Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, March 23, 1900, Sonntags-Blatt, Image 11

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    Der patentsounenlchitnr.
-...-.—.-—-—
- · den-regte von FranzWich
« m a n n.
-- --.— --.- —--....
H Herr Thomas Brummhard, Chef des
Dainen-Garderode- und Aussteu
» geschästa der Oauptstadt, hatte sich aus
» In Komptoir in seine Privatwohnung
rüdgezogem Aber das in gewohnter
· ise deren stehende Frühstück, Kadiar
, - und alter Rheinwein« wollte ihm heute
.« nicht schmecken. erner wieder stiihte er
den ttops in die Hand, stampste argertich
mit dein Fuße und seufzte. Sexn Ge
Ess sloriite und sein stets wachsen-des
ermijgen erregt-. den Neid aller Konkur
· unten, aber Herr Bruinmhard gehörte zu
den seltsamen Menschen, die sich Sorgen
machen, weil sie teine haben. Wäre er
, ie unter die Erfinder gegangen, so hätte
« tein Kopszerdrechen und teine Kopf
chmerzen kennen gelernt. Ader das Er
sinden war noch nicht einmal das
«limmste, erst mit dem Verwerthen der
Erfindung gingen die Sorgen an. Bis
her freilich war ihm das Glück günstig ge
wesen, und bei den dierunddreißig neuen
Ideen, die er sich bereits hatte patentiren
v lassen« war de: prattische Erfolg nicht
« auggeblieben.
Aber jetzt, bei der fiinfunddreifzigsten
Erfindung haperte es plötzlich zur heim
lichen Freude seiner zahlreichen Neider,
die ihn längst den Patenter getauft hat
ten.
Verdrießlich stand er auf, trat an den
eleganten Glasfchrani. der wohlgeordnet
feine sämmtlichen Erfindungen enthielt,
nnd nahm ein-:n flachen, viereckigen Ge
genstand heraus, den er prüfend und
wrhlgefällig betrachtete. Monate lang
hatte ihn »Dörings Seife mit der Eule«
nicht ruhen lassen, und schlaslose Nächte
hindurch hatte er iiber das Geheimniß ih
res Erfolges nachgegriibelt. Und nun er
endlich etwas Aehnliches gefunden zu ha
ben glaubte, versagte es. An der Sache
selbst tonnte es doch nicht liegen, die
Idee, einen Sonnenschirm flach und vier
eckig zusammengetlappt in die Tasche zu
schieben wa ja ebenso großartig wie ori
inell. Das Volldewusztsein seines Er
indetitoliez liest ihn auf die feine. kaum
sichtbate Feder drücken; sofort schnellte
das Wunderding auseinander, und über
seinem Haupte wöibte sich der zierlichste
Damensonnenichirm von gelber Seide,
in den nahe dem Rande ein kleiner gol
dig-grüner Vogel kunstvoll eingewebt
war.
Da unterbrach ihn mitten in seiner
wohlgefiilligen Betrachtung ein leises,
doch energisches Klopfen an der Thüre.
Wüthend wandte er sich um und legte den
Sonnenschirm ausgespannt Lauf den
Tisch. hatte die nachlässigeL ina schon
wieder vergessen die Gangtbijre zu ver
schließen. daß ein Fremder unangemeldet
bis hierher an sein Allerheiligstes dor
dringen konntet Den ganzen Tag wur
de man von solch’ lästigem, meistens stel
iefuchendem Volk überlaufen. Er setzte
keine grimmigste Miene auf, unt den Zu
ringlichen gleich am Eingang abzu
fchrecken. Doch als er die Thiir geöffnet
hatte, stand auf der Schwelle ein lang
aufgefchossener, magerer junger Mensch
mit scharfgeschnittenenh intelligentem Ge
sichte und impertinent femmelblondem
haar, der ohne Zögern mit verbindlich
fter Verbeugung die Schwelle überschritt
und bis mitten in das Zimmer vordrang·
.Sie wiinschen, mein Herr ?«
JTaef ich wirklich wagen, Ihnen den
geheimsten Wunsch meines berzeng zu
eröffnen ?« fragte der Fremde unein
geschiichtert zurück.
»Herr, was kümmern mich Ihre Her
zeiifswiinfche !·· brauste Brummbard
au .
»Seer oiei, denn Sie allein sind nicht
im Stande, diese zu erfüllen. Doch ver
giben Sie, daß ich vergaß —- ich bin
uchbalter auf dem Patentbureau von
Quirin Zwigl — « «
Das Gesicht des Chefs bellte sich auf.
»Ach fo, Sie kommen im Auftrag dez
Bureaus, um Rücksprache iregen meiner
zule t angezeigt-n Erfindung -(—«
nein, ich habe meinen Posten ge
kündigt. weil er mir nicht Gelegenheit
genug bietet, meine angeborenen Talente
zSutentfalten und bin augenblieklich ohne
cllc
Die Miene Brummbards verfinsterte
sich wieder. »Und nun wollen Sie eine
solche bei mir-suchen — -(—«
»s« .
VWI »s
«U» - -
I«" ««"·
«;In gewissem Sinne ja. Ich ruqie
mich schon lange zum Eheinann beku
fm, und Sie haben eine entzückende Toch
ter, herr Brummhard.«
Der Chef starrte ihn in sprachlofem
Erstaunen an : »Den« weilen Sie mich
zum Narren haben«, brach er endlich los
— —- »tver sind Sie, wie heißen Sie ?«
« « «Peter Frech, zu dienen.«'
»Ich merke, Jhr Name stimmt. Aber
was haben Sie mit meiner Tochter zu
schcssm ?·'
Der Semmelblonde legte die hand
auf's herz. »Ich liebe sin«
Wieder eine schwüle Pause wie vor
dem Ausbruch eines Gewitters. Dann
donnerte berr Brummhard los. »Sinv
Sie von Sinnen ! Meine Tochter hat
mir lein Wort gesagt —-— — und ich will
nicht hoffen —--«
»Sie weiß auch noch nichts« — —
laulete die Antwort des Unericlziitters
lichem »Ich lernte Fräulein Berthq qui
tun letzten Balle des Kaufniiinniichen
Vereins kennen, tanzte mit ihr die erlte
Frone-sich und die Liebenswiirvialeit
der unvergleichlichen jungen Dame liber
ugte mich, daß ich Eindruck qui itzt
Zetz gemacht hatte.«
»Den, Sie sind —- —· s
Pein Itech ließ ihn nicht zu Worte
Wu. Aber »ich würde ei nicht ges ·
W
wagt haben, ihr die heiligsten Gefilde
meiner Brust zu erschließen, ohne vorher
der Einwilligung des Vaters gewiß zu
se. r-«
I «"Und Sie glauben, daß ich meine ein
I zige Tochter dem ersten besten hergelaufe
nen Menschen an den Hals werfen wer
det« rief herr Brummhard außer sich.
«Durck;aus nicht. Jch verstehe etwas
vcn Geschäften und hin vollkommen
Jhrer Ansicht. Aber ich glaube, daß i.h
Jhnen tein unwiirdiger Schwiegersohn
sein würde, und darum möchte ich Sie
Iiitten mich zuvor auf die Probe zu stel
- en
. Thomas Brummhard lachte laut auf.
Der Narr begann ihn zu amiisiren.
« ,,Alfo ein Meisterstück wollen Sie able
gen?« Sein Blick fiel auf den ominöfen
Sonnenschirm. »Meinetwegen, wenn
man Sie nicht anders los werden tann,
: so will ich mir den Spaß machen.«
! Der Semmelblonde verneigte sich un
I terthänigst. »Ich bitte-«
I »Nun, wohl. Sehen Sie diesen Son
s nenschirm. Es ist meine neueste- Erfin
I dung —- -—«
I »O ich weiß —- — »Kauft Brumm
i
l
l
I
—
hards PatentsSonnenschirm mit dem
grünen Zeifia!« —- Man liest es ja an
allen Straßenecken, in jeder Leitung«
Desr Chef fühlte sich ein wenig ge
Ischmeichelt. »Allerdings, ich habe nichts
Igespart und Tausende fiir geeignete Re
s tlamen ausgegeben. Gleichwohl will der
! Artikel nicht gehe-n, wie er es verdient.
I Jch habe noch immer 1200 Stück auf
; Lager. Machen Sie, daß ich fiir diese
I 1200 hier oder auswärts Absati finde,
I so will ich nichts dagegen einwenden
Iwenn meine Tochter Jhnen die band
I reicht. «
I »1200 Sonnenichirme —- ———« Peter
IFrech sann einen Augenblick nach —- ——
- »wenn Sie mir vier Wochen Zeit lassen
wollen Herr Brummhard ss ssde ich die
! Bedingung ein und aIhr Lager soll
Eschleuniast geräumt werden«
Ter Chef wußte nicht, was er denken
;.follte Gut, es soll ein Wort sein« ober
i nun, Herr Frech, wenn ich bitten darf,
machen Sie, daß Sie weiterlomrnenX
Als der Semmelblonde gegangen war,
lachte Herr Brummhard von Neuem
z laut aus. Er glaubte, es mitseineni
IVeirrückten zu thun gehabt zu haben.
I Ader die Geschichte hatte ihn aufgeregt
Innd amiisirt Wein und Kaviar schmeck
zien ihm jetzt.
Plöslich wurde er nachdenklich. Wie,
wenn der junge Mensch Wort hielt? Jn
; seinem Wesen hatte eine so itnponirende
ZSicherheit, ein solches Selbstvertrauen
! gelegen, daß man ihm wirklich etwas zu
trauen durfte. Aber 1200 Sonnenschir
me in vier Wochen verkaufen —- — nun,
; wenn er das konnte, so war Herr Frech
, ein Genie, das man sogar als Schwie
Z gersohn brauchen tonnte. Und eigentlich
! war es ja Zeit, daß Bsertha unter die
Haube kam. Bewerber hatte sie genug
gehabt —— -—— aber keiner war ihr gut
. genug gewesen. Sie wollte ru hoch hin
aus, hatte immer nur Grafen und Ba
rone im Kopf —- —«— und blickte zu des
Vaters Aerger aus den Kaufmannsstand
ziemlich geringschätzig herab. Aber was
sie suchte, hatte nicht kommen wollen,
trotz ihres Vermögens —— — und schließ
» lich geschah es ihr Recht, wenn sie doch
I noch mit einem Geschäftsmann vorlieb
nehmen mußte.
»Ach was, Unsinn« —- — Unitt Herr
Brummhard feine Gedanken ab und er
[ hob sich, um in das Oel-Mit zurückzu
» Iehren —- — »der Natt wird sich nicht
wieder sehen lassen und ich werde meine
Sonnenschirme behalten.«
s Aber Herr Brummhard batte sich ar
T irrt. Es war noch keine Worte vergan
gen, als er täglich kovf"««ttelnd in sei
nem Komptoir stand und mit immer
wachsendem Erstaunen die zahlreichen
Vestelluneen las, die aus den vers-hie
densten Großstädten aus seine- Patent
schirme einliesen. Der Vorrath schmolz
immer mehr zusammen und das Nath
selhafte bzieb nur, daß am Orte selbst
der Absatz gleich Null blieb.
Peter Frech hatte sich inzwischen noch
nicht um eine neue Stelle bemüht. Wo
zu auch. Als künftiger Schwiegersokm
eines der reichsten Geschäftsleute der
Stadt brauchte e-r das nicht. Und seine
Aktien standen so günstia, daß er nicht
mehr am Erfolge zweifelt-: Die rei
zende Lertba Brummhard war ihm ge
i
l
!
i
wiß, und als er sie vierzehn Taae iväter
- lefend auf einer Bank in den ft"dtifchen
Anlagen traf, trug er kein Bedenken, ihr
nunmehr felbft fein Herz zu eröffnen.
Der Anfang freilich war nickt fo leicht
und lange konnte er den Uebergang von
der konventionell-en Unterhaltung zu der
kedeutungsvvllen Erklärung nicht fin
en.
Schließlich richteten sich feine Blicke
mit fragenvem Erstaunen auf den hell
grauen Sonnenschim, der neben ihr auf
der Bank lag. »Verzeihen Sie, mein
Fräulein«, meinte er, »warum tragen
Sie eigentlich nicht Jbres Herrn Vate:s
Patentfonnenschirm mit dem grün-n
Zeifig, den doch alle Welt trägt und tro
gen solltes«
Sie bob den braunlocliaen Kopf mit
dem loletten Federhut; mit einer weg
werfenden Geberde erwiderte sie in bei
nahe entrüstetem Tone: »«Glauben Sie,
Herr Frech, ich möchte für unser Geschäft
lebendige Retlame machen? Das hieße
sich wegiveifen umLGeld —- —— und mein
Vater würde das auch niemals dulden.'·
Der verliebte Semmelblonde verfiel
plötzlich in höhere Begeiftekung. »Wie
schön, wie herrlich Sie das fagenl Welch
ein Adel der Gesinnunqt »Stvlz wie
eine Spanierin«, bab’ i mir immer ge
fagt, müßte das Weib fein, das ich
liebel«
srönlein Brummhard wurde febr
W
fath »Aber here Frech. Sie verges
. m .- —«
»Im Gegentheil ich denke an alle Ihre
leuchtenden Tugenden, die zusammen
das Jdeal geben, fiir das mein herz al
lein zu schlagen vermag. O —- Fräu
lein Bertha, einmal muß es ja gesagt
sein, daß ich Sie liebe —- — und wenn
ich hoffen dürfte, daß auch Sie — —- «
Die junge Dame war aufgesprungen
und befand sich in sichtlicher Verlegen
heit. »Aber Herr Frech — —- das geht
! — —- doch nicht —- —— so schnell, Sie
haben mich wirklich überrascht —- — und
man muß erst mit seinem herzen zu
Rathe gehen. Auch würde mein Vater,
wenn er hörte — —- daß —- —"
»Er kennt bereits meine heißen Ge
fühle für Sie, und in wenigen Tagen
bin ich seiner Einwilligung gewiß ——«
»Mein Gott — wäre es möglich«
—- rief Fräulein Brummhard —- »aber
um Gottes Willen —- —— entfernen Sie
sich rasch, dort lommt meine Tante zu
rück, sie darf Sie nicht hier bei mir se
hen. später wenn —- —
Peter Frech eilte so rasch als möglich
auf Seitenwegen davon. Das ,spiit er
wenn —- — klang ihm wie süße Musik
in den Ohren. Sie hatte nicht nein ge
sagt, ihn sogar ermuthigt und oas ,sp;j
ter, wenn —- — ließ sich 1a so leicht c:
gänzen Wenn nur Herr Brummhar;
einwilligte, später war das Glück oon
selber da.
Mit siegesgewifsem Lächeln betrat er
am nächsten Tage Herrn Brummhards
Komptoir.
Der Chef erschrak beinahe bei seinem
Anblick und wußte anfangs gar teine
Worte zu finden.
»Nun, wie geht das Geschäft, unser
Geschäft mit den Sonnenschirmen?«
»Herr, allen Respekt vor Ihren Zau
. beriiinsten. die mir räthselhaft sind. Das
» Lager ist beinahe leer, aber bsdenken Sie,
« die vierte Woche hat begonnen, und noch
stehen im Laden zwanzig Stück, die sich
nicht rühren wollen«
Zwanzig Stück, gut« —- Herr Frech
lreuzte trinmphirend die Arme über der
Brust — »die werden wir hier am Orte
absetzen-«
»Hier am Orte, wo der Artilel Jm
schlechtesten geht?« rief der Chef in hel
lem Erstaunen. »Sagen Sie mir um
J Gotteswillen mit welchen Mitteln fan
gen Sie das an —- —«
; Doch derSemmelb onde legte den Fi n
» get auf die Lippen. «§Jet,eimniß, H: rr
....-· «
Blummyatck Geheimnis; ern wenn Taf
mein Meisterstück ganz vollendet, sollen
Sie alles erfahren.« —
herr Brummhard konnte den Tag
taum erwarten, der ihm des Räthfels
Lösung bringen sollte. Beinahe wurde
ihm die Geschichte unheimlich. Aber er
war doch zu aufgeklärt, um an Zauberei
zu glauben.
Noch zwei Tage vor Ablauf der Se
stimrnten Frist trat Peter Frech wieder
inBrummhardL Privatzimmer ein, nach
dem er sich diesmal feierlichst durch oas
Mädchen hatte melden lassen. Aber mit
- gesenktem Haupte und trostlofer Miene
« blieb er am Eingang stehen.
Diesmal eilte der Chef, vor Neugierde
fieberno, aus ihn zu, ergriff feine Hand
und zog ihn in’ö Zimmer
I »Nun?« fragte Peter Frech tonlos.
f »Sie hab-en glänzend gewonnen. Jch
i führe keinen Sonnenschirm mehr arn
; Lager. Der letzte ist verlauft, und, mein
z Herr, Sie haben noch mehr erreicht« oer
i allerletzte ift gestohln.«
I »Gestohlen, was?«
t
»Ja, hier« aus meinem Zimmer, aus
. meinem Glasschrant, es ist unglaub
- licht«
i Ein Wetterleuchten des- Verstebsns
. zuckte iiber Peter Fuchs Gesicht. »Ma
chen Sie sich teine Gedanken, Herr
Brummhard, er ift in der Familie ge
- blieben.«
»Wie-; soll das heißen?«
»Um das zu begreifen, müssen Sie
zuerst wissen warum Sie Ihre Schirm
los geworden sind. Haben Sie vielleicht
s das gestrige Morgenblatt des Stadtw
! zeiaers gelesen?'«
; Der Chef sah ihn verwundert an.
. »Ich habe wegen des großen Schirmum
satzes schon mehrere Tage teine Muße ge
k funden, die Zeitungen zu lesen.«
l »Nun gleichviel, ich habe ein Exemplar
i bei mir.« Er griff in die Tasche und
EI-- »I- «
cluluuclc UJI UllIUsulUWc Olulls »Ok
ben Sie, hier«
»Wie — oas Jnserat dort? Ein Hei
rathsaesuch was soll das?«
»Bitte, lesen Sie nur. Sie werden
sogleich Alles verstehen.«
Herr Frech sprach noch immer in ei
nem seltsam geknickten Tone, und wäh
rend der Chef mit wachsendem Erstau
nen die Zeilen durchflog, ließ er sich mit
einem schweren Seufzer aus den nächsten
Sammetsauteuil fallen.
Was aber Herr Brummhard las, war
das Folgende: »Ein Kavalier von altem
I Adel, Reseroeossizier der Garbe, in den
Hbesten Jahren, stattliche Erscheinung,
sucht aus besonderen Gründen eine lieb
volle Lebensgesährtin. Vermögen und
äußere Schönheit Nebensache, nur aus
Geistes- und Herzensbildung wird gese
hen. Zur Anlniipfnng nährrer Bekannt
schaft mögen sich Ehrlichmeinende Nach
mittags zwischen 4 und 5 Uhr an der
Ecke der Marienlirche einfinden. Erlen
nungszeichem Brummhards Patentso·n
nenschirm mit dem griinen Zeisig.« Der
Chef brach in ein dröhnendes Lachen
aus. »Und dieses Jnserat haben Sie —
—« brachte er mühsam heraus.
»Ja allen größeren Städten Deutsch
lands in jede Tageszeitung einriicken
lassen;« zuletzt erst hier am Orte selbst
»Und das sagen Sie so Fleinlaut!
I
Mensch Sie sind ja ein Genie ein-us
Rangesl Auf die Jdee wäre ich nie ge
kommen Und wahrhaftig, Sie brau
chen nicht zu besorgen daß ich mein
Wort nicht halte. Sie sollen meine
Tochter haben, Sie verdienen sie.«
»Es ist zu spät, here Brummhard. «
:Was sagen Sie?"
»Daß ich schändlich betrogen bin in
meinen schönsten Hoffnungen. Nur ein
mal konnte dieses Herz lieben, jetzt ist
alles ausgebrannt zu grauer, talter -
Asche!« —- — l
»Wie, Sie weisen doch nicht die Hand
meines Kindes zurück?« fragte der Chef s
indignirt. J
»Ich muß. —- Sie vermiisen Jbren
einzigen und letzten Sonnenschim, Herr -
Brummhard Jch habe iiyn gesehen —-«
»Wie Sie wollen doch nicht sagen —
IDaß als ich gestern Nachmittag ge
gen 5 Uhr spaßeshalber über den Ma
rienplatz ging, ich an der Ecte der Kirche
noch eine einzige junge Dame miti
Brummhards Patentsonnenschirm mit
dem grünen Zeisia stehen sah. Und diese I
Dame war Fräuleii Bertha « ——- —- .
Der Erfinder fubr Ich mit beiden,
Händen in die Haare. er wußte nicht« ob I
er lachen oder weinen sollte. Nur das s
Eine stand ihm fest, daß Herr Frech recht ;
gesehen. s
«Hören Sie,« wandte er sich nach einer .
l
Peinlichen Pause an den verzweifelt Da
sitzenden, »das ist eine dumme Geschichte
und mir um so unlieber, als ich Jhnen s
wirklich zu Dank verpflichtet bin Aber
ändern läßt sich an der Sache nichts und
wenn Sie mir versprechen wollen, über
Jhre gestrige Beobachtung nichts weiter
verlauten zu lassen, so schlage ich Jhnen
vor, statt mein Schwiegersohn mein er
ster Buch-halte: zu werden. Sind Sie
damit einverstanden?« »
Der Semmelblonde bezwang seinen
Schmerz und erhob sich. »Besser, ein
Pslaster aus eine offene Wunde haben,
als teinsl« sagte er patbetisch »Jchs
bin der Jhre Herr Brummhard!« i
-.s.-—- -—
»Gei- tsiu, mein Xiiiid!«
-——-O———- l
LebensbildvonWaldemar KuttenI
. - -. .»-.
Die Frau Marquise hatte mit dem
würdigen Pfarrer über alles Mögliche ·
gesprochen, ehe sie auf den eigentlichen j
Zweck ihres Besuches kam. s
Einmal so weit, wurde sie resolut: I
»Hören Sie. Hiesr im Orte giebt’3
ein-n Unaliidämpnfrirsn h« kalm »s.
i
Apothelers, glaub’ ich der in einer Art ;
hochmüthiger Verirrung sich damit ab
giebt, meine Tochter Elisa zu verfolgen
Und leid-er muß ich hinzufügen, daß
meine Tochter dem Burschen nicht mit
dem Ernste entgegentritt, den er ver
diente. Jch weiß das Evangelium lehrt
uns, daß wir Alle gleich sind, aber nie
würde es mit meiner Zustimmung ge- .
schehen, daß der Apothetersohn seine Au- .
gen zu der Tochter des Marquis von 7
Bitv erhebe.«
»Ich begreife,« murmelte der alte
Priester.
»Dann werden Sie. mir auch helfen
wollen Seit drei Monaten ist m. ine
Tochter nicht mehr zur Beichte gegangen
—- ein in ihren sonstigen Gewohnhe ten -
ganz unerhdrter Fall. Sie waren im
mer so gütig, ihr die Beichte hier in Ih
rer Wohnung abzunehmen. Nun wohl,
suchen Sie das Gespräch auf das ve
wußte Thema zu bringen Und dann
sagen Sie ihr, was Sie wollen« um sie «
eines Besseren zu überzeugen. Aber
seien Sie vorsichtig! Sie kennen Elisa
.. das Mädchen ist ein wenig roman
tisch angehaucht, exaltirt . . .«
»Reforgen Sie nichts, gnädige Frau.
Jch werde trachten, mein Bestes zu thun.«
«T:.usend Dant, und auf Wiedersehsen,
Herr Psarrerl«
Nachmittags gegen 4 Uhr kam Elisa,
von der Kammersrau begleitet, in die
Bsarrei.
Sie trug ein weißes, an der Taille
durch einen Gürtel zusammengehaltenes
Kleid, einer Taille, die man mit zwei
Händen umsponnen konnte, während die
strassen Falten die blühenden Formen,
deren Entwicklung schon das Weib an
deutete, in lieblicher Deutlichkeit nacky
zeichneten
Sie ging aus den Pfarrer zu, dieser
liesz sie aus einen ihm zur Se te stehen
Wes USE-sucht slssskhssllbbsl UOIU Uek WILL-II
begann.
Aber das Mädchen war voll Unruhe.
Jeden Augenblick den Umstand benutzend,
daß der alte Priester, um sich zu sam
meln, mit gesenktem Kopfe und geschlos
senen Augen sprach und hörte, bog sie sich
zurück und schaute zwischen Vorhang und
Fensterpsosten in’g Freie hinaus-.
Der Priester hud nun an zu fragen:
«Wie lange ist es, daß Sie nicht zur
Beichte gegangen?«
«Drei Monate, Bater «
»Und welcher Vergehen zeihen Oie sich
in diesen drei Monaten?«
»Seit einiger Zeit habe ich vergessen,
vor dem Einschlasen mein Adendgebet zu
beten.«
»Und warum?«
»Weil ich seit einiger Zeit zerstreut bin.
Jn der Kirche gelingt es mir nicht mehr,
mich zu sammeln es gelingt mir nicht
mehr, die Messe so andächtig wie sriiher
zu hören.«
»Und welches sind die Ursachen, die Sie
zerstreuen?«
» Ich weiß es nicht, Vater. Aber noch
mehr Seit einiger Zeit handle ich voll
Eitelleit beim Ankleiden, beim Käm
men, nur in der Absicht, Anderen zu ge
sallen.«
»Und wer sind diese Anderen? Viel
leicht männliche Persönlichkeiten?«
»Ach ja, Vaterl«
W
«Schrecklich. meine Tochter, schreck
lich! Diese Sünde ist, was man in der
Welt Kotetterie nennt, und wenn sie
an sich könnte verziehen werden, so
wird sie es nie wegen der furchtbaren
Folgen, die sie nach sich zieht. Sie
läßt in den Miinnern zügellose
Wünsche erstehen und ist die Quelle
fortgesetzter Sünden sowohl für Den,
von dem sie ausgeht, als für Jenen aus
den sie ihren Einfluß übt. Sie müs
sen nach dieser Seite hin sich bessern,
meine Tochter. Und nun fahren Sie
weiter sort.« 2
«Verschiedenemale hab’ ich der Ma
ma nicht gehorcht, die mir verboten
hatte, am Fenster zu stehen.« »
»Sie hat Recht, meine Tochter.
Auch diese Sünde gehört dem Kreise
jener an, von denen ich Jhnen eben
kprach.« «
»Aber ich stand ja nicht am Fenster,
um mich bewundern zu lassen!« i
»Nicht? Warum denn also?«
»Um die zu sehen, die vorüber
gingen.«
»Auch das ist schlimm, meine Toch
ter. Ein Mädchen sündigt. wenn sie
Vergnügen daran findet, sich am An
blie! von Männern zu weiden.«
»Aber ich schaute ja gar nicht nach
allen.«
»Nicht? Und nach wem blickten
Sie ?« "
«Nach einem Einzigen.« i
»Nach wem ?«
»Nach Heinrich, dem Sohne des
Apothekers.«
Nach diesem Bekenntnisse hatte sie
sich so weit vorgebeugt, daß ihr Ge
sicht fast die Kniee des Priesters be
rührte, während sie die Augen mit den
Händen bedeckte.
Der gute Priester schaute sie an und
schüttelte wehmüthig den Kopf, den
alten Kopf mit den weißen Haaren
und dem gutmüthigen Ausdruck.
Dann begann er den Sermon.
»Sehen Sie, sehen Sie, dies ist der
Grund all’ Jhrer Zerstreuungen, all’
Jhrer Versündigungen; diese hatten
mich überzeugt, daß ein anderes-, sehr
starles Gefühl sich Ihrer ganz und gar
bemächtigt hatte. Es blieb mir nur
übrig, zu erfahren, wessen wegen Sie
Illllulguu, un» Ich-» tuu u» »u- tut-rh,
ist meine Verwunderung noch mehr
gewachsen. Jch will über diesen Ge
genstand des Weiteren zu Jhnen spre
chen, meine Tochter. Nehmen Sie
einen Stuhl und setzen Sie sich hier
vor mich hin; Sie brauchen nicht mehr
zu knieen. Und schauen Sie nicht
mehr aus die Felder hinaus Es ist
richtig, auch diese sprechen von Gott
aber jetzt sollen Sie mich anhörenk
Das Mädch..i gehorchte. Sie saß
neben dem Fenster, den einen Arm
hinter dem Vorhang aus den Fenster
sims gestützt, derart, daß die kleine
weiße Hand draußen hing zwischen
den Blättern der Rosen, die aus dem
Gartenlande herausbliihten. Dann
neigte sie das Köpfchen, um aufmerk
sam zu hören.
»Sie haben eine Unklugheit began
gen, meine Tochter. Sie haben nur
an sich selbst gedacht, die erste Regung
Jhres jungen Herzens zu besriedigen.«
Elis.1·tauschte noch immer mit ge
senktem Kopfe; aber plötzlich, als ob
diese Werte sie schwer betroffen, ward
sie iiber und iiber roth und wand sich
leicht aus dem Stuhl, als wollte sie
entslieben. "
Er fuhr sort:
»Sie haben nicht daran gedacht, aus
welch’ harte Probe Sie den Frieden
Jhrer Verwandten, das Glück Jljrir
Mutter stellten. Sie haben nicht an den
Schmerz gedacht, den Sie Derjenigrn be
reiten wiirden, die Jhnen das Leben ge
geben, wenn Sie in einer ihr mißfälligcn
Weise iiber Jhr Herz versugten. S.:gen
Sie, haben Sie nie Jan-n gedacht?«
»Ja, Vater.«
»Und Sie haben auf Jhrem Vorsatz
bestehen lönnen, haben Ihren Ungehor
sam fortgesetzt?«
,,V.1ter, das Gefühl ist stärker als ich.«
,,Haben Sie wenigstens versucht, sich .
auszulehnen gegen dieses Ge siihl, das sich
Jhrer bemächtigen will?« l
»Ich hab’ s versucht, Vater, und es ijt s
...-» g ..... g...
»Sie müssen mir versprechen. Jhr
Möglichstes zu thun, sich aus dieser Ver
blendung zu lösen, die über Sie gekom
men ist.«
»Ich verspreche es, Vater.«
»Und hoffen Sie aus den Sieg?«
»Ich hoffe-«
Sie antwortete sast weinend, das An
gesicht geneigt, einen Arm immer hinter ;
dem Vorhang, den anderen im Schoosz »
liegend. i
Der gute Priester faßte ihre Hand mit J
seinen beiden und fuhr sort zu sprechen: s
»Brav, meine Tochter; ich erwartete I
das von Ihnen. Sie sind start und wer- (
den siegen, werden Verzicht leisten aus I
eine Verbindung. welche die Zwietracht i
in Jhre Familie bringen und, nachdem i
sie siir einen kurzen Augenblick Sie viel
leicht glücklich gemacht, Sie unzweifelhaft
siir’s ganze Leben unglücklich machen
würde.«
Er sprach langsam, zufrieden, sie be- I
wegt zu sehen, wie in voller Zustimmung z
zu Allem, was er sagte, während das s
weiße, weiche IHändchen zwischen den sei: i
nen bebte. J
Aber seit einigen Augenblicken erregte l
ein gewisses Geräusch, ein Knistern in »
den Rosenbiischen unter dem Fenster I
setzte Neugier. Er wollte nachsehen uno !
a . . . . l
Er sah Heinrich, den Sohn des Apo
thekers, gebückt zwischen den Zweigen, in
—.—
seinen Händen die hand Etisens, ans die
er leidenschaftlich seine Lippen drückt
Sehr gut! Seine Predigt hatte Ot
was gesruchtett Einen Augenblick dachte
er im Zorn auszubransen, aber dann
senkte er das Haupt. Was auch konnte
er thun, wenn diese Beiden sich wahrhaft
liebtent
Rasch stand er aus« und das Fräulein,
das ihn sich bewegen fühlte, that ge
schwind dasselbe.
Und während sie ihn zweifelnd an
schaute, nicht wissend, was sie denken
sollte, faßte er ihr Kinn zwischen Dau
men und Zeigesinger, redete sie mit Dn
an, wie in Tagen, da sie noch ein Kind
war, und murmelte:
»Geh-e hin, mein Kind, und, Sch«l:n
du, vergiß dein Versprechen nicht.«
Dann nahm er den Kanzelton wieder
auf, erhob die Hand zum Segen und
sprach:
«Abfolvo te . . ..«
G e d i eh t e.
Meister Oluf.
Meister Olus, der Schmied aufhelgw
land,
Verläßt den Amboß uni Mitternacht;
Es heult der Sturm am Meeresstrand
Da pocht es an seine Thiir mit Macht:
»Heraug heraus, beschlag mir mein
Rv ß!
Jch muß noch weit und der Tag ist naht«
Meister Olus öffnet der Thiire Schloß
Und ein stattlicher Ritter steht vor ihm
da
Schwarz ist sein PanzeSr sein Heim
und Schild
An der Hüfte hängt ihm ein breites
Schwert,
Sein Rappe schüttelt die Mähne wild
Und stampft mit Ungeduld die Erd·
»Woher so spät? Wohin so schnell?a
,,Jn Norderney tehrt’ ich gestern ein;
Mein Pferd ist rasch, die Nacht ist hell,
Vor der Sonn mußs ich in Norwegen
ein.«
zuckt-« Ok- Tisc««l k- «f«»l-4 IJJQ
»Es-»Es ow »W- I- v« Ot
gern,
»Mein Rappe, der läuft wohl mit dem
Wind;
Doch bleicht schon da und dort ein Stern.
Drum her mit den« Eisen und mach ge
schwind!«
Meister Olus nimmt das Eisen zur
Hand-,
Es ist zu tlein — doch dehnt es sich ans:
Und wie es wächst an des Huses Rand,
Da ergreift den Meister Angst und
Graus.
Der Ritter sitzt auf, es llirrt sein
Schwert:
»Nein, Meister Oluf, gute Nacht! «
Wohl hast Du beschlagen Odin's Pferd;
Ich eile hinüber zur blut’gen Schlacht.«s
Der Rappe schießt fort iiber Land und
Meer,
Um Odin’s Haupt erglänzt ein Licht,
Zwölf Adler fliegen hinter ihm her,
Sie fliegen schnell und erreichen ihn
nicht.
i si- sit
Das Land Amerika.
Als jüngstes Kind von der Nationen
Sippe
Steh in der frühsten Jugendlraft ich da,
Mit hellem Aug’ und frischer, rother
Lippe,
Ein stärker Kind, gestehtsi man selten
h
a .
Jch weiß es wohl, die ältern Schwestern
blicken
Mit Neid auf mich und auf mein festes
Haus,
Weiß, wie sie zischeln hinter meinem
Rücken:
»Der Paroenü schaut iiberall heraus.«
Es mag so sein, doch dürst’ Jhr nicht ver
tennen,
Daß steinig meiner frühsten Jugend
Pfad.
Ein Leben voller Mühe war s zu nennen«
Der harten Arbeit Und der steten That.
Das Bloclhaus lernt’ ich in dem Urwald
bauen,
Aus wüsten Auen schuf ich lachend Land
Und kam ein Mädchen aus lacurovcks
Gauen,
Reicht’ ich zum Willkomm’ gern ihm
meine Hand.
Nicht konnte ich die schönen Künste pfle
gen
Der Kampf um’·5 Dasein scheucht die
Musen soli,
Ein Kleinod aber wußte ich zu hegen,
Was kein Palast enthält, das freie Wori.
Heui’ bin ich reich und fest im Krieg wie
Frieden
Steh’ ich, zu zeigen, was ich will und
kann,
Ob mit im Walilknmpf bleibt der Sieg
beschieden,
Ob nicht, der Wablsptuch bleibt: Selin
ist der Mann.
«- sc s
H a l b e L u si.
Heui’ schwärm ich mit im lebensvollen
Kreise,
Doch durch der Geigen jubelhellen Ton
Mahnt mich ein trauriges Erinnern leise,
Wie eine, die entflohn.
Ein dunkles Rasen hallt im Herzens
grunbe.
Wie einem Nixenkind ist mir zu Muth·
Das heimwärts kehren muß zur rechten
« Stunde
Jn seine dunkle Fluch.