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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Aug. 31, 1900)
W pie Its-er Von F. M e I .—-.. Pumpel, das heißt, Fritz Maier, mit dem .ai«, hat Jhnen gesagt, Sie möch ten sich von mir mein letztes Abenteuer erzählen lassen? Pampel ist eine scha densrohe Kreatur und —- Abenteuer er lebte ich nicht. Ja, wenn Sie mich so ansehen, Gnädigste alt-H wie Magi eg ist durchaus nicht pitant, gänzlich pointelos. ——— Sie meinen, das ,,drutn und dran« sei gewisz amtisant, auch das nicht einmal. Aber schön, nur bestellen Sie nachher Pampel einen Gruß und er möcht’ anen nächstens turzweligere Un terhaltungen angeben. Sie wissen, dasz besagter Freund, im Grund der Seele ist er mein Feind und haßt mich glühend, und ich diesen herbst das schöne Seebao Ndrderneh unsicher gemacht. Wir schau ten uns allerorten unter den Töchtern des Landes oder vielmehr der Provinzen um, die alljährlich in reichem Kranze die Ein tönigteit der öden Sandfliiche unterbre chen, um die schönste herauszusinden Doch wie ost wir auch den Strand aus und niederstiegen, mit welch’ rührender Beharrlichteit wir auch in malerischer Gruppe den Seesteg zierten, wie konse quent wir auchjeden Mittag die »Gist bude« besuchten oder wohlwollend den Klängen der Sturme-sit lauschten —- die Schönheit schien uns zu sliehen. Lauter alltägige Gesichter, nichtssagende Phy siognomien. Sie wersen mir lächelnd ein, wir seien zu verwöhnt; schauen Sie, bitte, mit eben diesem Lächeln dort in den Spiegel und Sie werden das begreiflich finden. Als wir am vierten Tag unse res Ausenthaltes noch immer keinen Er solg der Kur zu verzeichnen hatten, war unsere Abreise beschlossene Sache. Wir vertrösteten uns auf Ostende. wo wir aus die Kosten zu kommen hofften. Je doch Oftende ist theuer und Fritz Mater und ich sind, leidet durch Verschen, nicht in der Nothschild’schen Familie auf die Welt gekommen. Wir stehen also am Abend vor unserm Rückzug ein letztes Mal an dem undanlbaren Strande und chauen melancholisch in die trügerischcn llen. Die sinkende Sonne, die einer rothenRose glich, die amGiirtel der atla2 grünen See glänzt — lächeln Sie nicht iiber die poetifche Staffage, sie gehört dazu —- sendet uns einen mitsiihlenden Scheidegruß. Da —- «Great events rast there shadotvs before« —- sehc ich, tvie Pampel ein elettrischer Schlag durch zuckt. Sein Eroberungsglassfliegt uns ter furchtbarer Anstrengung seinerseits in’s Auge, sein Busen schwellt zusehen-de, fo daß das bastseidene hemd und die lila Schärpe recht vortheilhast zur Geltung kommen und indem er den rechten Gelb öeschuhten imposant oon sich streckt, mur melt er ein begeistertes: »Einfach, ein fach!« ein Ausdruck, der seine höchste Bewunderun kund thut· Und diesmal ist sein Ges mart, wie das leider sonst häufiger vorkommt, nicht auf Abwege Reathew Jin Gegentheii. Die schönste ixe, allem Anschein nach soeben der rosig-grünen Fluth entstiegen, steht var uns. Das gefährliche goldene Nirw haar um iebt das weiße Gesicht mit den noch ge ährlicheren grünlich-blau schil lernden abgrundtiefen Nixenaugen. Nur ihr Kostiini ist wesentlich lomplizirter als das der echten Nixen. Was mich zunächst in’s rauhe Leben zurückverseyte und an ihre Menschenabftarnmung glau ben ließ, war eine lleine weiße Matte senmiißr. die ihr ftatt des obligaten Was serrosentranzeg auf den goldenen Locken aß. Die Bekanntschaft des blendenden eibes, wie Painpel sich ausdrückte, ma chen und ein Konkurrenz - Hosschneiden veranstalten, war das Wert weniger Stunden. Stillschweigend wurden un sere Koffer im »einfamen Fischerhau5« wieder ausgeparlt, Oftende verblaßte, eine ferne »Fata morgana«. Jeden Morgen frische Rosen, von FritzeiIs Seite mit»««tlnmerlungen, jeden Mittag eine Yure uraueurooynem tyr mer-rings toniett. Pampel ging heimlich, wenn er mich während des Verdauungsstiindchens in Morpheus Armen sicher aufgehoben wähnte, zum Schießstand, wo er sich im Treffen übte. Er war nervös und litt an Abnungen. Aber fürchten Sie nichts-, Gnädigite, es wird nicht getnallt. Die Sache oerlief harmlog in dem dort Alles beherrschenden Sande. Lilli. unsere ge meinsam Angel-etc war mit Mutter und Seidenpinscher auf vier Wochen an die See gekommen, ihre Nerven ein wenig aufzufrischen. Sie war nicht nur sehr hübsch, sondern auch liebenswürdig und wohlerzogen, sprach von ihre-en iieben Papa, ihrer lieben Manto und ihrem siißen Betau, erzählte-allerliebft von ib eer·,,geistreichen« Freundin Meta Schutz und benahm sich durchaus iorrett. Den einen Tag trug sie meine, den anderen PampePs Rosen, naschte beide Konstit diiten mit der nämlichen Geschwindigkeit teer und schien uns beide mit derselben Liebe zu lieben. Pampei, dem ehrgei zigen Streber, genügte das nicht« Er iieß sich den dritten weißen Anzug schicken und kam aus der Unschuidssarbe gar nicht mehr heraus. »Sie sehen aus, wie ein Mai löschen,« scherzte Lilli. »Ganz recht,« emertte ich, »weiß und grün, doch mehr Gliiclchen als Mai.« Der rundliche Pampel erröthete vor Aerger und markirte mir gegenüber hochmütlzige AugendeekeL Kurz darauf hatten wir eine ernsthaftk Auseinanderfeßung die damit endete, daß ich ein eigenes Zimmer bezog- Sein Verbrauch an Par iiim und haarwasier drohte meine Ge ruchsnerven zu zerstören. Sämmliche Schnurrbartbindesysteme hatte er durchprobirt ohne es zu erreichen. and der Optiker der Jnsel machte ein W glänändes Geschäft, indem er einen nas os i ihm lagernden Posten Monote s los wurde. Doch ich will mich nicht in Details verlieren Und nur hinzufügen, daß er feinen, ihm ärgerlicherweife an haftenden Schnupfen nur noch in Seide lultivirte und sich jeden Morgen die Nä gel mit dem brennenden Rosenroth der Liebe poliren ließ. Lilli gestand mir in einem traulich zweisitzigen Strandkorb plauderstündchen, daß sie meinen- Freund recht ,,ullig« fände. PampePs Schutz engel hielt ihn gerade auf dem entfernten Schießstand zurück, fo daß dies grause Wort seinem Ohr entging und ich, — ich will nicht prahlen, aber ich bin ein edler Mensch, der Niemandem, und sei er selbst k sein Konkurrent, die Jllusionen raubt. — T Doch die Zeit eilt, und auch die schön « sten Tage werden zur Vergangenheit. ! An einem kühlen Morgen, eine fahle Z Sonne lächelte uns mit eingelnifsenen I Augen höhnisch an, stand Lilli Abschied t nehmend auf Deck. Winken konnte sie ! nicht, in der einen Hand trug sie ein Z Schiff aus feurigen Nelten mit der De « vife : ,,Gliiclliche Fahrt«, in der andern i einen Strauß La France ohne Nandbe I merlung. Ein letztes schmachtendes e,Auf « Wiedersehen t« ein letztes devotesMirszem ziehen —- die Nixe nebst Zubehör tauchte in ihr Element zurück. —- Pampel hatte Magenbeschwerden, die Abschiedöbowle . vom vorhergehenden Abend drückte ihn, er heuchelte jedoch Weltschmerz und packte unter philosophischen Lebensbetrachtun gen seine, vom Zeitensturm ein wenig mitgenommenen, drei weißen Anziige in den Koffer. Vor ein paar Wochen führt mich eine , Gefchäftsangelegenheit nach L» Lilli’s Aufenthaltsort. Mein erster Besuch gilt, da mein sehr unzuverläfsiges Gedächtniß ihre Adresse nicht festgehalten, derPortier loae meines Hotels, wo das Adreßbucl), ein trauter Wegweiser, mir winkt. S. Sch. Schnitzler . . . . der Finger fährt hinab und hinauf, nichts zu finden, lei nen Menschen dieses Namens. Münd liche Nachfrage —iauch vergeblich, sie werden fortgezogen sein. —- Das Herz bricht mir nicht gerade, aber ich ärgere mich intensiv. Hatte ich mir doch schon einen sinnreichen Ansichtslartenvers fiir PPampel ausgedacht mit einer reizend ge reimten Bosheit. Auch aus ein Wieder sehen mit unserer schönen Nixe hatte ich mich aufrichtig gefreut. Hierher zurück gekehrt, erwähne ich meinem Busenfeinde gegenüber so beiläufig, daß die Schnitz ler’s von L. fortgezogen zu fein scheinen. Vollkommen ruhig bemerkt jener : »Schnißler, wer ist Schnißler ?« Wor auf ich ihm hohnlächelnd »na Lilli« in’s Gesicht schmettere. Friß Maier ist von der Natur schon mit erstaunten Augen aus estattet, jetzt drückten sie diese Eigen schast im Superlativ aus-. Nachdem er fünf Minuten zum Begreisen gebraucht, sieht er mich mit diesen unschuldsvollen blauen Rundungen väterlich milde an und knickt mein Selbstbewußtsein mit der lakonifchen Bemertung : Lilli Schneider. Das saß ! Bewies er mir doch dadurch, daß seine Liebe die entschieden tiefere gewesen. Jch suchte scherzend darüber hinweg zu gehen. »Siehst Du, da habe ich das Handwerl eben verwechselt, Schnißler, Schneider. Das fängt doch Beides auch mit einem Sch an.« Er konnte das nicht abstreiten und wir ließen die Sache auf sich beru hen. Pampeks Antlitz trug den Abglanz eines stillen Triumphes. —- Nun siigte es das Schicksal, in diesem Falle mein Chef und Vater, daß ich vor etwa vierzehn Ta gen nochmals die gute Stadt L. aufsu chen muß. Keiner war vergnügter als ich. Allerdings hatte ich vergessen, mir von Pampel die Schneider’sche Adresse geben zu lassen, aber jetzt war nichts leich ter als das. Nun ist es aber, als habe der liebe Gott seine ganze große milde band voller Schneider gehabt und sie gerade über die Stadt L. ausgestreut. Da gab es Schneider jeglichen Gewerbes, Schuster. Bäcker, Regierungsräthe, Of fiziere, Postbeamte, Kaufleute und so gat: eitien Leichenbeftatter. Den Lei chenbeftatter ließ ich ohne Weiteres bei Seite und traf eine lleine, aber ge fchinackvolle Auswahl unter den Schnei dern der Stadt. Unbetitelt mußte er fein, denn sonst hätte sich die Nixenmut ter wohl mit irgend einer —— Frau Rath oder Doktor anreden lassen. Jch no tirte mir alfo einen Fabrikanten, zwei Kaufleute und einenRentier Ferdinand. Fabrikanten pflegen zu tauchen und ich ging dieser'Annahme gemäß in einen in der Nähe dieses Schneiders gelegenen Cigarrenladen. Der Herr Fabrikant Schneider waren dort bekannt und be liebt. Der Herr Schneider wählten lonfervativ. tauchte nur fchwere Jmpor ten und besaßens eine Nähmafchinenfa bril und —- jawohl, auch eine Tochter, ein reizendes Mädel. »Stimmtt« Lei der hat die-Kleine augenblicklich die Ma sern und fehlt in der Schule, die sie ge meinsam mit der Cigarrenhiindlerstoch ter besucht. »Stirnmt nicht« Jch be zahle meine »Goldtipped« und wen-de mit dem Stadtoiertel der Kaufleute zu. Eingedenl dessen, daß junge Mädchen gern Apfeltuchen mit Schlagfahne es sen, manche ziehen Windbeutel dor, er lundige ich mich nach besagten Kaufleu ten in einer Konditorei. O, gewiß, wie sollte man nicht herrn Max Schneider kennen, wohnt er doch gerade gegen über und hat kürzlich die reichfte Bä ckerstoier der Stadt geheirathet« mit der er foebens auf der h zeitsreife begrif fen. Sein Bruder, d here Ludwig, Lederwaaren engro3, gegen ift ein eingefleifchter Junggeselle und Weiber feind. — Nun ja, wie follte er auch nicht, er ift eben ein zu lederner herr. —- Jch quittire dankend mit zwei Schil lerlockens und wandere weiter. Bleibt mir also nur noch der Rentier Fett-i nand. Dieser Ferdinand schien mir von Anfang an verheißungsvolL Jch trete in ein Blumengeschäft, und durch die Blume finde ich endlich meine Nixe. — ,,Gewiß, die groß-e Blondine mit dem Seidenpintscher, die immer La France betotnmt." m;,lStimmt. —- Endlich, endlich, end i .« ,,Etfch, Pumpel, in spätestens einer Stunde sitze ich in dem reich ausgestat teten Salon des Herrn Rentier Ferm nand Schneider an der Seite unserer geliebten Nixe, schlürfe Chatteuse, es darf auch Benediktiner sein, und athme Wonne. Falle bitte nicht vor Neid vom Drehstuhl. Dein glücklicher Mucki.« — Mit diesen reizenden Worten versehe ich eine Ansichtslarte, die ich sofort an den Bufenfeind absende. Inzwischen hat die Ladenjungfrau, nein, immer hübsch bei der Wahrheit bleiben, es war eins Jüngling, mir einige ausgewählte Exemplare der beliebten Nosensorte lose zusammengewundens u. sie mit ein paar liebenswürdigenBegleitzeilen von mir in die weiße Papierhülle geschlagen und fchon fliegt ein zweirädriger Dienst mann mit ihnen dem Orte meiner Sehn sucht entgegen Natürlich hatte ich links unten tust-strich meine Adresse angegeben. Jch uche also eilenden Fu ßes mein Hotel auf und harre der Schneider'fchen Einladung entgegen. Weshalb ich eigentlich nicht ohne Weite res meinen Besuch im Nixenhain ge macht, ist mir nie recht klar geworden. Sei es, daß meine allzu große Höflich keit sich erst ins der Uebersendung der Blumen bethätigen wollte, sei es, daß eine Ahnung kommenden Unheils mich davon zurückhielt. Jch werfe mich in meinen besten Staat, mache mich zum unwiderstehlichsten Mann des Jahr hunderts- und warte. —- Doch ich will Ske durchaus nicht mir mir warten rai sens, meine Gnädige. Kurz und gut, es kam überhaupt keine Einladung. Hatte sich der Rentier inzwischen tele phonifch bei einem Ankunstsbureau iiber mich erkundigt und einen schlimmen Bescheid erhalten, hatte sich ein Unglücksfall in der Familie ereignet, waren die Rosen vielleicht doch noch in die Hände eines unberufenen Fräulein Schneider gelangt —- ich habe es damals nicht in Erfahrung- bringen können. Wie ein Löwe vor der Fütterungsstunde in seinem Käfig, fo rannte ich in meinem Hotelzimmer hin und her. Was galt mir die Nixe mit ihrem ganzen Anhang, ich war blamirt, fiir alle Zeiten bla mirt. Was sollte ich Pampel sagen. Hätt’ ich doch nur diese elende Ausschw katte nicht geschrieben. Es ist über haupt eine ganz alberne Mode mit diesen läppifchen Karten, überall werden sie Einem vor die Nase gestellt, sogar in einem Blumen-laden, nun bitt’ ich einen, was haben denn Blumen mit Ansichten zu thun-. Es kam aber nur dgher, daß dieser ungeschickte Mensch so lange zum Zufammenbinden der paar Rosen ge brauchte, und ich habe doch inzwischen ein liebenswürdiges Billet und eine scha denfrohe Karte geschrieben und war noch früher fertig als er. Jn einem Blu mengefchäft sollte man überhaupt nur junge Mädchen beschäftigen und keine Männer. Natürlich wird Fritz Maier, dieser unangenehme Menfch, nichts sa gen, o behüte, er wird mich nur an sehen.s« Aber in diesem Blick wird eben die Bosheit und Schadensreude einer ganzen Generation liegen. Diese Maier’s-« sind Alle versteckt, boshaft, das Schlimmste ist, daß sie es fo geschickt zu verbergen wissen, daß Jedermann sie für gutmüthig hält. Jch habe es mir schon längst vorgenommen, bei nächster Gelegenheit mit ihm zu brechen, die Ge legenheit ift da, —- er wird mir nicht mehr vor die Augen kommen. — So und ähnlich waren zu iener Reit meine Ge danken-. —- Jn furchtbarer Stimmung verließ ich die »Wiege meiner Leiden«, dieses unerfreuliche Krähwinkeh in dem es sich kaum lohnt, sich begraben zu las sen. Nebenbei hatte ich auch geschäftlich keine großen Erfolge zu verzeichnen. Hier am Bahnhof erwartet michs in der Maske kindlicher Harmlosigkeit Fritz Maier, ein Lächeln unter dem Schnurrbart und ein Vergißmeinnicht im Knopfloch Der Mensch hat eine eminente Geschicklichkeit in der Wahl naiver Blumen. Jn seiner bekannten Berstecktheit fragte er natürlich mit kei ner Silbe nach« Lilli, sondern erkundigt sich eingehend nach meinen geschäftlichen Angelegenheiten Wenn er etwa an nahm, daß ich ihm entgegenkommen würde, so hatte er sich eben getäuscht. Jch gab ihm also nur die gewünschte Auskunft, und fügte· eine umfassende Personal- und Lebensbeschreibung mei ner sämmtlichen L.’er Kunden hinzu. Es kommt noch immer keine Frage, aber plötzlich trifft mich sein Blick, gerade un ter der großen elektrischen Ampel vor dem »Kronprinzen«. Dieser zugleich lauernde und hämische Blick voll stillen Triumphes. Warte, mein Engel, ich habe gerade Lust und Zeit, mich von Dir ansehen zu lassen. Auf Wiederse hen, ich muß dem Alten« Bericht erstat ten. Er fvird mich nicht wiedersehen. —- Noch einen Augenblick, schönste Freundin, ich bin gleich am Schluß. — Borigen Dienstag erhalte ich eine Karte aus Berlin mit folgendem Inhalt : Sehr geehrter herr! Für die meiner Braut LilliSchnei der kürzlich erwiesene Aufmerksamkeit sage ich meinen besten Dank; verbitte zuir aber in Zukunft jede weitere An näher g, da mit allem Früherm vollko men gebrochen ist. Ergebenst Carl Hellmann, Berlin, Jerusalemstraszse. That’s all. Auf Wiedersehen, schön ste Frau, und Verzeihung für den schnel len Aufbruch, aber Freund Pampel er wartet mich. —-.—. Hur vikr Unge. Weihnachisabend 1899. Jn einem kleinen Palais am Kronprinzenufer in der Hauptstadt — Speisesaal im Re naissance-Styl. Eben werden die Flü geltbiiren zu nem nebenliegenden Salon geöffnet; das Diner ist zu Ende und die drei Theilnehmer desselben: Giinther, Hildegsard und Gräsin Rosine N., Hil deaard’s Mutter, stehen vom Tische aus. Giinther reicht seiner Schwiegermutter den Arm. Gräfin Rosme (vierzig Jahre, vor nehme Erscheinung, granatsammtene Schlepprobe): Mein Lieber, es ist schon spät, ich muß gleich nach Hause; es giebt noch allerlei Vorbereitungen zu machen. Giintber: Nur noch den schwarzen Kassee, Mama! Gräsin Rosine: Nun, meinethalben. ( Sie nimmt seinen Arm. Zum Diener): Der Wagen bereit? Diener: Zu Befehl, Frau Gtäfin Die Drei begeben sich in den Salon und lassen sich in bequemen Fauteuils neben dem Kamine nieder Der Diener bringt ein Tischchen herbei, worauf er das Silberplateau mit drei vollgegosse nen Kasseeiassen nebst Liqueur- Flagon und Gläschen stellt. Günther holt einige Kissen herbei und schiebt sie unter Hilde gard’s Füße. Gräfin Rosine: Recht so, mein imm» n-« mir Schmimprfnim —- mir deiner Frau. Jhr wollt also wirklich nicht den Abend bei uns zubringen? Wie schade —- es wird sehr lustig werden: ein himmelhoher Christbaum und herum ein halb Dutzend Kinder . . . Nur das älteste wird fehlen. Seit achtzehn Jahren wird dies der erste Weihnachtsabend in mei nem Hause sein, der ohne Hilda gefeiert wird. Kannst du dich· wirklich nicht ent schließen? Hildegard (Blondine mit auf-nehmend fein geschnittenen Zügen, durchsichtigem Teint und schlankem Bau): Nein wirk lich, Mania, mir ist so eigen ich fürchte falt- daß ich —- — Gräfin Rosine: Ach, warum nicht gar! Vor Neujahr erwarte ich mir meine Großmutterwiirde nicht. Jhr wollt nur auch Euren heiligen Abend im tote-d teTte zubringen, das sehe ich schon. DaE ist ja auch ganz begreiflich. Es ist aber höchste Zeit, dasz ich gehe (aufstehend), bleib’ sitzen, Hilda, Günther wird mich hinausbegleiten Adieu. Müßt few Hildegardt Gute Nacht, Mama -—— bestelle viele, viele Grüße an Papa unt die Geschwister . . . es thut mir wirkliclj leid, nicht kommen zu können —- Adieu Mamai Gräfiu Rosine (im Vorzimmer, zi Günther, der ihr beim Pelzumhängen be hilflich ist): Schicke nur gleich um mich wenn Hilda wirklich . . . Günther: Gewiß Jch wäre seh1 froh, wenn mir der Himmel dieses herr lichste aller Geschenke zum heutigen Fest bescheeren wollte. (Er küßt der Gräfir die Hand und geht in den Salon zurück) Nun, Hilda — ich bin eigentlich recht froh, daß du zu Hause bleiben wolltest wir we den einen sehr gemiithlichen Abend feiern. Sollen wir die Lichtcher schon anstecken? Hilda: Nein! — warten wir noch eir wenig ; —- komm’ her zu mir und lass uns plaudern. Giinther: Ja, mein Schatz. Jci wette, daß ich’s errathe, wovon du plau dern willst. Hilda: Das ist wohl nicht schwer natürlich von unserem kleinen Giinthei oder unserer kleinen Hilda . .. Du wirs doch auch unbänsdia stol«i·t·ein auf deini junge Baterwiirdei Günther: Und wie! Als ich dich nact langer dreijähriger Liebe heimgesiihr hatte, dachte ich, daß mein Glück keine1 Steigerung fähig sei, und siehe da: di Antunft diese-s kleinen, lebendiger Wunders wird mich doch noch um einer Grad glücklicher machen, als ich’s schor bin. Hilda: Unsere größten Freuden wer den wir jetzt erst kennen lernen. Jck wollte, es wäre ein Sohn-, das würd( mich stolzer machen. Giinther: Ein Mädchen wird mi1 ebenso lieb sein. Jch brauche mir nu1 vorzustellen, daß es seiner Mutter glei chen wird. Jetzt ist’s aber Zeit, das Bäumchen anzuziindens und deine Be scheerung auszubauen. « Hilda: Bescheerungli Du willst mi1 wieder etwas schenken? Etwa diesesl (Sie zieht ein aus Günther’s Tasch( schauendes Schmuck- Etui hervor ) Günther: Halt! das gehört unte1 den Christbaum (will ihr’s wegnehmen aber sie hat es schon ausgetlappt.) Hildm O, wie schön! Türtisen mi Diamanten — meine Lieblingssteine. Güntlsert Jch denke, es wird zi deiner blonden Schönheit passen. Dr sollst mir künftigen Fasching die Köni gin aller Hosseste sein. Hilda (tiißt- ihn«): Du Guter, Lie . (Stößt einen plötzlichen Schre aus.) Günther (springt auf): Was ist dir Schatz-sie Hildm O web .es ist — Gän ther —- o -- meine Stunde. Herren-schreibzimmer. 11 Uhr Nachts Günther gebt in höchster Erregunsg au« — — J — und nieder —- er wischt sich die Stirn; er athmet goch aus, vergräbt sein« Gesicht in beide Hände; öfters bleibt er ste hen und rcht gegen die Thiir hin. End lich wirf er sich in den Fauteuil am Schreibtisch und öffnet sein Tagebuch. Er taucht die Feder ein und schreibt: Weihnachtsabend 1899. Jeder Strich ist eine Schlangenlinie; manche Buch staben sind mit einem Ruck drei Zeilen hoch gefahren, während andere sich fast unsichtbar in ihre Vorgänger verlieren: Aber das ist schon recht so. Es war ja seine Absicht, indem er zu schreiben be gann, die namenlose Erregtheit dieser Stunde zu photographiren, um einst, wenn er wieder ruhig sein werde, eine Erinnerung an das jetzt durchgemachte Bangen zu besitzen. »Ich höre sie schreien — es ist gräß lich, gräßlich, gräßlich Jch hätte bei ihr bleiben, ihre Hand in der mei nen halten« sollen — vielleicht hätte sie da weniger gelitten oder doch« gefühlt, wie ich mit ihr leide .. « Aber Mutter,« Arzt, Wärterin, Alle waren sie einig, daß ich fort müsse. Der Arzt befahl und ich gehorchte, denn er hat ein Wort gebraucht, gegen das es keinen Widerspruch giebt: ,,Gefahr!« —- Jetzt fasse ich den Sinn, es heißt: Todes gefahr Unbegreiflich; die ganzen Mo nate der frohen Hoffnung ist mir der schwarze Gedanke gekommen, aber jetzt habe ich's verstanden: Hilda ist in To desgesahr · .. ·O, das Wort könnte mich zum Schreien bringen, lauter noch, als drüben meine Schmerzgequälte schreit » .. wieder drang so ein gräß licher Laut herüber . . . . meine Kleine, meine Zarte, o du süßes, liebes, armes, armes Weibchen! Ach-, welch’ ein- Ju bel wird mir das Herz anschwellen, wenn die Gefahr vorüber ist —- Was war das?. « Er wirft die Feder weg, das war ein anderer, neuer Laut, der sein Ohr ge troffen: ein Wimrnern . . . . ja, jetzt ganz deutlich: ein. Kinderwimmern. Er stürzt zur Thür. Gräfin Rosine tritt em. »Das Christkind hat’s bescheert«, spricht sie; ,,es ist ein« Knabe!« Günther fällt ihr um den Hals und bricht in lautes Weinen a«us. 25. Dezember. Hilda’s Schlafzim mer. Großes Baldachinbett. Giinther sitzt am Kopfende. Auf der anderen Seite steht der Arzt. Eine Wärterin geht leisenSchrittes durch das Zimmer und legt Holz in das Kaminfeuer nach Die Kranke liegt regungslos mit ge schlossenen Augen da. Sie steht bezau bernd schön aus, da ihr ein hohes Fieber die Wangen und die halbgeöffneten Lip pen glühend röthet. Aus dem Häubchen hat sich eine schwere goldene Flechte los gemacht und fällt über das Spitzenkiffen bis über- den Bettrand hinab. Der Dok tor zieht das Thermometer, das unter Hildcks Achfel gelegen, hervor. Günther: Nun ? Doktor (leise) : Immer noch vierzig. Günther : Das ist schrecklich —- läßt denn dieses Fieber nicht nach ? Doktor : Ich fürchte, es wird noch zu nehmen« Günther : Schläfst du« Hilda ? Hilda (schlägt die Augen auf) : Wo ist die Liste der Verwundeten —- ach er steht nicht darauf . . . . aber diese Seiden decke —- voll Türtifen . .. Günther : Sie delirirt . « Doktor, ist das nicht gefährlich ? Seit gestern ist mir der Sinn dieses Wortes aufgegangen. Doch im Augenblick, da mir die Schwie germutter die Nachricht gebracht, daß ich einen Sohn habe, glaubte ich, alle Gefahr sei vorüber — und nun soll ich wieder fürchten ? Doktor : Hoffen Sie« Herr Graf, daß aber Gefahr vorhanden, will ich Jhnen nicht verhehlen. Giimher (treidebleich) : Um Himmels willen, dann rufen Sie doch noch ein paar Kollegen. Doktor: Das wollte ich eben vor schlagen. « « 26. Dezember. Nach einer Konsulta tion : Ausgegeben. « Jn der Nacht vom 27. zum 28. Die Uhr zeigt halb Z. Giinther sitzt aus dem Bette, den Arm urn Hilda’s Schulter ge schlungen ; ihr Kopf ruht an seiner Brust. Gräfin Rosine liegt aus dein Di van, eingeschlummert. Giinther sieht wie ein Gespenst aus. Verzweiflung und Hoffnung —- Hoff nung und Verzweiflung in jäher Folge. Hilda hatte fünf Stunden lang ge schlafen. Der Arzt war nach Hause ge gangen, oersprechend, am frühen Morgen wieder zu kommen. Günther’s Hoffnun gen flogen wieder himmelhoch Jetzt war sie erwacht, bei Bewußtsein erwacht. Sie hatte Günther herbeigerufen und sich an seine Brust gebettet. Günthers: Kennst du mich, mein Lieb ling ? (Hilda nickt.) Wie ist dir ? Hilda : Schlecht . .. . Günther (will aufspringen) : Soll ich Hilfe rufen —- brauchst du etwas ? Hilda (hlt ihn zurück) : Nein, ich bitte dich, bleibe — nur . . . dich brauche ich — deine Nähe . . . . Wo ist —- wo ist —- un ser Kleines ? Günther: Unser Sohn, Hilda? Er schläft.... willst du« daß ich ihn dir bringe ? Hilda : Nein — später. Jch will jetzt nur .dich. . .. ich muß dir so Vieles sa gen ..... Günther : Was denn, Scha ? Hildcn Daß ich dich lieb Bube . . . Küsse mir die Stirn — so . .-i danke — jetzt die Augen — so . . . O Günther-— scheiden thut weht Glinther: Was sprichst du Am Scheiden? Du wirst ja bald wieder ge sund werden! · Hildm Ach, ich sterbe»ja schon Zeit zwei Tagen. Jch habe Alles geh· rt. was die Aerzte sagten —- und habe dich und Mama weinen sehen; zwar war ich im Fieberdelirium — mischte tausend Phantasien unter einander. Das Eine sah ich aber immer deutlich: die sterben de Wöchnerin — nur wußte ich nicht, daß ich das war . . . jetzt weiß ich’5. Günther: Du sprichst zu viel und regst dich auf — schlaf’, mein Schatz. Hildm Jch werde lang —- lang genug —- ewig —- schlasen . .. Lass’ mir die ses letzte Wachen an Deiner Brust — es ist so süß da . . . Jch war zu glitcklich — ach, wenn man mich doch noch retten iönniei Günther: Du bist gerettet. Hilda: O, lass’ mich nicht sterben, Giinther — halte mich fest — ich fühle — weh’ die Füße, die Hände — so kalt — (sie ringt nach Atl)em.) Güther stößt einen Schrei aus. Gräfin Rosine (erwacht und eilt an das Bett heran): Was ist geschehen? Hilda: Marna, nicht wahr —- du — du nimmst den Kleinen? . . . Günther (hat seine Frau ganz in den Arm geschlossen; er reibt ihr die Füße, die Hände; er wischt ihr den kalten Schweiß von der Stirn und die Theil nen aus den Augen; e- paßt sie mit Jn brunst, als wollte er ihr sein eigenes Leben einhauchen; dazwischen schluchzi er laut): Mein Weib, mein Alles-, ver lass’ mich nicht . . . du mußt, du mußt leben . . . Gräfin Rosine (läust zur Thüre): Schnell . . . zu Hülfe . . . zum Arzt! Hilda: Günther — danie, o danke für alle Liebe, alles Glück . .. leb’ wohl.. mein . . . Sie kann nicht weiterreden. Die Hände werden steif. Noch einen Blick sw» .’ Voll Abschiedsweh und —- — vorbei! Il- dk II 28. Dezember. Das Palais C. steht offen. Gräfin Hilda liegt auf dem Pa radebett. «Die Leiche ist in das Braut kleid von weißem Atlas gehüllt, das vor kaum zehn Monaten in der Aussicllung des Trousseau so viele neidifche Mäd chenblicke auf sich gezogen; ein weißes Atlaskissen ist unter das Haupt gelegt. Wie klein und fein diese Züge erschei nen, aber schaurig starr. Ganz wie El fenbein Das»blonde Haar bildet eine Glorie um das weiße, kleine Gesicht. Zwei auf der Brust gesaltete elfenbei nerne Händchen — auch unter Lebens größe — halten lose ein Kruzifix. Der Wachskerzenduft und die Emanationen einer Schüssel Karbolsäure vermischen sich mit dem Geruch der Tannenreiser, die in die Kränze geflochten sind, denn die Winterblumen —- meist Kamelien-— duften nicht; sie sehen so wächsern und unnatürlich aus wie Diejenige, zu de ren Schmuck sie gebrochen worden. Andacht, Trauer und Mysierium durchschweben den Raum. Alle, die ihn betreten, sind vor Ehrfurcht beklommen. Es wird kein lrutes Wort gewechselt; tiefgeriihrte Blicke hängen an dem blei chen Bilde. Der Begriff »ewig« steigt in den Seelen auf. Ein Mitleid, ein schmerzlich leises, erfaßt sie Alle —- Ver wandte, Freunde und Fremde —«wenn sie an die Verzweiflung d-; Gatten, die Trauer der Mutter denken (die Beiden knieen am Fußende des Bettes und schluchszen hörbar) —- aber ein größeres Mitleid noch mit der Dahingestreckten selber, an der jeder Fallenwnrf des Klei des, jeder starre Zug, jede steife, blasse Fingerspitze die über dem Kruzifix schwebt, zu sagen scheint: Jch bin todt — todt — todt! Jl- -k s 80. Dezember. Auf der Straiie vor dem Palais eine endlose Reihe Wagen, darunter mehrere Hof-Equipagen. Gen darrnerie zu Pferd. Vor dem weit offe nen Thore der achtspännige Leichenwa gen. Der Stiegenteppich ist mit schwarzem Tuch überspannt. Sämmtliche Diener in Trauer-Livr6e bilden Spalier. Jn den von Menschen dicht gefüllten Salons sind alle Spiegel und Bilder mit Flor verhängt. Nur die nächsten Verwandten um stehsen den Sarg, vor welchem der Geist liche jetzt seine Rede hält. Die Gestalt der Todten ist ganz von Blumen ver steckt; nur das noch elfenbeinartiger, jetzt schon ganz gelb und noch kleiner gewor dene Gesichtchen steht aus der Blumen umrahmung hervor. Günther steht hart am Sarge und fixirt diese Züge. Er er kennt noch die Lippen, welche ihm so viele Liebesküsse gegeben, so viele traute -Worte gesagt . . . Bon der Rede des Pa stors hört er die Laute —- aber der Sinn entgeht ihm; es klingt ihm nur wie ein Feierhymnus —- der Hymnus des höch sten Schmerzes· Plötzlich aber wendet sich die Rede direkt an ihn ,,....Die jenigen, die hier ihr Theuersteg verloren haben, besonders du, armer Witt wer . . .« Da bricht Günther zusammen. —- — Ja, er ist verwittwet —- ja, er ist arm . . . Ein herzzerreißendeg Stöhnen dringt aus seiner Brust und alle Anwesenden fangen zu weinen an. Der Redner muß sich unterbrechen. Alles, was er bisher gesagt: von Him mel und Hölle-. von Sündenfall und Er lösung, hat die Versammlung ruhig e lassen; aber das einzige, menschlich wahre Wort, das einfache, so traurige »besonders du, armer Wittwer«, das hat alle Herzen erschüttert Nicht ein Auge bleibt trocken, nicht ein Gesicht bleibt gleichgültig —- ausgenom men das kamelienumrahmte kleine, bleiche . . . Est- eMNPHKMÆHEIIHstT2III . "«;..s..- .. s;-- ««E"«e"T-« H -«’