Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 24, 1900, Sonntags-Blatt, Image 10

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    « WWMswwsw « .
Das siedetltnlsigr.
—-.-.--.-.-«
kiykvpn D· 's. Bett-lieu
.----«.- .
«Rrsen und Orchideen —- Fins«
»O wie fein! Willst Du sie maien2
Mel sind sie iiit Tante Aikna?«
»Hast sie doch nicht so an —- Blumen
xixufz man nicht st- anfassen,« sagte eine
iingftiiche Stimme dagegen»
»Seht geichmackvoll—wiellich,« sagte
Frau Detlef bewundernd; doc- in der
iefk ihres Blickes ruhte Mißbilligung.
,«Wcl;l ni billig?!«
Elatcc - tlef murmelte etwas von
»nichi besonders ihnen-« und zog das
Seidenpapiet schützend utn die Blumen
zusammen.
-»Bring'k man gleich in die Kühle,««
mahnte Mann-, »d:knii iich’s hält bis
moe en.«
DieDlunien in der Hand zoq Claea
sich noch der Tdür zurück. »Sie brau
chen sich gar nicht zu halten« sagte sie
todcsmmdig, aber doch nach der Thür
klinle greifend. »Ich will sie Hannchen
dringen!«
De: gefätchtete Sturm brach los.
»Dennchen —- ein Strauß Rosen und
Ostchideen flit Linn-schen! Auf so etwas
Bereiicktes kannst doch auch nur Du
lommen.«
»Liebes Kind« sagte die Manto maß
vollet, aber nicht wenig-: scharf, »das ifi
nun wirklich gänzlich iibekfliifsiz! Du
thust mir leid —- Hannchen thut niit
auch Leid. Unwillkiirlich wird sie beim
Anblick dieser Blumen, die morgen schon
hin sein werden, sich ausrechnen wieviel
stärkende und nützliche Dinge man fikt
den Geldwetih hätte haben können·
Wenn Du so iivvig sein wolltest, konn
Du doch einen Topf Fleischextrzlt neh
men oder eine Flasche guten Wein.«
»Aber ich dachte s- Kranke freuen sich
not-nd- fn nn Nlmnm --«
r »Aber nicht an solchen Brutnan sagte
Frau Detlef entschieden. »die so gar nicht
ZU den Verhältnissen einer armen. tran
ken Näherin passen. Daß Du Dir das
nicht selbst gesagt haft! —- Jch muß
sagen, ich finde das einen Mangel an —
tkrn -—s Schicklichkeitsgefiihl Wenn es
durchaus Blumen fein sollten, warum
denn nicht ein Beilchenfträußchen, oder
noch besser eine Topfpflanze, ein Alpen
veilchenl Fijr den Ueberfchufz konntest
Du immer noch eine Rolle Biscuits mit
nehmenl«
Beschämt« nieder-geschlagen stand Elara
mit ihren geichrniihten Blumen da. Sie
mußte zugeben, es war ein thörichtes Ge
schenk Hätte sie doch lieber etwas an
deres genommen, wovon das arme Mäs
chen mehr hatte.
Sie mochte gar nicht hinaufgehen
Aber sie that’s doch. Tinte Alma die
Blumen bringen, die fiir Hannchen be
stimmt getoesen, das ging nun gegen
Clara’s Gefühl.
sagend und verlegen trat sie bei
Hannchen ein. Die Kranke fah ihr mit
aufleuchtenden Augen entgegen.
»Ich habe Ihnen ern paar Blumen
mitgebracht, Fräulein Hannchen,« sagte
Glara mit niedergeschlagenen Augen und
le te mit einer ihr ganz fremden Lintifch
he t den Strauß auf das Krankenbetr.
Jetzt, in diesem ärmlichen Milieu, das
nicht von trasser Noth, aber von des
Lebens Kargheit, von Arbeit und Ent
behren sprach, schämte Clara sich ihres
luxuriiisen Geschwis. Es gehörte nicht
hierher, es war ein fchreiender Mißton,
es mußte nur Wehmuth, wenn nicht Bit
terkeit in der Kranken wetten Vor dem
Bett lag ein dünner, derschlissener Lap
pen; —- tvenn fie doch lieber ein warmes
Fußdeckchen genommen hätte, oder einen
netten Präfentirteller, Medizinflasche,
Gläser u. f. to. darauf zu ftellen oder —
Ein Auffchrei riß sie aus ihren be
dauerlichen Visionen von Bettvorlegern
nnd Fleischextrasttöpfem ein Schrei des
Ent ückengx
« itr mich!" stieß die Kranke hervor,
athemlos, zitternd vor Freude und doch
nicht recht wagend, die Freude wirklich
zu glauben.
«Run natürlich fiir Sie.«
Der Kranken Hände tafteten zitternd
nach dem ftaniolumwickelten Stiel des
Bouquets. Jhrk Augen tranken den Reiz
der Formen und Farben mit über
schwänglichem Entzücken.
»Wie schön, wie wunderschön!«
»Als-) für mich, ganz fiir mich, nur
siir mich!« Sie lachte vor Entzücken.
Sie hielt ihre hettische Wein e gegen die
kühlen frischen Blumen, eriihrte sie
Freilich mit den Lippen, sog mit tiefen
themziigen krankhafter Gier den süßen,
seinen Duft der Rosen ein.
HDann sprach sie, mehr sür sich, at
ju ihrer Besucherim
»Ich hatte s o manches Mal gedacht, ob
ich wohl noch einmal die Rosen werde
blühen sehen. Jeh meinte es bis vor kur
kem noch. Da wurde mir klar: Du siehst
einen Sommer mehr. Das that mir so
leid — der Rosen wegen. Und nun sehe
ieh sie doch nop einmal!« Jhre Augen
teuehtetern
Dann hielt sie den Strauß wieder in
Armesiänge von sich und betrachtete ihn
liebevoll
Eigentlieh ist das nur etwas fiir rei
che Leute,« meinte sie und um ihre Lipper
sing ein Lächeln von halb verschämterr
Stolz »Es freut mich, daß ich mir auck
ein-rat den Luqu leisten dars, ein Bau
meet in ein paar Stunden welken zu las
sen wie die reichen Damen! Jeh bin s
ost ern den Blumenläden vorübergegan
zmn Stehenbieiben hatte ich selte1
aber ich habe immer seitwärts ge
sehen. So est unsereins ja an den
weilten-or vorbå m Leben undsat sich
duisnichtslirDich Mist rdi
reiche-M M dachte doch bis
- wesen-—- Gedanken kosten ja nichts-·
Sie brach ab. Sie wagte bte Unse
heuerlichkeit dieses Gedankens nicht ans
isspkechw
Sie sah träumerisch zum Fenster in
aus, wo man, vorbei an einem Da erst
voll lärmender Spuke-n ein Stück-sen
stammenden Abenthmels sehen konnte.
Jhre Gedanken wan rten.
»Wenn ich hals, die jungen Damen
zum Ball anziehen, dann nahmen sie
auch solche Sträuße in die Hand. Jch
roch gvohl nial verstohlen dran; wer mir
gesagt hätte, daß ich auch noch einmal
einen solchen belommen würdet
Sie sahen immer so hübsch aus, die
jungen Damen, und ihre Augen glänz
ten so. Und sie hatten soviel zu lachen
und zu lichern; manch eine, die zum
erstenmal ausging, sagte wohl zu mir:
Halten Sie den Daumen fiir mich,
Hannchent Aber sie meinten es ja gar
nicht so. Ehe es los ging, fühlte sich
jede als Balltönigin in ihrem hübschen
Kleide und dem Bouquet in der Hand.
Und nun denken Sie mal —- voriae
Nacht träumte mir, ich stand im Ball
kleide da von rosenrother Seide mit Gaze
darüber. Und viele junge Damen wa
ren um mich herum und halfen mir, be
streiten mein Kleid mit Rosen. Sie wa
x ren auch dabei und gaben mir ein Bon
quet in die Hand. Dann stand ich in
einem großen Saal voller Licht und Mu
sik. Und ich lag Jemand im Arm und
tanzte· Jch konnte tanzen. es aing so
leicht, als träte ich aus lauter Lust. —
Nun ist alles vorbei. Nur den Strauß
habe ich noch behalten. Sehen Sie nur
—- es war der schönste von allen.«
Jhre dünne Hand tastete nach den
Blumen. Clara wurde es unheimlich, ;
—- die Kranke redete irre. ;
»Ich gehe jetzt und Sie sollten etwas .
schlafen, Fräulein Hannchen," sagte sie ·
sanft. 4
Die Kranke fuhr mit einem kleinen l
Ruck zusammen. »Ich habe wohl Un- H
finn neinrockien2« staats fie. vehre Au- i
--- .- .
J
gen blickten wieder ganz klar. »Dasl
passirt mig seht zuweilen. Es ist !
Schwächenrchis als Stdn-Eichel«
»Stärien Sie sich auch gehörig!«
fragte Clara. Waben Sie auch noch
Wein?« i
Die Kranke wies lächelnd nach einem
Tisch, aus dem allerhand milde Gaben
aufgestapelt lagen.
»Die Herrschaften sind alle so aiitig.
Sie schicken mir Wein, Bouillon, warme
Jacken, lauter gute, nütiliebe Sachen.k
Auch ein schönes, frommes Buch hat mir L
die Frau Pasiorin geschickt —- ich kann s
nur nicht viel drin lesen, es greift mich T
so an. Es sieht ein bischen viel dont -
Himmel drin und von der Sündenver- i
gehang. —- -
Das muß ich überhaupt sagen und ?
danke-a- dafiik sein: Noth habe ich nie- ;
mals gelitten in meinem Leben. Jchs
habe immer das tägliche Brod gehabt. ij
Mehr soll man nicht oerlanaen.« Ein
Seufzer, der-mehr nach Sehnsucht klang ;
als nach Dankbarkeit, kam aus derl
schmalen, flachen Brust.
Dann tauchten ihre Blicke wieder träu- i
mend in das Bouquet.. Die armen
"nde, die immer nur genaht hatten ums
tagliche Brod —- in der elften Stunde
hielten sie Glanz und Uebersluß um
faßt, die Fülle des Lebens. Nach derl
sie sich sehnen, alle, alle, die ooriibergehen l
müssen an dem Ueberslüssigen. — —- I
»Daß ich noch mal so ein Bouauet be- J
lommen würde,« murmelte die Kranke I
wieder halb im Traum nnd strich zärt
lich iider die Rosen.
Jhre Lider sielen zu. Aber der «
Traum blieb darüber schweben, der !
Traum eines nie gelebten Glückes.
Dem jungen Mädchen wurde eigen zu ·
Muth. Es war ihr. als begebe sie eine
Jndiskretiom wenn sie jenes seltsam
lächelnde Gesicht dort beobachtete.
Aus den Zehen schlich sie hinaus.
Ein Tät-schied
Von Helene Lang - Anton.
-..-.—.- .-—..-·-——-«
· Sie war nach Hause gekommen, zog
sich die regendurchtriinlte Jacke ab und
legte sie zum Trocknen aus einen Stuhl,
den sie an den kleinen eisernen Ofen
stellte.
Mit sie krat! Wie schrecklich imst
IIqI--—-..
mitthlich und ärmlich es in dem kleinen
Zimmer aussah! Diese blindgeworde
nen Möbel, dies abgenutzte Sopha und
dieser geflickte Teppich! Nein, es war
kein menschenwiirdiges Dasein, das sie
führte.
Die Anderen hatt-en es doch alle bes
ser. Sie arbeiteten gleich ihr den gan
zen- Tag, aber Abends gingen sie ihrem
Vergnügen nach.
Sie tragen sich elegant und wohnten
gut Das bischen Gehalt konnten sie zu
Puh nnd anderen Kleinigkeiten verwen
den, während sie davon leben mußten.
Leben? Als ob das ein Leben ge
wesen« wiirei ·
Sie sah nach der Uhr, gleich Neun.
Sie zündete den Spirituökocher an und
setzte Theewasser auf. Schnell deckte sie
den Tisch, Brod und Schmalz, ein
Stückchen Wurst von gestern war auch
noch übrig. und wartete aus ihn. Mit
welchen Gefühlen war das früher ge
schehen! Und jetzi? Seit drei Jahren
konnten sie sich. Sie hatten sich sehr ge
liebt, aber wie es so im Leben geht« Ge
wohnheit hatte dieses Gefühl abge
schWcchL :
Er kam immer noch täglich, aber wä
re er fortgebliebein sie hätte ihn kaum
vermißt.
Vielleicht wäre es ihr Glück gewesen-.
Sie war jung nnd hübsch, und Viele.
denen ei besser ging als ihr, waren das
nicht. Er ließ heute auf sich warten,
H
s .
nnd sie iiberdachtr ihr Berhliltniß. Ei
ne »aussichtlose, lächerliche Bekannt
schaft« nannte es ihre Wirthin, ein
»schreckliches Vergeuden der schönen -
gendgeit« ihre Mitarbeiterinnen. b
die Anderen sagten und meinten, ließ sie
ganz talt. Sie hörte kaum hin. Aber
daß diese Liebe, die sie einst so unend
lich glücklich gemacht und ihr erbärmli- »
» ches Dasein mit Sonnenstrahlen übers ;
rfluthet hatte, ihr abhanden gekommen,
« gleichsam spurlos aus den Sünden ge- ,
glitten war, begriff sie einfach nicht. Er ;
war in der ganzen Zeit gut zu ihr gewe- z
srn und hatte sich um keine Andere ge- T
kümmert, und doch ließ sie sein GehenY
und Kommen heute kalt. Ja, sein zeit- (
weiliges Ausbleiben empfand sie sogar i
als Erlösung. Warum nur? War er I
nicht mehr derselbe? .
Sie vergegenwärtigte sich die Stunde,
wenn sie in früherer Zeit ihn erwartete. s
Wie erregt lief sie da in ihrem Zimmer- :
chens auf und ab, mit einem Freuden- !
fchrei flog sie ihm an den Hals, und sie !
küßten sich heiß, glühend, innig, bis zur -
Bewußtlosigleitt Und heute saß sie;
ruhig da und dachte fast mit Unbehagen
an sein Kommen.
Sollte es wirklich keine treue Liebe
geben? Sollte jenes Gefühl schon bei
der Geburt den Keim des baldigen To
des in sich tragen? Und doch mußte es
fo fein; sie erlebte es ja an sich selbst.
Diese Liebe. die sie einst so beseligt hatte,
war durch das gleichmäßige Sehen und
Genießen abgestumpft und an der Lan
gentoeile, die ihr erbärmliches, einförmi
ges Leben mit sich brachte, zu Grunde
gegangen. War sie allein schuld? Nein,
auch er hatte sich geändert. Dies Fri
sche, Föhnartige an ihm, diese etwas
brutale Zärtlichteit, die sie immer aufs ;
Neue entzückt hatte, war in eine lössige,
gleichgiltige Art von Lieblosung über
gegangen, die site nicht befriedigte. An
-11-.- k:«l. sQ-- sk--I;
sckscc Dust-ZU qui-Its ist-» sqss ways-us
dungen allmälig abgestumpft. S
quälten sie sich wochen-, monatelang ne
ben einander hin, ein Gefühl heucheln-d,
das sie nicht mehr empfunden, und Kei
nes von Beiden hatte den Muth, das
befreiende Wort auszusprechen. Aber
es mußte geschehen, gerade heute war sie
in der Stimmung dazu; sie wollte lei
ne Szene machen, sondern ihm einfach
sagen, wenn er fortging, daß er nicht
wiederkommen möge. Was er wohl da
zu sagen würde? Gewiß gierig zugeri
fen und froh über die wiedergewonnene
Freiheit sein.
Merkwürdig! Bei diesen Gedanken
erschauerte sie, und eine plötzliche Wuth
ergriff sie. Sie wollte dann gleich.
aber auch gleich die oerlockenden Anträ
ge ihres jungen Prinzipals annehmen.
Da wurde die Thür aufgemacht, und
er kam herein.
«Verzeihe!« sagte er und küßte sie
flüchtig. »Ich hatte noch eine Arbeit
vor, aber sie hat mir auch ein schönes
Stück Geld gebracht. Nun wollen wir
essen, ich habe einen Mordshunger.«
Er zog den Rock aus und seßte sich aus
dasSopba. Sie schaute ihn au, es schien,
als wartete sie aus etwas, aus einen
Blick, auf ein Wort, aus eine Liebko
sung; aber er griff nach dem Brode.
Sie schob ihm auch noch das Schmalz
und die Wurst zu, goß ihm den Thee
ein; dann ging sie nach dem Ofen- sich
die hände zu erwärmen, und blieb da
stehen.
»Willst Du nicht mitessen, Lore?«
fragte er.
»Nein, danke. ich habe schon gegessen.«
Sie log. aber was schadete das ? Es
schmecke ihm ja auch ohne sie ebenso gut.
Sie betrachtete ihn. Was hatte sie an
ihm nur so sehr geliebt ? Doch nicht das
alltägltche Gesicht mit der platten Nase
» und den hervorstehenden Backentnochem
L doch nicht diese breiten, massigen Schul
tern, diese plumpen Hände? —
Wie es ihm schmeckte, wie er gierig aß
vund mit dem Munde schmactet Und
) doch, das störte sie nicht, es paßte so
s anz zu seiner Natur, er that nichts
) lb. Nun erhob er sich und reckte seine
l Glieder und schüttelte sich, als wollte er
I sich vpu ausm, war ihn heran-in ve
sreien. Jhr Blick sog sich an ihm st,
fe
Z- tm- mmpst gis-Its Mir-sites Soh
nigr, das sich in seiner Gestalt auspräg- 3
te, dieses Stürmische. Leidenschastlichep
das nicht ein Theil seines Wesens,
sondern er selbst war, hatte es ihr ange- .
than. Das hatte sie an ihm geliebt.
Geliebt, sie fühlte es deutlich, als er
nach dieser kurzen Auswallung ihr ruhig
über das haar strich und sie im gleich
giltigsien Tone sragte, wie ed ihr ginge.
Sie hätte ihn schlagen können, so em
pört war sie. Aber sie ließ sich nichts
merken, sondern sehte sich zu ihm hin.
Das Gespräch schleppte sich mühsam
fort. Sie hatten sich gar nichts zu sa
gen, bald gähnte sie leise und er laut.
Da stand er aus.
»Du bist müde, ich werde nur lieber
hen.«
Sie hielt ihn nicht zurück. Er sollte
nur gehen und nicht mehr wiederkom
men. Es war nicht mehr auszuhalten.
Und plötzlich, ohne Ueberlegunz ohne
alle Vorbereitung sagte sie :
»Ja, geh’ und tomrn' nicht wieder!
girrt-M muß ja doch alles ein Ende ha
n .«
Er verstand sie sosort und nickte.
Vielleicht war es besser so, denn das Zu
sammensein in den leyten Monaten war
wirklich nicht schön und erquicklich ge
wesen. Einmal muß alles ein Ende
haben. Allo auch die heißeste Liebe.
Nur in Romanen und Gedichten ist das
anders. Er wollte ei ihr nicht schwer
machen, reichte ihr die hand und sagte
eint-si- i
- »Ich dante Dir, Lore, lebe wohl t«
Und er schritt der Thiir zu. Sie ath
mete ties ause— Sie war srei und konnte
thun, was sie wollte. Nun mußte ja
das Gliicl kommen, ssie wollte herrlich
und in Freuden leben wie die Anderen
Geringschäsend sah sie sich im diirstigeni
Zimmer um; dabei streiste ihr Blick
den Mann, der noch immer an der Thiir
stand und sie schars beobachtete.
Gr wandte sich noch einmal zurück, F
ging auf sie zu, faßte sie an beiden
Schultern und schüttelte diese derb.
»An wen denkst Du ?"
Sie antwortete ihm nicht. Er hatte x
etwas in seinem Blick, das sie ängstigte, J
das ihr betlemmend aus die Brust siel. «
Sie erbleichte unter seinem Blick und ;
wagte nicht, ihn anzusehen. »
»Lore t« schrie er, und seine Finger k
bohrten sich sast in ihre Schulter. »Du i
willst mich ice sein« weit Du einen An- !
deren liebst ! Sieb’ mich an !'« I
Gehorsam hob sie ihren Blick. Sie!
sah in ein wuthoerzerrtes Gesicht mit be- «
benden Nasensliigeln und zuckenden Lip
pen, aus welchem zornesgliihende Augen ’
sie anbliyten Da war es wieder, das
Stürmische,·Gewaltige, das sie einst so T
heiß geliebt, und ob auch die Form eine ·
andere, es berührte sie doch wieder. Es «
regte sich plötzlich der Wunsch in ihr, die ««
Grenzen dieser elementaren Natur ten
nen zu lernen, und sich dessen wahi be
wußt, was sie wagte. sagte sie furchtsam.
»Ja, der junge herr im Geschäft —"
Weiter tam sie nicht. Wie ein wil
des Thier brüllte er auf, umsaßte sie und ;
wars sie aus das Sopba. i
»Ich erwürge ihn, Dich." schrie er, ·
»wenn er Dich nur mit einer Fingerspitze s
berührt ! Mein bist Du, mein, nie sollst »
Du einem Anderen gehören !" Und et z
erbob die Hand wie zum Schlage. Sie ,
erschauerte. T
Jetzt würde er sie schlagen. sie wartete «
darauf und lächelte. Wie sie der Körper ;
schmerzte von seinem brutalen Stoßens
und Zerren, und wie sie ihn in diesem J
Augenblick wieder liebte!
Vergessen waren alle Träume von
tünftigern Glück und Wohlleben, sie
wollte nur ihn und so weiter leben in
alter Noth und Dürstigteit.
Ohne ein Wort zu sprechen, warf sie
sich ihm an den Hals, und sie küßten sich
wie in früheren Zeiten« heiß, glühend,
verzehrend —- bis zur Bewußtlosigkeii.
--«—- —-—--—O.---s— —- —
xins«ansu.sutdige Modell.
——----.
Stizze vvn H. von Beaulieu.
«.—--..-. -.-.-.
»Das Neue! Hm. Jst das aber lang- .
weilig«, sagte die braune Dame, athern- z
los, und warf ihre Pelzjacke aus einen s
Stuhl.
»Ich finde diese Ausdruckslofigieit
gar nicht übel zum Zeichnen!" erwiderte
die blonde Dame, mit der Sachlichieit,
die den Damen bei Modellen zur Ge
wohnheit geworden.
»Wenn nur irgend etwas an ihr
rnalerifch wäret« klagte die schwarze
Dame und öffnete ihre verfchleierten
dunklen Augen halb suchend, halb vor
wurfsvoll aus das halbwiichsige Ding,
das verlegen von einem Fuß auf den
andern trat.
Die rothe Dame sagte nichts. Sie
machte eine Karritatur von der blon
den Dame, die auf dem Fußboden
knieend ihre Leinwand aufspannte.
»Ich weiß wahrhaftig nicht« warum
dan hangen uns die geschickt hat«, mur
rnelte die Braune unwirsch. »Das
Mädchen sieht ja geradezu idiotifch
aus.« -
Schweigend und mit lautlos weichen
Bewegungen rückte die schwarze Dame
ihre Staffelei an den besten Plat.
Lan Hvogen kann
Er war groß und brünett. Er hatte
eine herrliche Stirn und einen drutalen
Mund.
Wenn er eintrat. lief jedesmal ein
leiser Schauer durch die Gestalten der
vier Damen, —- noch jetzt, nach mehr
jiihrigern Unterricht bei ihm.
Sie hatten sich gegenseitig das Wort
gegeben. daß, wenn jemals drei von
ihnen fehlen sollten, keine von ihnen
mit hat-gen allein bleiben würde. Um
die Welt nicht!
Aber es sehlten niemals drei, nicht
einmal zwei, kaum eine an den Korrek
turkagen. — —
Die braune Dame, die den meisten
Muth hatte, ließ sich murrend aus über
I das Jan weilige« Modell.
Van vagen sah sie an mit dem
Blick, den sie alle so fürchteten «Lang·
weilig!«' sagte er scharf betont. »Ich
laube, an dem Modell liegt das nicht·
eh siir mein Theil« —- seine zusam
mengeknisienen Augen musterten das
verlegen die Hände ineinander schlin
ende Mädethn, —- nde einen großen
eiz in dieser kin lichen Stumpsheit.
den arten unentwickelten Formen. Das
Köpfchen ist sogar fein, mit den schma
len Sehläsem dem kindlichen Wangen
umrisz. Machen Sie das einmal-wenn
Sie es können, d· sen Reiz der fünf
zehn Jahre, auskn spendet Jugend.«
Dei Damen ließen die dese hän- s
gen. —- Der Reiz ausknospender Ju
gend lag bei« ihnen allen längst in der
Vergangenheit .
i ·- i
Ban hoogen war nichk zufrieden.
Keine Einzige hatte den Reiz der fünf
zehn Jahre getroffen, keine die Sumpf
heik der kindlichen Seele, iiber der die
besingstigende Ahnung erst ieise schwebt
—- dan den Leiden ihrer Proletarier
nnd ranen - Existenz.
Sie war noch ein gan kindlig un
schuldiges Ding. Von er Gr siadk
hatte fie nichts, alt die gut-bleiche Ge
sicht-faer Die Damen unterhielten
fich dann und wann miki .Sie ant
wortete immer fehr eiufi mit einer
weichen, hellen Stimme dre noch viel
jünger war. als ihre Jahre. und einem
kindlichen, halb fchiichiernenz halb zu
traulichen Mchel n.
»Ich finde Malchen wirklich - recht
nett«, fagte die Blonde. »Wenn ich an
die gräßlichen Modellgöhren denke, die
wir fchon gehabt haben, mit zwölf Jah
ren schon fo frech und so verdorben. ,
Diese ist dagegen fo unverdorben und i
kindlich « l
Die fchwarze Dame zuckte die Ach-!
feln. »Wer kann das wissen. Vielleicht I
thut sie nur fo. Das sind oft dies
Schlimmsten.« — i
Die braune Dame hatte einen guten ’
Einfall.
»Wenn wir Malchen das Haar auflö
fen ließen, das wäre doch viel maleri
cher." .
Malchen machte ein ängstliches Ge- s
i i
sch »Den vaf ganz aufmachen?« frug :
sie widerftrebend — ;
Ein Ah! des Entzückens ging durch
die kleine Schaar, als das Haar geldft «
Wat. ;
Solches haar! Und das hat sie so ;
weggefteekt daß man die Schönheit
kaum ahnt. Malchen es ilt Sünde.::
äuß! Sie mit einer solchen Frifur ge- ?
en
Das entfesselte Haar lraufte sich auf .
dem Kopfe auf wie ein kleiner Heiligen
schein. Rothe und goldene Töne leuch- ’
teten in dern kräftigen Blond. Die lose
niedergehenden W.llen umrahmten das
lindliche Gesicht fo schön, daß es eine l
ungeahnte Feinheit erhielt
»Jeht wird es wirklich malerisch«, -
jubelte die ar i
»so dem au gelösten Haar sieht das ·
hochfchließendesileid aber wirtlichwahn- -
sinnig aus«, fagte die braune Dame, die l
l
l
i
l
lklllllcl llllllc ccllclc. »Das-VIII Olc IIIWI
eine au eschnittene Taille?«
Malchen hatte eine und versprach, sie
morgen anzuziehen.
«- - ·
Malchen’s »autgeschnittene« Taille
entloelte den Damen ein Lächeln stillen
hohnes.
Es war eine rosa KattumBlouse viel
leicht vom letzten Schulseste —- mit wei
ten Pussärmeln, die zu den Ellbogen
gingen.
»Nein, das sieht wirklich nicht an
ständig aus,« seufzte die rothe Dame.
»Morgen bringe ich ihr eine Balltaille
oon mir mit.«
»Wissen Sie was, Malchen, —— zie
hen Sie die Taille ganz aus,« nöthigte
die Schwarze freundlich.
Malchen antwortete mit einem
Blick, «in dem völlige Ablehnung lag.
»Es wird Jhnen ja nicht zu kalt
sein," fuhr die Schwarze in unbefange
nein Tone fort. Es ist hier so warm.
Jst-helfe Jhnen-.«
Sie griff schon zu. aber Malchen
leistete Widerstand. Ordentlich böse
blißten ihre hellen Kinderaugem
.Wie —- Sie wollen nicht! Aber
Malchen!«
»Ich mag nicht«, sagte Malchen
ängstlich und preßte die Hände fest aus
die Brust.
»Sie mag nicht!«
»Nein, diese Albernbeitl«
»Den Hals zu zeichnen, wäre so
lehrreich gewesen," sagte die Blonde.
Die tothe Dame slüsterte hörbar
mit Lächeln: »Sie hat gewiß Narben
oder so etwas und kann sich nicht zei
gen-"
»Ein so widerspenstiges Modell
sollten wir doch lausens lassen,« sagte
die temperamentoolle braune Dame.
»Da blieen Sie’5, Malchen.« ries
die Schwarze, sanst warnend. Wenn
Sie so eigensmnig sind, können wir
Sie nicht gebrauchen. Dann müssen
wir uns nach einem anderen Modell
umsehen«
Sie wußte wohl, dasz hierüber hoogen
entschied. Niemals hätten sie gewagt. so
eigenmächtig zu handeln. Aber das
dumme, kleine Modell wußte das ja
-:-I.A
usw
« Der trotzige M in Malchens Augen
wurde wankend — Täglich eine Matt
fünfzig verdienen auf sv leichte Art! —
So eng das hirnchens des Volkstindeö
war, rechnen kannte es. Alle die fei
nen Damen- sagten, sie sei zu albern, und
die mußten es ja wissen. Vielleicht
würde die Mutter schelten-, dafz sie sich
den schönen Verdienst verscherzt.
Malchen lapiiulirte. Aber mit
Tbriinen in den Augen« Die Damen
undriickten ein Lächeln und tobten ihre
Vernunftigteii.
Sie waren entziictt und sprachen
sich sachlich darüber aus.
Aus dem grauen demd schauten ;
hats und Arme von zarten tnospenden "
Formen und durchsichtiger Weiße, von
denen die kleinen rat earbeiteten hände »
seltsam abstachem nter den bewun- I
derjrdem vriisenden Blicken lief ein zar
ter, rather Schimmer über die tindlichen
Glieder, tvie eine von der Natur ge-.
schaffene stille . . . .
Gegen zwölf nahte sich der rasche,
feste Schritt, der die herze-r der vier
Damen jedes Mai in etwas rascherern
Takte schlagen ließ. Die Finger der
rothen Damen wurden eiskalt.
hangen trat ein und blieb einen Au
genblick überrascht stehen. Er sagte nur
«hm«. Aber seine Augen brüsten und
tasteten mit grausamer Sachlichteit.
Es lief ein Zittern durch den zarten
Mädchentörper. und wieder bang sich
W
die geängsiigte Natur unter ihrem rosa
MZZL chto dicht O P »
» esni ii o, err roc
sor?'· sru die braune Dame sehr sanst
und besche den.
»Wtrllich, es tst hübsch so,« sagte
Hapgen Gedämpst setzte er hinzur
»Mich wundert, daß Sie sie dazu ge
lriegt haben.«
Monate ver ingen. Die Damen des
Atelier von-H gen hatten längst andere
Modelle.
Es war ins den Osterserien Hat-gen
hielt die Ferien streng em, zum größten
Leidwesen seiner Schülerinnen, denen
ihr Daseins in solchen Zeiten ganz zweck
los vorkam.
Die rothe und die schwarze Dame be
gegneten sich aus der Straße. Die eine
hatte im Parl gezeichnet, die andere im
Museum iopiri.
Sie sprachen ein paar Worte zusam
men. Natürlich Fachsimpelei. Jede
horchte lauernd, ob die andere Hoogen
gesehen oder etwas von ihm wußte. Al
le ihre Gespräche waren nur versteckte
Umwege nach dem einen Mittelpunkt,
um den die Interessen ihrer Existenzen
lreisten. Es war ein durchsichtig-I
Bersteclspiel, bei dem jede die andere
durchschaute.
Endlich sagte die rathe Dame : »Ja,
was ich sagen wollte — erinnern Sie
sich noch des halbwiichsigen Mädchens-,
das wir im Winter mal als Modell hat
ten, das Malchen?«
O freilich. Jch erinnere mich an
jedes Modell«, sagte die Schwarze.
»Das war die kleine Brüde, die ihren
hals nicht zeigen wolltet«
»Jawohl, — priidei« lachte die Ro
the. »Vorhin ist sie mir begegnet. Sie
steht Hoogen Art, —— pour le tout ensem
ble — er gebraucht sie zu seinem Früh
lingsbilde.« - - Es
Der schwarzen Dame entfuiyr ein
leichter Pfiff. »Am-tosen ver wagen,
—- Nai —- Da haben Sie die unver
dorbene KinlichteiL Jch sagte doch da
mals gleicht Die so ruht-mich- nicht
an thun, das sind die Schlimmsten.'·
Die rathe Dame nickte. Ja, es
scheint so. Na, solche Wesen haben
überhaupt tein Zartgefiihi. Sie ging
—- mit glänzenden Augen, wie zum
Fest. .Urrb eine moderne Frisur hatte
sie —- . ———«
»Unglaublich!« sagte die Jchwarze
Dame. »Und mit solchen ersonen
sihen wir immer in einem Raum!«
NücksichtspolL
»Also Deine Angebetete hat aus Dein
Ständchen wieder mit einem Wasserguß
geantwortet? Na, ich danke —- bei der
Kälte.«
»O, sie hatte das Wasser angewiirmt.«
Neite Gesellschaft.
Burnrnler (im Wirthshause mit ei
nem soeben aus dem Zuchthause entlas
senen Siräfiin in Streit gerathend):
»Mit Jhnen laäe ich mich nicht ein, Sie
sind schon alles Mögliche in Ihrem Le
ben gewesen!"
Verbrechen »Und Sie? Sie sind
nichts, und aus Jhnen wird nichts —
nicht einmal ein ordentlicher Zucht
htiusler!« ·
Ganz unfähig.
»Ist Deine neue Köchin wirklich gar
so unfähig?«
»Ganz und gar! Die weiß nicht mal
über ihre früheren herrschasten etwas
Schlechtes zu erzählen.«
W i n k.
Er (als die Uhr 12 schlägt): »Das ist
die Stunde, wo die-Gräber gähnen.«
Sie: »Das lann ich den Grä rn
nicht verdenten!«
—
A u s s a a t. .
Fräulein (zu:n tahlkspsigen Künstlerh
»Ich bringe Ihnen hier eine lasche
haarwuche-Eelixir. verehrtester eister
— —- nicht wahr. wenn es hilft, trcege
ich auch später eine Locke von Jhnent«
Nutzen des Sports.
»Wir Frauen denken immer viel iden
ler: Papa meinte, ich soll Tennis«lernen,
weil es die Verdauung fördert; Mama
hingegen toar dafür, weil sich beim Ten
nis leichter herz zum setzen findet.«
Kann fein.
A.: »Wer ist denn eigentlich vie viel
kerxprechendste Person an Ihrem Thea
er "
B. (Schouspieler): »Der Direktor!«
Zutunftsperspeliive.
Erster herr: »Im Zeitalter der
Fraummanzi tion lann man doch
nicht mehr agen: ,Selbst ist der
Mannl'«
Zweiter rr: »Nicht gut! Wohl
aber: ,Selbt lacht der Mann!'«
Kritik.
»Wissen Sie auch, daß die Malerin N.
falfche Zähne, haarr und Düften hat?«
»san«-ist — der ist die Kunst zur
zweiten Natur gewirkt-ein«
Häuslicher Sturm.
! A.: »Heut’ Nacht hatten wir einen
« chrecklichen Sturm mit Donner nnd
« l« .«
Ia »Ich bin erst um 2 Uhr inach hau
onnnen, und da half ich von dem
. arm dra n he n nicht mehr gehör-U