W Irlisunn. ——.--— Erzählung von Rudolf Glied-ex . «—O-—I II ’ I« · 4 Iris Haeete war ein spitziger Mensch« das mußte et sich selbst öfter sagen, aber diese Selbstertenntniß konnte ihm nichts nähen, denn einerseits dachte und han delte er nach Grundsätzen, anderseits je doch gab er insbesondere in Gefühlssa chen augenblicklichen Stimmung-en nach. Das mochte auch der Grund sein, daß er bisher seine Junggesellensreiheit sich bewahrt hatte, ohne sich derselben so recht erfreuen zu dürfen. Mit diesem Men schen hatten endlich auch die deharrlich sten, künftigen Schwiegermutter zu rech nen aufgehört. Er mußte, wie sie ent schieden meinten, mit zu wenig Gefühl auf die Welt gekommen sein. Darin aber that man ihm wirklich unrecht, denn er war nicht nur siir sich, sondern auch für andere gefiihlooll, dabei besaß er ein aufrichtiges Wesen, welches jede Le bensschauspiclerei verachtete, was ihm. oft genug hinderlich war. i Er hatte auch seine Liebesschmerzen ; erduldet, pflegte aber davon nicht gerne « zu sprechen, außerdem wäre deren Er zählung nicht im Mindesten spannend gewesen. Trotzdem war er sogar ein trefflicher Gesellschafter, tanzte gut und nicht ungern und spielte meisterhast die Zither. » Die schönste Jahreszeit war ihm die - seines Urlaubes, welchen er alljährlich aum erwarten konnte. Dann beeilte er sich, den Berliner Straßenftaub von den Schuhen zu schütteln-, nahm sich ein gahrscheinheft und fuhr geradeaus nach Z irol und Borarlberg. Der sonstige Stubenhoeler, der das ganze Jahr hin durch nur die Ebene sah und nur den ; Aus-fing nach Pankow kannte, wurde s dann ein gewaltiger Steiger, dem kein Berg zu hoch, kein Gletscher zu gefähr lich war. ll. Die Sonne stand schon tief im We gen, als Fritz Haecke nach einer guten « ause der freundlichen und lustigen Wirthin »Zum Löwen« in Tschagguns endlich die Hand reichte, um Abschied zu »nehmen, utb den Weg einschlug, der zur Dilisunahiitte führte. Es war beinahe zu spät geworden, so sehr hatte er sich derplaudert. Freilich war es wieder sein erster Tag. den er im Montafonerthal zubrachte, das Wetter aber schon zu lan schön, als daß man nicht einen Um chlag befürchten mußte, der fiir Wan derungen im hochgebirge nicht geeignet gewesen wäre. Rüstig stieg er bergauf und schaute nur auf den Weg, ohne auf die Umge bung und die wechselnde Beleuchtung während des Sonnenunterganges zu achten. er war eben zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt. ; i s i I L i i « Mim Gedächtnis hatte, half ihm über , ·· ice-u rdee diitte wahrnahm, und laut Ein ganzes, langes Jahr war ver- I ssen, feit er diesen Weg zum erfteni ale gemacht hatte. Da wurden gleich alle Erinnerungen wach. Auch damals - war ein fehr schönes Wetter gewesen« « welches ihm auf seinen Gehirggivande- I rungen von Galtiir durch die Sinne-ta- f gruppe und über das Zeinisjoch nach I Parihenen und Gaschurn hold blieb. Als f er dann in Schrung angelangt war, er- ; aßte ihn eine förmliche Hochgebirg5 ehnfucht, denn wohin er blickte, fah er ohe, fchnee- und eisbedeclte Verge. lir ging auf die Mittagshitze, das Kabeljoch « auf die Scesaplana mit ihrer großarti- s gen Fernsicht, zum Lünersee, auf die Drufen- und Sulzfluth o Bei dem letztgenannten Ausflug lam , er in die Dilisunahiitte. Er war zu fällig der einzige Gaft und hatte Zeit, Init dem Mädchen, welches an- der Seite , eines alten Mannes das Haus bewirth chafteie, sich in ein Gespräch einzulas- k en. Er fand sie auffallend gebildet, allerdings sagte sie ihm, daß sie eineKlos fierfchule besucht habe, und ihr Wefen gefiel ihm, obwohl sie gar nicht hiihfch u nennen war, so gut, daß er beim drit- « n Besuch mit ihr einen Briefwechsel fiir den Winter vereinbarte. i Beide Theile hatten Wart gehalten e und manche Anregung und Belehrung Z gefunden. « So hatten sich trog der großen Ent fernung zarte Fäden gefponnen, die ihn nun zur hütte trieben. Vormittags hatte er die Mutter des Mädchens in St. Antöni defucht und erfahren, wie sich die ganze Familie fchon immer auf keine Briefe aus Ber lin gefreut, daß es manchmal Thriinen gegeben habe, weil seine Schreibweise eine fo herzliche fei. Wie sich Sabine freuen würdet Er würde doch gleich zur hätte gehen? Allmählich war er rafcher gegangen und hielt nun aufathmend still. Die Dunkelheit brach herein, anftatt des Vollmondlichtez, das ihm den Weg zeigt hätte, fentte sich ein dichter Nebel rad, der ihm die Aussicht versperrte. Der Umstand, daß der Weg nicht leicht zu verfehlen war und er denselben noch ißgefchick hinweg. « ährend der Nebel immer dichter« rde, hatte er noch eine gute Stunde gehen. s überlam ihn daher ein Gefiihl der ung, als er endlich die beleuchteten jauchzte er auf. s War et der Wiederhlh oder hatte Jemand geantwortets Ul. Die Hütte trat die-mal gut besucht, sie vier TischeJoelche Ich i- Inzw tuer befanden. daren do- III-»und W herren beseit, und mit Mühe entdeckte geris« noch einen Plas. Troh seines rlinerthitnis griiszte er.artig und saß gleich daraus neben einer hübschen, blon den Wienerin, welche ihn bald in ein Gespräch verwickelte und die seine Aus sprache heiter zu stimmen schien. Nun lain Sabine. Sie schaute ihn zuerst fragend an, dann lachte sie. »Den Haecket Seien Sie willkom men! So ost habe ich an Sie gedacht, . ich atte Sie kaum mehr erwartet!« i » s heißt, Sie wollten mich verges- ’ z senz Sabine!« sagte er sast ernst, indem z er ihr die hand gab. " ! »O nein !« ries sie. »Sie haben doch ; so schön geschrieben, wir haben sast im t mer beim Lesen geweint t« ) Die Anwesenheit der Gäste hinderte ; ein längeres Gespräch. I . Sabine brachte dem neuen Ankömm ; ling eine Flasche rothen Speeials und i eine Eierspeise mit Schinlen. Während f er noch aß, brachte sie eine Zither herbei. ? Er mußte lächeln und sagte : »Ganz T haben Sie mich also doch nicht vergessen, J I Sabine !" i l »Wie nimm ich es e« war vie Ant- : ; worå f » ; » etzt giebt es Zitherspiel t« rie leb- » ’ haft die Wiene—rin. « t »Man-u Sie e« meinte der Berti-; , net. »Wer wird aber spielen Z« H .Doch Sie !« - »Dann muß es wohl sein i« Er zog I die Zither zu sich heran, nahm aus srer l rechten Westentasche den Ring und be « gann zu stimmen. Einige Minuten spä ter durchtönte eine heitere Weise den trauten Raum. Die Gäste fanden sie recht wirkungsvoll, spendeten Beifall, verlangten Weiteres, und so wechsetien Spiel und Gespräch. « » Beim vorletzten Stück kam in diez Stube ein stämmiaer, dollbärtiaerJJiann, der Sabine die Hand reichte und sich nach einem kurzen Gruß abseits zum Ofen setzte. i Als die Wanduhr laut die elste Stun de schlug, erhob sich Haeckr. i »Ich muß jetzt aufhören, aus den ( Schlaf möchte ich nicht gar-z verzichten, morgen sriih aber geht es aus die Suip « fluh t« . »Schade t« ries die Wienerin. und ; ihr sagten es die anderen nach. ; »Sabine. tann ich Um drei Uhr Je- » weckt werden i« »Gewiß !« »Dann bitte ich darum ! Gute Nacht, ; meine Herrschaften ! Gute Nacht, Si- - bine t« Er reichte ihr die Hand und sagte : »Seid- ich recht ? Jst das dc. Verta »biingsrina ?'« , »Sie wurde roth und wirs schnell einen Blick aus den Mann am Ofen »Sie sind boshast, Herr Haecke t« »Ach nee. ich dachte blos t« Sie zündete eine Kerze an und er ging damit zu seiner Schlafstelle." Als er abstr sckon im Bett lag, lonnke er lanoe nicht schlafen. Er hatte sich dieses Wiedersehen aanz anders vorge stelltund mustke enttiiuicht darüber nach denlen. Spät r träumte er von »den arb ße—n Ev·:lweifs«"ernen und r-n duftenocn Veraiszmeinricht, die er im Vorfahr beim Abschied von Sabine erhalten hatte. lV. Genau zur bestimmten Zeit wurde ; Laecke geweckt. Er leistete dem Ruf so gleich Folge und kam bereits nach einer halben Stunde zum Ausgehen bereit in die Stube. Auf der Ofenbank saß auch wieder der stämmige, vollbiirtige Mann. Gemessen grüßte der Berliner bei seinem ! Eintritt, ebenso erwiderte jener denl Gruß. hatte Fritz noch auf eine Aussprache mit Sabine gehofft, so sah er dies ietzt sicher vereitelt. Daß er zum Frühstück guten Kassee bekam, tonnte seine Laune nicht verbessern, die wirklich schlecht ge worden war. Die oute Butter, den treff lichen honig konnte er deshalb gleichfalls nicht schönen. Er empfand einen läh menden Druck im Kopf, der ihn hinderte. ir nd einen freundlichen Gedanken zu fa on, Sabine ein ebensolches Wort zu sagen. Lehtere fühlte die Schwiile des Augenblicks, konnte oder wollte aber zu deren Beseitigung nichts beitragen. Als haeckes endlich sein Frühstück ver zehrt und seine Rechnung beglichen hatte, war er seiner so weit Herr geworden, urn in wohlgesehter Rede sich von Sabine zu berabschieden. Nun machte es ihm be reits den Eindruck, als ob sie es nicht er warten iönnte. daß er die Hütte- verlassen hätte. Jn unheimlicher Ruhe saß der Mann aus der Ofenbanl, selbst die Pfeife schien ihm lalt geworden zu sein. — Nachdem Haecke in die empfindlich kalte Morgenlust hinausgetreten war, athmete er erleichtert aus« die einsame höhenwanderung mochte ihm wohl die nöthige Ruhe- bringen. Nach zehn Minuten hörte er hinter sich eilige Schritte, er sah zurück und erblickte den Mann von der Osenbanl. «Jch habe zwar,« meinte derselbe, »die Gesellschaft von gestern gleichfalls aus die Sulzfluth zu führen, aber da hat es noch Zeit, so schnell stehen die nicht auf« sei es auch um den Preis des Sonnen aufganges. Bei der Abzweigung des We ges nach rechts ist heuer eine gefährliche Stelle, darauf will ich Sie aufmerksam machen. Mögen Sie auch in solchen Wanderungen geübt sein, so würden Sie vielleicht doch nicht daran deuten, sich zu sich-ims «Das ist sehr schön von Jhnent« sagte der Berliner, thatsächlich war ihm aber diese Begleitung nicht erwünscht. Wollte derselbe ihm auch die Freude an seiner Hühenwanderung verderben? Wortlos schritten sie dahin, nur das Knirschen des Schnees unter ihren Trit W f ten störte die Stille. Als sie die vorbe ’ eichnete Stelle erreicht hatten, bemerkte Fritz freilich, daß der Weg durch die ge ; genwärtige Witterung nicht ungefährlich ; war. . »Ich will nur," ließ sich der Mann ber nehmen, «abwartcn« bis Sie diese Stelle überganåen haben, und dann zurückkeh ren. A r ich habe noch eine Bi«tte!« »Ich denke zwar durch diese Mulde ganz gut zu kommen. lann Ihnen jedoch f das Warten nicht verwehren, lassen Sie ! aber erst Jhre Bitte hören!« Der Mann s zögerte eine Weile. Dann blickte er s haecle fest in das Gesicht und sagte: »Sie ; dürften mich schwerlich kennen, aber ich i habe Sie hsogleich erlannt. Jhr Besuch L iin Borja r in der Hütte war mir sehr ! unangenehm, denn ohne Sie wäre Sabine I bereits im Winter meine Frau geworden. f Was habe ich ihr alles dargestellt, wie ha be ich ihr den Gedanken, daß ein Stadt » herr vielleicht doch ernste Absichten haben ; könnte, daß sie jemals in der Großstadt » sich wohl fühlen würde, auszureden ver » sucht, wie wußte ich ihr die Redlichieit s und Jnnigleit meiner Gefühle darzuftel « len. es sruchtete nichts« sie wartete. Jch , wartete auch, und zu Anfang diefes Mo ? nats endlich nahm sie den Ring, wir ber lobten uns.« i Es entstand eine Pause. Der Berliner blieb fest und unbeweglich und schaute auf die entfernten Bergfpitzcn hinaus, die E im Dämmerlicht schon zu erkennen wa I ren. f »Gehen Sie nicht mehr in die Hütte . zurück, ich bitte Sie darum! hre An « wesenheit war mir gestern eine ual, ob gleich ich nur herauskom, weil ich unten von Jhrem Vorhaben erfahren hatte, und jeder Ton Jhres Spieles stach mir in’s Herz. Sehen Sie, ich kenne das Mäd chen seit seiner Kindheit, wie saßen zu sammen aus der Schulbank, und immer habe ich mir gedacht: Die wird einmal dein Weib! Bei Jhnen ist es doch nur eine Laune, stören Sie mir nicht mein Glück, das ich mir kaum erworben habet« i Wieder machte er eine Pause. Fritz rührte sich noch immer nicht. Täuschte das anbrechende Licht, oder zuckte es in seinen Mienen? Das Zacken seines Herzens aber empfand nur er. « Der Blick der Mannes ruhte fast dro hend auf ihm, und finstere Gedanken be schlichen dessen Seele. Plötzlich tam Be wegung in Haecke, under sagte: »Sie ha ben ältere Rechte, ich weiche deshalb. Jch wünsche Jhnen und —- Sabine —- viel Glück!« Er drehte sich rasch um und ging ha stig davon. Sabinens Bräutigam sah ihm eine Weile betroffen nach, dann stopfte er be dächtig seine Pfeife, setzte sie in Brand und ging langsam und beruhigt zur Hütte zurück V. Obgleich dem Berliner auf der höhe der Sulzftuthl der Sonnenaufgang ein herrliches Schauspiel bot, das sich nicht beschreiben läßt, so übte dasselbe auf ihn doch nicht die Wirkung aus die es zu fe der anderen Zeit zweifellos gehabt hätte. Er konnte nicht zum Bewußtsein der heh ren, beglückenden Freiheit kommen, da seine Seele im Widerstreit der Empfin dungen lag. Wenn er sonst über den prächtigen Anblick nur von dem Gefühl der Andacht beherrscht worden wäre und sich, wenn auch nur fiir Augenblicke, sei nes unfreien Erdendaseins entäußert hät te, diesmal mochte seine Seele diesen Flug nicht nehmen. Er konnte den Schmerz, den ihm die Enttäuschung all seiner Hoffnungen bereitete, um derent willen er heraufgeeilt war, nicht verwin den. Darum wandte er bald dem Schau spiel, das zu seiner traurigen Stimmung so wenig paßte, den Rücken. Armseliget, unverbesserlicher Schwärmer! Fast hätte er den Weg zur Dilisuna hiitte wieder eingeschlagen, aber er besann sich zur rechten Zeit. Dort hatte er nichts mehr zu suchen, Sabine selbst hatte ihn verbannt. Er schlug also den Steig zur neuer bauten Lindauerhiitte ein. Wenn der selbe auch bedeutend weiter war, das durfte ihn nicht verdrießen. Als er später vor sich den gefährlichen Grat sah und sich gestand, daß ein ein ziger Fehltritt seinen Absturz in die gräßliche Tiefe zur Folge haben mußte, da erwachte in ihm der Tros· wie ihn alle Unglücklichen haben, welche glauben, daß sie nichts mehr zu verlieren haben. Kaltbliitig ging er darüber, als er aber diesen Todesweg hinter sich hatte, drehte er sich um und schaute lange in den Ab grund zur rechten und linken Seite hin ab. Jn der Lindauerhiitte schien man ihn fast erwartet zu haben. Einige Schruni ser Bürger, denen er bekannt war, be grüßten ihn freundlich Ehe er noch eine Flasche guten Fohrnburger Bieres getrunken hatte, stand schon wieder eine Zither vor ihm. Erst bei der zweiten Flasche fühlte er sich zum Spielen auf gelegt. So anhalten-d und so lustig hat te er vielleicht noch nie gespielt. Dadurch brachte er sein Leid von der Seele los. Er wurde nicht müde, zu spielen, die Anderen wurden nicht müde, zuzuhören, die Folge davon war, daß er spät, als schon längst alle Sterne und Sternchen am himmel flimmerten. mit zahlreicher Begleitung in Schruns seinen Einzug hielt. Wie er am nächsten Morgen etwas nach neun Uhr die Veranda im »Golde nen Löwen« betrat, saß schon die Ge sellschaft aus der Dilisunahiitte beim Frühstück. Er grüßte, war aber pein lich berührt, da man ihm jedoch freund lich dankte und ihn einlud, am Tische Plan zu nehmen, saß er gleich wieder neben der hübschen Blondink W I Deren Vater hatte sich beim Abstieg s von der Sulzfluth eine schmerzhafte E Knöchelverrentung am rechten Fuß zu gezogen und damit die beabsichtigten, ! größeren Ausflüge wenigstens vorder H hand unmöglich gemacht. Fritz Haecke wurde von der Gesell-. schsft in Besitz genommen und versprach sich ganz zur Verfügung zu stellen. Einmal ging man in’s Silberthal - und tehrte auf dem Rückweg im Gast haus »8ur kühlen Rast« ein« wieder ein ander Mal stieg man auf eine Jaufe zur «Montjola« hinauf, dann ging man auch trotz des nachmittiigigen Sonnen brandes durch die Wiesen in die Wirth schast ,,Junkerboden« oder man kletterte auf den Außer- oder Jana-Bartholo mäberg. Ein Spaziergang im Walde beim Kloster Gauenstein war auch sehr hübsch· Solcher Spaziergänge und Ausflüge gab es aber noch viele, und daß Jdas, der hübschen, blonden-Miene rin Vater wegen seines kranken Fußes im Gasthof blieb und Kostproben der verschiedenen rothen und weißen Tiro lerweine anstellte, das konnte die gute, fröhliche Unterhaltung bei diesen Spa ziergängen und Ausslügen taum beein flussen. Abends mußte dann Fritz im mer auf der Zither vor-spielen und fand sehr dankbare Zuhörer. Als Jdaö Vater endlich glaubte, wie der hergtstellt fein zu dürfen und für den nächsten Tag einen Wagen für die Fahrt nach Gargellen bestellte, wo man sich einige Tage lang aufhalten wollte, um sodann in’s Engadin überzusteigen, da erinnerte sich Haecke, daß ja sein Ur laub zu Ende war· Ehe der Wagen, in dem Jda mit ih- , rem- Vater und der übrigen Begleitung saß, sich in Bewegung setzte, sagte Jda, daß sie in Berlin eine Tante habe. die sie schon lange besuchen foll, im kom menden Herbst werde sie sicher dorthin fahren, dann müsse Herr Haecke den lie benswürdigen Führer machen. Nach einem letzten Gruß rasten die Pferde davon. Fritz schwenkte solange seinen Loben hut, als er Jsdas weißes Tafchentuch trotz der mächtigen Siaubwolte flattern sah. Er hatte wieder neue Hoffnungen. «——— —- — t ! Die Erobernng des Meeres durch das Dnrnplsrtsiff. Kulturbilder aus dem technischen Jahr hundert. Von Franz Bendt. - , « Der 9. August des Jahres 1808 fand das von den Erfolgen seines genialen Konsuls berauschte Paris in lebhafter Bewegung an den Ufern der Seine. Auf der großen Bühne Paris, auf der sich damals thatsächlich die Weltge fchichte abspielte, ging ein Schauspiel in Szene, welches ein Ereigniß vorfiihrte, das don größerer Bedeutung für das Menschengeschlechtsswerden sollte, als alle Leistungen des französischen Schlach- - tengenies mit einander. Auf der Seine manöverirte an diesem Tage ein junger ameritanischer Maler mit einem Rad dampfboote, das praktisch zeigte, wie der Dampf auf dem Wasser als Herrscher wirken könnte. Robert Fulton, der junge Maler-— Jngenieur, war nicht der Erste, der es versucht hatte. das Schiff von Wind und « Strömung unabhängig zu machen. Das Heer seiner Vorgänger war groß; aber die Geschichte der Wissenschaft hat in ihm den Meister zu feiern, der es verstand, seiner Jdee Leben zu verleihen. Der 9. August 1803 ist daher als der Geburts tag des Dampfers zu feiern. Bereits im Sommer 1776, also fast 30 Jahre frü her, hatte der Marquis Jaufsroy Ver suche mit einem Dampsboote angestellt. Das merkwürdige Ungeheuer, das von fern etwa den Eindruck einer Riesen schildtröte machte, besaß auf jeder Seite zwei lange, verhältnißmäßig breite Ru der, die durch eine Dampfmaschine mit kräftigem Ruck nach hinten gezogen wurden. Auch die Amerilaner Fitch und Ramsey erreichten mit ihren Dampfbooten, mit denen sie 1787 den Delaware selbst gegen den Strom besah ren, beachtenswerthe Ergebnisse. Inter essirten sich doch leine Geringeren als Frantlin und Washington fiir diese Vor führungen. Troß der Unterstützung der roßen Staatsmönner gelang es den Er Findern nicht, die Jdee durchzuführen. die großen amerikanischen Ströme durch das Dampsboot dem Verkehr zu erschlie ßen· Jngenieur Fitch, der eigentliche geistige Urheber dieser Pläne, suchte und fand seinen Tod in den Wellen des Dela ware, auf dem er seine ersten Triumphe gefeiert hatte. Ramsey, Fitchs Gesellschafter, hatte später in England versucht, für das Dompfboot Interesse zu erregen, und das zu finden, was das Vaterland ihm nicht bot. Durch-ihn wurde Fulton in seine Pläne eingeweiht. Fulton hatte das Glück, in dem amerikanischen Ge sandten in Paris, Livingstone, einen verständnißvollen und tapitallräftigen Gönner zu finden. Das Resultat war der große Erfolg vom 9. August 1803. Von großem Interesse ist ein Brief Fultons aus jener Zeit an Montgolsier: »Ich sende Jhnen den Entwurf einesMe chanismus, den ich soeben vollendet habe, und der mich befähigen soll, durch Dampf ein Schiff stromauf zu führen. Während der Ausführung hatte ich zu nächst die gewaltigen Ströme meines Vaterlandes vor Augen. Die beiliegen den Zeichnungen bieten nichts Neues, denn auch die Wasserriider sind bekannt. An ihre Verwendung glaube ich fest. Die bisherigen Fehler lagen in der nicht hinreichenden Kenntniß der Dampflrast I s und in anderen mangelhasten mechani schen Einrichtungen. Sobald die Pro ben beendigt sein werden, hosse ich die Freude zu haben, Sie zur Betrachtung einluden zu können. Sollten diese Ver - Lache gelingen, so will ich meine Erfin ung entweder der Republit zum Ge schenk machen, oder mir die Bortheile zu wahren trachten, die mir nach 'dem Ge setze zukommen. Diese Zeilen, die ich in Jhre hände lege, haben den Zweck, meine Priorität zu wahren.« Trotzdem die Versuche aus der Seine gut ausgefallen waren, fand Fulton da mals in Frankreich weder bei der Bevöl kerung noch bei der Regierung das ver diente Jnteresse. Allein Napoleon scheint den bedeutenden Werth des Dampsschis fes erkannt zu haben. Fulton hatte Napoleon den Plan unterbreitet, die stanziisrsche Flotte mit Dampsschifsen auszustatten und sre dadurch der engli schen Flotte überlegen zu machen, ja ge gebenen Falles eine Landung an der englischen Küste in wenigen Stunden·er möglichen zu können. Wir haben über die Meinung. die sich Napoleon über diese Angelegenheit gebildet hatte, folgende in teressante Ausführungen: Der Brief war an den Minister des Jnnern Mr. de Champagne gerichtet. »Ich habe von dem Projekt des Jn e nieurs, des Bürgers Fulton gelesen. ie haben mich viel zu spät daraus aufmerk sam gemacht, da dieses Projekt fähig ist, das Aussehen der Welt zu verändern. Mag das nun auf sich beruhen, jedenfalls wünsche ich, daß Sie sofort das Projekt zur Prüfung einer Kommission überge ben, die aus Mitgliedern aus den verschie denen Abtheilungen des Institutes zu sammengesetzt sei. Dort wird das ge lehrte Europa die Richter suchen müssen, die über die Frage zu entscheiden haben. Eine großartige Wahrheit, eine thatsäch liche bandgreisliche Wahrheit steht vor meiner- Augen. Sache der betreffenden Herren wird es sein, sich zu bemühen, sre zu erfassen. Sobald Bericht darüber er stattet ist und Jhnen zugegangen sein wird, ist er mir zu übersenden. Sorgen Sie dafür, daß die Angelegenheit in höch stens acht Tagen erledigt ist, denn ich bm ungeduldig. Jm Uebrigen, Mr. de Champagne. bitte ich Gott, Sie in seinen besonderen Schutz zu nehmen« Ytapoleon scheint später die Angelegen heit nicht weiter verfolgt zu haben. Die Fülle der Siege erfüllte damals in Frankreich alle Köpfe. Es ist aber eine alte Erfahrung, die gerade in der Ge schichte der Erfindungen ihre stärksten Be weise sindet, daß der Ruhm der Waffen auch die besten einer Nation für die Wer ke der Kultur im patriotischen Hochge sühle unempfindlich zu machen pflegt. Fulton fand nicht den Boden in Frank reich, aus dem seine Pläne gedeihen konn ten. Er verließ es und schiffte sich nach seiner Heimath ein. Aber obgleich durch Fitch und Ramsey bereits Jnieresse für das Dampsboot erregt worden war, fand Fulton dennoch kein Entgegenkommen bei seinen Landsleuten. Nicht mit techni schen Schwierigkeiten, mit Spott und Hohn und bösem Willen hatte er zunächst zu kämpfen. Allein der Unterstützung Livingstones ist es zu danken, daß er seine Bestrebungen weiter fortsetzen konnte. Es war Fulton tlar geworden, daß die geringen Erfolge seiner Vorgänger in den zu kleinen Maschinen ihren Grund hatten, die sie zum Antrieb ihrer Boote verwende ten. Nur mit verhältniszmäßig sehr gro ßen Betriebsträften tonnte das Ueber gewicht der neuen Fahrzeuge über das Segel- oder gar das Ruderboot nachge wiesen werden. Er bestellte darauf bei dem ersten »modernen Dampfmaschinen wert'.«, das die Erde gesehen, bei »Bul ton öd Watt«, eine Dampfmaschine oon achtzehn Pferdekräften Ein neues Boot, der ,,Claremont« ode: »Fultons Norrheit«, wie seine Landsleu te meinten, wurde mit dieser Maschine ausgerüstet. Der »Elaremont« übertraf alle bis dahin gebauten Dampsboote, er war 143 Fuß lang und besaß 160 Ton nen Tragkraft. Der Sieg des »Elareniont« gab Ber anlassung zum Bau vieler großer Dampsboote, die die Riesenströine des ge waltigen Landes nach allen Richtungen befahren, und so wesentlich zur schnellen Besiedelung der Staaten beitragen. Die letzte That Fulton’s bestand im Bau der ersten großen schwimmenden Batterie mit Dampsbetrieb: des ,,Demo logos«. Er war bestimmt zum Schutze des hasens von New York. Um das Rad vor Geschossen zu schützen, war die seltsame Batterie in Form eines Doppel schisses gebaut, in dessen Mitte der Be wegungsmechanismus sich befand. Auch andere höchst merkwürdige Maschinen hatte Fulton mit dem ersten Kriegsdam pfer, wenn man den »Demologos« so nennen darf, in Verbindung gesetzt. Er besaß zum Beispiel an beiden Seiten lange Sonden, die sich mit großer Kraft hin- und herbewegten, um das Entern zu verhindern; und kochende Wassermassen wurden auf die Angreisenden durch die Dampfmaschine ges chleudert. Fulton’s Dampsboot war mit Rädern ausgestattet, die zu beiden Seiten des Schiffes das Wasser peitschten und so die Bewegungen veranlaßten. Für Kriegs zweite zeigte sich diese Beitriebsart, ivie man schon beim »Deniologos« erkannte, höchst ungeeignet. Die Räder waren eben schutzlos der Vernichtung durch Ge schosse ausaesetzt. Aber auch sür fried liche Zwecke ist ein Raddanipser mit vie len Nachtheilen behaftet. Bei hoher See z. B» wenn der Schifsstörper heftig hin und herschwantt, pflegen die Räder aiisz dem Wasser gehoben zu werden und sich frei in der Luft, ohne zum Betrieb des . Schiffes mitzuwirken, in todten Touren zu drehen. Abgesehen von der mitth — » W schriftlichen Verschwendung verliert na tiirlich auch gerade wenn es am nöthig sten ist, der Kapitiin die Gewalt libet sein Schiff Den Ozean eroberte sich in der That ersi das Dampsschiss, nachdem die Räder durch die Schraube (Propeller) ersetzt worden waren. Der geniale Erfinder der Schiffs. . schraube, der österreichische Forstbeamte E oseph Ressel, hatte schon um 1812 die dee verfolgt, die sogenannte archimei dische Schraubo zum Antrieb von Fahr zeugen in Luft und Wasser zu verwen den. Er trug sich u. A. als Student mit der Konstruktion eines lenkbaren Lust schisses mittels der Schraube. Ressel war ein Erfindergenie ersten Ranges. Sein Leben war leider reich an Sorgen und Mißsiillen aller Art; ist ihm doch seine gläuzendste Erfindung, die dee Schiffsschraube, lange Zeit hindurch be strittcsn worden. Er hatte unter dem Elend kleinlicher Angrisse zu leiden und unter der engherzigsten Beamtenwir:h schast, wie sie in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts innerhalb der schwarz-gelben Grenzpsähle herrschte Er hatte sich zwar das persönliche Wohl wollen des Kaisers Franz durch seine außerordentlichen lalligraphischenKiinste erworben; fiir seine genialen technischen läne vermochte er aber seinen hohen önner niemals zu erwärmen. Das war auch bei einem Monarchen nicht ztt erwarten, dessen Abscheu vor allem »Ge nie« bekanntlich in der Geschichte Oester reichs eine so traurige Rolle gespielt hat Jm Jahre 1821 kam Ressel als kaiser lich-töniglicher Waldmeister nach Triest. Hier am Ufer des adriatischen Meeres gelangten seine Pläne zur vollen Reise. Die bedeutendsten Schwierigkeiten be standen zunächst darin, der Schraube die geeignete Stellung am Schiffsrumpse zu geben. Mit dem Scharsblick des Erfin ders von Gottes Gnaden bestimmte er sür sie den kleinen Raum unmittelbar zwischen Steuer und Rumpf, der jetzt gewöhnlich als Propellerbrunnen be zeichnet wird. Hier liegt die Schraube innerhalb des Wassers selbst, durchaus geschützt gegen den Anprall der Wogen und die Grschosse seindlicher Geschütz Größere Schwierigkeit als die-Ausgestal tung des Planes bereitete dem Erfinder die Gewinnung der nöthigen Mittel, um ihm Leben zu verleihen. Die Kaufleut Julian und Tositti bewilligten ihm 60 Gulden. Damit war er im Stande, ein kleines. seinen beiden Kompagnons ge hörendes Boot mit einer Schrausbe vos 18 Zoll Durchmesser auszurüften. Sis empfing ihren Antrieb durch zwei Mann. Das Schiffchen, durch welches Reffei· wie die Triester behaupteten, das Meet anbohrte, durchschnitt das Wasser «I großer Geschwindigleit. Für den Erg der hatte der glückliche Versuch den pral tischen Erfolg, daß ihm ein Privileg auf die neue Beförderungsart ertheilt wurde. Ressel trug sich damals, etroa um 1827. mit großen Plänen. Er beabsichtigte eine Gesellschaft zu begründen, die mit Schraubendampsern die österreichische Flüsse befahren sollte. Kurze-« Hand ve boten aber die Behörden —- und der Be amte mußte natürlich gehorchen —- alle derartigen Unternehmungen Kurze Zeit hindurch wollte es scheinen, als ob fein Glück aus Eghpten kommen diiiste. Mehmed Ali, der berühmte und bestich tigteVizelönig von Eghpt:n, beschloß den Nil mit kleinen Schraubendampsem zu beleben; aber im letzten Augenblick versagten auch hier die GIldmitteL und der Plan wurde wieder ausgegeben. Endlich schien dem unermüdlichers nnd unverzagten Mann das Glück zu lächeln. Der Großtaufmann Ottavio Frntana bewilligte oie Mittel zum Bau eines Schraubendampfers Leider war es Ressel nicht gestattet, die Masjinc aus England zu beziehen; er mußte sich österreichischerProdutte bedienen, die da mals mehr als mittelmäßig waren. Das ersteSchraubendampfboot, die »Civetta·, die im Anfang 1829 vollendet wurde, war 60 Fuß lang, 11 Fuß breit und S Fuß hoch und besaß esne Maschine von sechs Pserdeträften. Während der Probe fahrt legte sie sechs Seemeilen in des Stunde zurück. Da wollte es das Un liict. daß in der schlecht gelötheten Ma schine sich Theile lösten, und die Ma schine versagte. Die Polizei verbot da rauf alle weiteren Versuche. Jnteressant dürfte die Begründung der Behörde sitt dieses Verbot sein. Sie verfügte: »Vo den drei Bestandtheilen, dem Schiffslsts per, der Schraube und der Dampfma schine, ist die Dampfmaschine zerbrochen und die Schraube unverletzt geblieben-. also ist die Schraude (!) zum Betrieb des Damvfschifffahrt nicht tauglich«. Refsel hat seitdem sich nicht mehr mit seiner größten Erfindung beschäftige dürfen. Auch im Auslande gelang ei ihm nicht« thätkge Freunde für die prak tische Ausführung seiner großen Erfin dung zu gewinnen. Seine zu freigebis gen Mittheilungen führten vielmehr da zu, daß sein Eigenthum in schamlosester Weise vom Auslande ausgeniißt wurde. Das erste Schraubenschiff, das 184s iiber den Ozean fuhr, war der »Gut-i Britain«. Als das Schraubenschiff sich bereits kcs Meer erobert hatte --— sieben Jahre nach der Fahrt des ,,Great Britain'« — wurde von der englischen Admiralität ein Preis von 2(),000 Pfd. Sterl. sitt den ,,unbetannten" Urheber der Schiffs schraube ausgeschrieben. Ressel hat da mals seine Zeichnungen, Pläne und Do lumente eingeschictt, aus denen sein Recht auf den Preis klar hervorgingi Seine Angabe ist damals nicht einmal einer Antwort gewürdigt worden. Der Preis wurde später an fünf Unbetannte vertheilt. «