W Iorsrtsnkh —-.---' Bon Thio. v. Torn. »Na, Strebel, was giebt's schon wie der ?« fragte der Direktor, indem er vom Repertoirzettel aussah und den Einge tretenen halb mißtrauisch, halb belustigt stritte Emerich Strebel entledigte sich mit runden, fast pathetischen Bewegungen seiner einstmals wohl rothbraunen Gla cfss, aus denen sämmtliche zehn Finger spitzen hervorlusgtem fuhr sich mit einst großartigen Geste durch das lange- gkUUk Haar und fragte im Tone eines Men schen, der sich der Bedeutung seines An liegens bewußt ist: »Darf ich mich setzen, Direktor?« ,,Setzen Sie sich —— Strebel -—— aber -—-— ——« »Kein »aber«, lieber Direktor, erstens mal wissen Sie sich noch gar nicht, wa rum es sich handelt, und wenn Sie es wissen, so —« Strebel unterbrach sich. Der Direk tor hatte dem abschreckend häßlichen Pin scher, der den »komischen Vater« des En semble aus Schritt und Tritt —- wieder holt sogar Abends aus die Bühne — be gleitete, einen Fußtritt versetzt, so daß der Köter ausheulend und mit eingetnis fenem Schwanz sich unter den Stuhl sei nes Herrn flüchtete. Letzterer wars mit einer ibrn eigenen raschen Bewegung seine ewig widerspen stige Zornlorte aus der Stirn und brummte in tiefer, verbaltener Empo rung: »Aber lieber Direktor —- —" »Ach was,« rief der Bühnengewaltige ärgerlich, »ich hab’ das Beest im Magen! Vorgestern ist die Mättling bei ihrem schönsten Austritt so driiber hingeschm gen, daß sie bis an die Rampe trudelte, gestern frißt die Töle die fiir das Sou per im letzten Alt unentbehrliche Schlatt ivurst, so daß Ihr vor leeren Tellern spielen mußtet, und eben wollte sie mir wieder in die Rollentiste hineinspringen. Das paßt mir nicht mehr. Strehel. Ent weder schasfen Sie das Vieh ab oder —« Während dieser Antlagerede hatte der alte Schauspieler sich tief debiickt und den Hund zärtlich getätschelt, als wollte er jedes der harten Worte durch eine Lieb tosung gutmachen. Bei der drohenden Schlußalternatide zog er ihn am Hals band hervor und stellte ihn vor dem Di rektor aus« Ordentlich verzüctt schaute er auf das häßliche Thier nieder und sprach zu ihm tändelnd und innig wie zu einem kleinen Kinde: »Wollen Sie Dir Alle was, mein Borschußerl, mein süßes ———·« Das Vieh mit dem seltsamen Namen nießte, wand sich erfreut hin und her und wollte sich eben unter der liebtosenden Hand seines Herrn aus den Rücken le gen, als Strebel plötzlich mit erhobenem Zeigesinger und hochgezogenen Augen brauen ihm zuraunte: »Wie mass Hun derl den Negisseur?« Der zu dieser Augendienerei abgerich tete Köter wedelte mit dem Schwanz. tläsfte freudig erregt und leckre sich hul digend die Schnauze Strebel sah seinen Direktor triumphi rend an, und da er um die blaurasirte Lippenpartie des Gestrengen ein flüchti ges Lächeln zu sehen wähnte, ging er aufs Ganze: .m as · »ch Uns ch Dlllcl Yslfcsllscli Ucll « seinen Namen?« Der hund machte it tempo schön und angelte bittend mit beiden Vorderpfoten in der Lust herum. »Darauf kommt es also wieder hin aus, Strebel, nicht wahr?« fragte der Direktor, indem er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und die Hände resignirt iiber dem kleinen Spitzbauch faltete. Strebel richtete sich aus einer nach dentiichen Verzückung ob der Intelligenz seines dierbeinigen Freundes jäh auf, wars die Locke aus der Stirn und rieb sich verlegen schmunzelnd die Stoppeln. »Im Grunde ja, Direktor —-— aber es ist diesmal ’ivas besonders Wichtige-, Unumgängliche5.« »Das war’s gestern auch, und vorge stern ebenfalls· Jmmer." Strebel wiegte das mächtige graue haupt und lächelte überlegen. »Alles nichts gegen heute, Direktor——-" Der »Komische« war ein unerreichteg Genie im Erfinden von Vorschußanläss sen; daher zeigte der Direktor nicht das leiseste Jnteresse daran, das ,,Aller neueste« zu erfahren. Der Alte stand bereits mit mehr als zioei Monatsgagen bei ihm zu Buch, und da er den völlig talentlosen Routinier, der ihm nicht nur durch den aufdringlichen Hund, sondern auch durch gewisse »alltägliche Quartals passionen« manche Vorstellung störte, am nächsten Ersten zu kündigen beabsichtigte, so war er entschlossen, nichts mehr her zugeben Selbst die minimalsten Sum men nicht, mit denen Strebel sich nur noch herauswagtr. ,,Thut mir leid; ich gebe nichts mehr.« »Aber ich muß die eine Mart fünfzig haben, Direktor, ich musz ———« Der Director guckte die Achseln. Andernfalls tann ich heute einfach nicht auftreten,« ergänzte Strebel mit siegessicherem Ausdruck. . »Wieso -—« »Ich hat« wieder in der Luftröhre," heiserte Strebel mit einer flüchtigen Be wegung noch seiner Kehle, wo ein tolos sal entwickelter Adamsapfel sich an dem zweifelhas..sn lhemdtragen scheuerte. »Und da müssen Sie wohl wieder schmieren, heit« höhnte der geärgerte Bühnenleiter. Der Andere machte ein Gesicht, als wenn ihn Jemand fiie fähig erklärt hätte ! j » .- — —-—«- —-——--— eine Lotomotive zu stehlen. Er zuckie indignirt die Achseln, pfiff beiläufig nach« Vorschußerh dex schon wieder an der Rollenliste herumschnubberte, und sagte dann: » »Ich brauche das Geld, um mir Asthma-Cigaretten zu laufen.« »So, so ——« erwiderte der Direktor nach einer kleinen Pause, die er dazu be niiytr. um sich aus der aufteimenden Hei terleit wieder zu entfchlossenem Ernst durchzuringen. »Ich will Jhnen nur s was sagen, Strebel, so geht das wirklich nicht weiter. Daß Sie nichts leiste-n, s wissen Sie selbst. Dazu alle Nag lang ; dezecht, jeden Tag Vorschuß und die in fame Töle obendrein· Ob Sie ess jetzt erfahren oder am nächsten Gagetag : ich : muß Sie kündigen, Strebel.« Das verschminlte Gesicht des ,,komi scheanaters« wurde noch urn eine Nüance grauer. Mit einer müden, aber trotz dem noch pathetischen Bewegung feiner inochigen, fast bis auf die Fingergelenle behaarten Hand strich er die Locken strähne aus der Stirn und fah den Chef unsicher rnit verschwommenem Blick an. »Ist das Jhr Ernst ?« . »Ja. So leid es mir thut, es muß sein.« Sirebel seufzte auf und saß einen Augenblick, die Hände schlaff auf den blantgescheuerten Knieen seiner Kamm garnhose, in Trübsinn und Nachdenken versunken. Dann hob er den Kopf, neigte ihn lächelnd auf die Seite und sagte, so flötend zärtlich fast wie vor hin zu seinem Hunde : ,,— Und die Eins-fünfzig — ?« »Bedaure.« Emerich Strebel wurde ernst, sehr ernst· Um seine schmalen, in den Win teln von lrausen Fältchen umzogenen Lippen zuckte Verachtung Er erhob sich wortlos, ließ seine zehn Finger aus den zerrissenen Handschuhe-n Gnctguck ma chen, verbeugte sich und verlieh mit sei nem Hunde das Bureau des Unerbittii chen. Dieser aber hatte seine Arbeit kaum wieder aufgenommen,«als die Thijr ein wenig geöffnet wurde —- gerade so weit, daß Vorschußl hineinschliipfen lonnteI Einer unhörbaren Weisung gehorcheno, setzte er sich auf die Hinterbeine — und angelte nach seinem Namen. s Leider hatte Strebel in blinder Ueber schätzung von Borschuleg Unwidersteh lichkeit das denkbar itnprattischste Mittel gewählt, seinen Direktor zu erweichen. Diesem that der Alte, nachdem er dag Bureau verlassen, doch leid, und er hätte ihm die ,,Einsfiinfzig« möglicherweise doch noch gegeben, ja ihn vielleicht noch auf einige Zeit behalten. wenn Jener selbst noch einmal gekommen wäre. Aber nun das »Beest,, - Der Direktor griff nach einem schwe ren Gegenstande — eine Bewegung, csie Vorschußl mit gesenkten Ohren und run den, aufmerksamen Augen beobachtete Er kannte solche Bewegungen als durch aus ungesund fiir ihn Einen Moment war er im Zweifel und setzte die angeln den Pfoten abwartend in Ruhe. Ale der Direttor aber den gußeisernen Brief beschweret mächtig ausholend emporhob, begriff er das beabsichtigte Attentat auf seine erponirte Magengegend und er schoß wie der Blitz durch die immer noch geöffnete Thür. Letztere wurde nun wuchtig zugeschlcp gen. cmercch Vtrooei harre avaeschionen mit seinem Direktor. Keine Macht der Welt hätte ihn bewegen können, in die Komödie zu gehen. Während der Direk tor unter Gift und-Galle auf seinen »tomischen Vater« des liederlichen Leo Pold zärtlichen Papa höchstselbst ver zapste, saß Strebel beim Lammwirth an der äußersten Peripherie der Stadi. Die einzige lKneipe, wo man ihm noch borgte. Aber der Schnapg vermochte heute nicht ihn aufzuheitern. Wie war er auch nur darauf getommen, die-fes ganze ver sehlte Dasein zu retapituliren. Das war sonst nicht seine Art. Hatte er sei nen Vorschuß weg, so — — -—— ganz recht, das war’S ! Der Vorschuß. Daß ihm der nicht geworden war ! Er hatte sich an Alles gewöhnt mit der Zeit. Als ihm vor zweiundvierzig Jah ren sein erster Direktor den Rath gege ben, noch drei Jahre zu studiren, sich einen neuen Schminttasten anzuschaffen und dann abzugeben von der Bühne — da war’g ihm wohl hart angekommen Aber er hatte sich nach und nach daran gewöhnt, teinesn Egmont zu spielen zu bekommen, teinen Mortimer u. s. w., wie er das so heiß ersehnt, als er noch La kritzen einstaniolte bei Vettern und seine einzige erlaubte Lettiire das Lesen von Kasseebohnen war. Er hatte sich an die ihm zugewiesene Runstbethätigung gewöhnt —- unter dem Druck der Thatsache, daß seine Leistun gen ost selbst jenen »Meerschweinchen« nicht genügten, deren Abendtassa nach Käse roch. Einige hübsche Erfolge hatte er ja gehabt. Seine Betonung der Verse, die der eine Bürger im »Jurist« beim Spaziergang zu sprechen hat, werden ihm in der ganzen Theaterwelt nachcitirt -s—- hinter dein Coulissen allerdings nur : »Nein ! Er gefällt mir ! —- Nicht ? — der neue Bürgermeister —-—« Und dergleichen mehr. Aber er war doch, und zwar schneller, viel schneller als tausend Andere, zu der Einsicht gelangt, daß die slammende Begeisterung von da mals ihm ein»Jrrlicht gewesen. Er wußte das und hatte sich daran gewöhnt. Jedoch —- von der »Kanst« lassen ? Nicht um die Welt ! Er liebte dieses Leben, das ihn nominell wenig stens zu Dem rechnete, was er hatte wer den wollen. Wenn ihm nur zwei Spie- l l ßer in der Kneipe zuhörten, so war er glücklich -—-— ein König. Und vor Allein: der Vorschuß « Sie sheischten und erhielten Alle Vorschuß« die zrtl inen und die großen Künstler Alle. l Solange er Vorschuß erhie-,lt war er auch l ein Künstler, einer der Ihrigen. Solange ihm noch der Diskont des Glauben« s ward an irgend eine Leistung von ihm, l hatte er selbst noch einigen Glauben. Er brauchte das Vorschußnehmen — nicht blos um der lumpigen paar Groschen, die er den Kunstpächtern abrang , dieses Ringen an sich, das raffinirte, planmä ßige Vor-bereiten der Anbahnung, die ; immer neuen Ideen, das Hangen und Bangen vorher, der Sieg am Ende, wa ,- ren ihm Lebensbediirsnisz —— und Kunst j bothätigung i Das war nun aus, gründlich aus. Wenn et dieses Engagement verlor, wür i de er keins mehr finden das hatte der I Agent ihm unzweideutig zu verstehen ge geben· Er erhob sich schwerfällig Vorschußl, der die ganze Zeit dor ihm gesessen und ihn underwandt angeschaut hatte, munt ste und bellte vor Freuden auf. »Na, Herr Strebel, wollen Sie schon gehen ?« fragte der Wirth mit süßsau reni Gesicht, indem er auf die Thür des Brettschranls hinter der Thonbanl einige Hieroglyphen zu den bereits vorhandenen malte. »Jawohl, lieber Mann,« erwiderte der Alte, indem er die Locke energisch zurück wars und seinen schwierigen Kalabreser langsam und feierlich mit beiden Händen wie ein Diadem sich auf s Haupt setzte, »ich habe noch zu thun —- letzter Alt, letzte Szene st- Al· Am andern Morgen, in aller Herr · gottsfriihe, scharrte Emerich Strebel’g Pintscher wie toll an des Direktors Thür. Naß, beschmutzt und mit hechelm der Zunge. Eingelassen, schnüsselte er aufheiilend in allen Ecken umher. Dann « raste er wieder zur Thür. Und da man ihm nicht gleixh öffnete, setzte er sich auf die Hinterpfoten und winselte laut. Schließlich wurde man auf das Ge bahren des Thieres aufmerksam und « folgte ihm. Hin ging es zum Fluß, an i dessen Ufer soeben die Leiche des alten jKomödianten angefchivemint war. Er hatte den letzten Vorschuß — aus die i Ewigkeit genommen Ulolstitjnn trägt Zinsen. Erzählung von M. R o o a - R o d a. Ob der am Altare geschsworene Eid der ewigen Liede und Treue eine Frau verpflichtet, ihren Mann jedesmal am Vatinhose zu erwarten, wenn er von ei ner Reise heimtehrt — ist strittig. Kommt der Mann aber gar mit oem Eil zuge uni 5 Uhr 4 Minuten Morgens am 16. Dezember, Dann vereinfacht sich die Antwort für jeden humanen Menschen: iiein, da braucht ihn oie Frau nicht zu eiwarten. Uno trotzdem schritt ich an jenem rsentwiirbigen is. Dezember bei stocksin steter Nacht allein und friereno über die Kettenbiiicke zum Westbahnhos. Auf oesm Albrechtsplatz ließ mich ein leises Geräusch aufschauen. Es klang wie ein Zchluchzen Als ich mich ver wundert umschaute, rührte sich etwas im Schatten eines Hausthor5. Ein kleiner Junsae war’s. »Was machst du hier«-« frage ich mit leidig und erstaunt. , Keine Antwort. l Erst auf weiteres Drangen begann ; der Junge in der plappernden Art aus T geweckter Großstadttinder, aber zähm - tlappernd vor Kälte, er erwarte den er l sten elektrischen Wagen. Der komme um j sechs Uhr. j »Und wohin willst du fahren?« s ,,Nirg-ends hin. Jch will mich vor ihn . werfen!« s Jch erschrak aufs höchste Der lzehn l E jährigeJunge sprach so ruhig, als et- i l scheine ihm der Selbstmord als die ein sachste unsd natürlichste Sache von der » Welt. » ,,Um’s Himmels willen, Kind«, ries ich, »was werden deine Eltern sagen!« »Eltern habe ich teine.« »Weder Vater noch Mutter?« »Weder Vater noch Mutter.« »Wo wohnst du denn?« »Hier.« Er wies mit zitterndem Fin ger nach der Thürschwelle. ,,Jmmer?« . »Manchmal auch aus dem Holzplatz von Meyer Fc Compagnie.« »Höre, mein Junge-. du mußt mit mir tuminen«, sagte ich, von tiefstem Mitleid ergriffen. » Er schüttelte traurig den Kopf und sah mich mit thränenglänzsnden Augen an. ,,Mag nicht«, sagte er, »ich werse » mich vor die Elettrische.« Jch packte ihn, ohne weitere Worte zu verlieren, an der Hand und zog ihn mit mir fort nach Hause. Mein Man-n karn, aber ich sagte ihm noch nichts von meinem eigenthiimslichen Abenteuer. Er wunderte sich blos, mich wachend anzutreffen, dann legte er sich schlafen. Jndeß er ruhte, wusch ich mei nen kleinen Findling und legte ihn in’s Bett; und als es Tag wurde, ging ich, Kleider sür den kleinen Peter zu kaufen. Dann erst stellte ich ihn meinem Manne vor. »Ju«lius, wir haben- uns immer einen kleinen Buben gewünscht. Sieh her, jetzt schneit uns das Schicksal gleich einen ganz großen in"s Haus.« Peter küßte dem »Papa« artig die Hand, und damit war er in die Familie ausgenommen-. Jch athmete erleichtert auf, als mein Mann so ohne Weitere-Z , einwilligtr. Hinter-her stiegen meinem« Manne freilich allerlei Bedenken auf. Wenig fiens anmelden müßten wir den Knaben. Also that ich eg —— schriftlich an die I Stadthauptmannschaft Daran bekam s ich fiir den 19. Dezember eine Vorladung l zum Amt und ging mit Peter hin Zwei , Stunden miußte ich in einer dunklen ". Stube warten bis man rief: »Frau o. Beer5.« »Hier!« Und ich trat ein. Der Beamte fragte mich nach dem-Her gcng der Sache. Dann mußte Peter er zählen. · Der Beamte fchrieb eine- Stunde lang, sprach mit dem Amtgdiener und fünf anderen Dienern, las alles Geschriebene vor, schrieb wieder eine Stunde lang und las von Anfang an vor, hieß mich Alles unterschreiben und entließ mich endlich. Fiir den 21. Dezember bekam ich wieder eine Vorladung Dies-mal war tete ich nur anderthalb Stunden, dann aber vertagte der Beamte das Verfahren, weil ich Peter nicht mit hatte. Er be stellte mich fiir den 23. wieder. Am 23. geschah dasselbe wie am 1.9. Ich lernte bei dieser Gelegenheit außer dem Amtsdiiener und den fünf anderen Dienern noch drei Schreiber kennen. Auch die Borlesung dauerte länger als damals, weil der ganze Akt vom 19., 21. und 23. oorgselesen wurde. Den 27. Dezember brachte ich ganz auf dem Amte zu Spät Abends sollte Peter einer Anzahl von Personen gegen iitergestellt werden, welche Kinder in dem betreffenden Alter feit Jahren vermiß tcn. Da aber eine haklbblinde Gewisse handlerin erklärte, bei Dieser Beleuch ttng nichts mehr zu sehen, wurde die z Geschichte auf den Z. Januar vertagt I wt bei es sich herausstellte, daß die ge T nannte Gemüfehändlerin nicht einen Knaben, sondern ein Mädchen oermisse ! ——- und zwar seit 23 Jahren! Auch am 7. Januar wurde ich beru fen, auf dem Amt zu erscheinen. Schon um 11 Uhr Vormittags aber stellte es sich heraus, daß mein Name irrthiimlich und gewohnheitsmäßig auf die Lifte der u Vernehmenden genommen war. Jch; durfte also wieder gehen. I i j Am 10. Januar, nach kaum dreitägi aer Ruhe, mußte ich Knall und Fall abermals zur Polizei fahren. Es- hatte sich noch ein Provinzler gemeldet, der in meinem Peter seinen vor fünf Jahren gebotenen Neffen zu erkennen glaubte. Er blieb auch am 11. noch in der Stadt und ließ den Peter von zwei Polizeiärzten daraufhin untersuchen, ob er thatfächlich - älter sei als fünf Jahre. Als die Aerzte übereinstimmend Peter’g Alter auf zehn Jahre schätzten, erklärte er sie fiir besto chen nnd mich für eine ganz gewöhnliche Betrügerin Dann verlangte er zwei neue Aerzte, endlich ein Universitäts Gutachten über Peters- Alter, während ich meinerseits die Untersuchung feines Geistes-Zustande5 beantragte. Beide Begehren wurden in der Verhandlung vom 17. Januar abgewiesen. Dann ver-klagte mich der Mensch wegen Ehren beleidigung und am 21. wurde ich in An sehung meiner bisherigen Unbescholten: heit nur zu zehn Mart Geldstrafe verur theilt. Peter war nun einen Monat bei mir. Er fühlte sich recht heimisch, faßte unge mein leicht auf und lernte-spielend lesen und schreiben. Sogar Buchstaben, die er noch nie gesehen haben konnte, errieth er — wahrscheinlich durch Kombination. Das war aber auch die einzige Freude, die ich an dem Jungen hatte, denn er ärgerte mich sonst den ganzen lieben Tag. Er schlug mit bewundernswerthem Eifer Purzelbäume von dem Pliischsofa auf Den Blumentisch hin, riß dem armen Ka narienvogel Federn aus dem Schwanz und stellte meines Mannes Galoschen in die heiße Bratröhre, daß sie unter fürch terlichem Geruche berbrannten. Am 22. Januar Morgens tarn ein unbekannter junger Mann zu mir und fragte nach Peter. Ich hielt ihn fiir eine Amte-person so entschieden benahm er sich, und sagte ihm Alles-. Am Abend desselben Tages brachten die »Neuesten Neuigkeiten« an der Spitze aller anderen Sensationen in fingergro ßem Druck die Ausschriften: »Ein zehnjähriger Findling. Er will Selbstmord begehen. Frau o. Belers rettet ihn.« Der folgende Aussatz schilderte in be weglichen Worten, wie ich, durch die Straßen promenirend, den Knaben ge funden hätte -—- eigentlich nicht gefun den, sondern förmlich unter den Rädern der Straßenbahn heil hervorgezogen. Jch selbst hätte mich dabei schwer an der Schulter verletzt, sei aber wie durch ein Wunder der Zermalmtwerden entgan gen. Noch in der Nacht vom 22. auf den 23. Januar wurde ich zweimal inter diewt. Jch erklärte natürlich Alles für erfunden und gab eine schlichte Darstel lung des Sachverhaltes. Die »Morgen Presse« ließ sich’s natürlich nicht entge hen, den »Neuesten Nachrichten« eins am Zeuge zu flicken und nahm sich meiner warm an. Das »Tägliche Journal« faßte die Angelegenheit an einem anderen Zipfel und suchte die »Neuigteiten« durch genauere Einzelnheiten zu überbieten. Die Angaben, welche ich dem Redakteur der «Morgenpresse« gemacht, seien erlo gen von A bis Z. Bei dem Prozesse, den ich deswegen gegen die Zeitung anstrengte, wurde ich übrigens am 7. Februar kostenpflichtig abgewiesen. Den 24. Januar und die folgenden I Tage verbrachte ich sehr abwechsiungs reich. Vormittags empfing ich Redak teure und Berichterstatter, Nachmittags las ich, was die Zeitungen über mich schrieben. Am 27. brachte die ,,Jnter essante Rundschau« die Rettungszene ,,nach der Skizze eines Augenzeugen«. Am 29. kam Doktor Loser vom »Wo chenblatt« zu mir, und zwei Stunden später bemerkte ich den Abgang meiner Uhr. Als ich deswegen zu Doktor Loser schickte, erklärte er, nie bei mir gewesen zu sein; ich zeigte ihn wegen Diebstahls an, er mich wegen Ehrenbeleidigung. Die« Diebstahlsangelegenheit wurde verhandelt, und ich am 18. Februar als Zeugin vorgeladen. Der Doktor trug einen rothen Vollbart, der ihm unmöglich seit vierzehn Tagen gewachsen sein konn te. Der Mann, der als Doktor Loser meine Uhr gestohlen hatte, war bartlos gewesen. Es erfolgte meineVerurtheilung wegen Ehrenbeleidigung — erster Rück sall — zu fünfzig Mark Strafe. Als ich um diese Zeit einen Damen taffee geben wollte, ließen alle Bekann ten absagen. Frau Regierungsrath Dauscher bat mich, ihr Haus vorläufig durch keinen Besuch zu beehren, da sie umziehe —- wohin, wisse sie noch nicht. Peter aß also die für den Damenkaffee vorbereiteten Torten auf undlag bis zum 28. Februar krank im Bett. Am 1. März stand er auf und schien munter. An demselben Tage war ein Polizist bei mir, und als er wieder ging, fehlte mir die neue Uhr, welche ich mir statt der von dem angeblichen Doktor Loser gestohlenen gekauft hatte. Am 2. März wollte ich eben Anzeige gegen den Polizisten ma chen, den ich wohl kannte (ich kannte jetzt schon die ganze Polizei), als ich Peter vermißte. Er kam erst nach einer Stun de. Mein Mann nahm irn ins Verhör, und als er nicht gestehen wollte, wo er ge- - wesen, durchsuchte er die Taschen des Buben." Sie enthielten Folgendes: Etwa ein Kilo Bonbons, sechs Pfeifen verschie dener Größe, meines Mannes lange ver mißtes Taschenrnesser, ein Portemonnaie. wegen dessen ich mein langjähriges Stu benmädchen entlassen hatte, einen Kork zieher mit einem Dutzend gebrauchter Korle, einen halben Kilometer Bindfaden in etwa zwanzig Stücken unterschiedlicher Länge, siebenundzwanzig Mark baar und einen — Versatzschein iiber eine gol dene Uhr. Das schlug dem Faß den Boden aus. Jch dankte Gott, daß ich den Schutzmann nicht verklagt hatte, ich wäre wegen Amtsehrenbeleidigung im zweiten Rück falle ohne Gnade ins Gefängniß gekom men. Dann zogen wir uns zu einer Bera thung zurück. Mein Mann wollte den Peter einfach vor die Thüre setzen. Jch gab’g durchaus nicht zu. Es kam zu ei nem heftigen Zwist zwischen uns-, dem ersten dieser Art seit den zehn Jahren un serer Ehe· Bis zum 5. März sprachen wir lein Wort miteinander. Arn G. März endlich fand ich das erlösende Wort. Mir fiel ein, daß wir den Peter dorthin stecken könnten, wohin er von Rechts wegen ge hörte: ins Waise:ihaug. Mein Mann war einverstanden und küßte mich zärtlich fijr diese Jdee. Ich ging also am nachsten Lage zur Stadthauptmannschaft, wo man mich un wirsch anliefz, weil ich »schon wieder« da sei. Dann erklärte ich meine Absicht. Jch möge warten, sagte man mir. Jch wartete also bis zum Mittag und kam, da ich kein Gehör fand, Nachmittags wie der. Da sagte man mir, ich möge zu dein Vorstand des zweiten Bezirks gehen, weil ich der Lage meiner Wohnung nach dahin gehöre. Jch ging also am 6. und 7. März zum Vorstand des zweiten Be zirtes. Von dort wies man mich in die Vorstadt, weil ich den Kleinen da gefun den hatte. Jn der Vorstadt » dem fünften Bezirke —- wollte man Von der ganzen Sache nichts wissen. Die Akten lägen bei der Stadthauptinannschaft, da hin solle ich mich wenden. Jch wandte mach also wieder dahin, aber ohne Er folg. Man schickte mich in die Vorstadt zurück Die Zeit meiner und meines Mannes ständiger Abwesenheit vom Haufe be nutzte Peter dazu, ein Bild meines Groß vaters zu verkaufen, um dafür Vonbons anzuschaffen, Hausineisters Aelteste am Auge zu verletzen und den weißen Pudel aus dem zweiten Stocke zu theeren und zu federn. »Er sieht ja doch ganz so aus wie früher auch«, sagte er unschuldsvoll, als man ihn zur Rede stellte. Das Ende vom Liede war, daß der Wirth mir die Wohnung kündigte. Was sollte ich sagen? Nach unsägli chen Schwierigkeiten setzte ich es durch-, daß Peter in ein Wassenhaus kam. Es war auch die höchste Zeit. Er hatte uns die ganze Zimmereinrichtung verdorben, Alles fortgeschleppt, was nicht niet- und nagelsest war und ansag baren Unfug sonst noch getrieben. Als Peter vierzehn Tage im Waisen haus gewesen, kam er plötzlich wieder. Er erzählte, man habe ihn von dort fort geschickt Gewitzigt, wie ich nun schon war, glaubte ich ihm natürlich keine Silbe. Jch forderte ihn auf, nur ruhig dazubleiben; währenddem verftändigte mein Mann die Direktion des Waisen hauses telephonisch. Bald genug erschien ein Abgesandter von dort in der Thür Als Peter seiner ansichtig wurde, sprang er auf und lief schnurstracks davon Einen Tag und eine Nacht war und blieb Peter verschwunden. Jch fürchtete schon, er habe sich ein Leid angethan. Auch die Zeitungen erfuhren davon, und die ,,Neuesten Neuigkeiten« hatten wieder etwas zu schreiben. W »Die grausame Adoptivmuttor." ,,Selbstmord eines Kindes." ,,Rabeneltern.« Alle Aufregungen der letiten Monate wurden aber noch bedeutend überboten m l dem Augenblicke, da eine stämmige Wä scherin bei mir eintrat, mich von Kopf i bis zu Füßen maß und mich dann an sichrie: ,,Also Sie sind die Kindesräu berin, die einer armen Mutter das Kind wegnimmt und fünf Monate behält i« i Ach, der gute Peter hieß gar nicht i Peter, wie es sich gar bald erwies, son i dern Franz. Er war auch gar kein Wai » senknabe, sondern der Sohn der Wäsche . rin Anna Finienschlag, Neugasse 13 wohnhaft. Warum Frau Anna Finienschlag ih ren Franz nicht als vermißt gemeldet hatte ?—— Sie war froh, ihn los zu sein. Und mit dem ,,Kindesraub« war es ihr auch nicht ernst. Sie verklagte mich zwar, aber für zwanzig Mart Schaden ersatz zog sie die Klage wieder zurück. Jch hatte von nun an endlich Ruhe. Hie und da kam ja noch die eine oder die andere Vorladung wie das Wetter leuchten eines abziehenden Gewitters-, im Ganzen und Großen aber war der Fall Peter-Franz im Mai erledigt. Nur mußte ich noch dem Waisonbaus später siebzehn Mart sechsunddreiieig Pfennig an Verpflegungsiosten »für die angeb liche Waise Peter« ersetzen. Jch danke dieser ,,angeblichen Waise Peter« den Verlust meiner strafrechtli chen Unbescholtenheit (zwei Verurthei lungen wegen Ehrenbeleidigung), den Verlust zweier Uhren und mehrerer Freundinnen (darunter Frau Regie rungsrath Daufcher), sowie des Oelpor träts meines Großvaters. Dagegen danke ich ihm meine Lokals berühmtheit (die Leute zeigen mit Fin- — gern auf mich), meine- eingehende Be kanntschaft mit sämmtlichen Aemtern und Gerichten der Stadt und den Besitz eines Blumentischchens, das mir die Firma Meyer u. Kompagnie unlängst verehrte zum Danke für die wirksame Retlame, die ich für ihren Holzplatz ge macht hatte· -—.- ..—- -.-. Feines Frikassee von Hähnchen oder Tauben mit K r e b s e n. Man schneide die Hähn- « chen in- vier, die Tauben der Länge nach in zwei Theile, damit man das Geflügel erkennt, indeß kanns das nach Belieben gehalten werden. Dann stelle , man sie mit etwas Salz und reichlich frischer Butter fest zugedeckt auf mäßi ges Feuer, leg! sie nach einer Weile auf die andere Seite und füge nach Yz Stunde kochende Bouillon, einige Zitro nenscheiben, aus welchen die Kerne ge nommen, ein Stück Muskatbliithe und etwas- feingestoßenen Zwiebacl hinzu und lasse sie zugedeckt langsam weich werden« doch dürfen sie nicht im Gek ringsten zerkochen. Jn der letzten Vier telstunde gebe man folgensde Zuthaten in’s Fritassee: Midder (Kalbssmilch), gedämpfteKrebsnasen, Morcheln, Spar gelköpse, Saucissen, sowie auch beim Anrichten in Bouillon oder in gesalze nem Wasser gar gekochte Weißbrotklöß chen, Austern, Krebsschwänze und Krebsbutter. Die Sauce werden mit 1 bis 2 Eidottern abgerührt. Recht fein angerichtet, wird diese Schüssel mit Schniitten von Blätterteig zur Tafel ge bracht und vertritt die Stelle einer Pa stete. — Was man von den bemerkten Zutbaten nicht haben kann, das lasse man weg. Ein gewöhnliches Fritassee wird ebenso gemacht, nur daß die feine ren Zuthaten wegbleibens und kochendes Wasser statt Bouillon hinzugegossen wird. Pasteten von Makkaroni mitSchinken und Käse. Hier zu ein Blätter- oder Butterteig von 12 bis 2 Pfund Mehl, Z- Pfund Makkaroni in Fleischbrühe oder tochendem Wasser und Salz weich gekocht und zum Ablau fen auf einen Durchschlag geschüttet, fer ner ein gehäufter Suppenteller gekochter, mit etwas Fett feingehackter Schinken, i Pfund Butter, 3 Unzen Parmesankäse, 6 Eier. Die Butter wird weich gerieben, mit dem Käse und den Eidottern tüchtig gerührt und darnach mit den Makkaroni und dem zu steifem Schaum geschslagenen Eiweiß vermischt. Alsdann wird eine Lage Schinken auf den aufgerollten Teig gelegt, darüber eine Lage von der einge riihrten Masse und se abwechsenld fort gefahren, bis Alles zu Ende und das Ganze mit einem Oberblatt von bemerk ten Teig versehen ist. Das Gericht kann auch ohne Teig in einer vorgerichteten Form oder Schüssel gebacken und statt Parmesan- allenfalls weißer Seh-weiser täse dazu genommen werden. Auch kön nen Faden- oder Gemüsenudeln die Stelle der Mattaroni vertreten. Der Unterschied. Kaufmann (vorwurfsvoll zu seinem durchgebrannten Kassirer, den er im Ge richt wiedertrifst): ,,Dadurch, daß Sie mich bestohlen haben, habe ich Pleite ma chen müssen!« Kassirer: »Hättest Sie ohnehin ge than.« Kaufmann: »Ja, aber da hätte ich wenigstens was dabei verdient gehabt!« Aus Erfahrung Schneider: ,,Sind Sie ledig oder verheirathet?« Kunde: »Seit Kurzem vermählt.« Schneider (seinem Lehrling diktirend): »Geh-Um Seitentasche im Westenfutter.« Kunde: «Wieso denn?« Schneider: »Einige Kneipgroschen sicher unterzubringen Kenne das, lieber Herr, bin auch verheirathet.«