Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 31, 1900, Sonntags-Blatt, Image 10

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    site billige Sonntag-sahen
dran-fresse von J. F i ch t n e r.
Hwmä
Sonntag war’s, und zwar einer der
Monsieu, klarsten und fonnigstem der je
tin Menschenherz erfreute. Das merkte
such der Inbrilingenirur Theodor Lu
stig, als er, eben dem Lager entstiegen,
den wirren Kon zum Fenster hinaus
streckte und mit Behagen die thaufrische
Luft einathmete.
Das Fabriletablissement, dem er
seine zeichnerifche Thiitigteit widmete,
lag mitten auf freiem Felde: dicht an
der belebten Landstraße die von der na
hen Stadt auslief und sich in der Ferne
weit in in die grünen Berge oerior.
Die großen Augen des kleinen Juge
nieurs schauten mit fehnfiichtigem Blick
nach der sich wie ein weißes Band durch
üppig grünende Felder hinschlängelnden
Straße· Dort oben in den Bergen
sollte es herrlich sein, das hatte er schon,
seit er hier eingeriickt, in allen Varia
tionen vernommen. Und richtig, da
rollten schon vorn Städtchen her elegante
Landauer und flinke Droichten, hinter
her runipelten geputzte Leiterwagen, und -
bis hinüber an das lange Beamtenhaus
erscholl das fröhliche Lachen lustiger
Bergniigungsziigler, die der herrliche
Frühsommertag schon zeitig aus den
Federn gelockt.
Theodors Augen verdunkelten sich,
und grimmiger Neid legte sich auf sein
Gemüth. Haftig zog er seinHaupt zurück,
hüllte seine Glieder in einen Schlafrock
und schlich sich leise aus dem Zimmer.
Leise, sehr leise; denn er oerfiigte nicht
allein über den großen Schlafraum, in
der Ecke dort standen zwei Bettchen, da
rin schliefen sanft seine beiden Spröß
linge und außerdem hinter der großen
Bettgardine seine Frau. Da schlich er
sich durch die Thür und bemerkte dabei
nicht, daß ihm ein besorgter, sragender
Blick ob seines unerklärten Frühausste
hens folgte; denn es war ja Sonntag.
Er aber schritt über den Flur und
trat gerüuschdoll in ein anderes Zimmer,
in welchem tiefe Dunkelheit ihn umfing.
Polternd öffnete er die schweren Läden,
riß die Fenster aus und ließ den Son
nenschein herein. Dann trat er an die»
Schlafstatt eines jungen Mannes und
brüllte dem in tiefe Morgenträume Ver
suntenen in’s Ohr:
»Noch aus« o Mensch, vom Sünden
schluf!«
Ein unwilliges Knarren war die
Antwort.
»Steh’ aus« schade um den schönen
Morgen!«
»Lasz mich in Ruh!«
»Mensch, es ist gleich Sieben! Um
halb Acht mußt Du im Komtor sein!«
Der gestörte Buchhalter murmelte et
was, das nicht wie ein Gebet klang, und
beanemte sich endlich, der dringenden
Einladung Folge zu leisten.
Ein Viertelstündchen später sitzen Bei
de beim Frühstück in der guten Stude.
»Es wäre eine Schande, einen solchen
Sonntag zu hause zu versauern!«
meinte Theodor mit schlauem Augen
blinzeln »Ich schlage vor, wir machen
eine Partie!«
Statt aller Antwort erhebt sich Chri
stoph Blümel und stellt sich vor den Ab
reißtalender.
»Heute —- der Zweiundzwanzigste!«
antwortet er. Und als wollte er diese
Thatsache illustriren, zieht er ein Parte
monnaie aus der Tasche — ein dünnes
und magereSPortemonnaie —- und wirft
es verächtlich auf den Tisch.
Jn überraschender Uebereinstimmung
ihrer gegenseitigen Gefühle bemächtigt
sich Theodor desselben und schüttet den
Inhalt der Münzen aus. Mit einein
Blick hat er die Thatsache erfaßt.
»Sech3 Markt« stöhnt BlümeL »Und
heute erst der Zweiundzwanzigste.«
Beide Hände in den Taschen, steht er
am Fenster und starrt in die Lands-hast«
tvährend Theodor den Verborgenfien
Winkel des Portemonnaies mit spitzen
Fingern und Argus-trugen durchstöbert,
jedoch ohne jeden weiteren Erfolg. —
»Hm, es braucht uns ja nicht viel zu to
sten,« hebt er muthig an, »ich hätte einen
Plank«
,,Wird nichts daraus, so lange kann
ich nicht trocken tiegen!« weist ihn be
stimmt der Andere zurück, indem er
schieunigst seine wenigen Münzen zu
sammenrasst.
Da rasselt es durch den Hof an den
Fenstern vorüber, daß die Beiden jäh
zusammensuhren. Ein zierliches Ponti
fuhrtnert, kntschirt von einer jungen
Dame, sauft über die Straße dahin.
»Der schwarze, leibhaftige Satan!«
schimpft der Jngenieur und ballt die
händr. »Das ruknpett schon vor Tage
hinaus-, und heute sährt die ganze Gesell
schaft über Land. Friedrich hat gestern
schon den Landauer gewaschen.«
Ein resigntrtes Achselzneken des Buch
halters beantwortet diesen Erguß, der
dem Direktor mitsatnint seiner Famitie
und dein nett-schwarzem ungarischen
Pserochen galt, welches in der ganzen
ngegend als »das oPont)« bekannt
. t . ———————————
iDie Fabrikant schlägt Acht, und
Christ-pwküme1ichs-meiner um Hof 1
in das sonsten (
Als die schtnnte Gestalt verschwunden, 4
tritt auch Theodor hinaus; er wendets
sich zu den Ställen, und nach einer tur- ;
zeu« aber inhaitsschnserenjunterredung«
mit dem Kutscher kehrt er schmunzetno -
nnd leuchtenden Auges wieder in seine
schaut-Trug Music um ptötzlich in au
ssen-gewle liebenswürdt r Stirn
--"JMIJ dies .Mettittag seiner SHarnitie zu
W Wisse verschiedene fragende
III Wderise Miete seiner ahnungs
»
vollen hausfrau einträgt. Kaum kann
er die Stunde erwarten, wo er sich wie
der am Mittagstisch mit seinem
Freunde zusammensindet. Dem aber
hat die Sonntagöruhe im Komtor vol
lends die Laune verdorben, sein Gesicht
. gleicht einem Gewitterhimrnei.
; »Nun, wie wär’z mit einer Partie li«
i höhnt Theodor, liebenswürdig lächelnd.
; »Aber wohin denn —- ohne Geld ?
; Der reine Hohn l« »
! »Das ist längst im Rathe der Got
I ter beschlossen. Wir fahren zu dem On
3 lel meiner Frau in die Obetförstereit
Ptächtige Menschen —- zwei bildhiibsche
Töchter —- lustigeö Leben dort und bil
lig, das Vergnügen soll uns nichts to
sten als höchstens ein Trinkgeld-P
Christoph schwieg. Jn seinen Ohren
summte der Wortschwall des unterneh-;
mungslustigen Freundes, nur · zwei
Worte klangen daraus hervor: »Btld
hübsche Töchter !« Er war besiegt und
wagte nur noch ileinlaut den Einwand: »
»Wird das störrige Thier uns auch pa- «
riren ?«
»Du kannst doch meisterhaft fahren !««
»Natürlich, ich kann fahren wie
Einer !«
«Abgemacht ! Jn einer halben
Stunde fahren wir los !« «
Damit ging der Jngenienr hinaus,
um seine Gattin mit dem Beschluß zu
überraschen ·
Diese hatte schon nach wenigen Wor
ten den Plan erfaßt ; energisch ergriff
sie die Gelegenheit beim Schopfe nnd er
klärte: »Aber die Kinder nehmt Jhr
doch mit ?«
»Wi) denkst Du hin, Julchen, das geht
nicht S«
»Es wird schon gehen !« entschied sie
unweigerlich. Er war kein Unmensch
und ging schweigend hinaus, trat an den
Speiseschrant und ließ sämmtliche
Zuckerstiicke in seine Taschen verschwin
den. Punkt ein Uhr stand die Bonh
eauipage vor der Thür. Die Kinder-In
i
i
l
belten, die Mutter mahnte zur Borstchn :
und der sonst so gewissenhafte Blümel
dachte schuldbewuszt : »Was würde der
Direktor sagen, wenn er das wüßte?« Jn
weiser Zurückhaltung verblieb et bis zum
letzten Moment im Zimmer.
Das zierliche Rohrwiigelchen hatte nur
einen Sitz Theodor wollte daher noch
mals gegen die Begleitung der Kinder
Einspruch erheben, aber diese schwelgten
schon mitten im Vergnügen. schleunigst
sprangen sie in den Fond des Wagens
und richteten si ohne Weiteteå darin ein.
»Wo bleist u denn, Christophi«
schrie der Jngenieur ungeduldig.
»Es ist viel gewagt!« meinte der Ange
rusene, als ar heraustratz im Hinblick
auf die »bildhiibschen Töchter« hatte er
seine neueste Krabatte und seinen ebenso
neuen tadellosen Sommeranzug ange
legt.
«J wo, der Direktor ist längst fort.
Wer sollte uns denn wohl verrathen?«
so kämpfte Theodor das letzte Bedenken
des Freundes nieder. Mit kühnem
Sprung wollte er eben seinen Plah ein
nehmen, aber da fiel ihm noch etwas ein.
«Julchen,« wandte er sich zu seiner
Frau, »Dein Poeternonnaie, nur borgen,
aus alle Fälle!«
»Aber wozu denn? Beim Onkel to
stet Dich«s doch nich-ist« wehrte diese.
«Mann kann doch nicht ohne Geld sah
ren, obendrein die Kinder! Mach’ nur
schnell!«
Geängstigt und gedrängt. gab die
haussrau schnell das Verlangte, und nun
sprang der unternebmungslustige Inge
nieur in den Wagen, Christoph ergriss
die Zügel, und dasPserdchen trabte los,
den Hof entlang zum Thor hinaus-.
Außerhalb des Bereiches des Etablisse
ment5, hob sich auch die Stimmung der
beiden Beamten; die Kinder lachten ver
gnügt-. Hans, das pechschwarze, unga
Fsschss ISUSUEEHIECS RIEMANN
Ucc glullcll UWUHTH »u- nguusiu
sammt seinen Jnsassen wie ein Spiel
zeug hinter sich her
»Na, ist das nicht eine Partie?'· hab
Theodor voller Selbstbewußtsein an,
»und, was die Hauptsache ist, billig, ganz
und gar umsonst!«
Der Freund nickte schmunzelnd, seine
Aufmerksamkeit aber galt dem kleinen
Nennen der es faustdid hinter den ge
spitzten Ohren sitzen hatte; denn mehr als
einmal hatte er schon sein Fräulein im
Straßengraben abgeladen und war, die
zerbrochene Deichsel nachschleppend, al
lein nach dein Stall getrottet.
Als aber der Jngrnienr itn seligen Ge
nusse der verbotenen Sonntagsfreudea
das stimmungsvolle Lied: »Wer hat
Dich, Du schöner Wald« aus der Tiefe
seines Herzens, wenn auch grundfalsch,
anstimrnte, da konnte es Christon Blit
mel nicht unterlassen, gemiithlich den Paß
dazu zu brummen.
Die Sonne lachte, die Lerchen jubel
ten, die grünen Felder wogten —- mitL
einem Wort s— es war herrlich.
Nun bog die Straße seitwärts ab,
und vor ihnen öffnete sich der Wald,
durch den sie den Weg zu nehmen hat
ten. Mit gesenktem Kopf wollte das
Röszlein vor dem weniger einladenden
Waldwege vorbeiftenern, der aufmerk
same Lenker aber zog die Zügel strarnm,
und das schien dem Will-fang nicht zu
passen — er stellte seine Thätigleit ein
und blieb stehen. "
«Nanu«, meinte Christ-Mk »das mä
re noch schöner! Vorwärts marsch!«
Häuschen aber schüttelte die la e
Mähne. Selbst ein derber Schuri ,
auch ureden und Bitten halfen nichts,
das ferdehen blieb stehen.
»Er trieåt die Mnckm,« meinte Theo
dor, und briftoph trocknete sich stlihi
nend den Schweiß von der Stirn, Feier
chen und Lieschen-then sich an,
heultonzert anzusiinnnerk
W
«Wart’, ich werde Dir auf die Beine
Pelsen —- ich hab’s!« triumphirte Lu
tig und sprang vom Wagen. Er griff
I in die Tasche, zog ein großes Stück
s Zucker heraus und hielt es dem Schwar
zen vor die Nase. Ja —- das war was;
eben wollte er es in Empfang nehmen,
l da zog Theodor die Hand mit der Lecke
T rei zurück Der kleine Näscher aßer
« dehnte und streckte den fchlanten hats
und setzte sich in Bewegung. Zur Be- »
« lohnung erhielt er ein Stück, immer
weiter schritt Theodor rückwärts und
lockte immer mit neuen Stückchen das
Thier endlich auf den Weg.
Nun war s genug. D einem Satz
war der Retter aus der emme wieder
auf dem Wägelchen, Häuschen schüttelte
befriedigt und vergnügt die Ohren und ·
trabte weiter.
»Nun rauchen wir Eine!« meinte
Theodor; aber sein Etui wie das feines
Freundes erwiesen sich als leer, und so
schauten sie denn, als sie ins erste Dorf »
gelangt waren. eifrig nach einem Kram
laden aus, denn ohne etwas blauen
Dunst ging es nun einmal nicht.
Jahre nur ruhig weiter, ich komme »
schon nach, damit er nicht wiederMucken
betommt!« meinte Theodor leise als oh
es der schwarze Schelm hören könnte, ;
und stieg dabei ab denn er hatte ein al- Z
tes, verwaschenes Schild entdeckt.
Rasch erhandelte er ein Dunend ech
ter Cigarren, verdollständigte vorsichtig z
seinen Zuckervorrath und trat wieder L
auf die Dorfstraße. Aber — wo war «
der Wagen? So weit er auch sah, er
konnte ihn nicht erspähen. Nun ftiirmte -
er nach. Da —- abgebrochene Klage
laute berührten sein Ohr. »Der Sa
tan ist durchgegangen, meiner Seele!«
schimpfte Lustig und machte Sätze, dafz :
ihm der hut vom Kopfe flog.
Jn der That, Häuschen hatte vor ei
nem tapferen Gänsevater, der mit wü
thendem Zischen seine gelben Jungen
vor dem Ueber-fahren zu schützen ge-;
stirbt Reis-nun umkommen und lief über s
Stock und Stein.
Rufend, schreiend und keuchend trabte
Theodor in der Richtung vorwärts;
eine unfiigliche Angst erfaßte ihn. Jtn
Geiste sah er schon unter dem zerschmet
terten Wagen die blutigen Leichen sei
ner Kinder, und so achtete er weder auf ;
den verlorenen Hut noch auf sonst ein ;
hinderniß, beinahe hätte er eine alte
Frau, die händeringend dem Wagen
nachsah, über den hauer gerannt. Zu
seiner Pein verfolgten ihn vier hunde
mit wüthendem Gebell und suchten ihn
an den Beintleidern zu fassen; aus al
len Häusern steckte ntan die Köpfe zum
Fenster heraus-, und spielende Kinder
nahmen ebenfalls Anlauf, die Jagd zu
vervollständigen. Während dessen
schwebte der Wagenlenter in wahrer
Todesangst denn die Kinder flogen wie »
ein paar Gummibälle umher, und ihr
Schreien verwehrte noch die Wildheit
des Pferdes.
Es war eine verzweifelte Lage, die
endlich durch einen beherzten Bauern
dadurch zu Ende geführt wurde, daß
dieser mit starker hand in die Zügel
griff und dadurch den schweißtriefenden
Ponh zum Stehen brachte. Ganz blaß
vor Angst, starrte der Buchhalter den«
Retter an, der beruhigend das zitternde
Thier streichelte.
»Den tenn’ ich schon,« meinte er,
,,n1it dem ist nicht zu spaßen! 's ist
doch Fabritdirettors Pontzt« —- Ohne
die indistrete Frage zu beachten, stot
terte Christoph seinen Dank und sah
sich nach dem heranstiirrnenden Freunde
um.
»Um Gottes willen, was hast Du
denn angestellt?« fragte dieser. »Ist
was passirt?«
.Nein, Gott sei Dant, es ist nichts
passirt!« «
Nun mußten die beiden Freunde aber
den Beutel ziehen. denn1 einL halt-Füch
slgck Oullllic uucruruuju »Hu Juge
nieur den verlorenen Hut, und der Ret
ter streckte auch schon begehrlich die
Hand nach einem Biergroschen aus«
Das Schlimmste jedoch war, daß Häng
chen nun wieder glaubte. genugkelaufen
zu sein, er war nicht mehr von der
Stelle zu bringen. Das Lockmittel, die
Zuckerdiite, mußte wieder zum Vor
schein kommen, und wie ein unartiges
Kind ließ es sich dadurch wieder gefü
gig machen. .
Hochaufathmend saßen die beiden
Freunde endlich wieder neben einander,
und die Reise nahm weiter ihren Fort
gang. Sie waren schon etwas stiller
geworden, aber als man nach einem hal
ben Stündchen schon die Obersötsterei
erblickte, die von einer Anhöhe freund
lich ins Thal herniederschauie, da hob
sich die Stimmung. Wenn sie noch das
lange Dorf vor ihnen quer durchfahren
tieri, dann brauchten sie nur noch die
ich lang hinaufziehende Anhöhe zu
überwinden.
Eben als sie über den Kirchplah
hinweg fuhren, öffneten sich die Pforten
des alten Gotteshauses, und heraus
ftriimte die Schnur der Kirchenbefucher
domRachmiitagjgottesdienstz besonders
überflutheie den Plan eine Menge sonn
tiiglich get-unter Kinder.
»Seht doch, rief ein vorlautes Wirsch
chen, «ifi das nicht eine Zigeunersuhrei
Wer weiß, wo sie das Pferdchen gestoh
len haben?«
Wie vom Donner gerührt, stumm, aber
verständnißinnig sahen sich die beiden
Freunde an. Das Blut stieg ihnen heiß
zu Kopf.
»Und o viel Leute auf dem kleinen
Ding! önnen die nicht lausen2« schrie
ein Anderer.
«Pferdeschinder, Thierquiileri« fehlte
und brüllte ei plöslich als der Bart-hal
tet, um sich den unliebsamen Musenm
gen zu entgehen, dem ermüdeten Pferd
chen einen chrniß hinter die Ohren gab,
daß esseinen kräftigen Anlauf nahm.
Aber die ganze Schaar brüllte hinter ih
nen her und hing sich an den Wagen, um
denselben zum Stillste n zu zwingen.
Muth und Angst erg ifsen die Freunde,
die beinahe hilflos diesem Ueberfalle ge
genüberstanden, denn die erwachsenen
Leute dachten nicht daran, die Jugend
zurückzuhalten.
»Ihr nichtsnuhigen Bengel!« schrie
Theodor. »Sieh ihnen doch eins mit der
Psitschek
Ein wahres Sturmgeheul war die
Antwort; mühsam schleppte Häuschen
den gefährdeten Wa n hinter sich her.
»Ruhe, Du kenn das Volk nicht!"
mahnte Christoph. »Wir müssen suchen,
im Guten mit ihnen auszuiornmen Hast
Du Kleingeld?« zischelte er, während der
nachfolgende Knäuel mmer größer
wurde. -
»Auch noch. aber es wird uns nichts
helfen, Du hast Recht!" Er griff in die
Tasche und holte das Portemonnaie sei
net Frau heraus, und im nächsten Au
genblicke flogen sämmtliche Kupfer-s und
Nickelstiicke auf die Straße. Sosort än
derte sich die Szene, der Wagen wurde
frei, und unter Johlen und Schreien
wälzte sich die hafsnungsvolle Schaar im
Staube.
»Gott sei Dant, nun zu. ist das eine
Rotte!« quoll es aus der geängstigten
Freundesbrust, der Ponh zog kräftig an,
und scheu zurückblickend, lausten sie da
von. Leider wurde jetzt der Weg steiler
—- Ukcklk lange, to senkte das Pferd erge
bungsvoll den Kopf und blieb stehen«
»An-f hoch, wik sind Frisch am Zienss T
tröstete nun Theodor,
prang ab undj
versuchte wieder das bekannte- Lockmittel I
mit der Zuckerdiitr. Aber diesmal der
sagte auch die Lockfpeisr.
»Himmel ElementL Was fangen wir
nun an Z« fragte verzweifelt der Buch
t--ii.—
i
(
t
i
l
»Es hilft nichts, Du mußt herunter,
es ist zu schwer.«
Beide Freunde stiegen ab; jedoch auch
aus diese Erleichterung zog Hans nicht
an. Knirschend vor verhaltener Wirth
stieß Christoph den Wagen dem Pferd
chen zwischen die Beine, Theodor zog am
Zügel und steckte dem widerwilligrn
Thierchen ein saustgroßes Stück Zucker
ins Maul. Endlich, das half!«
Von weitem schauten oben oon dem
hübschen Sommerhause viele lachenden
Augen auf das seltsame Gespann.
»Ich glaube. es ist eine Eselsuhre,«
knurrte der Obersörster und nahm das
stets bereite Fernrohr zur hand, «sieht
ganz danach aus.«
»Ach, Papa," lachte Emmy, »das ist
ja der kleine Pozy vom Direttor; wie
mir scheint, ist’s etter Theodor mit den
Kindern!'·
»Ja, sie sinds wirtlichl'« lachte Len
n.
»Die Kerle baben,« wettertk der Ober
sisrster, »das arme Vieh total matt ge
fahren; geh’ hinunter, Adolf, und ivann
das Thierchen aus! August kann den
Wagen holen.«
Allerlei lustige Bemertungen wurden
laut, von denen die Freunde glücklicher
weise nichts hörten; die aber waren wie
der obenauf, tarnen näher und näher«
grüßten elegant mit den Hirten herüber
nnd fuhren im Bogen in das hofthor
ein.
Emmy war schon.draußen und hob
lachend die Kinder herab, die wie betäubt
sich kaum aus den Beinchen halten konn
ten.
»Zum Kutut, was macht Ibr da für
Dummheiteni Hättet Jhr eine Post
larte daran gewagt, so hätte ich Euch mit
meinem Wagen holen lassen und Jhr
hättet dann die arme Frau mitbringen
tönnent" brummte der OnteL
»Ein reizendes Pserdchen!«
-Ein allerliebstes Viecherl!« lobten
die Damen; Theodor aber log großthue
risch: »Es steht uns alle Tane zur Ver
fügung und wenn die Damen uns ein
mal besuchen, fahre ich Sie um die ganze
Stadt herum!"
Ja, nun waren sie da und ließen’5 sich
wohl sein. Christovk Waute verliebten
Blickes nach den Kaisee isiendenden Hol
den, den Töchtern des Hauses, die den
zahlreich besetzten Familientisch gut ver
sorgten. Der Jngenieur hatte bald die
auggestnndene Noth vergessen und fühlte
sich im siebenten Himmel. Als später
das junge Volk gemeinsam einen Spa
ziergang auf einen nahen Aussichtgpuntt
unternahm, stieß er feinen Freund an
und zischelte ihm zu: »Na, bist Du nun
zufrieden? Jst’ö nicht uröchtig2«
«Gottvoll!« sliisterie der und ver
drehte die Augen.
Sie waren wohl ein Stündchen um
hergewandert und die Sonne stand schon
ziemlich schräg, als sie hochbesriedigt zu
eiicktehrten.
»Ich werde mal nach unserem Renner ;
sehen,« meinte Theodor mit strahlende-n «
gest tund bo eitwärie in den v ein.«’
Das Essr items essen und inmiiien
des sauberen weiten hosez stand die
Schwiegertgchtee des Hauses und tröstete
ihren heftig schreienden Buben; rathlos
und verdreht standen seine eigenen Kin
der dabei. ( ,
« »Was sehlt denn dem Kerlchen?
Lamms totnm’, wir wollen mal um
III-neu gehen!« tröstete Theodoe väter
«Ach, here Lustig,« hob die junge
grau zaghast an, »das ist es ja eben!
er Pony ist —- sort!« —
»Juki« lächelte dieser un läubig.
»Aus und davon! Die te sind
chon nacht«
Wie betäubt schritt der Jngenieur zum
Stalle. Richtig, der Plah war leer, kein
däuichen war zu sehen.
0Aber wie ist denn das zugegangen?«
Sein entsester Blick tras den Freund, der
eben schreckensbleich aus der hinterthiir
stürzte; hinter ihm tam die aanze Gesell
cha t.
» ort!« Dies einzige Wort tlang im
dielsachen Echo durch den Hof.
»Kurtchen wollte durchaus reiten,«
meinte die junge Frau, »ich wollte ihm
das Vergnügen machen, aber taurn sasz
er einen Augenblick oben, da warf ihn
das wilde Thier ab und raste.davon.«
»Donnerwetter nochmal, da niin tein
äkulen uno Winseln!" schimpste der
te.
Vor den entseyten Augen der beiden
Bergniigungsziigler öffnete sicb ein Ab
grund von Augen Schmach und Ver
derben. Der Pony verloren!
; »Mein halbes Vermögen gebe ich
L drum!« ächzte Christoph BlümeL wäh
- rend Theodor verzweiflungsvoll in«z
- Leere starrte.
»Der schwarze Teufel muß wieder
'ran!« ermuthigtx der Hausherr. »Dan
ne, es giebt was zu verdienen, Du hast
E flinie Beine, vorwärts!" rief er der
Magd zu, die eben mit dem Milcheimer
über den Hof lies. Jm nächsten Augen
blicl flog auch sie hochgeschürzt dem
Ausreißer nach.
Eine schwüle Stimmung lag auf den
s Zurückbleibenden, die jungen Damen
suchten tröstend die schier gebrochenen
BergnügungssReisenden aufzumuntem
Der Oberförster aber nahm sein Fern
rohr und stieg hinauf, immer höher bit
zur obersten Dachluete. Da hielt er nun
Umschau nach dem Entsprungenen und
es währte nicht lange, da guckte sein
blondes Tüchterlein über seine Schulter
und forschte mit den hellen Auaen über
das weite. grüne Gelände.
»Da —- da! Dort der schwarze
Punkt, Papa! Ach —- und so viel Men
schen, mitten drin im Korn und Wei
zen!« rief sie,
Der Alte knurrte etwas in den Bart.
schob das Fernrohr zusammen und stieg
LI--s- . - L.... k.t..-.—..
..-lk ---
qltlIUUs JU. III szVULIG III-tust ÄUUC
wirklich Hang, der sich in unbändiger
Wildheit im üppig wogenden Getreide
felde tummelte und zwar weit unten
hinter denf Dorfe, wo spielende Kindkr
ihn zuerst bemerkten.
Nach und nach gesellten sich mehrere
dazu, man suchte ihn zu haschen und er
kannte den Pomp. Als Erwachsene hin
zuiamen, begann eine tolle Jagd. Jn
wilder Lust sprang Häuschen wie ein
Ziegenböcklein und narrte die ihn Ver
solgenden immer wieder aufs Neue, und
immer eisriger betheiligte man sich an
der Jagd und zerstampfte das Getreioe
auf die eiicksichtsloseste Weise.
Unter den am Wege stehenden Bauern
erhob sich ein dumpfes Grollen, Fluche
und Schimpfworte auf das «Stadtpack«
wurden laut, und als endlich ein beherz
ter Knecht sich dem Wildfang entgegen
wari und ihn gefangen auf den Weg
brachte, da rottete man sich um oas
schweißtriefende Pferdchenx wuthschnaus
bend und ungesiüm forderte man Ent
schädigung. Da trat ihnen aber der
allgemein beliebte Oberforsier schon in
den Weg und ries mit Stentorstimme:
»Macht doch nicht so einen beiden
speitakel, man versteht ja sein eigenes
Wort nicht!" sDer Sturm legte sich,
doch einzelne Stimmen riefen: »Juri
gen, Schadenersatz, Abschiitzeni —
»Macht Euch doch nicht lächerlich! Ein
tüchtiger Regen macht Alles wieder gut,
und seht Jhr’s nicht, das Gewitter steht
schon am himmel, wer Schadenersah
haben will, der komme mit mir, der
Wirth paßt schon lange auf uns!« Und
er faßte den am meisten polternden
Bauern unter den Arm und zog ihn mit
sich in die Schönte. Willig folgten die
Anderen nach, und hänschen wurde un
gehindert von leinen Häschern abge
kurzer
»Sie bringen ihn, sie bringen ihn!"
jubelten die Kinder. Theodor und Ebri
stopb mischten sich nochmals den kalten
Schweiß don der Stirn und traten hin
aus. Da stand der Schelm zitternd,
aber wohlbehalten, und siins, sechg Hände
streckten sich aus, den wohlverdienten
Lohn zu empfangen. Bereitwillig schüt
tete der Buchhalter den Jnhalt seines
Portemonnaies der Magd in die aus
gebreitete Schürze.
»Se söll’n bald mache, daß sie surt
komme, läßt Ihnen der Herr soan!« rich
tete der Knecht aus, und Alles stimmte
in den guten Rath ein, denn der Him
mel drohte mit schweren Sturmwolten.
Nachdem der Pony tüchtig abgeru
ben und gut mit Brod gesiittert war,
drängten die reunde mit unheimlicher
Hast zum Aus ruch. «
Emmh packte die Kinder wieder in
den Wagen und spannte zur Vorsorge
ein großes Familienregendach über die
unbelchiiyten Köpfchen; die herren sa
ßen aus, und unter Führung des Knech
tes ging es aus einem Sertenwege durch
das Dors hinab, damit die als derb be
tannten Bewohner nicht etwa nochmals
den schwarzen Pony zu sehen bekamen.
Lammsromm lies der tleine Renner
nun seines Weges; er fah nicht rechts
noch links, fiir heute hatte er genug ge
tolli. Die Kinder begannen ein-zuschlo
fen, in dlifterem Schweigen aber saßen
die beiden Freunde und brüteten über die
» billige Vergnügungssahrt
Dabeim jedoch schaute Frau Juge
nieur Lustig besorgt nach dem ausstei
genden Gewitter.
»Wer sie nur bleiben mögen? Diese
Angst! Jch dachte mirs ja schon heute
früh, daß er wieder etwas im Sinne
habe. hätte ich nur die Kinder nicht
fortgelassen, den Beiden könnte eine tüch
tige Douche nichts schaden!« So dachte
und sprach sie site sich hin. Jn angst
voller Sorge derainaen die Minuten uno
M
eigerten den Groll über den gewissen
osen Vater, der seine Kinder einem fol
chen Unwetter ausfrntn auf’e Höchste
Und da brach es auch schon los. Un
ter Bitt und Donner öffnete der Him
mel seine Schleusen; Julcben rang die
Minde. Der Pony aber nahm seine
legten Kräfte zufammen und fuhr pfeil
schnell in das offene hofthor ein. Noch
zwei Minuten, und die beiden Freunde
mitsammt den Kindern befanden sich im
Trockenen.
Als aber Theodor mit triefendem
lang niederbängenden Locken —- sonst
der Stolz feiner Frau — den unsicheren
Blick auf diese richtete und dabei das
unheimlich zusammengeschrumpfte Por
temonnaie in der Tasche suchte. fiiblte er,
daß er trotzdem vom Regen unter die
Traufe gekommen war.
»Ja,« meinte am anderen Morgen
Christopb, »das kommt vom billigen
Bergniigeni«
Dunstfriichte obne Zucker.
Dieselben machen ein woblfeiles, zugleich
aber ein angenehmes und erfrischendes
Kompon, besonders zu Mehlfpeisen, und
ift dkfes da weder Essig noch Gewiirz
dazu gebraucht wird, vorzüglich für
Kranke zu empfehlen. Doch ist zum Er
halten derselben eine ganz geeignete Tem
peratur unerläßlich; der Plag, wo die
Dunstfriichte ohne ucker aufbewahrt
werden, muß ganz tii l, trocken und luf
tig fein.
Zum Einmachen eignet sich Kern- und
Steinobst. Von ersteren sind nur Bir
nen, uno zwar recht saftige, zum Einko
chen passend. Diefe werden geschält und
können, wenn sie saftig und mürbe sind,
ganz gelassen werdens Stiel und Blume
werden entfernt. Jm Uebrigen thut man
besser, sie einmal zu theilen und das
E Kerngeböuse heraus zu schneiden.
Nnm Stein-wirft sinnen first Nin-This
—
Psirsiche, Reineciauden, gewöhnliche gute
Zwetschgen und Kirschen. Dasselbe wird
s« unversehrt, möglichst frisch vom Baume
genommen, und nachdem jede einzelne
Frucht mit einem weichen Leinwandtuche
abgerieben worden, werden sie in Gläser
so dicht, als es zulässig ist, angefüllt,
ohne indessen das Obst zu zerquetschen·
Alsdann werden die Gläser ganz dicht,
möglichst lustdicht, verschlossen.«
Die aus solche Weise angesiillten Glä
ser werden nun in einen Kessel oder Topf
aus eine Lage Heu oder hobels
spähne gestellt und mit heu oder
Spähnen derart umdackt , daß
sie fest stehen und sich nicht de
riihren. Sodann füllt man den Kessel,
welcher während des Kochenj unbedeckt
bleiben muß, seitwärts mit kaltem Was
ser soweit an, daß die Gläser einen Zoll
breit über der Fläche des Wassers her
vorstehen, und sorgt dafür-, daß das Waf
ser langsam erwärmt wird. Na
die Siedehite erreicht ist, liiszt man sol
ches gelinde und so lange kochen, bis in
den Gläsern etwa i leerer Raum ent
standen — nicht länger —, während zu
weilen daö verdampste Wasser durch sie
dendes erseht wird. Jst das geschehen,
so nimmt man den«Kessel vom Feuer und
läßt die Gläser darin erkalten« wischt sie
alsdann mit einem seuchten Tuche ab und
giebt denselben einen trockenen und küh
len Pla .
Die mpsirüchte erhalten sich, nach
Angabe eingelocht, im Ganzen gut, doch
ist’s nöthig, ost nachzusehen, und möchte
in diesem oder jenem Glase, welches nicht
ganz lustdicht war, ein tleines schimme
liehes Bläschen aus den Früchten sich zei
gen, so können sie nicht länger aufbewahrt
werden.
Blindhuhn, ein westsäli
sches Nationalgerichi. Es
wird ein Stück Schinten oder geräucher
ter Speck vorab gelacht. Unterdeß wer
den riine Bohnen, welche schon etwas
härtl ch feine können, tiichtig gewaschen
und auf einem Küchenbrett, indem man
eine Handvoll zusammenfaßt, in kleine
Stücke geschnitten, die vorher ausgescha
teten weißen Bohnen hinzugetham reich
lich halb so viel gelhe Wurzeln als grüne -
Bohnen in ileine Würfel geschnitten, ge
spiilt und theilweise bei jedesmaligem
Durchtochen zu dem Schinten gegeben.
hat man Bienen, so giebt man einige ge
schälte, in Viertel geschnittene. und wenn
das Gemüse beinahe gar ist, in 4 Theile
geschnittene Kartoffeln mit dem nöthigen
Salz nebst geschälten, in Stücke geschnit
tenen Aepfeln hinzu nnd läßt dies alles
weich kochen. Daraus wird das Stück
Schinlen herausgenommen etwas Mehl
mit wenig Wasser angeriihrt, hinzuge
fügt und das Gemilse damit durchge
schwenlt.- Blindhuhn muß recht sämig
und saftig gekocht sein und von den
Aepfeln nur einen etwas säuerlichen Ge
schmack erhalten." Wnen man zu wenig
Aepfel oder gar keine hat, so wird das
Mehl mit Essig angeriihrt. Falls die
Bohnen etwas hart wären, wird es besser
fein. sie vorher mit einem Stückchen Sova
eine reichliche i Stunde abzutochen Zeit
des Lachens 2-s—2z Stunden; Beilagzm
roher und getochter Schwein Bauchspect
Grii ne Bohnen (String Beansp
Wenn die Bahnen geputzt sind, fie wogen
mit oder ohne Körner seint werd-en sie :n
der Mitte abgebrochen, gewaschen und mit
Falz und Bohnentraut gelockt; wenn
e weich sind, gießt man das Wasser da
von ab, röstet 2 Kochlöffel vcil Mehl in
Butter gelb, dämpft Zwiebeln, final
lauch und Petethlie darin und Löscht ei
mit Wasser oder kalter Fleischhrülxe av.
Wenn man heiße Fleifcks oder Hammel
hriihe daran gethan. so legt man die Boh
nen rnit etwas Pfeffer nnd Mujtatnnß
darein. liißt fie nicht gar zu dick einlo
chen, und belegt sie bei dem Anrichten
mit Bratwurstem hammelsleisch over
Schweinebraten