Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, May 25, 1900, Sonntags-Blatt, Image 9

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    Sonntags-s Yldrttt
beiiage des »aneiger uncl berolcl«..
» J. P. Windolph, Herausgehen
Grund Island, Nebr: den z) Mai 19()0.
Jahrgang 20. No. 38
««««««« WMM
Kunst, Wissenschaft nnd
Gewerbe.
Os
V
Mod ee sainerieanischee Seines-(
pulver.
.
«-c«TXKXKX)-nyKRKYYX
« Von W. Sta venhagen.
Ein gutes Schießpulver soll im Ber- I
bältnistz zu dem höchsten, die Wider
standssiihigleit der Wasse nicht beein
trijchtigenden Gasdruck und zum Ge
wicht und Raumgehalt der Ladung
große und gleichmäßige Arbeitsleistung
hinsichtlich der Geschwindigkeit des
WirkungsbereichS, der Gestaltung der
Flugbahn, der Tressfähigleit und der
Durchschlcgslrast des Geschosseg geben·
Dabei muß die Verbrennung vollstän-v
dig sein und sich bis zu einem gewissen
Grade leicht regeln lassen; auch sollen
Reuchs und Feuerentwicllung gering
sein. Ferner darf weder die entstan
dcne Wärme schädlich auf die Waffe
noch die sich bildenden Gase nachtheilig
aus die Bedienung wirken. Endlich soll
das Pulver möglichst unempfindlich ge
gen Witterunggeinsliisse und andere
zerstörende oder zersetzende Einwirkun
gen sein, sich dabei gefahrlos anferti
gen, lagern und handhaben lassen und
verhältnismäßig billig, seine Bestand
theile im Kriegrssall einfach zu beschaf:
sen sein.
Das sind gewiß sehr hohe und oft
schwez zu vereinigende Anforderungen,
denen das alte, auf mechanischem Wege
hergestellte Schwarzpulver (vergl. die
Figuren: groblörniges und prismati
scheå Geschützpulver) nicht genügen
konnte. Es ist daher in neuerer Zeit
durch die chemisch und mechanisch cr
zeugten rauchschwachen (Stickstosf-)
Pulver mit zwei- bis viersacher Ar
beitsleistung ersetzt worden
Da die Wirkung des Schießpulvekz
namentlich von der Art der Verbren
nung, diese zum großen Theil von der
Gestalt der Körner abhängt, so war
diesem Punkt eine besondere Aufmerk
samkeit zu schenken. Je mehr man di
Verbrennung beherrschen kann, um sc
Feeigneter wird das Pulver auch als
· reibladung siir große Mengen dri
santer Sprengstosse (Schieszwol1e, Dri
nnmit und nitrirte Kohlenwasserstoise
wie hellhoffit, Sprengmunition ZU
Melinit, Elrasit, Lhddit u. AJ bezw.
mlt solchen als Surengladung versehe
ner Stahlgeschosse. Diese aber im Jn
teresse erhöhterGeschoßivirlung zu vers
seuern, ist ja längst das allerdings we
nig human erscheinende Bestreben alter
Länder der Welt, trotz Friedengconsei
renzen.
Die Gnthulunn Der Gase mut; tret
«iedriqem«Anfanngruck so langsam
von starren gehen, daß das Geschoß
nicht eher die Mündung verlassen hac,
als bis die Ladung völlig verbraucht
ist. Dabei muß die Verbrennungszmse
der Körner stets so groß fein, daß Lser
Gasdruck nicht nachläßt, wie das bei
den Schwarzpulvern Ver Fall war.
Nur so erhält man den größten Beim-»
an Energie bei geringster Inanspruch
nahme »er Waffe.
ke« I-- « »P-. -
Der Grundstoff aller rauchschivachen
Pulversorten ist belanntlich die 1846
gleichzeitig von Schönbein in Basel
und Böttger in Frankfurt a. M. er
fundene Nitrocellulose, die aus Baum
wolle besteht, die durch Eintauchen in
ein Gemisch von roncentrirter Sal
veter- und Schwefelsäure in ein Nitrat
verwandelt ist und je nach dem Gehalt
an Stickstoss Schieszbanmwolle over
Collodiumtvolle bildet. Sie ist dem
Schwarzpulver dreifach an Kraftäuße
rung überlegen, aber fiir sich allein als
Treibmittel zu heftig. Man hat sie
daher durch Gelatiniren (Auflösen in
Essigäther oder Acetom in eine gallert
artige Masse verwandelt, getrocknet,3n
dünnen Platten gewalzt und dann die
hornähnliche Substanz in Blättchen
geschnitten. So geschah es schon 1886
mit dem von dem lshemiler Turpin er
kundenen rauchschivachen Pulver von
Lebel lPoudre B) in Frankreich.
Durch dieses Verfahren wird die
Schießbaunnvolle chemisch beständiger
und erhält eine große ballistische Ulr
beitsleistung Aber die Verbrennung
erfolgt oft so langsam, daß, wenn die
Körner nicht äusserst dünn sind, das
Geschoß schon den Lauf verlassen hat,
ehe die Ladung völlig aufgezehrt iist.
Dies ist besonders bei lleinenLadungs
verböltnissen mißlich
Daher hat man statt dieser reinen
Schießwollpulver Nitroglycerinpulver
erzeugt, bei dem durch Zusatz des be
kannten, von Pelouze und Sobrero er
fundenen Nitroglycerins lSprengölsp
zu Collodiumwose die Verbrennung
beschleunigt wird. Jedoch ist bei einer
Dicke des Materials, wie sie fiir Ge
schütze größten Calibers nöthig ist, bis
70 Procent Nitroglåeeerin erforderlich
was besonders die sährlichteit des »
Pulvers und die Möglichkeit von Aug
vrennungen der Robre infolge der ra
schen Umsetzung in Wärme beimschusi
erhöht. Eine derartige Verbindung sind
das Nobel’sche Würfelpulver 89, ins
italienische Ballistit, Filit und Solenit,
das von Abel und Dewar construirte
und für das Jnfanteriegewehr sowie
für sämmtliche Schnellseuersanoneu
verwendete englische Cordit, das in
Oesterreich-Ungarn für Gebirg-shou
bißery Belagerunggianonen und An
frifemörser eingeführte Pulver M 943
orv die In Deutschland siir Gewehr,
Feld-, Belagerungs- und Mariae-Ge
schiihe gebrauchten Blättchen-, Würfel
und Röhrenvulver. Rußland wendet
neben französischer-r rauchscknoachen
Pulver »B« ein Schießwollpulver des
Prosessors Mendeleyew an, das Pyro z
tollodium genannt wird. ;
DieAmericaner, die sich immer mehr
von der europäischen Industrie und
Waffentechnit unabhängig zu machen
suchen, haben nun diese Mängel d r ;
bisherigen Treibladungen durch ein
von Hudson Maxim und Robert s
Schupphaus fiir ihre Armee ersundc !
nes und von der Firma E J Dunont z
de Nemours gesertigtes rauchschwaehez
Pulver zu beseitigen gesucht. Sie san-·
den, daß, wenn man wenige Procente
(3 bis 4) löslichen Pyroxnlins oder ge
latinirter Schieszwolle mit Trinitrocel
lulose (56 Proc. Schießwolle von 13.-) »
Proc Sticlstofsgehalt) mischt, das Ge
misch plaitisch wird und unter Hitze
und Druck sich m Formen pressen läßt,
die beim Trocknen nur wenig ein
schrumpsen und ihre Gestalt bewahren l
Als Zusatz verwandten sie nur etwa 8 "
bis 9 Procent des gefährlichen Nitsc- I
alycerins, das in neueren Mustern
überhaupt fortaefallen ist. EineBeiaabe
von Harnstoff sichert die chemische Be
ständiakeit.
Das Wesentliche des neuen Pulvers
ist jedoch die Körnerform Die Körner
erhalten eine solche Gestalt, daß die
Ausdehnung der Verbrennungszone
gleichen Schritt mit der Beweaunq des
Geschosses hält. Der Pulverkörver bil
det dazu lberat die Figuren: Rinas
und Querschnitt) einen der Pulver
Gent-Identqu Gecmåtwulver. l
»·kammek in seiner Gestalt und Größe
H angepaßten Hohlcnlinder (II), der an
’ einem oder beiden Enden abseschriigt
IH ·" z I
Für Geschötze kleinen und mittlere-Ilio!1beks.
oder konisch geformt ist. Dei-se be kann
nun von innen zur Entzündung ges
btccht werden, sodaß die erzeugten
Gase ihn start gegen die Wände der
Pulvettammer drücken, um die Ver
brennung der außerdem noch mit einein ;
unverbtennlichen Uebetzug versehen-eng
Auszenfläche des Körpers und damit I
cin Ausbrennen der PulvertammOr Zu
verhindern. Jcn Inneren ist der P-:l:- .
Verrvlinder mit radial angeordneten,
nicht durch die ganze Wanduna gehen-: i
den Vertiefungen (Löchern, Rinnen)
retsehen (h), die so angeordnet sind-, i
dask bei niedrigster Ansangssyaunung !
der Flamme die größte Verbrennunka- i
i
Betst-sammt Geschützvulver. s
t-«:q.. ..- « --. Heu-«- « -
——-so,;-»-- s « .«
ten nnd gioiseien Ka- Rahan ll )lm-.al.)
libere Unanulu
Für Neichiiye mittle- fu«-r Citeschiivc grämen -
fläche geboten ist. Da letztere mit
fortschreitender Verbrennung wächst, so I
ist eine fortwährend-Zunahme der ent- «
wickelten Gasmengen die Folge, bis- E
durch Berührung der dadurch vaqu
steilen Löcher schliesslich das ganze
Itcrn aufgezehrt ist. Der anfängliche
Drnck ist unter gleichen Bedingungen ,
nur 1s5 des z. B. bei Cordit vorhande- z
nen. Durch Regelung der Korngrösze
und Form und entsprechend der Wahl
des Querschnitts der Durchbohrungen
lann man jeden beliebigen Ansanqss
drucl von 28 bis 2800 Atmosphären
erreichen und bis zur Mündung beibe
hcslten. Das Pulver läßt sich in stets
gleichmäßigerZusammensetzung subtil
mäszig herstellen, die mit ihm erreichte:
Geschwindigkeit und Tresfiäbigleit ilt
nach Max-im größer als mit irgend
einem anderen biser eizeugtenSchief3
pulver. Es kann nun ein Torpedoge
selon von doppeltem Kaliber, doppelter
Lange und dreifache-n Gewicht der jetzi
gen Ponzergranaten hergestellt werden, -
das zur Hälfte seines Gewichts aus
na sier gepreßter Schießbaumwolle oder ’
einem anderen besonderen Sprengstoff
besteht und von solcher Forrngenauig
teit und Widerstandssähigteit ist, daß
es den Stoß der Gase beim Abfeuern
aus-hält, und das, zwar mit geringerer
Geschwindigkeit, aber gleicher Mün
ditrsasenergie verschossen, bei den heute
vorkommenden Zielen eine größereWir
trag hervorbringt als alle bis-her übli
chen Geschosse. «
Gelingt das wirklich, fo würde es
allerdings sehr große Bortheile beson
ders- auch für die Armirung vonKriegs
schifsen haben, die bei gleichem Ge
scmrntgewicht und geringeren Beschaf
stirgsloften verdoppelt werd-en könnte.
Vrrläufig müssen weitere Erfahrungen
abgeirartet werden. Hudsons Maxini’s
Bruder und Wettbewerber, der nicht
minder bekannte Hiram S. Maxim,
ver-wirft die zahlreichen engen Kaniile,
die die Ursache zu außerordentlich
hoben Gasspannungen und, wie ein
Unsall in Sandy Hook bewiesen haben
soll, zum Zerspringen der Rohre wer
den können· Gewiß ist die richtige Be
messung des Querschnitts der Kanäle
wichtig, doch ist sie auch zu erreichen
und daher der vielleicht aus ganz ande
ren Ursachen entstandene einzelne Un
sall nicht zu verallgemeinern.
SI- L Il·
Aus dem Reiche der Spinne.
Das Reich der Spinnen ist ausge
breitet über alle Erdtheile, iisber die.
Gewässer und hoch in der Luft. Sie
sind wirklich international und stosken
uns auf in den trauten Räumen des »
Wohn- und Schlafzimmers, wie drau- ;
seen in Feld und Wald. Jm dunklen ;
Keller fiihren sie zu Tausenden ein ver- t
boraenes Dasein,und an den Speichern »
lassen sie ihre Netze flattern. Sie fin- «
deii Zutritt zu den derboraensten Ge- I
lassen, tommen durch Ritzen und »
Sel:·liissellöehier selbst in die Schräntel
und Kasten und sind dem Gefangenen J
im tiefen Kerlir ständige Gefährten. j
Gehen wir durch die Zeilen der Wein- j
berge, so hängen sich fast auf Schrittl
itnd Tritt, von Pfahl zu Pfahl aewo- -
bene Gespiniiste an unsere Kleider.
Klettern wir hinauf aus Bäume,Thiir
me und Stangen,so umwinden sich Hut
isnd Kopf mit ihren Hängeinatteii. s
Sitzen wir uns niede: auf den Boden
des Feldes und der Wiesen, so laufen
sie unter dem Sitzplatze hervor und
suchen eiligst das Weite. Nirciends in
Wald, Weide-, Sonne, -Oede, Ackerfclo
und Wiesenthal können wir ihnen ent
fliehen. Sie heften sxch stets an unsere
Fersen. Wenn wir genau das Gelände i
untersuchen, so werden wir überall auf T
Spinnen stoßen. Selbst in riihiaeii
isnd sanft fließenden Gewässern hausen
die Arten der Wasserspinne. Nicht die
stillt- des Nordens noch der Brand des
Siidens hindern sie an ihrem Fortkom
men, wenngleich sie viel häufiger, träf
tiaer und mannigfaltiger in den Tro
pen sich finden. Frühere Zeiten mit
ihren veränderten Wärmeverhältnissen
iisiesen ebenfalls- inassenhast Spinnen»
aus« wie die fossilen Arten im Bern
stein, der Steintohle u. s. w. bezeugen.
Zwar ist ihr ganzes Reich ein Reich
der Zwerge zu nennen, da die grössten
Thiere, die Vogelspinnen, nicht itberz
den Umfang einer kleinen Kinderiaust s
hinausgehen. Allein welch großer Un- ’
terschied dennoch, von den Vogelspin
nen an, bis zu jenen kleinen Arten,
welche wir mit bloßem Auge taiiin «
wahrnehmen tännent Alle Zwischenstu
fen der Größen sind in zahllosen Arten
vertreten. Man nennt bereits mehrere
Tausende verschiedener echter Spinnen.
So sehr auch die Welt der Spinne-i
die verschiedensten Grade durchläiift,so
hat die Wissenschaft doch ziemlich scharf
gezeichnete Scheidewände zwischen den »
Unsummen von Thieren aufgestellt -
und sie zunächst auf große Abtheiliin: s
gei- consolidiit: Vierlunger und Zwei- l
langer, je nachdem sie vier oder zwei s
Lurgensäcke haben. (
Cistere weisen als Hauptvertreter
die stärksten ihres Geschleck-UT die Bo
gelspinnen (Busehspinnen) auf. Sie
leben nur in der heißen Zone und fin
den hier an den großen Jnseeten reich- i
lich-e Nahrung. Sie entsprechen in
ichtkner Harmonie der ganzen stärkeren
Flora und Fauna der beißen Länder-.
Ob sie ihren Namen als Bogeljiiger mit
Recht führen, ist rielsach bestritten wor
den. Es scheint aber nach neueren Be
rb«chtun,qen keinem Zweifel mehr zu
1-nierliegen, daß sie sich wenigstens auf
kleine Vögel werfen. Haben ja z. B.
die Kolibfrs nur die Leibesgröße einer
Hi mmel, während ein: Normal-Vo«ael
siinne 5 Ceniimeter Körperumsong
mißt und mit ausgestreckten Beinen
eine Beute von 20 Eentimeter bequem
umfassen kann.
Jn die zweite große Abtheilung:
:Ejir-ei-Lunger reiben sich alle unser-:
heimischen Arten ein. Man gruppirt
die Zweilunaer nach den äußerenMerk-:
malen ihrer Gespinnste. Zwei Arten
spinnen keine Fananetze, sondern nur
iricrsäcke in runder eisörmiger Fort-n
die Wolfsspinnen Und Sprinqspinnen.
Die zahlreichsten und bekanntesten Ar
ten sind die Fananetzspinner, welche
man nach der Form ihrer Ntze einikjeili
in: Radspinnen,. Röhrenspinnen,Kral
lenspinnen und Mexiespinnem wozu
manche Autoren als besondere Arten
noch die Sack- und Trichterspinnen qe
srllen.
Mi- ern-is-. e ». - -, - » . -
sse wurm- uuu Springst-Innere Itan !
vagabundirendes Geziesen Sie spin-- -
net-. nicht und sammeln doch reichlich
ein. Die Wolfsfpinnen laufen fast stets !
auf der Erde umher und haschen lau
fend, wie die Wölfe, ihre Beute, wäh
rend die Springspinnen in Sätzen
spiingend sich auf die Fliegen stürzen.
Von den Wolfsspinnen ist die Tarantel
am meisten gefürchtet. ,,Auffahren,
ie von einer Tarantel gefrochen«, ist
jprichwörtlich geworden. Jn Fachbü
,irn des vorigen Jahrhunderts finde
ch gleichmiißig wie bei einigen neueren
, tutoren die Ansicht ausgesprochen, der
« is; der apulischen oder italienischen
,c.rantel ist durchaus ungefährlich und
.«-a«.-mlos. Demgegenüber ist als fest
stehende Thatfache zu betrachten, daß
Jrsiele Gebissene in ärztliche Behandlung
flammen. Das gebissene Glied entzün
Idet sich, und complicirte psychische thi
stisnde Von stiller Schwermuth bis Zur
Iobfucht sind nicht selten beobachtet
werden. Der lebhafte, wilde Tanz,
welchen die Taraiitati häufig auffüh
ren, ist nicht eine unmittelbare Folge
des Bisses-, sondern nach dem Volke-E «
gleulsen ein Heilmittel dagegen. ’
Den Wolfes- und Springspinnen alrz
Jagdspinnen stehen die ungleich zahl
reicheren Fangnetzspinnen gegenüber.
Sie sind die eigentlichen Künstler ihres
Geschleel)tes. Die Erzeugnisse ihres
Gewerbefleifzes erfüllen die ganzeErde;
gerufen oder nngerufen kommen sie in
dep- Bettlers Hütte, wie des Königs
Palast. An einem schönen .Herbstmvr
gen sind alle Stoppelfelder und Gräser
der Wiesen und Heiden übersponnen
mit «Perlennetzen licht und klar«. Ob
man will oder nicht, man wird Kunde
der Spinnen und bekommt ihre Ge:7
schenke nachgeworfen und ins Gesicht
geschleudert. Regelmäfzige Gewebe
verfertigen die Rad - Spinnen; ihre;
Netze stehen vertikal mit concentrischen
IKreisen und durchlaufenden Radien
(Räder). Die bekanntefte Radfpinne
wird zugleich am meisten verabscheut; »
während sonst eine Spinne Glück be- f
de1.tet, bringt sie Unglück. Ob das- ihr l
otninöser Name: Kreuzspinne thut,
rder ihr settgliinzender Leib, den sje »
wie einen Mkhlfaek nacl)triigt, weiß ich ’
nicht. Jedenfalls aber ist die Kreuz
fpinne ein völlig unschuldiges, harmlo- ;
fes Thierchen, das noch niemals Je- :
tnand etwas zn Leid gethan hat. J
Der Name Fireuzfpinne schreibt sichs
her von den lreuzsörmia laufenden
weiblichen Flecken, welche sich ans dem ;
etwas dunkler gefärbten Kleid des l
Hinterleibes scharf abheben. Jhre Wes !
beorgane befinden sich am hinteren En- ;
de des Leibes. Wie sie mit denselben, i
gleich den anderen Webspinnen, ihrei
kraftvollen Fäden zieht, formt und ve- I
feftigt, ist interessant genug, um est
ausführlich-er darzuftellen. Vor dem!
After trägt die Kreuzspinne drei
Paar landete Spinnen auch zweiPaar·)
Spinnwarzen. Der untere größte Theil
jeder Spinnwarze wird von einem
Hernringe umschlossen nnd ift behaart.
Darüber folgen wechseltveife zwei wei
Spkcskqfökper and rauchsmwachek Putvktmase von Maxim-Schupvl1aus, Brooklmr.
l. Längsschuith
U: Spteustökpeu h: Löcher und Nin-um
11. Queiskdnnb
llt Spmtgköwer; h: Löcher und Numm.
ehe Haut- und feste Hornringe, so daß
die bei den unteren Spinnwarzen et
was geneigte, bei den oberen sehr schief
ciufgesetzte Endfläche ebenfalls beweg
lich ist. Die Endfläche jeder Spinn
nsarze ist etwas gewölbt und wie eine
Bürste mit einer großen Menge eigen
thümlich geformter Spitzen, den
Spinnborstem besetzt. Diese Borsten
erscheinen bei stärkerer Vergrößerung
aus einer längeren oder kürzeren gera
den oder etwas gebogenen, nach oben
verdünnten Röhre und einer zweiten
beweglich darauf stehenden Röhre zu
sammengesetzt Die Zahl der Spinn
brrsten oder Spinnröhren auf jeder
Warze schätzt man aus 400 bis 50().
(k"-in seiner Canial führt den klebrigen
Spinnstosf, der an der Luft sogleich
zu einem festen Faden erhärtet, durch
jede dieser Röhren oder Borsten. Wenn
die Spinne irgendwo einen Faden be
feftigen will, so reibt sie mit den Enden
der Spinnwarzen, wie mit Pinseln,
aus der Oberfläche des Körpers herum,
wobei der hervortretende Spinnstoff
drsran klebt, hebt den Leib in die Höhe
und zieht so aus jeder Spinnborste ei
nen Faden hervor, die sich alle zu einem
Faden vereinigen. Nur wenn sie in
ihrem Netze eiansect schnell umwickeln
will, vereinigt sie die vielen feinen Fä
den nicht, sondern dieselben bilden ne
beneinander laufend ein Band.
Die Kreuzspinne ist nicht die einzige,
sondern nur die größte und bekannte-sie
Radweberin. Sie steht inmitten ihres
Netzes und hält nach allen Richtunan
scharfe Wache. Hat sich eine Fliege in
den Maschen versangen, so stürmt sie
nicht mit einem Male, sondern ruck
und stoßweise vor und läuft bei dro
hender Gefahr eiligst rückwärts. In
der Noth Und Verfolgung reitet sie sich
regelmäßig, indem sie sich an einem-Isa
den sentrechi herabläßt, entweder noch
in der Lust hängen bleibt oder auch sich
gänzlich auf die Erde niedersenkt. So
macht es auch die Haus-: oder Winkel
spinne, welche sich unter die Röhren
spinnen qliedert, und viel mehr als
andere Arten, unsere Zimmer und Ge
srimmtwohnräume liebt.
Die Krabbenspinnen schillern in al
len Farben, grau wie die Schollen, un
ter welchen sie sich verbergen, griin ivie
Gras und Klee, in welchem sie wim
meln. gelb wie die Blüthen, welche sie
zubauen, braun, wie die Baumrinde,
an der sie emporklettern. Ueberhiaubt
if: die Färbung der Spinnen so Inan
nsgfaltig, daß kaum eine Schattirung
und Tönung unvertreten bleibt, vom
tiefen Schwarz der Fiellerspinnen bis
zum sehnt-eigen Weis-. der Spinnen in:
liiraH und Feld; grün, roth, grau, ge
jcheckt zeigen sie auch durch ihre Farben
ihr universelle-Z Wesen und Leben
Die Webespinnen im engeren Sinn
weben in Gesträ!!ebern, im Gras und
Wald Gespinnste von unregelmiiziger
Form, dessen Fäden sich kreuz und
quer durchschneiden- Darunter weben
sie meist noch ein kleines Radnetz. Die
Sackspinne verfertigt in Mauerritzen
uiiier Steinen und um Blätter saclförs
mige Zellen, während die Trichter:
spinne ihr horizontal sehwebendez
Haus in eine trichte.·sörmige Röhre
auslaufen läs3t.
Dielsrscheinung des »Altweibersom
mirs«, jener fliegenden Herbstsäden,
trelche von Bäumen, Drähten, Stan
gen, Biisehen flattern oder über das
Feld sich spannen, sind trotz entgegens
gesetzterErklärungTJtrersuche wohl nichts
anderes, als Erzeugnisse verschiedener
Spinnen. Das massenhafte, plötzliche
Vorkommen derselben an schönen
Herbsttagen braucht uns nicht zu einer
anteren Erklärung hinzuführen, da ja
die ungeahnt zahlreich borhandeien
Spinnen auch massenhast Stoff erzeu
gen können. Jene wehenden Gar-ne
und Gewebe sind, wie angenommen
wird, gleichsam Luftschisfe, in welchen
jnnge Spinnen durch die Lust fahren
und sich in ihre Winterquartiere tragen
lessen. Zahlreiche Beobachtungen las
sen hierüber kam einen Zweifel auf
kommen.
Als Künstler sind die Spinnen na
türlich aufeinander eifersiichtig, denn
wo gäbe es eine größere Anzahl Künst
ler an demselben Orte ohne ,,Seces
sion«? Die Nahrungsfrage macht sie
auseinander ,,spinnenseind«, ihreKnnst
geht nach Brod. Im Sommer, wo ihr
Tisch überreich gedeckt ist, hält sich ihre
Feindschaft mehr im Hintergrund, oh
ne sich freilich ganz zu legen. Wenn
das Wild aber seltener wird, also vor
Beginn und nach Schluß der schönen
Jahreszeit, gehen sie wie die wilden
Bestjen miteinander los. Die Weib
chen. welche bei fast allen Spinnenarten
nicht das »schwache«, sondern das
starke Geschlecht darstellen, morden ihre
eir.enen LUiiinnchem die größere Art ber
schlingt die kleinere. Reaumnr hatte
einst eine ungeheure Menge Spinnen
on einem geräumigen Orte zusammen
gebracht, auch für Nahrung gesorgt,die
seiner Meinung nach hinkt-Echte Trotz
dem sraßen sich alle in wenigen Tagen
einander auf. Schon mancher ange
W
hende Dilettant ging mit seiner Beta
nisierbüchse, aus, um auf Wiesen, in
Feld und Wald möglichst verschiedene
Spinnensorten zu sammeln. Als er
zu Hause die Büchse öffnete, hatten sich
die Spinnen fast alle getödtet und ver
stümmelt Sie vertragen sich niemals
auf so engem Raume miteinander und
führen den Kampf aller gegen alle und
stets auf Leben und Tod« Daß sie
unter gewissen Umständen mit Mens
schen ganz vertraut leben können, zeigt
uns das riihrende Erlebniß Christianö
des Zweiten von Diinemarkx er zähmte
vrsllstöndig eine Spinne, so daß sie auf
sein Rufen regelmäßig erschien, Nah
rung entgegennahm und ibm Gesell
schaft leistete, bis der grausance Ker
lermeister sie tödtete und den unglück
lichen König der liebgewordenen Unter
haltung beraubte. Die Robinsons der
Robinsonaden versüßen ebenfalls re
gelmäßig die Einsamkeit ihrer Eilande
durch die Gesellschaft der Spinnen, die
ek-en, wie wohl kein anderes Thier. jede
Ecke der Welt in Beschlag genommen
hol-en und die völlige Leere mildern.
Am nächsten treten die Spinnen dem
Menschen, zumal dem gewöhnlichen
Volke-, durch ihr Wetterprophetenthum.
Sie sind unzweifelhaft von allen Thie
ren die feinfühligsten und ahnungs
reichsten hinfwtlich des kommenden
Wetters, und geben dieses im Voraus
durch deutliche Zeichen zu erkennen. Sie
sind äußerst sparsam mit dem Spinn
sioff und gehen haushälterisch mit ihm
um. Daljer bauen sie nur, wenn das
bevorstehende Wetter ihnen gute Ernte
verspricht Ganz bestimmt und ohne
jede Einschränkung kann man sagen,
daß, wenn die Spinne mitten im
Sturm oder Regen zu spinnen anfängt
und fleißig damit sortfährt, binnen
wenigen Tagen helles, sonniges Wetter
eintritt Das kann Jeder bei einige-r
Aufmerksamkeit und Geduld selber be
obachten. Fangen sie aber an, unruhig
zu werden, aus dem Bereiche ihrer
Netze zu gehen, nnd wie verfolgt und
gehetzt, des Abends umherzulaufen, so
sagt der gewöhnliche Bauers-mann: Es
giebt Regen, die Spinnen laufen.«
Zerstören die Kreuzspinnen die Haupt
fiiden ihrer Gewebe und verbergen sie
sich, verkriechen sich die Haus-spinnen so
tief wie möglich in ihre Röhren, so
flöchten sie vor andringendem Sturm
und Unwetter. Strecken letztere wieder
ihren Kopf aus dem Verließ, so be
grüßen sie den sich anbahnenden Um
schwung zum Besseren in der Witte
rung.
Der wegen dieser Beobachtungsgabe
hochberühmt gewordene französische
Generaladjutant und Mitglied der
Pariser Academie Quatreniere VIE
jonval schrieb eine Araneologie oder
Naturgeschichte der Spinnen. Der
Verfasser saß 1794 zu Utrecht im Ge
fängniß. Der Führer der französischen
Nevolutionsarmee beabsichtigte sich aus
Holland zurückzuziehen, weil die künst
lich herbeigefiihrte Unterwasserfetzmig
Holland-Z ihm ein ferneres Vorriicken
unmöglich zu machen schien. Da mel
dete ihm Quatremere d’Jsjionval, daß
iltni die Spinnen seines Gefängnisse-J
mit Gewißheit eine hinnen zehn Tagen
eintretende strenge Kälte prophezeiten.
Der Feldberr hielt aus und drang bald
iiber festes Eis nach Amsterdam vor.
Nach dem Berichte Quatremeres selbst
wollten die Anisterdamer imJuni 1795
ein Siegesfest wegen des Einzugs der
Franzosen feiern und durch prächtige
Beleuchtung verherrlichem Ort-lite
n.ere sagte ihnen Voraus, es werde an
dem bestimmten Tage des heftigen
Sturmes wegen nicht eine Lampe bren
nen. Wirklich konnte der größte Theil
liegen des Sturmes nicht einmal ange
ziindet werd-en.
Jchbin überzeugt, eine systematische,
genaue Beobachtung der Spinnen durch
ein kundiges Confortium wiirde fast
ebenso gute Wetterprognosen ergeben,
als die, welche täglich von den meteo
rologischen Stationen veröffentlicht
weiden. Man sollte nicht so verächtlich
iiber die Wetterprnpbeten jin Thierrei
ehe die Achsel zucken, sondern sie wenig
siing ergänzt-nd benutzen.
Ueberhaupt verdient die Spinne als
Wohlthäterin der VJtenschemTliiere und
Pflanzen die höchste Beachtung. Der
Landmann hält sie in seinen Pferde
iind Ruhställen als wirkliche Thier
scltzutzwesen seiner Freundschaft werth.
Welche Unsummen von fliegendem Ge
zieser sie in unseren Häusern, in Feld,
Wiesen, Wald, auf Odstbäumen und
Sträuchern, auf dem Wasser, im Rohr,
Sumpf, aus der Heide, in den geheim
sten dunkelsten Ecken der Keller, Spei
cher, Verließe, wohin nie ein insekten
fressender Vogel dringt, wie auf dem
dicht bewachsenen Ackerboden und dem
moosigen Waldesgrund vertilgen, ist
gar nicht zu ermessen. Wenn sie »in
ihren Netzen wachen, so sorgen sie in
direct für das Wohl des großen Haus
haltes der Natur und nicht zuletzt auch
siir das unserige.
—————.-—.——
Die Vielseitiqkeit der Departement
Storeg hat noch eine merkwürdigeAus
delmung in der Form von Schulen et
fot)ren. Mehrere der zirößken Ge
schäftshäuser in Chicago haben Ele
ntentnrsschulen errichtet, in welchen die
bei ils-neu beschäftiaten Kinder unter
richtet werden. Die Notlivendigkeit
hierfiir erqab sich aus dem Umstande,
dasz Kinder auf Befehl ihrer Eltern sich
älter ausgehen, als sie sind. Das ver
hinderte die Schulvöqte, die Kinder
aus den Geschäften zu nehmen Um
aber zu verhüten, daß die Kinder ohne
allen Unterricht auswachssen haben die -
Besitzer dieser Geschäfte Schulen eins "
qerichtet. Als Nothbehelf mag WE
gelten lasser:,