Du denn hin, Liebfier?« entgegnete Martha zärtlich. »Ich bin mit Kollegen zufammen,« , antwortete der Gatte. Es wurde ihm » schwer, feft zu bleiben, denn Martha i fah in dem hellblauen Morgenrvck mit l den schweren schwarzen Flechten, wie sie da vor ihm stand und ihn zärtlich ansah, auch gar zu entzückend aus. Er fügte hinzu: »Und Du, kleines Frauchen, was fängst Du heute an?« »Ach, ich weiß nicht recht, vielleicht s geh’ ich zu Papa. Der Aermftet Er ! beklagt sich, daß ich fo fetten zu ihm kom i me. und eigentlich hat er auch Recht. i l i ( i Der Aermste war ganz außer sich. Er war fest entschlossen, alles zu thun, i i Gestehi es nur ein, Du bist eifersiichtig » auf ihn!« - Jean ging; aber statt die Richtung . nach dem Rathhaus einzuschlagen, nahm ; er ein geschlossenes Knirps-se, das er dicht bei seinem Hause warten ließ· Unge » fähr zehn Minuten spähte er durch den herabgelassenen Vorhang auf die Haus thür, als Martha erschien —- auch sie winkte einem Droschtentutscher. v »Folgen Sie dem ersten Wagen!« - tief er seinem Kutscher zu, aber schon . nach kurzer Zeit athmete er erleichtert s aus, denn die Droschte bog richtig in bie ; Straße ein, wo der Schwiegervater ! wohnte. Zum ersten Male seit langer i Zeit hatte Jean ein Gefühl der Dantbar teit sür seinen Schwiegervater. Marthas Wagen blieb vor der Thitr s hatten; jedenfalls hatte sie ihn aus Zeit ; enommen. Richtig, da war sie auch ; fchpn wieder, viel schneller, als Xean es gehosst hatte. Sie schien dem utscher sehr umständlich Bescheid zu sagen. Er wiederholte seinen Beseht, dem ersten Wagen zu folgen; und nach der Reihe wartete er vor dem »Louvre«, dann bei einer berühmten Mobistin und zum Schluß bei Boissier. Aber plödlich lenkte der Wa en in die »Champs Elysöes« ein und fuhr nach dem Bote de Boulogne in so raschem Tempo, daß Jeans Kutscher weit zurück blieb. Ganz undeutlich aus der Entfer nung konnte Jean nur sehen, daß der Wagen vor einem der elegantesten Re staurants im Bote de Boulogne anhielt und ein herr Martha beim Augsteigen behilflich war. Mart und der Unbekannte waren in dem estaurant verschwunden. Jean entschloß sich ruhig zu erscheinen, betrat das Restaurant und vermittelst eines ,,goldenen Händedrucks« machte er einen Kellner gesprächig und erfuhr, daß die Dame im silbergrauen Kleid mit dem Beilchenhut schon im vergangenen Jahr mit demselben blonden Herrn oft hier gespeist habe. Augenblicklich hätten sie ein kleines Zimmer, Nummern acht; ne- f benan wäre gerade frei —·wenn der Herr vielleicht wünschen sollte — Der Herr verstand die Andeutung und, ohne seine bestellte Mahlzeit zu ver zehren, erhob er sich, begab sich nach Nummero acht und hörte, was nebenan vorging. Zwischen Gläsertlirren und dem Geräusch von Messern und Gabeln vernahm er ganz deutlich eine helle Frauenstimme — Martha’s Stimme: »Papa, Du bist aber wirklich unver nünftig! Wenn Jean das wüßte, er würde mich schön schelten, er hat mich so lieb!« »Ist er denn so streng?« antwortete eine männliche Stimme, in der Jean die seines Schwiegervaters erkannte. »Er ist eifersiichtig.« »Auf mich?« »Auf wen denn sonst? Er weiß ge nau, wie innig ich ihn liebe. Ja, Papa, ich iiebe ihn und Dich habe ich auch lieb.« »Das freut mich! Jch war heute mor gen schlechter Laune, als Du zu mir kamst, um bei mir zu friihstiicken. Es war doch eine gute Idee, hier ein Ren dezvous mit Dir zu verabreden; ich konnte unmöglich mit Dir erst all’ Der nen Krimstrams besorgen.« »Ach, wenn Jean das wüßte!« seufzte Martha leise. »Nun, was könnte er denn sagen? Es ist doch wahrhaftig kein Unrecht, wenn ein Vater sein Kind, von dem er vernachlässigt wird, zum Frühstück ein ladeti Numjvas ist dennlosZ Was hast Du oenni Du meinst-r »Papa!« »Was hast Du denn, Kind?« »Ich habe Kummer!« »Warum? Sag es mir doch! — Heute gehörst Du mir, schütte mir Dein Herz ausl« »O, Papa, ich möchte so gern Dich und meinen Mann wieder versöhnen!« »Das wird schwer sein!« »Aber warum denn?" »Weil Dein Gemahl nicht danach aussieht, als ob er den Wunsch hätte! Seit zwei Monaten bin ich nun schon in Ungnade gefallen. Er hätte wohl eine Annäherung versuchen können.« »Das wagt er nicht! Du hast ihn mit Deiner Hestigteit gekränkt. Ach, wenn Du wüßtest, wie lieb und gut er ist! Jhr hättet Euch beide nur erst gründ lich kennen und verstehen lernen sollen!« »Ich gebe ja zu, daß ich etwas hefti ger gewesen bin, aber in meinem Alter kann ich mich doch nicht bei ihm ent schuldigen. Es müßte irgend eine Gele genheit gesunden werden, Jean müßte den ersten Schritt thun.« »Du würdest dann nicht mehr böse sein«-m ,,Nach zwei Monaten der Pein! Nach zwei Monaten, in denen ich Dich, mein Liebling, mein Glück, kaum gesehen habe?« »Und wenn sich nun eine Gelegenheit fände?« »Ja, wird sich denn in absehbarer Zeit eine finden?« »Papa, ich glaube bestimmt, daß sich eine finden wird —- kannst Du es nicht errathen? Jhr müßt Euch versöhnen . . . . zur Tause!« t- II I »Warum nicht gleich?« rief Jean und stand in der geöffneten Thür auf der Schwelle. Er weidete sich an der Ver wunderung Marthas, die noch immer die Hand ihres Vaters hielt. »Mein Schwiegersohn hieri« rief Saunay. »Er hat gehorcht!« Jean beichtete, wie er in das Resiau rant gekommen war, und als Saunay die tragilomische Verfolgungsgeschichte hörte, strich er befriedigt seinen blonden Bart. Der erstaunte Kellner mußte ein drittes Gedecl auflegen, und als die Gläser aneinanderllangen, sagte Sau nay lachend: »Es ist ein wahres Ber hängniß, ich bin ein Mustervater; und ich werde immer fiir einen Durchgan ger gehalten. Martha, Martha, nimm Dich in Acht, daß Du mir nicht ein Enteltöchterchen schenlst, denn in fünf zehn Jahren lönnte mein blonder Schnurrbart sie vielleicht auch noch lompromittiren.« Kiiujilrriltlie Zielmug derjrnueus tracht. —-- e-. ....-.....-.-. Zu den Veranstaltungen des deut schen Schneidertages in Kreseld gehörte auch eine Ausstellung von Damentlei dern nach künstlerischen Entwürsen. An dieser Aussiellung war der belgische Künstler und Führer der Bewegung auf allen Gebieten der modernen Kunst, henrh van de Belde, hervorragend be theiligt. Auf Veranlassung des Kre selder Museumsvereinö hat nun van de Velde neulich in Krefeld einen Vortrag über die künstlerische Hebung der. Frauentracht gehalten, dem wir nach ei nem Bericht der »Rhein. Westf. Ztg.« Folgendes entnehmen : Bau de Velde betonte zunächst das Recht des Künstlers, sich mit der Frauenlleidung zu besassen. Als die Künstler sich daraus beschränkten, die Schönheit nur in Gemälden, Statuen - und Denlmälern darzustellen, verwun ten sie ihre wahre Ausgabe, denn sie W vernachlässigten damit grenzenlose Ge biete, die so mannigfaltig und so rucht bar sind, wie das Leben selbst. Als sie sich anschickten, das Handwerk zu be vormunden, folgten sie dem Werdegang des primitiven Menschen, der, nachdem er für Nahrung gesorgt hat, sich zuerst ein Dach baut, dann, um sein Weib zu erobern, sich schmückt und endlich durch die Kleidung sich vor Wind und Wetter schützt. So hat die Renaissance der an glewandten Künste sich zuerst mit der rchitettur, dann mit dem Möbel, den Gebrauchs- Und Schmuckgegenständen und zuletzt mit der Kleidung befaßt. Die heutige Renaissance faßt van de Velde aus als »das wahre und wunder volle Aufblühen von Keimen, die von dem Leben selbst in den Boden gelegt wurden zum Zweck einer nochmaligen Ertenntniß seines ewig sich wiederho lenden Wiederbeginnens. Er freut sich, ein Kind der heutigen Zeit zu sein, er habe die neue Bewegung, der er ein Vorlämpser geworden sei, entstehen se hen, er habe ihrer Erfolge sich erfreuen können, nun bleibe noch ein Reich zu er obern, worin der Künstler noch nicht zur Herrschaft gelangt sei, nämlich das Gebiet der Kleidung· Die Krefelder Ansstellung, zu der der Direktor des Kaiser Wilhelm-Mu seums, Dr. Deneten, den ersten Antrieb gegeben, sei der erste Schritt auf dem neuen Wege. Sie habe die Tragweite eines bedeutenden Ereignisses, weil nunmehr die Ansstellungen von Da mentleidern in die Kategorie der Kunst ausstellungen eingereiht seien und eben so regelmäßig stattfinden würden wie Gemäldeausstellungen und die erst in den letzten Jahren zur Anerkennung ge langten Ausstellungen von Arbeiten des Kunsthandwerks. Ein Gefühl der Empörung habe die Künstler getrieben, als sie sich zuerst damit befaßten, Klei dungen zu schaffen, die nur das eine Ziel haben sollten, die Frauen, die sich ihnen anvertrauten, so gut als möglich zu kleiden, ein Gefühl der Empörung gegen die Mode. Denn sie entfernt sich von diesem natürlichen Qweck des Anzuges, nur um den anderen Ziele nachzugehen, für eine jede Saison et was Neues zu finden, was sich von dem zur Zeit Gebriiuchlichen so unterschei det, daß die Sklaven und Sklavinnen der Mode ihre Kleidung in jeder Sai son erneuern müssen. Der Redner führ ·te aus, wie jetzt glücklicherweise auch viele Frauen zum klaren Bewußtsein der lächerlichen Rolle gelangt sind, die sie so lang gespielt haben Sie waren der Willkür einiger großen, zurneist Pariser Schneider und Schneiderinnen preisgegeben, die ihnen bald das weite, bald das anschließende Kleid, bald den Glockenrock, bald den ganz engen Rock vorschrieben. Bewunderung gebührt den Frauen, die sich anders kleiden, als die anderen, denn es gehört viel Muth dazu, den Beleidigungen und der im pertinenten Neugier, der sie ausgesetzt sind, Stand zu halten.· Nach einem geschichtlichen Rückblicke auf die Wand lungen des Modegeschmacls kam Van de Belde zu dem Schlusse, daß das Un terwürfigkeitsgefiihl der Menge der Mode gegenüber nie so außerordentlich entwickelt, die Feigheit des Schönheit-Z gesühls nie so offen gewesen ist, als von der Zeit der Restauration bis zu dem Augenblicke, wo die jetzige Bewegung aufkom, d· h. bis zum Jahre 1892. Alle Männer und Frauen desselben Standes kleideten sich vor dem Ent stehen der Mode bei denselben Gelegen heiten in gleicher Weise. Damals ver schmolzen in den Kostiimen der Men ge die verschiedenen Jndividualitäten in einander. To ; Kleid war nicht das Erzeugniß der Phantasie des Schnei ders. mobl aber der Ausdruck eines ac meinschaftlichen, seit undenktichen Zei ten wirtenden Willens, der die unmerk lichen Umgestaltungen, die Bedürfnisse einer ganzen Rasse mit ihrer fiir uns etwas Unbekanntes enthaltenden Ein heit der Erziehung, des materiellen Le bens, des religiösen Glaubens zur Geltung brachte. Nur von Land zu Land, von Provinz zu Provinz war der Unterschied bemerkbar, während er es heute von einem Dorf zun- andern ist. Werden wir, so fragte der Redner, je eine solche Einheit wieder erlangen? Die Männertleidung ist ziemlich ein fach geblieben, weil der viel beschäftigte Mann in seinen Bewegungen durch die Kleidung nicht gehemmt sein will. Au ders ist es mit der Frau, vor allem der Weltdame, die nur ihre Anmuthsrolle im Leben zu spielen und zu gefallen hat. Sie nimmt die körperlichen Unbehag lichkeiten geduldig auf fich, wenn es heißt: Das ist- Mode. Früher dachten die Menschen auf al len Gebieten, wissenschaftlichen und technischen, logisch. Ein Schrank war einfach, er drückte seinen Gebrauchs zweck deutlich aus. Später wurde er eine Verwickelung von allegorischen Stulpturen, nackten Frauen und Män nern, Karyatiden mit Lasten von Früchten, Getreide, Wildpret und Ackerbaugeräthen, Waffen etc. Aus ei ner Petroleumlampe wurde eine Fe stung oder ein Kriegsschiff. und in ähnlicher Weise wurde aus einem Da mentleid eine durchaus unlogische Konstruktion ohne sichtbares Gerüst, eine Wolke von Schleifen, Puffs, Vo lants und Fältchen, die über alle For men des Körpers hinweglaufen, so daß dabei Niemand mehr die Schönheit der menschlichen Formen vermuthen kann. Den Höhepunkt der Vernunftwidrigteit erreichte die Damentleidung im Jahre 1890, wo jede Spur von Nähten ver schwunden war und ihre Ausführungs mittel ebensowenig zu erkennen waren, wte bei der eben erwähnten Lampe. Der Æ l l erste Angrisf gegen die Mode wurde vor i einigen Jahren in Deutschland unter nommen, durch die Reformkleidung. Aber diese Bewegung wurde von der Mode glänzend besiegt, weil sie sich nur auf die Grundsätze der Gesundheits lehre stützte, dagegen aus Unkenntniß der Frauenpshchologie den Schönheits sinn ganz außer Betracht ließ. Sie hätte, um erfolgreich zu sein, sich als ,,neue Mode« ausgeben müssen, wie die amerikanische und die englische Mo de es gemacht haben, denen wesentliche Besserungen zu verdanken sind und die auch die Einmischung der Künstler vor bereitet haben. Die Borkämpser der Reformtleidung haben dieVorsicht nicht gehabt, ihre Bestrebungen als Mode auszugeben, aber die Bewegung wird Spuren hinterlassen. Jhr wird, wie van dem Velde sich kräftig ausdrückte, die Ehre zukommen, uns von dem Fol terinstrument erlöst zu haben, das werth ist, in Alterthumsmuseen zwi schen dem Pranger und dem Züchti gungsgürtel zu paradiren: das Korsett. Es hat in der Art, wie die Schneider es wollten, ausgelebt. Heute hat es eine« logische Form bekommen. Es dient nicht mehr lediglich dazu, um die Klei der des Schneiders zur Geltung zu bringen, es giebt vielmehr in seiner jetzi gen Gestalt der Frau einen Halt und bietet ihr zugleich ein Gerüst, das die volle Entfaltung ihrer Formen erlaubt und es dem Künstler möglich macht, die Kleider nach wahren Konstruktions Prinzipien zu entwerfen. Die Prinzipien der griechischenKunst sind so ewig, wie die der römischen und gothischen. Auf denselben Grund sätzen soll der moderne Stil gegründet werden« Seine Formen werden von den früheren um so verschiedener sein, als die Stoffe, die wir heute besitzen, anders sind und ein eigenes Leben ha ben, dessen Eigenschaften der Künstler ergründen muß, um dansn davon Ge brauch machen zu können. Das muß der Künstler bedenken, der bei der Re form der Kleidung mitwirken will. Er wird dann dazu kommen, daß er zuerst alle unnützen Verzierungen abschafft. Die moderne Kleidung trägt in und auf sich weit mehr entartete Elemente, weit mehr Theile und Schnitte, die man für entbehrlich hält, als es auf m-- L- ss1-ls « l Ucll cxllcu FOUU jujcuup »u« »I- Uhu-o verweist auf die Abhandlung George H. Darwins, der auf den Gedanken kam, die Evolutionstheorie seines Vaters auch auf das Kleid anzuwenden. Sie erklärt das Vorhandensein der über flüssigen Elemente, der Rudimente frü her nützlicher Kleidungsformem von! denen wir uns um so leichter losma chen werden, je besser wir die Bedin gungen kennen, die sie früher einmal ins Leben gerufen haben· Die Abfchaffung . all dieser entarteten und unnützen Ele- ; I mente ist nothwendig. f Der Zeitpunkt dazu ist günstig. So ? wie die Eisenbahn uns von der Klei- l dung losmachte, die es ermöglichte, daß ! man jeden Augenblick auf’s Pferd J springen konnte, so wird auch das Rad s und das Automobil die Entstehung von l Kleidungsstückem die diesen Verkehrs- » mitteln angepaßt sind, hervorrusen· Menschen, die zwischen Maschinen le ben und ihre Verehrung von hohen Do rnen auf große Brücken und eiserne Thürlne übertragen, die in fünf Tagen nach Gegenden reisen, die ihre Väter kaum in der Hälfte ihres Lebens er reicht hätten, können sich auf die Dauer nicht mehr in Kostiime kleiden, die noch die Spuren des Degens tragen, die Spuren der Benutzung von Landkut schen oder« der Nothwendigkeit, die Acr mel zurückzuschlagen, was durch die Aermelaufschläge noch angedeutet wird. Die Künstler müssen also bei der Re form der Kleidung nicht nur die Schön heit anstreben, sie müssen sich auch von h» Vltmnfhbkirp hpä bprtfinpn Doktan und seiner Bedingungen durchdringen lassen. Das Konstruktionsprinzip soll bei dem Kleide erkennbar sein, es soll sich auf ein Gesellschaftskleid ebenso anwen den lassen, wie auf einen Arbeiteranzug, gerade wie die Prinzipien der Konstruk tion fiir ein Arbeiter- oder Bauernhang dieselben sind, wie fiir einen Dom. Die Kleidung muß den neuzeitigen architek tonischen Ansichten angepaßt sein, die oan de Velde in folgenden Sätzen zu sammenfaßt: »Wir müssen unsern Schöpfungen ein greifbares Aussehen kundungen ihrer Zwecke stempeln, sodann müssen wir klar zeigen, welche Materia lien wir gebrauchen und wie wir sie zu l sammensetzen« DieseFormel kommt bei derKleidung wie folgt zur Anwendung: , DieNähte müssen hervorgehoben werden, ebenso wie bei den Häusern das Gehält, bei den Möbeln die Verbindungen und Fugen und bei den Metallgegenständen die Bindemittel sichtbar sein sollen. Die Verzierung wird dann ihren Ursprung und die Bedingungen ihrer Existenz in der Ausgestaltung der Mittel finden. DerGeschmack und die persönlichenVor züge des Künstlers werden die Verzie rung beeinflussen. Zum Schlusse behandelte van de Velde die Fragen: Bis zu welchem Punkte hat das Publikum das Recht, vorn Künstler besondere Toilette entwerfe?, und ferner: Werden sich in Zukunft unsere Frauen alle gleich kleiden, wie das noch jetzt in gensatz zwischen diesen Fragen sei nur ein scheinbarer. Es gebe Gelegenheiten, wo die Kleidung der einzelnen Menschen zu erwarten, da er für jede Frau eine T l absoluter Logik geben, sie zu lauten Be- s manchen Gegenden geschieht? Der Ge- E sich von einander nnterf den M und müsse, nämlich im · use, solche, wo sie gleich sein könnte: auf der Straße, und endlich solche, wo sie wenigs« siens gleicharti sein sollte: bei feierlicheq Gelegenheiten eute sei dteKleidung der Menge häßlich; in Scheveningen, in ei nigenGegenden Westfalens und in Ober bayern, wo die Kleidung des Volkes di gleiche ist, habe man dagegen angenehme Empfindungen Dabei seien diese Trach ten durchaus nicht immer absolut schön aber bei den Zusammenkünften der Men ge, in den Kirchen und auf den öffentli chen Plätzen gehe ein Gefühl unbestritte ner Schönheit von ihnen aus. So brin ge der feierliche Frack, der an und für sich durchaus nicht schön ift, es zuwege, daß die Männer mit dieser Kleidung doch nicht gegen den Geschmack verstoßen, Auch diese müßten sich deshalb an den Gedanken der ,,Zwangstoilette« gewöh nen. Unsere gesellschaftlichen Zusam mentünfte würden an Würde gewinnen, wenn sie nicht mehr der Kampfplatz sind, auf dem die Frau mit den ihr von der Mode gegebenen unsinnigen Mitteln kämpft, um ihre Schwestern zu über strahlen. Wenn man einwende, dasselbe Kleid stehe Frau X nicht gerade so gut, wie Frau Y, so sage er, auch die Mode kleider stehen nicht allen gleich gut. Durch diese Thatsache würde das Ansehen der Mode aber nicht geschwächt, warum soll also die »Uniform« in der Kleidung nicht zu unterstützen sein, wenn sie nicht jeder Frau kleidsarn sei? Doch das sei alles ZukunftsmitteL Vorläufig müsse der Künstler feine Kräfte denjenigen widmen, die sich ihrem eigenen Geschmack, ihrer eigenen Erfin dung gemäß kleiden wollen. Die Ein- » mischung der Künstler werde wahrschein lich nur vorübergehend sein, »denn die Frau hat gewöhnlich genug Erfindungs gabe und Hilfsmittel in sich, um unsere Hilfe entbehren zu lönnen.« Die Mit wirkung der Künstler wird dann nur noch für die Ornamente vonnöthsn sein, womit die Frau die Stoffe, die sie selbst geschnitten und genäht hat, zieren soll. Wenn sie dann ihre von ihr selbst erfun denen Kleider allen Anfeindungen gegen über mit Ausdauer trägt, wird sie sich überzeugen, daß ihr Wunsch nicht nur eine Laune der Phantasie war, sondern eine Edolution zu einem besseren Leben« Wenn ihr Vorgehen Früchte trägt, wird die Mode ihre Herrschaft einbüßen. Dann wird die Frau ihr Kleid ani Ende der Saison nicht mehr für immer abzu legen brauchen, weil sie es in der nächsten Saison nicht mehr tragen darf. Schon die Mühe, die sie sich gegeben hat« wiri eine längere Dauer für das Kleid recht fertigen. Daß es so komme, sei sekn leb hafier Wunsch. —- -——.k-------— -—— Der Lehrer in Ostelbien. Es war mit zwanzig Jahren, Da kam er aufs Dorf hinaus, Der Graf kam selbst gefahren Und zeigte ihm das Haus Und sprach: »Das Dach hat Schwen« Doch unbeträchtlich nur, Und ich befehl’ in Gnaden Demnächst eine Reparatur.« Der Lehrer kam ins Alter« Wo man sich wählt die Frau — Des Grafen Schloßberwalter Lud sich als Gast zur Trau’: »Ihr Leute, Erlaucht schicken Euch Gruß und dieses Wort: Wir lassen sicher flicken Die Regenlöcher sofort.« Die Zeiten gingen. Der Lehren Der wurde siebzig Jahr, Es brachten ihm Verehrer Ein Schwein und ein Ständchen tat. Der Gras sogar —- mit Vieren Fuhr diesen Tag er her — Kam selbst zum Gratularen Und huldvoll sagte er: Ei! Ei! Was ich da schaue: Das Haus ist schlecht gedacht —— Na, wenn ich selbst mal baue, Wird es gleich mitgemacht.« Der Lehrer kam zum Sterben, Die Töchter seufzten schwer, Gab es auch nichts zu erben, Sie liebten den Vater so sehr. Dann hat man ihn eingesegnet, Dann schloß man den Todtenschrein - - Der Todte lächelt. Hierregnet Es endlich nicht mehr herein . . . III Il- Il Bettler - Frechheit. Hausfrau: »Sie kommen zu oft, lie ber Mann, ich kann Ihnen nicht jedes Mal etwas geben!« Bettler: »Na, liebe Frau, dan abonniren Sie sich doch bei mir: wenn Sie mir fiir fünf Mark eine Karte ab laufen, dann belästige ich Sie das ganze Jahr nicht wieder!« Stimmt. »Wie ist denn die Marie zu dem Luftschifser gekorninen2« »Sie hat eine Ballonfahrt mit ihm gemacht, und bei dieser Gelegenheit hat er ihr seine Hand angeboten.« »Er hat also ihr Herz im Fluge erobert.« J h r S t o l z Frau A.: ,,Wen halten Sie für den größten Erfinder der Neuzeit2« Frau B.: »Meinen Mann!« Frau A.: »Ich wüßte nicht, daß Jhr Mann etwas Bedentendes erfunden hätte?« Frau B.: »Na, Sie sollten maldte Gründe hören, wenn er morgens nnr Fünf nach Hause kommt!«