Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, March 02, 1900, Sonntags-Blatt, Image 16

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Va- liegt daran?
M von Max DTrschfelL
GMMWJ
Während der Vater sich unuvandie
and damit andeutete, daß er die Unterse
dung als beendet betrachte. schlüpfte
Edith hinaus und eilte in das Wahnsinn
mer, wo e die Tante mit dem Wirth
ichaftsbu beschäftigt fand.
»Das dachte ich mir," sagte diese, als
sie Ediths seuchtschimmernde Augen be
merkte, »es hat was gegeben nicht
wahrt«
»Der Vater hat mir gedroht, mich aus
längere Zeit zu Onkel Htllmuth zu schr:
cken, wenn-ich nicht ----"
Da sie zauderte, half ihr Die Innre
rasch ein:
»Wenn Du nicht auf fernere Spazier
gänge mit dem Grafen Eogar verzich—
test.«
»Und was räthft Du mir zu thun, liebe
Taute?« fragte das junge Mädchen, die
Angeredete mit schmeichlerisch bittender
Miene umfassend.
»Gehs)rchen, natürlich!« erwiderte Ein-.
ma, bestrebt, eine möglichst strenge Miene
anzunehmen, was ihr aber nicht beson
ders glücken wollte.
. then, Deine Zusammentiinfte mit Edgar
.Tantchen, Du weißt doch ««
«Was weiß ich?«
«Edgar ist doch der einzige ——«
«Der Dich heirathen möchte? Das
solltest Du wohl sagen; aber das ist
nicht der Fall. Vor einigen Stunden
war Major von Belgart hier und hat in
aller Form für seinen Sohn Georg um
Deine Hand angehalten.«
»Ich falle aus den Wolken. Der Va
ter hat mir ja nicht ein Wort davon ge
sagt.«
«Wahr-scheinlich weil er die Sache als
erledigt betrachtet. Er hat nämlich den
Antrag mit aller Bestimmtheit zurückge
wiesen.«
«Dafiir bin ich ihm dankbar.«
.Stande-si Da denn mit Georg oon
Belgart so, daß Du einen solchen Antrag
erwarten tonntest?«
»O, er hat bisweilen Redensarten ge
macht. die ich nur siir galante Phrasen
hielt und deshalb wenig beachtete, aber
sie miissen doch wohl eine tiefere Bedeu
tung gehabt haben. Nun. das ist ja
schließlich gleichgiltig."
»Sage das nicht, mein Kind. Die
selgarts sind doch wenigstens eine Fa
milie, die Dich gern haben will. während
es der Gräfin schwerlich angenehm sein
wird ——«
»Wer weiß- Tante!" fiel Edith schel
mtsch ein. »Dente Dir, ali- ich mit Lu
ete Köhler längs der Promenade ging«
die Gräfin die Straße hinunter,
In als sie mich bemerkte, ließ sie halten
nnd rief mich an. Siemachte mir Bor
wiirfe. daß ich sie nicht besuche, und bat
mich dringend, die Einladung zu ihrem
nächiten großen Rout anzunehmen, die
He uns senden würde."
«Pnpa wird das nicht erlauben.«
»Warum nicht, liebe Tante, eine Ein
ladung der Gräfin hat Papa doch reinen
triftigen Grund abzulehnen.«
»Wie die Verhältnisse jetzt liegen, glan
be ich jedoch schwerlich, daß Dein Vater
seine Eintpilligung geben wird. Das Ge
rede mit dem Grafen Feldern hat ihn
sehr erbittert und ich kann Dir nur ra
(
in Zukunft einzustellen. Dein Vater
wünscht den Bericht nun einmal nicht
mehr und was er that, geschieht nur aus
RZY Dir und in Deinem besten Jn
Vanm war dte unreryanung been-der
und nachdenklich und erregt schritt Edith
in den Garten hinaus-. Trotz des Ver
bots ihres Vaters war sie doch entschlos
sen, Edgar wiederzusehen, wenigstens
heute noch ein Mal und sich bei ihm Rath
und Trost zu holen. Schnellen Schrit
tes ging sie in den hintern Theil des Par
kes, wo das Feldern’sche Grundstück »an.
das ihres Vaters stieß und setzte sich dort
« unter einen großen Baum, der bis jetzt
als Rendezbougplatz zwischen ihr und
Edgar gedient hatte.
Sobald es dunkelm erschien Edgnr an
der andern Seite des Zauns und als er
Edith gewahrte, schwang er sich behend
über die trennende Bnrriere und wenige
Augenblicke später hielt er das junge
Mädchen in seinen Armen.
Einen Augenblick überließ sich Edith
widerstendslos den Liebtofungen des Ge
liebten, doch dann machte sie sich aus sei
nen Armen frei und sagte:
»Ok) Edgar, was soll aus uns werden!
Jch habe heute eine heftige Szene mit
meinem Vater gehabt und er hat mir
aufs Strengste jeden weitern Verkehr
mit Dir verboten«
Edgnr erschrak sichtlich, faßte sich aber
set-tell und erwiderte:
MS in aller Welt kann Dein Vater
denn gegen unsere Verbindung einzuwen
den bat-enti«
»Er denkt, Du meinst es nicht ehrlich
mit mir und fürchtet die böse Nachrede
sitt mich,« erwiderte Edith. ;
Unter diesen Umständen werde ich als !
Mann sofort zu ihm gehen nnd ihn da- t
m til-erzeugten daß ich nur den einen :
Gedanken be, Dich sobald wie möglich «
meiner rau zu machen. Ich rnbchte
wissen, ob auch dann seine Gründe
unser-i ferneren Verkehr noch sticky
. Seliebter,« erwiderte Edith
Jbue das seht nicht. es sitede«die«
nur verschwemmt Selbst wenn
seh Binsen-e redliche- Ua an
»Meine Fern-lief lachte Ort-f Edgar.
»Wer hat das M, sich in seine Der
zensanselegenheiten zu mischen. Ich
thue wag ich will und gebe keinen Pfif- ;
serling um die Konvenienz.« i
«Und Deine Mutters« fragte Edith «
zweifelnd.
" Firi meiner Mutter bin ich selten ei
ger Meinung Außerdem bin ich miin
i .«
I Kund Euer ganzer Adel?
« »Mei? — - Durch die Liebe zu Dir
I fühle ich mich erst gest-ell. Wenn ich nur
an Dich denke fühle ich mich su stark als
· könnte ich spielend jeden Widerstand bre
Lchen «
I Er benutzte diese Erklärung, um sie
: noch einmal an sich zu ziehen und ihren E
kleinen Mund, dessen roilie Lippen dazu ;
I heran-forderten mit Küssen zu bedecken. »
So poetiscb diese Lage auch war — der »
« Mond schien hell herab und eine Nachti
I gnll begann ihre wundersamen Weisen »
I- ,so schien sich doch m Editth Köpfchen
die vorhin berührte praltisckse Gedanlen
Zreihe fortgefponnen zu haben —- wieja in
! der Frau die wunderbarste Liebesidylle
mit sehr prosaischen Vorstellungen zu
sammenwohnen kann. Den jungen Gra- «
fen noch immer zärtlich anblickend, löste
« sie sich mit Entschiedenheit von ihm ab
I und sagte: I
»Ohne Einwilltgung meines Vaters
«l
Edg mußte sich eine Weile sammeln, J
l
i ist eine Jrath doch nicht gestattet.«
! ehe er erwidern tonnte:
»Es giebt Länder, in denen heirathen «·
s auch ohne Einwitligung des Vaters ges Z
; schlossen werden tönnen.«
Jetzt blickte ihn Edith erschrocken an. z
Das war ein neuer Gedanke, den sie nicht ·«
sogleich zu fassen vermochte.
-DU denkst Poch nicht dumm« begann ««
sie zögkmd »die Heimath zu verlassen-« ; «
(
»Ich dente schon lange daran, ob es ; ""
nicht am besten wäre, diesem Elend zu
entsliehen.«'
«Meinen Vater verlassen?« fragte:
Edith athsernlos und zitternd.
»Wenn erDeinern Glück im Wege steht,
ja,« beharrte Edgar.
»Es giebt so viel Unglück, von dem ich
verschont bin. Habe ich denn aus so viel Z
Glück Anspruch?«
»Jtdet Mensch hat aus das möglichst
größte Glück Anspruch, das er sich ver- .
schaffen kann. Siehst Du, das ist auch
einer von den Sätzen, die in mein philo
sophisches System gehören, und immer
mehr entdecke ich in Dir die Anlagen zu ,
l
i
i
l
s
l
l
l
l
l
!
i
l
l
i
einer kleinen Philosophink mit der ver- «
dündet ich mich befähi glaube, etwas
nicht Alltägliches zu le n.«'
»Du wirst einer der größten Philoso
phen werden« die es se gegeben hat." .
Aus jedem anderen Munde hät
te ihn diese Schmeichelei verlest
Aber nicht einmal das schelmi
sche Lächeln , von dem dieselbe be
gleitet war, störte-ihm Er war so be
friedigt, als wäre jener Ausspruch ihm
durch ein besonderes Diplom einer Ia
tultät bestätigt worden, und dankbar zog
er ihre Hand an seine Lippen.
»O, wie will ich schaffen,« rief er aus«
«wie will ich aus Deinem Anblick immer
neue Kraft zu feuchtdringender Thiitigi
teit schöpfen! Du bist der Engel, der
mich aus dem M der Vorurtheile
führen soll, in dem ich hier ersticke. Wie
ist mir die Heimath verleidetk Wie sehne
ich mich hinaus in eine freiere Umgebung,
in der ich nicht unter den tausend Nat-el
stichen zu leiden habe« die hier von allen
Seiten aus mich eindringen.··
Z
l
t
i
l
i
l
l
l
Z
l
l
l
l
l
l
i
s
1
l
I
1
c
l
i
i
I
l
i
-——-- —
IRS
Jst-: jchones Gesicht glänzte vdk Freu- -
be, als er so in pathetischen Worten zu
ihr sprach, —s— sie hielt das für eine be
sondere ihr dargebrachte Huldigung. und
sie floß ooll Theilnahme über, als sie ei
nen Zug des Leidens in seinem Antlitz
bemerkte.
»Mir war eg so, als ob ich gerufen wür
de,« sagte sie lauschend, dann fügte sie
nach einer Weile hinzu: »ich fürchte nur,
daß ich nicht alles verstehen werbe, was
Du schreibst. Jch habe mir einmal aus
der Bibliothet des Vaters ein philosophi
s ches Buch geholt, aber ich kam nicht über
die erste Seite hinaus. Es sind gar zu
viele schwere Fremowörter brin«, schloß
sie, ihn mit einer allerliebsten Ungewiß
heit anblickend, ob sie nicht etwa eine
Dummheit gesagt hätte.
»Das stimmt,« sagte er lächelnd, «aber
mit der Zeit und mit gutem Willen lernt
man diese Frembwörter tennen und mit
ihnen wie mit anderen hausbackenen
Worten umzugehen.«
»Wenn ich nur wüßte, wie Du es an
fangen willst, so —- so berühmt zu wer
bm «
«Daburch, daß ich neue Gedanken aus
spreche. Jch kann es Dir auch fest ganz
kurz erliären,« sprach er eifrig, und es
war ihm anzumuten, baß er jetzt aus ein
Thema lam, welches ebenso seinen Ver
stand, wie die Liebe zu Ebith sein herz
aussülltr. «Siehst Du, die Philosophie
beginnt mit Kant, der die Unzulänglich
leit unserer Vernunft bewiesen hat. Nach
ihm machte Schopenhauer k ar, daß nicht
nur unsere Demuan sondern-— auch das
ganze Leben nichts werth wäre.«
.O Gott,« sagte Edith ängstlich, »das
wäre ja schrecklich· Wenn nun alles
nichts werth i , wozu die Leute ba nur
noch philosoph ten mögen! Und da Du
Dir gerade so etwas ausgesucht ha , wo
e? bdoch eigentlich nichts rnehr zu thun
g e t."
; «höe' mich nur erst zu Ende, Ebith,«
; Ebgar eifrig fort. .Der neueste
! losoph also ist Riesschb Der bete-set
i nun wieder, das Leben sitr einen
kleinen Theil der Menschen d einen
haben könne. Damit bin aber
M
Me— · M
»Was-Lichtsc
-
—--·
-·-«—-——
W
ganz durchdrungen n. nicht einen Nase n
kck daran zweifeite und ihn voll Be
wundetnn ansah —- »und ich werde be
weisen daß nicht nat ein kleine-e Theil
sondern die ganze Menschheit annähernd
das Glück finden lann nach deni sie jetzt
verzehenä ringt- und jagt. «
dith blicte ihn mit einem Stolze an,
ais hätte et diesen Vortrag vor einer Ge
lehrtendeefaismlung gehalten und wöoe
mit dem größten Benall belohnt worden.
Sie hatte die besieAb cht, ihm etwas dat
auf zu erwidern. das ihm ihr Verständ
niß beweifen sollte. brachte abe: nur ei
nen verworrenen Sah zu Stande, der
mit det plötzlichen Frage endigtex
«Weißt Du schon daß Geotg von Bei
gatt um mich angehalten hat?'«
Nein. Was soll das? War er heute
bei Euchs-"
»Nicht et, aber jein Vater. ist wurde
aber von Papa abgewiesen« ,
»Und Sizii-« I
Edith streifte ihn zunächst mit einem ;
kleinen Schlag auf die Hand fiie die Ei. f
fetsucht weiche sich in seinen Biicten ;
zeigte. «
»Ich wurde gar nicht gefragt, und ich
bin auch damit zufrieden. Der Vaters
Antwort war auch die meine.«
«Diese Belgatts!« mutmelte Edgor. «
»Die gehören in etftee Linie zu Denje
nigen, weiche mir das Leben hier am Orte
verleivein Beide sind sie mir verhäng
nißdoll geworden, Geotg und Aeohella.
Er bat mich veranlaßt einen Theil mei
ies Lebens mit Erbärmlichteiten zu ver
:todeln, und iie —- -, aber davon will ich
chiveigenk
»Der-on g e e a d e nicht!« tief Edith
:n einein etzürnten und beschiean
Ton. dessen Begleitetscheinnngen sie be
tont-ers gut tleideten« »ich habe ein
Intecht darauf. Deine Beichte zu ho
:en.«
4.
»Ist der Zeit, in welcher ein junger
Mann das andere Geschlecht mit beson
deren Augen zu betrachten anfänqt
sieht er Helenen in jedem Weibe. Diese
Ertenntnisz bat Arabella sich zu nuse
gemacht und durch sriihzeitiges Entar
gentommen mich zu sesseln versucht. Jch
durchschaute ihren ganzen Plan; ste
wollen sich in unser beiderseitiges Be
sitzthum einnisten und ihrem zerriitteten
Hausstand sowie ihrem gesunkenen An
selxen wieder ausbelsen. Das ist eine
unserer tranthastesten sozialen Erschei
nungen. heirathen. Erben, Spielen,
das sind die Arten, aus welche man zum
Wohlstand zu gelangen bosst, und nicht
mit Unrecht. Aus dem Wege ehrlicher
Arbeit kommt man selten zu etwas. Hier
taan aber nur die Philosophie helfen,
die Philosophie. die schon im vorigen
Jahrhundert die bewegende Kraft war.
und die heutzutage mit unendlich cer
größerten Machtmitteln austreten tann.
Beweisen, daß jeder Mensch ein Unrecht
ausdas möglichst erreichbare Glück hat,
heißt schon, ihm die Grundlage dazu
chsfim« ·
Er wollte sein-e Gedanlen noch weiter
ausführen. aber als jekt das Mondes
licht aus das in seiner Kindlichteit und
ernsten Aufmerksamkeit doppelt anzie
hende Gesicht seiner schönen Zubiirerin
stel, schalt er sich selbst im Jnneren
tböricht. daß er philosophire, wo das
Küssen am Platze sei.
Nachdem dies in ansgiebigem Maße
geschehen« war, glaubte Edith in ihrer
Gewissensangsi wieder eusende Stim
men vom Hause her zu vernehmen und
erklärte bestimmt, daß sie nun geben
müsse.
»Und wann sehen wir uns wieder ?'
fragte Edgar.
»Ich weiß nicht, —— vielleicht gar
nicht«
»So sehen wir uns heute also zum
letzten Male?« sagte der Liebhaber, ein
Lächeln unterdrückend
.Vielleicht.«
»Dann laß uns dieses letzte Beisam
mensein wenigstens so viel wie möglich
verlängern.« ,
»Was nüst es? Je länger wir bei
sammen sind. desto schwerer wird die
Trennung.«
»Ich habe aber noch so viel mit Dir
zu sprechen.«
.Könnten wir nicht morgen oder
übermorgen —"
»Du vergißt, daß dies heute unsere
letzte Zusammentunft ist, aber ernstlich,
wir müssen einen Entschluß fassen. Jch
lann und will ohne Dich nicht leben,
und D u H«
Statt aller Antwort ergriff Edith
seine Hand. schmiegte sich an ihn und
legte ibr Köpschen an seine Brust. Jn
solge dessen entstand wieder eine lan
gere Pause, bis Edgar sortsuhr :
»Unsere-r Bitten nachzugehen scheint
man aus beiden Seiten nicht die gering
ste Lust zu haben Jch bitte Dich daher.
erwiige ernstlich meinen Vorschlag, von
hier zu entfliehen. Weshalb sollen wir
uns stets diese Zusammenliinste stehlen,
in der steten Angst wie Verbrecher er
tappt zu werden. Fassen wir lieber al
le unsere kleinen Sünden in eine ein
ige grosse zusammen. Jeh habe mir
schon all-ei vorher übetlogt Unser Reise
siel wird Amerika sein —«
«Still, still, Edgar, nun will ich
nichts weiter wissen. Nach Amerita ge
hen ja immer die Leute-» die ein wirllis
ehrt Verbrechen begangen haben. Nein,
so etwas darfst Du nicht wieder sa
«Dns war vor hundert Jahren so,
mein Kind, heutzutage sährt man nach
Amerika über den Ozean, wie damals
über die Ostsee von Stettin nach KI
Mberg Die ganze Fahrt dauert
tanrn eine W
Und Inn sollten wir in Inseon
nie
Mlswermrtkshm
so lange, bis die Einwilli ung unserer
« Eltern eintrisst Jch halse mit schon
alles überlegt. Sogar an den Geld
pnnit habe ich gedacht Ich besihe ein
kleines. verfügbates Vermögen, von
dem wir allein schon zwei Jahre leben
könnten, freilich. nicht fo, wie wir es
biet gewöhnt find, aber doch ohne Sor
gen-«
Edgat war im bestes Zuge, seine
Pläne zu entwickeln, als im jenseitigen
Bart thatsiichlich Stimmen hörbar
wurden. Noch eine rasche Umatmung, -
dann flog das junge Mädchen noch der »
Pforte und verschwand hinker derselben I
Viertes Kapitel
Jn- Kosnps ums Dasein.
Tas Billenviertel, in welchem vie
Landhäuser Trendlins nnd der Gräsin
lagen, schloß sich eng an das vornehme
Viertel der Stadt an. Jn diesem un
terschieden sich die eigenen Paläste der
Reichen wenig von den Wirthshäusern T
da diese den äußeren Stil jener nach
ualnnen suchten. Anders sah es im
Innern dieser Miethshäuser aus. Hier
mertte man oft, daß die betreffenden H
Familien ihren Wohnsitz nur ausgexchlm -
gen hatten, damit es hieße, sie wo nten -
itn vornehmen Viertel.
Jn Berlin entbehren selbst die von
den Armen bewohnten neugebauien ·"
häuser nicht einer gewissen Eleganz.
Fu den großen Provinzzstädten dagegen
seht ost das Innere derjenigen «
Wirthshäuser, welche vom wohlhaben
den Mittelstand bewohnt werden, ziem
lich schäbig aus.
Jn einem solchen Wirthshause be
wohnte die Familie des Masors oon
Belgart eine ans fünf sehr kleinen Räu
men und einem größeren Solon besie
hende dritte Etagr. An dem gemein
schaftlichen Wohnzinimer war die Ge
schichte und der Charakter der ganzen ,
Familie erkennbar-. Da standen neben «
einein alten. reichgeschnihten Rototoses
sel, an dein ein Bein nur lose hing, ei- .
nige Stühle billigster Art aus einem
großen Möbelbazar. f An den Wänden
hingen Abnenbilder aus verschiedenen
Jahrhunderten. die alle recht schlecht ge
malt waren, —- denn diejenigen, die ri
nen Kunstwerth hatten. waren aus einer
Kunstaultton längst vertaust worden«
Aus einer Causeuse, deren verderbli
ches Brotat an einigen Stellen schon
Risse aufwies, saß in halbliogender
Stellung ein junger Mann, eine Eigen
re rauchend. Sein Gesicht war nicht
nnschön· namentlich gereichte ihrn der
wohlgepflegte Vollspitzbart zur Zier
de. Jedoch die blassen, verlebten Zü
ge und die Augen« die stets hönisch zu
blicken schienen, störten den günstigen
Eindruck
Die Thiir des Nebenzirnrnerj sissnete
sich. und der Major trat ein. in herndss
ärrneln, einen schädigen Schlafrock nach
sich schleppend, den er während des Spre
chens Mog. «
.So, so,« sagte er, «Du rnhst wieder
einmal von Deiner anstrengenden Ar
beit.'
»Der Apfel stillt nicht weit vorn
Stamm.'
»Diese Dummheit,« birrnrnte der
Maja-r vor sich hin, «rnich mit dem Bett-(
gel einzulassen. Da sollte ich doch schon
— ——, kannst Du mir eine gute Cigarre
Sei-Etli« « .
Ohne seinen Korper aus oer e:nrnar
gewählten Lage zu bringen, zog der
Jüngling einige in einer Papierbüte ste
ckenbe Cigarren hervor und reichte sie set
nern Erzeuger.
»Da! Kannst sie alle behalten-«
Der Major betrachtete dieses Geschenk
rnit gemischten Gefühlen.
»Ich wollte Dich ucn Deine Besuchs
cigarren nicht berauben. Könntest Du
rnir nicht mit einer aus Deiner Eigennu
tasche bienen?«
Gearg von Belaart brachte nun rnit
sichtlich geärgerter Miene bie Cigarrengi
tasche hervor, entnahm derselben eine Ci
garre und reichte sie seinem Vater hin.
Dieser ünbete sie an, nickte befriedigt,
sette fis nieder und sagte dann:
.Also nun kann ich Dir Bericht erstat
ten. Jch war- bei dem alten Trendlin und
habe Deinen Austrag ausgeführt.«
.Welcben Austrag?« sragte Georg, rnEt
beiden Füßen zugleich aussnrtngend.
»Nun, ich habe —, sie setzten rnir übri
gens einen seinen Marlgräsler vor.«
»Von welchem Austrag sprichst Du?«
wiederholte Geor dringend.
»Na, ich habe für Dich unt bie Ebith
angebalten.'
.Wa32 Was hast Du gethan? Du
beliebst wohl zu scherzen, Vatert«
»Daß ich nicht wüßte! hast Du mich
benn nicht extra beaustragts'
»Wie ist die Sache denn als-gelaufen I«
«Schlechtt Er hat den Antrag rund
roeg abgewiesen.'
«Unb Mich«
«War nicht zu egen.· «
Wie konntest u Dir aver erlauben.
— soviel ich mich erinnere, habe ich Dir
doch nur esagt, Du möchtest einmal aus
den us klopfen.«
"hrenb der Major sich Zeit sur Er
widerung nahm, sssnete sich abermals vie
Thür und ein junges Mädchen trat ein«
Es war eine etwas übermäßig s laute.
ohe Gestalt mit einem unzwei elhast
übschen Gesicht, in welchem nur der
wachsbleiche Teint wenig angenehm auf
iel. Daar unb Augen waren dunkel,
s erstere bedeckte in reicher itlle den
Kopf und schien r bat kleine sicht ei
nen zu gr n ahnren zu bilden. Der
In ug ver inttetenben war ein bilsterez
wars, und man hätte sie site eine
Iraueende halten thueee obgleich dazu
Ist seine sersntasuna W
.-,- »--—.-, . -««--—. . « —-»-«.-s
EIN doch. Arabella.« wandte sich
Georg an die Wer, »was unfer gu
ter Vater da wieder angerichtet hat. Geht
iu Trendlin,wirbt turzweg fiir mich um
? Edith nnd tiifzt sich einen Korb eben."
»Er hat es mir selbft au getr en.«
beharrtederMajor. »Ueb'rigeneha ich
mich auch gleich gerächt- indern ich ihm
das Berhiiitniß zwischen Edith und Fet
dern unter die Rufe rieb.«
»Du thatefi am besten« Vater.« tagte
Arabella. »Ach in unfere Angelegenhei
ten nicht zu mischen Du weißt, daß un
fere ganze hoffnung darauf beruht. vor
theilhafte Partien zu machen. Und nun
Mist DU hin Und Wktfft uns einen Stein
in den Weg«
»Ach was! Georg tann noch ganz
andere haben-als to ein Bürgermädchen
Da ist zum Beisiiiei die lleine Hof
mann « «
»Das war damals nie ich noch die
Uniform trug. Die ofmann war in die
bunten Lappen vernarrt. Jetzt wiirde sie .
mich nicht met-r ansehen« « j
»Ja. ja, es ioar eine dumme Geschichte, ;
daß Du das Regiment aufgeben mußtest
ein paar etender Wucherer wegen«
»Du erhielteft den Abschied nicht ge- I
rade aus ehre-wollen Motiven. Jch bin I
eben nicht sehr vorsichtig in der Wath
meiner Eltern gewesen. Der Vater hat i
das Vermögen der Mutter zu feinem
Vergnügen aufgebraucht und die Frau I
Mutter -—-«' I
»Daß die Mutter in Ruf-es fiel ihm
Arabella heftig in die Rede. »Ich denke,
es ift genug, daß sie jetzt im Lande her
umreift und bei den Verwandten für
uns bettelt, während wir die Leute glau
ben machen. sie sei im Bade.«
»Ja, ja! Das ist eine Welt,« sagte
der Major, behaglich weiter rauchend
»Die Kinder machen den Eltern imer
Vorwürfe. Jetzt fehlt nur noch Euer
Lieblingsthemm daß wir Euch nicht rich
tig erzogen haben-«
»Das wäre wenigstens ein gerechter
Vorwuer bemerkte Arabella bitter.
»Ihr habt Georg zu einem großen Herrn
und mich zu einer vornehmen Dame er
zogen, obwohl Jhr wußtet, daß dazu
teine Mittel vorhanden waren.«
»Es war eine Spetuiatian.«
.Mit fremdem Gelds· fiel Arabella
ern·
»Sie rann noch immer gruaiich av
laufen-«
»Das ist es ja,« rief das junge Mäd
chen erzürnt. «Mich habt Ihr so weit
ebracht, daß ich mit allen Mittein danach
streben muß, einen reichen Mann zsi erja
gen, urn aus diesen elenden Verhaltnsssen
herauszutonirnen An nichts auf Der
Welt eine reine Freude zu haben. irnnrer
nur daran denken zu müssen, jedes Wort
daran zuzuwinken jeden Menschen auf
seine Berwendbarleit prüfen zu müssen,
«- das ist eine Strafe Gatte5.«
.Na. ich denke,« nahin nun Geora das
Wort, »so schlimm ist die Sache bei Dir
doch nicht. Nehmen wir zum Beispiel
Edgar. den möchtest Du doch wohl auch
so haben wollen —, auch wenn Du nicht
aus fein Geld zu sehen brauchtest.«
»Nun daß er nicht so leicht zu haben
ist« Gerade seinetwegen ist mir meine
lächerliche Lage unbeqneni. Wenn wir
reicher wären, würden mir taniend Zer
streuungen zu Gebote stehen, urn mich ihn
vergessen zu lassen. Jetzt aus ihn ver
zichten zu müssen, ist siir mich die hölle.«
»Du wirst ihn schon triegen,« tröstete
sie der Bruder. «Die Gröfin ist ja fiir
Dich, unddas ift die hauptsache.«
«Freilich« aber was hat das auch ge
tastet, der Gräfin wie aller Welt Sand
in die Augen zu streuen. Was rnan sonst
auch von uns denken mag. sie halten uns
alle site vermögend, — Du lieber —-!
Nun, lassen wir hast«
Sie trat an Georg heran, und sich zu
ihm herunterbeugend, fragte sie leise-.
chast Du geichrieben?«
Geng nickte und wars einen bezeich
nenden Blick auf den Vater. Sogle;ch
wandte sich Arabella an diesen:
»Bitte, geh' doch auf Dein Zimmer,
Vater, und tleide Dich inn. Wenn Je
mandtornmt und Dich so sieht-—
übrigens steht im Spiegelschrante eine
Flasche Vorbearer
.Merte schon, wo das hinaus will.«
brummte der Alte. »Alle im Spiegel
schrante, —- ich gehe.« .
Kaum hatte der Maior die Thür« hin
ter sich geschlossen, als Arabella mit ai
len Zeichen erregter Erwartung sragm
JYUrd er kommen?«
---· txt
»Ich ksllssc. Jus yuvc un Wer cui tut
geheuet steundschastliches Schreiben ge
richtet und ihn gebeten, mich in einer
wichtigen Angelegenheit zu besuchen«
»Was willst Du vorichiiyen wenn er
tvrnrni?«
»Dann erzähle ich ihm etwas von ei
nem Spielverlust aus Ehrenwort und
pumpe ihn an.«
»Das lasse diesmal. Dadurch wiirde
er sich kaum zu seinem tünftigen Schwa
Per hingezogen fühlen. Wenn Du wirt
ich Geld brauchst, kann ich Dir etwas
geben. Frage ihn einfach um Rath, ob
Du Dich um Edith bewerben sanf. Er
ist ja ihr bester Freund. Natürlich mußt
Du vorsichtig sein. Sobald er sich ir
gendwie verletzt fühlt, lenist Du ein. Du
tönntesi auch durchbliclen lassen. daß Du
irgend welche hoffnungen aus Epith
dssddsss«.« . .. .
»Das wird nicht einmal start uhertrtes
ben sein« Weshalb sollte ich ieine hass
nungen haben? Daß der alte Trendlin
mich abweist, beweist gar nichts! Aber
ans Edith glaube sch. habe ich eini en
Eindruck hetvorgebrachi. wie bei a a
Fianenziinmern nnd wenn ich et nur
recht daraus anlege, so wird sie mir eben
sc wen en heu. als alle die anderem«
Eekr gut Du slanpsi also, selsiire
(- eine solche Gans, daß sie Deinettoeges »
, den reichen Grasen schießen lähjk »
! »Zuniichst bedenke, daß sie ils- noch
nicht so gan sicher hat. Es giebt noch
Andere, wel aus ihn Anspruch Fauchen
So zum Beispiel habe ich eine schöne und
energische Schwester, die es nicht vergessen
wird, daß sie einmal note daran war, den
Grasen und seine blnnten Füchse in die
Händ- zn kriegen. Wenn Edith aber erst
- einsehen wird, daß sie zu viele hinder
nisse zu überwinden hat, nin diese ane
Frucht zu pflücken, dann wird sie viel
leicht dentenr Der Freiherr Georg von
Belaart ist auch kein übler Bissen«
»Ja.« sagte Arabella hiihnisch. ·
,.Jch versichere Dir, im Gro en und . »
Ganzen habe ich nicht gesunden, ß seit J
deni Ablegen der llnisorrn nein Glück «
bei den Damen so wesentlich nochqelassen c
hoc-« «
»Das heilte ich gemerkt, « als Dich
neulich der alte Mann mit dem Sieh
fusz besuchte. Wenn ich mich necks«
täusche-, isi er Orgeldreher. -— lmd M -
Tochter - «
»Du hast gelauscht k«
»So wac- inan sites Haus braucht !·
Ihre Unterredung wurde durch d·
Meldung des Dieners « — eines sehr jun
gen Menschen, dein die Livree des entlas
senen, nuggewachsenen Dier um den
Leib schlntterte « unterbrochen baß
Gras Feldern im Solon warte.
,,(Sjel)’ Tu zuerst !« flüsterte Arabella
ihrem Bruder zu. »Er-bald ich nachher
in den Solon komme, verschwinde Du.
Jch must ihn allein haben l«
Sie zog sich zurück, einerseits unt ihrs
Toiletke zu vervollständioen, andererseits
um gen Vater vorn Salt-n sernzuhnlten
Funites Kapitel.
Lllte Freundschaft
tiiz war Edgar schwer genug gewor
den. der Einladung Georag, ihn zu be
suchen, Folge zu leisten. Der unheilvolle
Einfluß, den die Brigartschen aus ihn
aus-geübt hatten, war bei ibrn unbergesi
sen, und er fühlte-wohl, daß sie noch im
mer ihre Netze woben« in welche sie ihn
bineinzuziehrn versuchten. Gerade des
halb aber wollte er eine Aussprache eher
suchen als sliehen Den Kovi wie der
Vogel Strauß in den Sand m stecken,
in der hoffnung, nicht gesehen zu wer
den, wenn er selbst nichts säbe, schien ibm
verkehrt Im Gegentheil war es soine
Absicht, ihre Pläne möalichst zu ergrün
den, um sur alle Fälle seine Maßregeln
zur Abwendung drohenden Unheilg tref
sen zu können. Wenn er ferner daran
dachte, daß es sich vielleicht nur um eine
Geldangeleqenheit handle, wollte er es
um so weniger versäumen, der Familie
oder einem Mitgliede derselben den leich
testen Dienst zu erweisen, den es giebt,
aus einer vollen Tasche zu spenden.
Denn ein wenig sühlte er sich in· der
Schuld der Belgarttz, Arabellas wagen
Auch er glaubte an die Wohlhabenden
der Familie. kannte aber ibre Verschwen
dunggsucht, welche Vater und Sohn ab
wechselnd in Geldberlegenheit brachte.
Ungeduldiq wartete er im Solon. bon«
Herzen wünsche-id, daß dieser Besuch
schon vorüber wäre. Georg erschien, ihn
mit harmloser Miene begrüßend, als sei
Edgar aus sreiem Entschluß hergekom
men. um der Familie vorüber-sehend ei
nen Besuch abzustatteru Edgar, in allen
Dingen übermäßig peinlich, brachte es
nicht über sich, direkt zu sraaen, welches
Anliegen der ehemalige Ramerad an ihn
habe. Schließlich verlor er die Geduld,
zog die Uhr, erhob sich und rüstete sich
zum Weggehen
«Abee Du hast mich ja noch gar nicht
gefragt, welches Anliegen ich an Dich
habe,« sagte Georg. ihn zum Sitzenbleii
ben nöthigend
»Es ist wohl nicht-«- besonderes Wich
tige-L wie ?"
-Dvch ! Es ist eine hellele Angelegen
heit, ——- ich wollte Dich nur urn Deinen
freundlichen Rath bitten. Nämlich —-.
turz und gut —-— ich möchte mich um«
Edith Teendlin bewerben.'
Jn Cdgarg Antlitz zeigte sich keine
Ueberraschung Ein Weni« war er nur
innerlich verwundert darüber, daß Georg
die-se Absicht ihm gegenüber aus-sprach »
nachdem doch die Bewerbung des Majors
abgelehnt worden war. Er wollte schon
antworten : »Das ist doch bereits ge
lchehen,« dann siel es ihm aber ein, wie
gleichgiltig ihm alle darauf bezüglichen
Sorgen der Familie Belaart sein Hinu
ten, und er sagte :
»Und wag habe ich mit die-sei Ange
legenheit zu schassen ?"
»Du bist ja mit Trendling gut be
kannt, Cdith und Du, Jhr seid ja
Nachbar-Blinden Nun liegt mir mein
Alter immer in den Ohren, Edith sei eine
gute Partio siir mich. Er dentt ganz
ernstlich daran.«
Edgar murmelte einige gleichgiltige
Worte. «
»Für Meoallianeen bin ich nun ge
rade nicht, weißt Du, aber heutzutage i
es doch schon so eingerissem —·— kurz un
gut, was röthsi Du mir i« :
»Es liegt doch viel näher, den No h
Deiner Angehörigen einzuholen —« .- -
»Nun ja. ja in Bezug aus die Meint
lianee meinst Du, -— aber es kommen
noch andere Punkte in Betracht· Glaubst
Du, daß Edith geneigt sein würde, mir
ihre huld zu schenken s«
»Nein. so weit ich Fräulein Trendlirs
kenne. glaube ich es nicht«
Gmltbuns folgt)
k-——-———-o o s-—-. -.-..·..—-«
Druckfehler.
. ..... Von dem regen Jagdeifet Se
teniisimi zeugten auch auf der qesirk
Treibjagd wieder vitle gut seinig
VOZ