Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, March 16, 1900, Sonntags-Blatt, Image 14

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    . ««.,.
Frau Bankicr Haktwig.
Lümmel-Roman von Friedrich Thjkma
IWUWWQWWZ L
t6. Fortienung.)
Gegen acht Uhr verließ ich meine
Wohnung« gekleidet wie immer an
ständig, aber einfach. Jch erblickte
keine Veranlassung mein ehrlich-es
Gesicht zu verstecken Wie ich es mit
meinem ehrlichen Namen zu halten
genöthigt sein würde hing von denj
ständen ab. ’
Zunächst galt es den Aufenthalts
ort dieses Barons Wardosf zu erinn
den Ein Mensch ift nirgends leichter
ausfindig zu machen als in Berlin
—- tvenigftenö, wenn er sich finden
lassen will. Zuverlässig versuchte sich
nun mein Mann, wie seine Zwecke
dies erheischten wie in Wiesdaden
und Petersburg so auch in Berlin in
die vornehmsten Kreise einzudriinaen
es lag also nicht in feiner Absicht,
Bersteckeuz zu spielen er mußte in der
Lage ein überall offen ein und aus
ia möglicherweise legte er
sogar Werth darauf die Aufmerksam
keit zu erretten
Mein erster Gang galt daher einer
öffentlichen Lesehalle wo ich die wäh
rend der letzten vier Wochen erschiene
nen Nummern des Fremdenblattes
einer sorgfältigen Durchsicht unterzog.
Unter irgend einem Namen mußte ich
ihm unter den Gästen der Berliner
Hotels begegnen, unter welchem. war
freilich schwer zu ern-then Trotzdem
vertraute ich meinem Spürsinn Der
Baron wiirde in Berlin, lalkulirte ich,
zweifellos in einer russifchen Maske
austreten, da er über die ruisiichen
Verhältnisse am besten unterrichtet
war. Oh er selbst mit Recht die Na
ticnaliikit eines Nnssen iiir sich in An- L
sprach nahm. vermochte ich nicht zu
sagen. so wenig wie ich die Quelle fei
ner —- zweifellos doch ausreichenden —
Leaitimaticnspaviere zu erraihen im
Stande war. Jch schloß aus dem,·was
ich bisher von Baron Wardoff in Er
fahrung und Wahrnehmung gebracht
daß er sich keins der letzten Hotels der
hauptsiadt zu seinem Domizil aus
wiihlen würde, so durfte ich denn hof
fern unter den wenigen rufsischenAdrei
sen, die mir ausstoßen würden, di
rechte mit leichter Mühe auszuforschen
Zu meiner Freude blieb mir di
Irheit des Auskundfchaftens erspart
Gleich in einer der ersten Nummerndi
Ich nach-schlug wurde ein »DottorGern
huldkv aus Riaa« als im Central Ho
tel abgestiean gemeldet.
Das konnte kein anderer fein als
der Sehnt-te Unverziiglich nahm ich
eine Droschte erster Classe und fuhr
nach dem Centralhotel. Schon der
Bortier hestiitiate die Richtigkeit mei
ner Bermuthung.
, anirt hier ein Herr Doktor Gern
.bqlsky?«
- .Zu dienen, mein herr. Doctor
cemhalsly aus Riga.«
.Ein langer, hagerer Mann ——'·
.Jatoohl, lang und hager. etwa
dreißig Jahre alt, schwarzes Haar,
sehr-arge Kleidung, echt ariftotratische
Erscheinung."
«Gan«z recht. den meine ich.«
Muschen Sie ihn zu sprechenlt Er
ist momentan nicht anwesend, kommt
. auch kaum vor Abend zurück
Sehr gut. dhchte ich hei mir, nnd
erwiderte. daß ich das lebhaft be
dauere. Wäre er zugegen gewesen, so
Ttte ich ihn von R. oder X. grüßen
· si . mit dem hinzufügen, ich
its-anehe ihn to früh nicht zu stören
irr-d loose später wiederkommen Die
so günstige Situation beschloß ich auf
der Stelle weiter auczuniitzem
- «Wissm Sie, wo er sich hingegeben ,
hatt- "
s .Bedauee, er hat nichts hinterlas
en.«
«Dinirt er irn Ootclk
»Nein, mein herr.«
Bissen Sie, wo und wann er zu
Mittag lpeifi?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht kann
Ihnen der Kellner, der ihn bedient,
Auskunft ertheilenkM
Der bösliche Mann. dessen Bereit
« willigteit ein lleines Trinkgeld noch er
hkbte, tief sofort- den gewünschten
drenftbaren Geist, der meine Frage lei
det mit der Erklärung beantwortete,
daß er sue Ertheilnng der gewünschten
Auskunft nicht irn Stande sei. Achsel
zuckend siigte er hinzu:
»Ich bin erst seit drei Tagen in dem
betreffenden Revier angestellt. Mein
Vorgänger würde sicherlich Bescheid
« Iiisenf
«Konn ich ihn sprechen ?'
Maure. er isi vor einigen Tagen
· seen ungebührlichen Verhaltens ent
lo en worden«
Me- Mk
—- . o ep arne .«
»Unsere Sie zufällig, wo er wohnt?
ei nicht weit von hier ist —- mir
liegt unendlich viel daran, Herr Doc
Ft Geizes-only so bald als möglich zu
. Ziethensiraße—- die Rum
«.«,.« keesssggnesssszs
n n
sein« erwiderte ich gebet-un da ich leg
nicht Ei atheu and. ein über das
. . - M Wdcs -
Mo in vertagen rRa dann III-It
I eseben nichts —- ich komme heuteAhend
wreder.«
»Sol! ich dem Herrn vielleicht —«
»Danke, ich will ihn überraschen.«
Mit diesen Worten verlies; ich das
hotel, um meinen Kutscher unverzüg
lich nach Rixdors zu dirigieen. Die
Entlassung der Herrn Barnetzty tarn
mir vielleicht ganz gut zu statten, vor
ausgesetzt, das; ich den Gesuchten über
haupt auffand, und wenn mir dies ak
lang, ihn in seiner Wohnung antraf.
Und auch dann war es noch zweifelhaft,
ol- ich von ihm irgend eine mir dienlich
Mittheilung erhielt.
Gegen zwölf Uhr tam ich nach Rie
dcrs. Wir sraaten in mehreren Re
staurants und Häusern der Ziethen
straße nach der Wohnung des Kellners.
ohne unsern Zweck zu erreichen, schließ
lich begab ich mich turz entschlossen
rscch dem Polizeiarnt, wo ich aus der
Stelle den ersehnten Bescheid erhielt.
Der Gesuchte hauste in einem Dachios
gis hinten hinaus. dessen ärmliche Aus
möblirung nicht gerade aus glänzende
Umstände hindeutete. Eine nicht mehr
junge Frau mit einem etwas uns-ahe
ren Söuglina aus dem Arm empfing
mich mit miirrischem, mißtrauischem
Gesicht. erst als ich dem Kinde freund
lich die Wange streichelte und ihm ein
Nickelftiick in die band drückte, zeigte sie
sich mitheilsamer.
Jdr Mann sei nicht zu Hause,
werde aber in spätestens einer Stunde
zurücktommem
Gut. so werde ich aus ihn warten.
Jeh wurde die Pause benutzen. um
irgendwo ein paar Bissen zu Mittag zu
speisen.
Was ich von ihm wolle, ob sie es
nicht ausrichten könne?
»Nein. gute Frau, ich muß mit ihm
selbst sprechen. Es soll sein Schuhe
nicht sein. Er ist wohl fest außer
Stelluna?'
-«- -.
Ycr armen ssrau Ircnen sie zustellen "
in die Augen. Mit tummervaller
Miene erwiderte ste: »Ach ta, lieber
Herr, leider, der Joseph ist ein so tüch
tiaer Mann in seinem Berufe, aber
wenn er getrunken bat, ift er unver
tiöglichr Ich war so froh, daß er den
zuten Posten im Centralbotel bekam,
nun sitzt er schon wieder zu hause und
ver weiß, ob er bald wieder einen Platz
iindet.«
«Trinkt er denn therk
Die Frau seufzte. »Nicht allzu oft.
wenn er aber einmal anfängt. treibt
er's auch ara genug. Wenn er nur erst
ein paar hinter der Binde bat, dann
fiiblt er sich als Baron. Dann fliegt
das Geld nur so fort bis zutn letzten
Pfennig. « An Weib und Kind dentt er
dann nicht mehr. Und am andern
Tage liegt er zu Hause und beult wie
ein Schulbube, da bereut er’s bitter
und verflucht seine Geburt und sich sel
ber und sein Schicksal. Ali Sie ber
einttaten, dachte ich. Sie wären so ein
Sanftmnpan von ihm. daher war ich
so unhöslich Nehmen Sie es rnir ja
nicht übel.'·
Als ich eine Stunde später in das
ärmliche Logis zurücktebrte, trat rnir
Joseph Barnetzly in der Person eines
lang nufgtschvssenen, blossen Menschen
mit dern typischen Kellneraesicht entge
gen. Sein Wesen. obwohl qescheneidig
und zuvortornrnend. verrietb seine nie
dergedrilclte Stimmung. Mit ne
dönwster Stimme erkundigte er sich
nich meinem Anlieaern
»Kann ich Sie kurze Zeit unter vier
Augen sprech-ni«
Der stellner wars einen nnrubigen
Blick urn sich ber.
»O ja, warum nichts sagte er un
sicher, woraus er mich einlud, May zu
nein-rein und sich einen Augenblick rn
dit btnfltshofis Komm-f Kam-II Inn
skine daselbst besindiichk Familie Mf
meinem Wunsche in Kenntniß zu setzen.
»So, wir werden nicht gestört wer
den,« beschied er mich dann, Joch bitte,
sprechen der Herr leise, die Wände dies
sind dünn, jedes laut gfprochkne Wort
drinat hindurch.«
Mit aus der Brust verschränkten Ax
rnen harrte er meiner Eröffnungen.
»Sie waren im Central-hoiel?«
«Ja, hern«
»Wie langes«
»Einn: zwei Monate·«
«haben Sie nicht dort einen herrn
Dektor Gembalskn aus Riga bedient,
der vor etwa vier Wochen lsier einge
troffen ist?«
»So ist es.« Seine matten, fahlen
Züge veriiesten sich zu schärferm ener
gischeren Formen, wodurch sich seine er
höhte Aufmerksamkeit kund gab.
.Jch möchte gern möglichst genaue
Auskunft über diesen herrn haben,'
schoß ich nunmehr direct aus mein Fiel
los. Einsicht sich« gegen gute Ent
Midian-IT
Sein glattee Gesicht legte sich in be
denkliche Falten. (
«Darf ich fragen, was Sie file ein
Interesse an dem Herrn riean
Ich legte mit bedeutsame-n Lächeln
ein Zwanzigmarksisiick wide-Häkch
deäifchitlgi erksläräy darüber r ich
en pä an « eit.
»wer W Sk- Jdt frühm
Ist-Wärst sur Berku
e te instr.
Seine grauen Augen hafteten gierig
auf dem Goldstück.
»Ich hin RiemandRechenfchaft schul
dig,« fuhr er nach kurzem Bedenken or
dentlich heftig auf. .Wai ich weiß. nan
ich Jhnen gern verrathen. es ist nicht
viel. das lage ich anen im Vorausf
.Wissen Sie, wo Doktor Gembalslc
fein Diner einnimmt?«
»Bei Dressel.«
»Ging er viel aus?«
»Alle Tage. Er brachte lau-n die
Nichte im Hatel zu.'·
»Sie faan »tamn«, qab es auch
Nächte. in denen er nicht in das Hatel
zurücktehrte k«
Barnetztn nickte schlau. »
»Aber Sie wissen nicht, wo er sich da I
aufbielt7« I
»Wi) wird er sich aufgehalten haben? ;
Die Erklärung lieqt nahe genug. Jeder
Fremde studirt das Berliner Leben-"
Empfing der hcrr zahlreiche Be
suche?«
»Soviel ich weiß, nur den einer ein
zigen Perfon, die aber wiederholt bei
ihm mar.«
.Einer Dame?«
»Nein, eines Herrn.'
aKannten Sie denfelbeni«
»Ich hörte einmal durch Zufall fei
nen Namen. als ich den beeren Bur
under fervirte. Doktor Gembalikh hob
fein Glas und leerte es «an das Wohl
des Herrn Barons von Rahenau.«
Jch auittirte über diesen Namen mit
einem Ausdruck des Erstaunens. Baron
von Rabenau zählte zu den bekannte
ften und berüchtigften Rvues der-Haupt
stadt. Außerdem ftand er im Rufe ei
nes verzweifelten Spielers. Edle Seelen
finden sich, dachte ich und fragte weiter:
welefa eine Dame sprach nie bei ihm
per «
»Auch einen von Damenhand ges "
schriebenen Brief hat er niemals ems
psc.nqen?"
Der Kellner lächelte. «Nicht blos ei
nen, sondern mehrere-«
,.Von derselben Hand aeschriebseni«
»Ich verstehe mich wenia aus der
ileichen,« meinte Joseph Barnetzty mit
osissiaeni Grinsen· »Im-essen ——— die
Tit-reisen schienen mir von verschiedenen
Personen berzuriibren·«
»Seht, seht! welch’ ein Don Jnan.«
rars ich im Scherzt bin« »Hüte ihm
Das aar nicht zugetraut.«
aO, der verstand es,« platzte der Kell
ner heraus.
»Wieso?«
»Ich glaube. der war ein Gentlernan
Durch und durch, es war ja auch ein rei
her und schöner Mann.«
»Zsober wissen Sie, daß er reich
Var «
.Er brauchte doch vieles Gelb, auch
bekam er mehrere Male größere Sum
ren. Ich habe selbst einmal zehntau
"end Mart siir ihn aus der Reichsbant
erheben müssen."
»Der Herr Doktor spielten wohls«
»So schien es mir. Einmal stäh, als
eben der Baron von Rabenau bei ihm
7as3. war er ganz wiithend iiber pas
Bech, das er am Abend vorher gehabt.
Ver Andere lachte ihn ans und erwi
:eite: Dafür-haben Sie um so mehr
Blitck in der Liebe! Wie meinen Sie
dass suhr ihn der Doktor heftig an.
Lassen Sie Olga diese Frage beant
r«orten, versetzte der Baron —- das sol
zende vernahm ich nicht mehr, da ich
Das Zimmer verlassen mußte.«
,.Wissen Sie noch mehr von ihn-L«
Er zuckte die Achseln. .Rein«.
Rasch entschlossen legte ich ein zwei
es Zwanziomarlstiick neben das erste.
Haben Sie nie einen der an ihn gelan
genden Briese gelesenk
«Rein.«
«Schtieb er auch Briefes«
»O er schrieb viel, besonders des
Moment-'
«An wen wissen Sie nichts« «
.Nein, er besorgte alle seine Brnse
persönlich-« « «
Und roo bewahrte er diejenigen
ins. die er erbielts"
.Die verbrannte er. Jch sanb ein
iaarrnal iin Ofen eines Hirn-nett die
lsche verbrannter apierr.
.Seltsarn. Das deutet aus geheime
handlungeih die er vor der Welt ver
sorgen zu halten wünschte!« Jch er- J
zob mich etwasen enttiinicht. Die Stach- «
richten, weiche ich von Joseph Bor
ietzty erhielt, interessirten mich zwar
in hohem Grade, befriedigten mich
rber nicht vollständig. Ich hatte et
vaå mehr erwartet. So machte ich
nich denn mit der Frage: »Meine
können Sie mir wirklich nichtj mit
theilen?' zum Gehen bereit.
Eine gewisse Unentschlassenheit, die
er an den Tag legte veranlaßte mich,
in der Thüre noch einmal stehen zu
bleiben.
»hei: Barnetziy, redete ich ihn
mit bei-traulichen Augenblinzeln an,
Sie mißtrauen mir.«
»O nein.«
Doch, Sie halten noch etwas din
ier dein Bequ Sprechen Sie ruh
ich halte die Quelle ans der ich schön F
streng Iheinn Sie brauchen durchaus
leine nannehtnlichkeiten zii fürch
kmUin ihn noch mehr anzureizzementi
nahm ich meiner Börse noch ein Zehn
martstiick und ließ es bei-lockend vor
ilnn in der Sonne funkeln.
«Sind der here nicht ein Detets
tivef« ertiindigte er sich nach verlege
nein Schweigen zögernd.
»sechs Rein, nichts weniger als das.
ch bin ein einfacher Bürger. Mein
get-nd ist ein rein rinatengn
emsgendu
die E einer Daan li. sollen
sey-nie nun Ihrs-Ist anei- scheu
IFiniinerM W- Kellnee
eines blick. dann-stritt et dicht
an mich an und sltiiterie mir mit
geheimnisvoller Miene in's O
»Wenn Sie mir aus St tenwort
versi n daß mein Name nicht in's
Spie ——---«
Statt aller Erwiderung reichte ich
ihm ie rechte hand.
un wohl mein Herr, " suhr er in
dem gleichen iistertone sort, »vorige
Magie Harz ottor Gembalåitylgkt
in er atin eientm i
» Verfassun nach seit-se EzSiatt seine-T
gewöhnli n eleganten Anzugeg trug
er eine blaue Arbeiterblule und aui
dem Kopfe einen Kalabreser wie ibn
die Arbeiter zu tragen pslenen Jm
ersten Moment erkannte ich ihn gar
nicht· Zu seiner Entschuldigung be- -
keutete er mich« es handle sich um ein ;
kleines galantes Abenteuer-, ich sollte l
reinen Mund halten«
»Der Herr scteint ja aus sauberen
Pfaden zu wandeink
»Ja wenn er die Wahrheit gesagt
TM «
»Sie glauben ihm nichts«
.Nein, unter uns-. nicht ichalleim
sondern auch meine Neviertoceaen
hielten ihn sitt einen tussifchen
Spion.«
»Warum nicht gar?«
Der Kellner niclie schlau
»Seit-en Sie noch irgend welche be
sondere Umstände beobachtet, welche
diese Vermuthun betriisiigen?«
Das nicht. gleer bedenken Sie
doch —- die Geheimnißt erei, die
verbrannten Briese und apkere, die
Berileidung -—-'
»Wer weiß, wozu der Mummen
schanz gedient hat. "
»Ja wer weiß wozuf wiederholte
Barneyty mit Bedeutung. Darauf
feine Stimme wie vorher dämofend
sprach er weiter: .Einrnal hat er doch
einen Damenbefuch empfangen-«
«Wirtlich?«
»Ja — nur einmal.«
.Was war es fiir eine Dame?
Sind Sie im Stande, dieselbe zu be
fchreiben?«
»Nicht allein bas, ich lenne ihren
Namen und ihre Abresse.«
Mein Herz begann rascher zu schla
aen, alle meine Nerven spannten sich
an.
»Darf ich beides- erfahren2"
»Ich selbst lannte sie nicht« aber
einer meiner Kollegen. Es war die
rathe Käthe aus der Norddeutfchen
Weißbierhalle in der A—straße.«
Wiederum enttäufcht erkundigte ich
mich, wer das sci.
»Die Tochter der Besitzerin der
Weißbierhalle, ein Mädchen wie
Milch und Blut. Jhre Schönheit
und Ehrbarkeit ist im ganzen Viertel
belannt. Jtn Neftaurant Ihrer Mul
ter verkehrt gerade nicht die beste Ee
sellfchaft. aber die Köthe darf Nie:
mand fchief ansehen. Die verfiel-ts
fich in Nefpett zu erhalten« versicher:
ich Ihnen.
»Um so schlimmer fiir das arme
Mädchen.«
»Das habe ich auch gedacht —- fo ein
Herr hält sie doch nur zum Ratte-i,
und fiir einen armen Teufel hält sie
sich zu gut-«
»Ist das Alles, tvas Sie mir rnit
theilen timnen?"
»Amt«
Seine Miene bestätigte mir, daß er
wirtlich nichts von Erheblichkeit mehr
zu sagen hatte. So ließ ich das
Geldstiick noch in feine Hand fallen«
dankte ihm und entfernte mich rasch.
Meine Zeit war toftbar. Mir blie
ben nur noch CFirei Tage, und ich
mußte die glü lich erlangte Spur
weiter verfolgen.
U·Metn cheonrnneter zeigte auf zwei
ekr.
»Gut, so werde ich gerade zur rech
ten Zeit eintreffen.«
Dein Kutfcher die Adresse der Rhei
nifchen Weinstube zurufend sprang
ich in den Wagen.
III
.ha. wenn meine Augen mich nicht
g ert- —- Doltor status aber fein
Heide-, une- Juage.« tief ich. tm
zienilich torpxlenten 4Mannez der enich L
mit sorgen Worten m der Wemilude "
begrüßte, lachend die Hand entgegens
streckend.
Roderich Balding schüttelte sich die
blonde Löwenmiihne aus dem blat
ietnardigen. weinroihen Gesicht
»Ja« du bis-I ich lenn’ dich wieder.
Nimniet triinfn meine Augen.
Das find n die treuen Ziege-.
Tas ist noch ie nlec Stimme
Und die braune- Dinpsernaiel«
irrprovisirie er mit dem Pathos von
zehn Königen, meinen ernstlichen Pro
test gegen seine verleutnderische Be
haupiun mii einer majesiiitischen Be
wegung einer Rechten als völliå un
eilzetlich nnd durchaus nicht zur suche
ge örig von sich abwinlend.
»Nun wohl, Jo deicheide ich mich,"
ergab ich mich lächelnd in das Unver
meidlielx Wer mit Roderich Balding
dein berühmten heldenvatet eines der
ersten Theater der Residenz verlehren
wollte, mußte ihn verdauen. wie er
war, überwiiihig bis zur Tollheit
leniimenial bis zur Schwer-main mit
einem Brillantfeuerweel mehr oder
minder geistreicher Wiiee qeladen, laut
nnd exeenirisch. ein Mischmafch aller
mögl Tugenden und Uniu enden.
tin-Zi- ienrand vergleichbar a s sich
e .
.Heda, Ganymed. eine Flasche Mi
desbeiener für den alten Zecher da.«
donnerie er freudeflrahlend den Kell
M sil.
« ichi doch, salding was silli dir
ein — ich habe lauen sehn Minuten
W
seit· Jch wünsche nur wenige werte
in einer wichtigen Ungelegenheit niit
dir u sprechen-"
»Dein Minuteni O du Duelmäus
ser, ind das nicht übergenug stir eine
lumptge plaschei Allons, Platz ge
nommen, ill esessen! Und keine Silbe
von deiner A sicht. bevor du nicht treu
gebeielkteeh wie Lohengrin, der Ritter
nzii r ianghamgen Gans: woher
die Fahrt und wie dein Nani« und
Art. Oder zu deutsch: woher du
» kommst und was du in Berlin ans
freisen willst. Man schlägt nicht wie
der Blitz aus München in die Reichs
hauptstadt ein, um seine Freunde per
Ertrang zu intervietven und dann
wieder aus den Flügeln der Eleltrizi
tat zu verdusten.«
Baldina «batte im Grunde recht.
weshalb ich ihn in thunlicher Kürze
über meine Schicksale während der
letzten Jahre bis zur Stunde meines-«
Einzuges in Charlottenburg infor
mitte
»Allo schon vierzehn Tage hier nnd
noch nicht bei mir gewesen«-»
»Es war rnir beim besten Willen
nicht möglich.« ,
.Und heute nur ge's-rnrnen, mir ein
halb Duyend Fragen vorzulegen nnd
dann zu retiriren. O du Pharisäer,
du OtterngeinichL du nennst dich mei
nen reund «
» duld« alter Freund. Geduld!
Meine Absicht war, dir dieser Tage
seierlichr Vierte zu machen, rnich zur
Stelle zu melden und mehrenqu in
Eurer Tischriinde wieder einzuneh
men. Heute muß ich aber allen Ern
stes noch um Diäpens bitten — thu«
mir das einzige Mal den Gefallen
Roderich. stets mir fiinl Minuten
Nod-' Ist-;- sin Cons- vinvm Wes-Hö
präsidenten.« ·
»Es sei —- es sei.« fana der lustqu
Mime in so lauten Baßnoten, daß
das Gewölbe in der That von ihrem
Klange wiederhallte und die übrigen
Anwesenden, die ihren Pappendermek
schon tannten, sich lachend die Ohren
zuhieltem Dann setzte der Helden
vater sich in Positur. stülpte seinen
Klemmer auf die Nase. preßte die
Linie aus die Brust und sah mich niit
durchbohrenten Augen an·
»Herr Präsident, ich bin dereit.'
»Du tennst doch den Baron Franz
von Rabenau?«
»Ja Beseht.«
« erlehrst du noch mit ihm?·
»Wir waren erst gestern Abend zu
samtnen.'
.Wo?«
»Im Genietlub.«
.Was ist das siir ein Klub? Bitte,
antworte mir leise. ich möchte nicht«
daß wir gehört würden.'«
»Auch das nor-Hi Du oerlangft
Opfer aus Opfer.« n der That. Bat
ding war so gewöhnt, seine Rede an
die gesarnniten Gäste zu richten, daß
ihm die Veraewaliigung seines Ionos
ren Organs schwer genug wurde.
Trotzdem brachte er, wie er mit feier
licher Verbeugung eriliirie, der
Freundschaft auch dieses Opser.
»Der Genieilud ist, wie schon der
Name besagt. eine Vereint ung genia
ler Charaktere, vor zwei ahren i
gründet, um einem tresgefirhlten «
diiriniß adzudelsem Ursprunglich
scllte es ein Künstlerverein werden,
doch gehört diese edle Absicht- Gott sei
es geilagt, längst einer dunklen Ver-«
gangenheit an. Ge enwiirtig bin ich
er einzige Künsten der den Klub
verherrlicht, und —- wenn meine Be
scheidenheit sich diese Behauptung er
iauben dars —- vielleicht auch der ein
z· e geniale Charaiter darin- m
u rigen testeht der Klub aus Ange ö
rtgen der ieunesse doree. es wird ge
trunten, geliebt. gespielt und da
Geisi aus alle mögliche und unmögliche
Weise todtgeichia —- don der
Teufel, ich langwei mich schon lange
rnsrderisch in der Gemisch-Ist uno
wenn nicht meine Leidenschaft ftir das
Spiel wäre —-—"
Roderichssaldina stand irn see-riss.
einem der bei ihm Muttaen jähen
Strmmunaswechsel zu unterlieaen, das
her deeilte ich mich. ihm in's Wort zu
sollen, indem ich ohne weiteres Zögern
auf den Geaeniiand meiner Rasse-besse
zu reden lam. « f
.Beelebrt in eurer-n Club ein Doktor
Gembalsln aus Riaa?«
Zum ersten Male völlig ernst, fragte
er erstaunt: .Kennsi du ihn7«
.Nein.a.ber ist- möchte ihn kennen ler
nen.«
»Der Mann isi mir aufgesallen.« be
lendete der Schauspieler in tiesnackp
deutlicher Weise das besondereJnteresse
an ber räthielhafien Persönlichkeit,
welches ieter mit derselben in Berüh
rrna Gelanaenbe an ihr zu nehmen
pfleate. »Noch bin ich allerdings erst
zweimal mit ihm zusammentreten-Eisen
und weiß nicht, was ich von ihm halten
foll. Er besitzt Geist und muß reich
sein« denn er spielt mit ivahnsinniqer
Aaltbliitialeit Man bewundert ihn
allgemein.«
»Er ioll zahlreiche galante Abenteuer
haben i«
»So sieht er rnir aus, doch ist mir
nichts davon bekannt.«
«Kennsi du nicht eine junge Dame.
bis den Vorn-irren Olga sührti« »ich
stellte die Frage aus’sGerc-deroohl, o ne
Vorerllörmrg, ohne Verbindung.
.Diaai Olga —- ioie kommst du
darauff«
»Der Name wurde in Beziehung zu
Doetor Gembalsly genannt, und neir
liegt viel voran, zu erfahren, ever die
Dorne iit.« ·
Der heldenvater besann fich. »O a,
wer hei t nur Ol ai« murirrelte er. ei
nein bi sausen nilii den Ausdruck
verleihend mit been Damm sein be
W
rslnntes »Setn oder Nichtsein« Vorn
Stapel läßt. .Sonderbar, Dort-r —
liebe den Namen allerdings-nennen
? en. und das erst kürzlich« -——» er be
chottete seine roszen Augen nnt der
Serviette, urn sset nachdenken zu tän
nen. — »sa, sa, kürzlich —- war es isht
aus einem Bettes Don-erweiter. na
türlich aus einein Balle —- bei Gele en
beit des letzten Künstlersestes. lau
hies; die Schwester eines Clubgenossen
von uns, des Asiessors non Halt-en
brrn. Ein schönes Weit-, Doktor, und
rei —- boiin Zeus! Ein Engel von
Lie nswiirdiateit und Geist, nur et
was sehr schivärrnerisch veranlagt.'
s Jch zweifelte teinen Auaenblick. daß
F Olga von Halbenborii die richtige Ong
- sei, und srngte rnit snsi sieberbaster
Spannung, ob auch Toctor Gecnbcilöty
an jenem Feste theilnenommen habet
»Allerdinag —- ich erinnere mich,
daß er mir dort zuerst voraestellt wur
de. Ganz recht, er tanzte mit der Der
me. und zwar mehrsnch, so daß man
ibr und ihm schließlich zu der qrgcnsW
trgen Eroberung gratulirte.«
»Kann du nichts Näheres hierüber
erkunden « Dich ohne daß man die
Absi t merkt-J
. as willst du wissens«
.Ob in der That ein nölreres Ler
hälrnisz zwischen den beiden betehtf
Und was sür Pläne Doktor In
dalstn verfolgt oder zu verfolgen vcrs
giebt?«
»Warum nicht, wenn es sein muss
.Ader mein Name niuß durchaus
verborgen bleiben-«
»Mit du mich siir einen Anfän
Jers ottorchen, ich bin nicht un
onst so und so viele Jahre ntrigant
gewesen —- stell di heute A nd wie
der hler ein, so soll du genauen Rap
port erhalten«
Die »Ist Es —--L- ------- III
sc-- ve-» sei-, ask-v- usss uns-It Osts
da sein . . ."
Mein nächst-is Ziel weit die Nord
deutsche Weißbiertialle in der kl—
stieße. Die cEis-Junge befand sich iin
entlegensten Norden; ich harte Zeit ge
nug, mir über die bisherigen Erfoer
meiner Untersuchung Rechenschaft a i
zulegeih während ich in meiner
Dioschte über Iris Pflaiter der Mil
lioneniradt daniiirasselte.
Unziveiselhcist durfte ich mit den
bisherigen Ergediiisieii meiner For
schung zufrieden sein, insofern es
irsir gelungen war. einen iich immer
klarer gejtnltenden Einblick in das
Treiben des mysteriösen Fremden zu
gewinnen. Dagegen vermißte ich in
meinen Ermitteliingen noch jedes eiiif
das Verhältnis des Nussen zur dat
tin meines Freundes bezügliche Mo
ment, ein Umstand. der mich enan
entmuthigie. Indessen oertiette sich ja
die Spur, die ich folgte, mehr und
mehr, und ich hoffte bestimmt, das
auch der zarte Fuß Michaelns an der
rechten Stelle seinen leichten Eindruck
zurückgelassen hoben würde.
Wenn sie nicht unschuldig iß —
ivas mich jrni iinch iiieiir begluelt hätte
als txseute Martern denn nisiiinelsr
wußte ich, daß Doktor Gembalsty
nicht die Wege eines Ehrenmannes
ging. Er spielte. vrrpraßte riet Geld,
oequchte sich ein Ansehen zu geben —
tveis fiir Absichten mochte er in ker
lin verfolgen? Jn Wiesdaden hatte
er mit so gutem Erfolg gespielt, das
man in als Falschipieler ans der
Gesells st ausstieß —- liier verlor er
offenbar, warum ließ ihn jest sein
Glück oder fein Geschick im Stichf
Oder verlor er absichtlich? Warum
berivard er sich gleichzeitig iiin die
Gunst einer vornehmen und re
jungen Dame und eines eins n
Mindan aus dein Volle. dein er sich
vielleicht unter der Mai-le eines
schlichten Arbeiters näherte? ·
hossenilich würde es mir gelin en.
in der Nord-Deutschen Weißdier ulie
ein Mehrereö hierüber zu verneninen
—- dejdalb lodnie ich. um nicht do
vornherein Mißtroiien zu erwecken.
meinen Kirtsckr in einer Jeeliensirnse
ad und be b mich zii Fu in heil de
scheidene staiirant« de en Ilenßeres
weder weniger noch meth verlptnch
als die Berliner Destillen im a
nen erwarten lassen· Mehrere Stusen
ten in ein geräumines Ssuters
kennte-ist worin iich einige Tikck
und eine qrößere Anzahl Stühle be
anden. Die braun tapezierten Wände ,
kchmiickte ein alter Stahlftieik die
Schlacht dei König-grün darstellend
nur schien es mie, als hatten die Flie
gen weit mehr sichtbare Spuren in
Dieser Schlacht zurückgelassen als
sämmtliche Kanonen der seindliehen
Armeen Außerdem erblickte i der
schiedene mit mehr Ausdringltchieit
ms wkiqmack illustrlrte Netlamen
von Brauen-jen, Branntweinbrennes
reien nnd Fabriten von Selteess und
Bitterwasser, sowie ein antornatisches
Musiiinstrument primitivster Con
truetion wie es heute in teiner deut
chen Kneipe mehr fehlen dars, vor
ehn Jahren aber jedenfalls noch ZU
gen besonderen Se ,ens oder richtiger
hörenswiiediateiten eines Bestan
ranii gehörte. Ein kleines Bii ei
trennte das Immer in zwei esers
dene arosze Theile —- dahinter stand,
sze einer Batterie von la
schen und Glasern, ein junges "
chen im Alter von etwa zwa Isa:
ren, in dem ich ohne Schtoiere
Wer der Besiherim die tot-e
ertannte.
tFoetletuua islaU
In Deutschland ist auswei V
das Lachen verboten; nasnl z
zösische Witzblatt .Le Nike· Das
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