Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, September 14, 1900, Sonntags-Blatt, Image 11

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    -— I
i ar- Gkspensi der Vergangenheit
, —.— .
Eine Conlissengeschichtek
vensiarldWoizogen "
Der zweite Alt war zu Ende. Thea
Norden, die geseierte Liebhaberin des
großen Predinzial-Theaterg, hatte sich
in ihre Gardercbe begeben und lag nun,
lässig hingestreckt, ans der Chaiselon
grie. Jm dritten Att war sie nicht be
schäftigt und da sie schon sechzig Mal
in dem Siiict gespielt, also keiner :
Sammlung mehr bedurfte, gestattete sie -
detu Trenesien ihrer Getreuen, dem Ba
rr::. ihr Gesellschaft zu leisten. f
Lse war zwar gegen die Regel« aber
die schöne Thea durfte sich Manches un
gestraft erlauben, woran Andere nicht ;
z.1 denlen wagten. l
Die Garderobiere hatte sich zwick
gezogen.
Von der Bühne her drang gediimpft
das Summen der Massen, die draußen
ver und hinter den Coulissen agirten,
sprachen und lärmten. Man hörte das
unterdrückte Grollen des Regisseurg,
dann den hastigen Mahnruf desselben.
Der Baron sah zum ersten Male das
Treiben der Eonlissenwelt, und was
ihm nech mehr galt, er war zum erst-en
Male mit ihr allein, mit ihr, die er bis
zum Narrischwerden liebte.
»Ich dewundere Sie, ich schweige in
Ihrem Anblicke,« flüsterte er leiden
schastlich
»Thnn Sie das nicht, mein Lieber,
es ist ein Zu gefährlicheg Spiel. Was .
Sie fesselt, berauscht nnd blendet, ist !
nur der Abglanz der Komödie, eines i
Spielg mit geschniintten, lebenden E
Puppen Verlangen Sie nicht hinter i
die Schminre zu blicken, Sie würden !
l
sonst bitter enttäuscht werden
« »Mehr-n Sie mich, wie ich Sie liebe;
werden Sie mein Weib!«
Sie richtete sich ein wenig empor und
TAAOO Ivikfxstns III- mnntn ssns erbot
««:«·- . »s-- - - .
heit begehen, Baron, aber ich bin Ih
nen gut und hänge zu sehr an der Cou
lifsenwelt und an meiner Freiheit, da
rum will ich Sie davor bewahren. Was
wollen Sie auch mit mir beginnen? Jch
tauge nicht fiir den Ernst, den das Le
ben und jene Liebe bedingt, die Jhr fiir
Euer Heim gebraucht. Jch bin durch
und durch Theaterweib, die Komödie
ist mir in Fleisch und Blut übergegan
gen, ich vermag mich nicht mehr von
ihr loszuschiilen.«
»Ach was, Sie sind ja tausendmal
besser, als Sie scheinen wollen, Sie ha
ben Herz und Gemüth, und ich weiß
es, Sie werden das Ideal einer lieben
den Gattin sein
»Sie wollen mich also wirklich zur
Frau? Sie glauben, daß ich ein ehr
liches, aufrichtigeg Weib zu sein ver
möchte — Hm ----— werden Sie Jhre
Werbung auch aufrecht erhalten, wenn
ich Jhnen die Geschichte meines Lebens
erzähle?«
»Nichts vermag mich davon abzu
bringen.«
»Wir wollen sehen. So hören Sie
denn! Jn einem hinfälligen Häuschen,
am äußersten Ende einer Vorstadt von
Berlin, kam ich zur Welt. Mein Vater
war ein Truntenbold. meine Mutter
that es ihm darin gleich. Jahraus,
jahrein gab es teine Ruhe in unserer
Wohnung. Vater und Mutter zantten
und mißhandelten sich stets. Um den
Anlaß dazu ward ihnen nicht bange.
Waren sie betrunken, prügelte-i sie sich;
gab es tein Geld zu vertrinten, schrieen
sie einander an.«
Sie hielt schaudernd inne, als sähe
sie noch einmal das schreckliche Bild ih
rer Kindheit vor sich auftauchen, seufzte
dann tief auf, trocknete eine Thräne,
die ihr in die Augen trat, und fuhr nach l
kurzer Pause in ihrer Erzählung fort: ,
»Jn dieser Umgebung wuchs ich empor. :
Jch wurde mit Prügeln und Altohvl «
große-zogen und die schlimmsten Re
den bildeten das Vaterunser, mit dem ,
ich täglich geweckt wurde und das mich I
quabenviich in den Schiaf lautes- i
,,Schrecklich, schrecklich!« sagte der !
Baron ergriffen.
»Es sollte noch schlimmer lommen.s
Alg ich fünfzehn Jahre zählte, war ich s
eine voll entwickelte Schönheit Jch i
blkb you-cu- v».- »r« -t- H. (I1,..·-I.i.«-"-i- ,
’«s« .".’Nq
s--s» ssquak »u« pur-, usi- psss does-»Unt« i
leute es mir erzählten, und die Hände 7
darüber zusammenschluqemdasi ich mich
bei diesem jämmerlichen Dasein so zu
entwickeln vermochte· Die Leute schwatz
ten so viel von meiner Schönheit, das;
dei Eltern endlich aufmerksam wurden
und den teuslischen Plan saßten, dies- «
Schönheit auszunutzen Soll ich Ihan
noch sagen, wag nun solate2«
Sie fuhr fröstelnd zusammen, erhob
sich plötzlich von ihrem Siye und schien
leidenschaftlich erregt, als sie ihre Er
zählung fortsetzte.
»Ich selbst verstand anfangs nicht,
wag mit mir geschah, und als ich rets
genug war, es zu verstehen, war mir
schon alles gleichgiltia geworden. Tag
unt Tag, Abend um Abend muszte ich
hinaus aus die Straße zum Betteln,
zum Stehlen, zum —- ——- —- o es ist zu
schrecklich, es auszusprechen Wenn ich
heimkehrte, sielen Vater und Mutter -
iiber mich her und entrissen mir das
Sündengeld; wenn es ihnen nicht genü
gcnd erschien, rissen sie mich zur Erde,
niisihandelten mich, traten mich mit
Füssen und stießen mich wieder hinaus.
Sie werden sragen, weshalb ich all’ das
ertrug, warum ich nicht entfloh? Jch
weist eg nicht. Vielleicht war ich zu un
verständig, vielleicht zu gutherzig, viel
leicht hing ich zu sehr an der elenden
Schelle, aus der ich groß geprügelt
wurde. So lebte ich einige Jahre da
hin, ein entsehliches Dasein. Mit gener
Staats-NO welche die Ver-zwei lung
L —
dem Menschen verleiht, der nichts mehr
zu hassen hat« brachte ich meine Tage
dahin, bis’plößlich ein Lichtstrahl in die
Nacht meines Daseins fiel. Ein würdi
ger Mann sah mich, lernte mich kennen,
lielsen und schätzen. Er entriß mich dem
Schmutz. den ich durchivatete, erweckte
die edelsten Regungen in meiner Brust,
weckte den Göttersunlen des Talentes
in mir und zog mich empor zu jener
Höhe, in der ich mich vollends als Weib
sand. Das Glück war mir hold, es hef- -
tete sich an. meine Versen. und nichts ge
mahnte mich bald mehr ar den Ab
grund, an dem ich gewandelt. Vater ;
und Mutter gingen an einer schrecklichen
Krankheit zu Grunde, die sie sich im·
Gcnuß des Altohols geholt. Und wie ich
auch Ursache hatte, ihnen zu grollen, ich E
weinte dennoch heiße Thränen an ihrem «
Sarge. Waren sie es doch, die mir das
Leben gegeben, das Leben, das so schön,
so herrlich ist.«
Sie hatte ihre Erzählung beendet.
Ihre Augen brannten und ihre Wangen
glühte-n
Miichtig ergriffen hatte der Baron
gelauscht, und nun blickte er tvie geistes
abwesend vor sich hin.
Das Vibriren der Klingel schreckte
ihn empor. «
»Der vierte Akt beginnt«, sagte die
Künstlerin ernst, »ich muß hinaus.«
«Schon?« srug er zerstreut.
»Denten Sie noch daran, um meine
Hand zu werben?«
»Ich muß mich in der That«. erwi
derte er. einigermaßen befangen, ,,ersi
daran gewöhnen ——-«
Ein übermüthiges Lachen unterbrach
ihn. Ueberrascht blickte er aus.
»Hm Sie die Geschichte lurirt? Nicht
wahr, sie ist rührend, und ich trage sie
ganz gut vor. Glauben Sie nicht, daß
ich damit Furore erregen werde?«
»Mit der Geschichte Jhres Lebens-W
»Was sälIt Jhuen eins Jch bin guter
Viir ersleute Kind, ich habe Jhnen nur
die aradescene der neuen Rolle vorge
srieli, die ich in der nächsten Woche
ireiren werde. Und eine Frau, die so
Komödie spielen kann, werden Sie doch
nicht ehelichen wollen«
Damit nickte sie ihm freundlich tu
und rauschte hinaus auf’«5" Theater.
- .-.—« -—...-—. .. - «
Ciriiiie Augen«
Nach dein Franzos-schen von Julia
Bueren - Hahn.
l.
»Nicht nur die Vögel haben Flügel,
auch Blumen können fliegen.«
Jni Reich der Sonne, tief hinten in
Indien, lebte ein Sultan, der groß und
gerecht war und von Gott zur Stunde
des Gebets erhört wurde. Er segnete
ihn in seinen Kindern und schickte an
demselben Tage drei Seelen vom Him
mel auf die Erde, an welchem die Faun
ritin drei Mädchen, die sich so ähnlich
sahen, daß die Mutter sie nicht von
einander unterscheiden konnte, zur
Welt brachte; sie legte drei verschiedene
Blumen auf ihre Wiegen, eine rosa fiir
die älteste, Leili. eine weiße für die
zweite, Revis-, eine blaue für die dritte,
Hat-ji« «
Sie wuchsen empor gleich der schlan
ten Palme und blühten wie die Lotos
blume; die gefangen gehaltenen Löwen
schwiegen unter ihren Blicken, und die
Gläubigen beugten sich bis zur Erde,
wenn sie unter ihrem Schleier majestii
tifch dahinschritten. Aber sie hatten
grüne Augen, Augen, so tief und un
ergriindlich wie das Meer, Augen, wel
che bis in das Jnnere der Seele zu bli
cken schienen.
Diese Augen brachten ihnen Unglück
und ihre Herzen blieben ivie eiii ver
siegeltes Buch. Eines Tages legten
lliigläubige init ihrem Schiff im Lan
de des Propheten an. Ein Orkan ver
schlug fie von ihrem verwünschten Lan
de, in welchem die Sonne so inatt ist.
daß sie vor Kälte sterben. Sie lamen
mit ihrem Anführer, der weiß wie der
Schnee ihres Landes und blond wie
die Blätter ihrer Bäume war. Er hatte
auch meergriine Augen, undalg die
Schwestern ihn bei der Audienz des
großen Sultans sahen, da erschauerten
Ist sank-I- Zkfsin Anlhhllkrhmskffpn
Jhre Herzen öffneten sieh der Liebe,
und alle drei liebten ihn. Sie hörten
ihn von seinem Lande, wo es talt wie
Eis ist, reden, und sie sagten sich, daß
sie gern Allahs Sonne, ihr Märchen
schlofz und ihre Blumengarten gegen
dag- Land des Geliebten vertauschen
würden. Die Liebe ist glühend in Afien,
wo die Tiifte sich in Gift verwandeln;
sie ist eisig in Europa, wo der Himmel
bewollt und die Natur ohne Duft ist.
Der gierige Frante war gekommen, um
Gold zu erobern, aber teine Frauen.
Er fürchtete für sein Leben, Und mit
Schätzen reich beladen nahm er Ab
schied, als ob Gold mehr wäre, als die
Liebe des Himmel-.
Sie weinten nicht, aber sie sagten
sich: »Er ist der Geliebte unseres Her
zens, der Stern unseres Lebens, wir
pKltsandest OSP
müssen ihm nacheilen,« und, nachdem
sie ihren Bruder umarmt hatten. flo
hen sie in der Nacht aus ihrem goldenen
Palast und wiederholten sich, um start
zu bleiben: »Wir gehen in das Land
von Eis und Schnee, um unseren Ge
liebten wiederzufinden.« Aber es ist
weit, sehr weit vom Lande der Gläubi
gen bis zu dem der Verfluchten, und
als sie lange gewandert waren, ohne
sich ihrem Ziele um Vieles genähert zu
haben, da los-ten sieeines Tages nicht
r —
mehr weiter und sie sagten sich:
»Der müssen wir sterbent«
Und sie starben vereint, wie sie zur
Welt getommen warenl
Ein Engel schwebte zu - dieser
Stunde über dem Hügel, er betete zu
Muhamed :
»Allm·cichtiger herr, die drei Huri
sind gestorben, sie suchten ihren Ge
liebten.«
Der Prophet sah sie an, und eine
Thräne erglänzte in seinem Auge;
dann sagte er :
,,Möget ihr, Leila, Nede und
Hadji zu Blumen werden gleich denen,
die aus Eurer Wiese gelegen haben.
Und der Wind sei Euer Diener und
trage Euch aus seinen Flügeln dahin
von Erde zu Erbe, von Land zu
Land, damit Jhr denjenigen findet,
welchen Jhr sucht. Jhr sollt überall
blühen, unter dem Schnee unter der
Sonne bis an das Ende der Welt, wo
Jhr ihn wiederfinden werdet, wenn Al
.lah das Gericht hält·«
Und da, wo die drei Schwestern
gestorben waren, erblühen sogleich
aus Muhamed’5 Wort drei Blumen,
eine rasa, eine weiße und eine blaue!
Der Araber schwieg einen Augen
blick, dann begann er von Neuem:
»Allah ist groß und Muhamed ist sein
Prophet! Singrun ist vom Himmel
gesegnet. Der Wind, ein Sklave des
Herrn, hat in diesem Jahre die drei
Blumen aus Asien nach hier ge
bracht-«
Und er zog drei kleine Blumen,
groß wie die Veilchen, aus seinem
Busen. Die eine war roia, die zweite
weiß und die dritte blau, wie er es
erzählt hatte: es waren die drei
Schwestern! —
Die Araber warfen sich bei ihrem
Anblick zur Erde und das Gebet be
gann....
2.
Jm Augenblick. wo ich miek zurück
ziehen wollte, sagte eine Stimme hin
ter rnir : ,,Jss hou please, Sir!«
Jch drehte mich um und befand
mich einem vornehm aussehenden
Engländer von stattlicher Figur ge
genüber.
»Mein Herr«, sagte er, nachdem er
höflich gegrüßt hatte, ,,rnein Name ist
Lord M . . .. Jch habe die Erzählung
des Arabers mit angehört und habe
gesehen, daß Sie seine Worte aufge
schrieben haben. Wir verstehen leider
kein Arabisch, aber Miladh, welche
durch die Gesten des Erzählers interes
sirt worden ist, möchte gern die Ueber
setzung haben. Entschuldigen Ste
meine Bitte, Sie würden mich zu gro
ßem Dank verpflichten, wenn Sie mei
ner Frau die Geschichte erzählen woll
ten.'«
Jch antwortete, daß ich der Dame
gern zu Diensten stände und mich
freue, ihm persönlich einen kleinen
Dienst erweisen zu können.
Am Abend wurde ich der Ladh bor
gestellt. Sie schien mir sehr blond,
sebr blaß und übermäßig nervös zu
sein. Sie war, wie es allen Frauen
ihrer Nation eigen, sehr zurückhal
tend, aber ohne Ziererei. Jhre Augen
waren stets gesenkt, dies schien jedoch
natürlich, denn sie konnte kaum 18
Jahre zählen. Sie begrüßte mich
höflich, und überließ es ihrem Gatten,
aus die versprochene Uebersetzung zu
rückzukommen. Jch las sie ihr lang
sam bor, diese kleine Geschichte, und
versuchte, so viel ich konnte, denselben
singenden, ergreifenden Ton hineinzu
legen.
Als ich geendet hatte, blieb die
junge Frau in Gedanken versunken
sitzen, ohne ein Wort des Dankes zu
sagen oder ihre Meinung auszuhu
schen. Jch war nicht wenig erstaunt
über diese Gleichgiltigkeit und ging zu
ihr, um sie über ihre Meinung zu sta
gen. Da erhob sie zum ersten Mal .
die Augen zu mir und antwortete mit
halblauter Stimme die einfachen
Worte: »Ich habe auch grüne Au
gen!'« —
i
J
J.
Acht Tage später war ich einer der
besten Freunde des Lord M . . . ., und
ich schloß mich ihm aus der Reise nah
Neapel an.
Jch wußte jetzt den Einr- des
Satzes: ,,Jch, ich habe auch grüne
Augent« zu deuten.
Man hatte Mylady mit Myloro
verheirathet. weil Nam, Reichthan
und Alter so gut gepaszt hatten. Und
da Mylord ein außerordentlich dich
scher Mensch und entzückender Gesell
schafter, ja in jeder Hinsicht vollkom
men war, so hatte das junge Mädchen
von Anfang an für ihn geschwier
und ihn mit allen Fasern ihres Her
zens lieben gelernt. Der junge Gaste
jedoch sand, nachdem er einen vollen
Monat den Flitterwochen gewidmet
hatte, daß es sitt einen Mann, der
siir das Haus der Lords b:sti«sk·.it,
unanaebracht sei, seine Frau zu lie
ben.
Das arme Mädchen hatte ein ein
saches, gutes Herz und kannte alle
Qualen einer verschmähten Liebe. Jsch
ganz allein verrieth durch ausmerksame
Beobachtung den Kampf, den sie in
ihrem Jnnern kämpfte. Weder ein
Wort noch ein Blick zeigte Fremden
ihr Empfinden.
Jch hätte sie gern dazugebracht, mir
ihren Kummer mitzutheilen, denn ich
war überzeuat daß ein Schmerz da
durch an Destigleit verliert; aber sie
schien meine Absicht· zu erratheii und
ging mir aus dem Wege.
So kamen wir nach Neapel, wo .v-r
vierzehn Tage bleiben.
Mylord und Mylady begleiteten ;
mich aus allen meinen Ausfliigssn."
Mhlord, ein Buch in der Hand. er
klärte alles und sah sich nichts an.
Miladh war aufmerksam, aber gleich
giltig.
Eines Tages, es war der letzte, den
wir in Neapel zubringen wollten,
siihrte unser Spaziergang uns zu
einer Statue der ,,Sapho«· Mylord
las vor : (
»Sapho (Kiinstler unbekanntl
Marmor. Die Priesterin ist darne
stellt, wie sie sich, verzweiselt, nicht
von Phaon, den sie anbetet, geliebt zu
werden, in’s«Meer stürzen will. Jhre
rechte Hand wirst die Lyra hinter sich,
als wollte sie alles, was ihr Ruhm und
jihr Leben wars hinter sich zurü!las
en.«
Die junge Frau war stehen geblie
ben. Je weiter Mylord mit seinem
Lesen kam, desto starrer hefteten ihre
Augen sich mit unbeschreibkich
schmerzlichem Ausdruck aus die Mar
morsigur. Jch verstand sie. Die
Frau, welche die Verzweiflung, nicht
geliebt zu werden, tanntc, sprach zum
Weibe
—
4.
Am anderen Morgen befanden wir
uns an Bord und kehrten über Frank
reich nach England zurück. Es war ani
zweiten Tage unserer Ueberfahrt. Es
war Mitternacht. Jch saß aus Deck und
träumte. Die Nacht war herrlich, still
und friedlich. Ein italienischer Meister
hatte arabische Verse in Musik gesetzt und
leise klangen die Töne zu mir heraus.
Da kamen mir auch die fliegenden Blu
rnen ins Gedächtniß und ohne zu wol
len, fang ich diese orientalische Poesie, die
iZum Nachdenken stimmt, leise vor mich
m.
Ohne daß ich es gesehen hatte, war- die
junge Frau nach oben gekommen. Plötz
lich stand die weiße, zarte Gestalt Vor
mir, ich sprang auf uno unterbrach mei
nen Gesang. ,,Singen Sie weiter,« sagte
sie leise, »singen Sie weiter, ich bitte
darum.«
Und sie beugte sich iiber das Dahlbord,
wo ich gestanden hatt-· Jch sehe sie noch
vor mir, ganz in Weiß, schlank und bieg
sam, wie ein Schilfrohr!
Jhre Stimme klang so weich und bit
tend und doch dabei so befehlend; ihre
Augen, groß und tief wie das Meer, wa
ren nicht wie sonst gesenkt, sie erhob sie
zu mir und es leuchtete und blitzte in ih
nen, daß mir die Nacht erhellt schien.
Jch begann von Neuem zu fingen. Sie
hörte aufmerksam zu, übergossen von
dem bleichen Licht der Sterne. Jch sang
mit-einem rnir fremden, unangenehmen
Gefühl, als ahnte ich etwas Schreckliches-.
Jm Augenblicke, in welchem ich die letzte
Strophe zu Ende sang, sah ich sie sich
tief ttber das- Schiff biegen. Eine Stim
me murmelte »Addio Sapho ...«
und ein Körper siet ins Wasser.
Jch sprang hinzu. Die Boote wurden
heruntergelassen; die Wogen hatten sich
über sie geschlossen und das eisersiichtige
Meer behielt seine Braut.
Man schrieb an den Vater der jungen
Frau, daß seine Tochter auf der Ueber
sahtt von Neapel nach Civita——Vecchia
ertruniten wäre· Am anderen Morgen
hörte ich einen alten Matrosen sagen:
»Ein Unglücksfam Dummheit; sie hatte
grüne Augen, solche Frauen haben stets
ein trauriges Ende, der Wind reißt sie
mit fort.« Und ich mußte ein den Ara
ber und an die drei reisenden Schwestern
denken. Vielleicht ist die Tochter Al
bion’5 auch eine Blume geworden und ist
auf der Suche nach- Glüct und nach dem
Geliebten! . . . .
— —-.I.-—. --—
Die tlienre Ziiiugliitslteih
—-.—
Bei Registrator Sparnianns steht seit
einiger Zeit das Barometer auf verän
derlich, und das ist ein höchst ungemiith- s
licherAusnahmezustand. Früher strahlte
die Sonne am FamilienhimmeL die
rundliche gutmüthige Frau Registrator,
in « ungetrübteni Glanz. Der erfte
CUJUUUI Ucluulllcllc slc Un lcslcn Win
ter
»Es scheint doch, als ob wir einen
recht schlechten Griff mit unserer neuen
Wohnung gethan haben«, bemerkte ei
nes Tages der Herr Registrator, »die
Zimmer sind viel tälter als in der al
ten, sie heizen sich schlecht.«
»O nein«, widerlegt sein Frauchen
mit einem elegischen Seufzer. »Die
Feuerung ist nur unvernünftig theuer
geworden — wir müssen sparen.«
»Aber doch nicht auf Kosten unserer
Gesundheit, liebes Kind«
»Nun dann gieb mir bitte fiins Mart i i
Wirthschastsgeld monatlich mehr zur
Anschaffung der Kohlen«
Der Herr Registrator schloß schnell , T
die Lippen und sror weiter. Wenn er ’ .
ani Schreibtisch saß, zog er sich Filz
schuhe an und legte eine Reisedecle um
die Knie; das schützte wenigstens die
Beine vor dem Rheumatismu5, der sich
dafür in den Schultern festsetzte. Sein
jüngster Sprößling erfror sich die Fin
ger, der ältere wurde den Huften den
ganzen Winter hindurch nicht los — die
Frau Registrator vertilgte unglaubliche
Mengen heißen Kasfees und der Herr
Gemahl legte die verweigerten 5 Mart
gewissenhaft in Grog und Punsch an.
Um dieselbe Zeit etwa stieg eine neue
Wolke drohend amFamilienhimmel auf.
Die Frau Registrator fing plötzlich an,
des Herrn Gemahls langes Leben am
Abend anstößig zu finden. Das sei un
J
gesund und verderbe die Augen« ee
möge lieber am Mittag, statt·zu schla
fen, lesen und dafür Abends zeitigcr zu
Bett gehen· Der Reaisirator wies ein
solches Ansinnen mit Entrastung zu
riicl. und ienee Morgen-T als seine liebe
Frau wie gen onnlich oortrurssooll lon
statirte: »Du hast wieder bis nach 12
Uhr gelesen, das Petroleum in der
Lampe ist rein ausgebraunt!« da war er
so unvorsichtig. in aller Beicheidenheit
etwas oon unerwiinschter Beoormunz
dung fallen zu lassen.
»Mein lieber Mann«, sagte spitz die
Frau Registrator. ,,meinetwegen konn:
test Du bis zum Morgen lesen, wenn
Du nur eine Extrasumme zur Anschas
sung von Petroleum dem Wirthschasts
gelde beifügen wolltest. Das Petroleum
ist um 2 bis 3 Pfg. das Liter gestiegen
— das summirt!«
Also daher die plötzlich erwachte Be
sorgnisz um des theuren Gatten gefähr
dete Gesundheit! Der Registrator be
willigte schon aus Jndignation keinen
Zuschuß, und die Folge davon war,
daß seine Lampe sortan nur mit einer
bis 11 Uhr reichenden Füllung versehen
wurde.
Zum April kam ein erneuter An
sturm auf des Gemahls Börse. Das
Mädchen hatte als Bedingung für sein
ferneres Bleiben eineLohnerhöhung von
20 Mark jährlich verlangt. »Sie be
kommen es ja alle!« Des Registrators
Charakter war inzwischen schon so weit
verhärtet, daß er in dieser Anzapfung
nur eine ganz gemeine List seiner Frau
zur Erlangung eines erhöhten Wirth
schastsgeldes witterte, und er erklärte
sich kalt lächelnd siir insolvent. Die
Frau behaupten-, bei der allgemeinen
Bertheuerung aller Bedürfnisse, den er
höhten Lohn nicht zahlen zu können,
Ias alte, eingearbeitete Mädchen wurde
entlassen und ein junges unerfahrenes
Dis-en npnnmmvn Knä- nno Inn-I Eva-nd
Itwas zerschlug, alle paar Tage das
Essen anbrennen ließ und bei seinem
Wachsthum unheimliche Riesenportio
nen von allem zu erlangenden Eß- und
Trintbaren verschlang.
Kürzlich bemerkte nun der Herr Re
zistrator am Halse seines Sohnes einen
.Gummitragen. — Wenn er etwas
J)c:ßt, so ist es Gummiwäsche.
»Was bedeutet das?« fragt er
:l;«nungsschwer.
»Ja, denke nur", ruft er ahnungs
schwer.
»Ja, denke nur«, ruft die Gattin im
Tone höchster Entrtistung, »nun ich auch
noch die Plätterin theurer gewordenl—
Du mußt Dich jetzt auch ein bischen mit
der Wäsche einrichten, lieber Mann,
drei reine Kragen in der Woche sind ge
nug, wenn Du Deine Manschetten acht
Tage auf der einen, die anderen acht
Tage auf der anderen.
,,Frau«, fährt er aus, .,bist Du denn
oom Geizteufel besessen?«
»Daß ich nicht wüßte«, ruft sie mit
zuckenden Lippen, »Du hörst ja, alles
ist theurer geworden, alles: Feuerung,
Petroleum, Lohn, Platten, Waschen,
demnächst kommt die Milch an die
Reihe, dazu die hohen Fleischpreise etc·..
Nun, wenn Du erst sijr das Bier mehr
wirst zahlen müssen, dann wirst Du ja
selber empfingen, wie das thutt«
Er knickt zusammen, seine Frau hat
ihn an seiner empfindlichsten Stelle ge
trosfen . . . das Bier . . dag Bier! Er
liebt gar zu sehr ein gutes Schöppchen,
und wenn auch diesmal noch die ver
suchte Preis-Erhöhung des Pilsener ge
scheitert war, wer steht dafür, daß nicht
demnächst ein neues heimtiickisches At
tentat der »vereinigten« Brauer mit
mehr Erfolg in Scene gesetzt werden
könnte? . . . Wenn alles theurer wird,
muß ja natürlich auch das Wer theurer
werden. Das ist eine Schranbe ohne
lsndet Er stöhnte leise auf: Plättsrau,
Petroleunimann. Elttilchmiidchen und
Kohlenmann sind ihm bis jetzt höchst
aleichgiltiae Persönlichkeiten gewesen«
nun aber hat sie vorahnende Besoranifz
plötzlich in den Kreis seiner Beachtung
gerückt.
Er beginnt, die Kümmernisse seiner
Hainen Trost an hin-Hoan
»Du weißt recht gut, daß ich sparsam
zu wirthschasten vermag«, fährt sie in
zhrem Lamento fort, »aber was zu viel
ist, ist zu viel — ich tann mit dem
Wirthschastsgeld nicht mehr auLJkoms
men« . . . und sie bricht in Thränen aus.
»Ich kann es wirklich nicht, ich habe
schon auf das Sommerkleid nnd den
neuen Hut verzichtet. aber Du weiszt ja,
vie das ist, wenn man ein Jahr nichts
Jnschasft muß man iin nächsten dop
Ielt kaufen . . . Du mußt mir den Ans
gabeetat erhöhen!«
Er ist gerührt und völlig überzeugt,
Jber das Wirthschastsgeld erhöhen —
-r kratzt sich hinter den Ohren. »Ja, lie
des Weib, das ist ja alles recht schön«,
agt er ganz sanst undergeben, »ich
vijrde ja auch von Herzen gern Deinen
Wunsch erfüllen, aber mein Gehalt
kümmert sich leider nicht im geringsten
Im das Sinken und Steigen der Preise
'— ich erhalte heute nicht mehr, als ich
iechern erhielt, und Du weißt ja auch,
)aß jeder Pfennig genau vertheilt ist.«
»Die Behörde muß Euch mehr be
iahlen«, zürnte sie, ,,jetzt, da alles then
ker ist, könnt Jhr es verlangen. Sind
vir Beamten denn schlechter als die
Töpfer« Tischler, Maurer, die Angestell
en der Pferdebahn, die-Plätterinnen
md Dienstboten? Sie alle hab-In eine
Zohnerhöhung erhalten«
»Ja, liebes Kind, das ist doch etwas
Ianz anderes, die haben ihre Forderun
ien gestellt. und da diese zum Theil sehr
ierechtfertigt waren und man ohne die
-. — —-.. ,- - »J
j Leute auch nicht fertig Medeas-ON so
s ha t man ihnen ihre Ansprüche eriijlln
, Wir Beamten miiss n Warten, Es die
! Behörde von i lber.
i Ia liirm « Er l«s«.e ·«««:«"··"«1«n
· terbricft sie iln .,L-.;.1-«·!m ll «7 Jst
Euchniebtuuch scsii1n1.rs.-!s..rb1s —«. bList
s Ihr niclzt airck lsim gereism Fort-!
z rungeni Kinn sinn Te:::- et. I olne
jEuch fertig ist-« '
! Er ist aufnesprnnacn und lstt ihr
i entsetzt den Mund eu. ,.Fr:·s« «·-i«·t Du
f des Teufels? —- Das ist ·L-i»iiJ-I-Esi1«·eit,
J Ungehorsam, Nebelsion »- k«--"-« ofntionl
HDas geht gegen ten Diensteid! Wir
E uns zusammen . . . thun?«
E Sie macht sich resolut vnn sei: »er. Jand
? trei. »Pah, ich habe nichts aesehspcrem
«u-nd was könnte uns wohl passiren,
. wenn . · .«
»Ok) —- nichtsI Wir würden im »Ju
. teresse des Dienstes« bloß ein bischen
i nach Kaukehmen oder Tirschtiegel oder
Opalienza versetzt werden-«
,,Still —- still!« ruft sie, sich die
Ohren zuhaltend sie ist aanz blaß vor
Schrecken geworden. Seitdem klagt die
Frau Registrator nicht mehr.
- ——-...- «
Jch liebe Dich von ganzem
H e r z e n.
Erinnerung thut zuweilen auf die
Grüste
»Ein Tag im Jahre ist ja den Tod
« ten frei«, —
sDa zieht s durch s Herz wie siiße Ro
sendiirfte
iUnd Bild um Bilds schwebt still am
i Geist vorbei
Da brechen wieder aus die alten Wun
j den
s Und Worte wehen leise zu mir her.
i
Dereinst gehört in frühlingsjungen
Stuedsvs
i ,,«?Jc), Ic VOUS Cimc Dc IDU1, De loUl Moll
coeur·«
i Zur Kriegszeit war’ s, vor langen, lan
I gen Jahren,
Als hell und jubelnd klang die Wacht
i am Rhein, —
s Da kam mit kriegsgesang nen Feindes
schaaren
åEin Franzmann krank in unser Haus
hinein
EJch pflegte ihn, den schianken, jungen
Krieger
i Er war so zart und bleich und wun
derschön,
Er war ein Feind, und doch war er
mein Sieger
Denn durch mein Herz zog es wie
; Frühlingswehn.
i »Er ist mein Feind«,—— ich sagt mir’s
E immer wieder,
Was half’s, ich fühlte doch, ich liebte
ihn. —
iVom Rhein herüber klangen Sieges
i lieder, — —
Z Jch sah’ sein Aug’ in heißem Schmerz
i erglühn,
? Um seinen Mund lag’s wie verhalt
i nes Weinen,
Er hing wie ich, am Vaterland so
I seht;
;Bielleichi gedachte er der fernen Sei
t nen,
TVielleicht war seiner Mutter Lieb
ling er !
Die Zeit strich hin, es schlug vie Ah
’ schiedsstunde
(
I Er konnte frei zurück zur Heimath gehn.
i Da klang es bang in tiefstem Herze113
; grunde:
s »Mein Lieb, leb’ wohl —- auf Nimmer
wiederseh’n!« —
Ein kurzs-, heißes, wundersames Lie
ben,
Dann zog zum Erkerfenster sanft
mich er,
s Und hat mit seinem Ring in’s Glas ge
' schrieben:
Oh, je vous aime de tout, de tout mon
coeur,«
s Dies Stücklein Glas, es blieb meinTrost
E — mein Eigen,
i Ich brach es aug, nahm’s mit, landaus,
landein, —
Nun bin ich alt, —- eS will der Tag sich
s neigen,
l Jn Nacht versinkt mein letzter Sonnen
E . schein. —
s Von ihm erhielt ich nie mehr eine
- Kunden
! Doch jene Worte, kurz und inhalts
’ schwer
j Ich hör’ sie ost, wie Gruß aus- Geister
» wunde:
; «O!), je vous airne de tout, de tout mon
, coeur.«
« —- -——0.— -- —
»Blond muß sie sein!«
Lauraz »Was würdest Du dafür ge
s ben, solches Haar zu haben, wie ich?«
t Clotilde: »Ich weis-, nicht. Was
J hast denn Du dafür gegeben ?«
! D i l e In m a.
l Fri. A.: »Der Herr, der bei Euch
logirt, ist sehr aufmerksam gegen
Dich«
Fel. B.: »Ja, ich bin sogar mit ihm
Verlobt, aber es Plagen niich Zweifel.
Jch möchte gern wissen, ob er mich mei
ter selbst willen liedt.« s
Fri. A.: »Wegwegen sollte er Dich
denn sonst lieben?«
Fri. B.: »Ja, weißt Du, er ist mei
ner Mutter sechs Monate Miethe schul
dig.«
Berufssprachr.
»Ich höre, Herr Amtgrichtey Sie
müssen eine strenge Diätkur durchma
chen?«
»Jawohl, Gnädiaste, ich bin zu acht
Wochen Karlsbad verurtheilk