Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 15, 1899, Sonntags-Blatt., Image 9

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    Photograpyiscyc Schnelltcirgcupme
—
Von Hofrath Joscf Umriss-.
Zwei große Probleme, die eine un
gmhnte ekvolllommnimg der elektri
schen Teleqraphie bedeuten, gehen in
Filletjüngfier Zeit ihrer Lösung entge
pcn, die Telegraphie ohne Draht od-r,
richtiger gesagt, das Teleqraphiten
ohne zusammenkänqenbe Leitung und
dic- Schnelltelegropb e.
Die allekjiingite Erfindung auf letz
Item Gebiete ist Vas- Systcm Pollab
se sen d O Ihsessö Ho «ak«
Its-r t.
I III-CA
Mtag. Das eian ste, bisher immer
noch am meisten der reitcte System ist
der Morse - Telegravtn Seine mitt
lere..6chnelligteit Ist stündlich mit 25
Depeschen zu 10 Worte erschöpft. Das
neue System Pollatchrag gestattet in s
einer Stunde die Abgabe von 10,000
Telegrammen zu 10 Worten, also
MWW Worte in der Stunde.
. Das von den beiden Ungarn. dem
Eiettrotechniter AntonPollat und dem
Mai inentngenirur « osef Virag in
wahr aft genialcr « eife ersonnene
neue S stem, führt auf photographi
fchern ege zum Ziele. Der sich durch
große Einfachheit seines Grundgedan
kens und feiner Constrnction auszeich
net-de Apparatisttvie folgt beschaffen:
m Zeichcngeben wird ein perfo
ri crsStreifen verwendet» und- in der
Empfangsftat.on werden die Strom
irnpnlie in ein mit einem tleinenSpics
ael aus eriiftetes Telephon geführt,
dessen embrane diesen Stromimpul
sen entsprechend in Seinvingungen ver
etzi wird. Diese Schwingungen mer-«
den auf photographime Wege ficht
dar emacht· Statt der Punkte und
der inien des Morfe : Alphabetgi
nstrden diesen Zeichen entsprechend von
Sonntags Mark
beiiage des ,,anesger uncl bekom«
J P. Wind-ille Herausgeber Grund ngand Liebk: dcu l). Der 189J Fnljrqanq z() No.15
TQieiclzen gut leserlich zu machen, trotz
nterstütznngspuntk des Spiegels bil
det. Diese Feder ist nun mit Hilfe ei
nes Stäbchens mit der Menibrane ver
bunden, daher nie kleinen Bewegungen
der letzteren eine drehende Bewegung
Les Spiegelg verursachen, welche, da
die tlnterstiisungspnntte des Spiegel-s
sehr nahe zu einander liegen, verhält
nißmäßi große Amplituden besitzt·
Diese Lösung hat gegenüber anderen
möglichen L· sungen den Vorzug, daß
infolge des geringen Gewichtes der be
wegenden Theile die Geschwindigkeit
der Membraneschtoingungen nicht ver-s
mindert wird.
Das Licht einer kleinen Glühlampe
F sällt auf den kleinen Kontavspie el.
welcher das Bild des leuchtenden a
dens aus einiltchternpfindlkches Papier
reflektirt. Vor dern lichternpfindlichcn
Papier ist eine Cylinderlinse aufge
stellt, welche das längliche schinaleBild
aus dein Papier zu einem glänzenden
Punkte zusammenziebt. Dieser Licht
punkt bewegt sich nun aus seiner ur
sprünglichen Lage nach der einen oder
anderen Richtung, je nachdem sich die
Membrane resp. der Spiegel infolge
der Stromirnpulse bewegt.
Aus diese Weise entstehen auf dem
lichternpsindlichen Papier die schon
erwähnten auf- und nieder-gehenden
Zeichen. Das lkchtenapsindliche Papier
ist auf eine Trommel H gespannt.trrl
che sich um eine AchseG dreht und da
bei parallel zu dieser verschoben wird,
so das; das lichtempfindliche Papier in
einer Schraubenlrnie an dem Licht
punkt vorbeigesiihrt wird. Auf diese
Weise werden die nach einander sal
gcnden Zeichen aus dem Papkcr neben
einander erscheinen und für Jeden
sehr leicht leserlich sein,der das Marse
Alpbabet kennt. Die Bewegungen des
Lichidunttes sind groß genug, um die
Islan- 2. Inst-dumm per Leitung u.
=
ner Mittellinie ausgehende aufs und
bgehende Striche erzeugt. Eine auf
ietgende Linie entspricht einem Stri
, eine abgehende Linie entspricht ei
un Puntte des Morse : Alphabetg,
dnlich wie in der Caheltelegraphie
Fig. 1.)
Maus- und obfnllenden Strich-e
erden durch Stromimvukse vcrxchies
net Nichtun erzeugt. Diese E fette
verden durch ehr einfache, ichematisch
z ig. 3 dargestellte Votrichtnngen
rre cht. B ist der Alt-senden A ver
Empfänger. Der Zeichengeber ist esne
durch einen ileinen Motor oder ein
lhrwert bewegte Walze, welche mit
der Linie elektriich verbunden ist« und
welche den persorirten Papierstreisen
oribewegi. Dieser Papierstreifen ist
n zwei Stromrichtunqen entspre
nd in zwei Reihen verforirt. lieber
iesen Papier-streifen sind zweiBiirsten
M und K angebracht, wovon die eine
mit dem positiven Pol der einen Bat
itetie und die andere mit dem negati
den Pol einer zweiten gleich großen
Batterie verbunden ist« während die
anderen zwei Pole der Botterien mit
Ieinander und mit der Rückleitung ver
dulden sind (Iig. 2). Berührt nun
du die Lochung des Papierstreiseng
dir e ne oder andere Bürfte die Metall
toal e. so geht ein positiver, im anderen
PFA e ein negativer Strom durch die
Weil e in die Linie und von da in
iden -mpfangsavparat.
) Die Telephonmembrane wer Durch
die Strornirnpulfe bewegt, indem sit)
dieietbe dein Elettronmgneten nähert
lot-er sich von demselben entfernt. je
nach der Richtung der Strornirnpulie.
welche hineingeleitet werden. Die Be
lve ungen der Membrane werden mit
iie eines lleinen Stäbcan ans
n Spiegel iibertragen.
Do die Bewegung ver Membrane
inne Tausendftel Millimeter betriigUo
- ußte dniiie gesorgt werden« das les-.
ieinen Schwingungen verbättnißmä
i große Bewegung des Spiegelg ver
nr gehen. Die Erfinder lösten diese
Arg abe in einer sehr geistreichen
BLI- fr. Der lleine Spiegel tvird mit
Ue eines kleinen darauf befestigten
ättchenj aus weichem Eisen von ki
mrn Stahlrnagneten in der Weise
,fcitgehalten, daß der eine Pol befiel
ben, welcher in Ivei S itzen oder
Schneiden endet, n Sxyegel durch
die weiche Eisenplatte estitiitt. Die
Verbindnnaglinie dieser zwei Spitzen
silbet die Drehnngsachie fiir die Be
wegng des Spiegels. Der zweite
Zep- des Magneten ist mit einer schwa
Ider versehen, weiche auch in
etner piye endet nnd den dritten
s
I
i
!
!
i
dein die Membrane so minimale Be
wegungen macht. Die ganze Anord
nrng ist schematisch aus Fig. Z ersicht
lich.
Es würde aber nicht gelingen, mit
diesem Apparat präcise Zeichen zu er
halten. wenn man nicht gewisse Vorde
dinaungen erfüllen würde. Die Tele
phonrneinbrane hat nämlich auch ihre
eigenen Schwingungen, welche einer je
den stangsbewe ung derselben nach
folgen« ——-— Die-Bewegung der-Mem
brane wird sich daher aus der Sinnbi
nntion der Eigenschwingung und de:
·nvanggtreisen Bewegung zusammen
setzen, und die resultirende Schwin
auna wiirde nicht mehr dem lsharaltcr
der Stroniimpulse entsprechen. Infol
gedessen mußten dieEigenschwingungen
der Membrane eliminirt werden. Die
bisher delannten Methoden der
Schwingungsdämpsung waren hier
nicht anwendbar, weil dieselben day
Telephon empsindlich und die Mein
brane einer raschen Vibration unfähig
aemacht hätten. Den Ersindern gelang
es aber, eine Methode anzuwenden, bei
welcher die Emr-sindlichieit des klipp-:
rotes leine Einst-see erleidet.
T
Diese Methode bildet einen wesent
lichen Theil der Erfindung: zanrläit
terunq derselben ist es nothwendim
lurz aus die Natur der Ciaenschtnins
nunan einzugehen Wenn mir in
das Telephon einen Strom von finge
rek Dauer leiten, so wird die Mein
brane über den Ruhepunkt hinaus
schwinaen, welcher der eleltroiuaqnetiv
sehen Wirkung dieses Stromivnpulsed
entspricht, dann schnellt sie wieder bei
nahe in ihre ursprüngliche Ruhelaxje
·p,urücl, schwingt dann wieder in ink
rner lleineren Ainplituden um die Ru«
helaqe, bis sie in derselben stehen bleibt.
Wird dem Telephon nur ein nanz tur
zer Strominipuls zugeführt, so wird
die Membrane diesem Impuls entspre
chend bewegt, schnellt zuriick unter die
ursprüngliche Ruhelage und schwingt
um diese Ruhelane in immer lästzeren
Amplituden so lange, bis sie in dersel
ben stehen bleibt.
Denken lvir uns nun, daß dee
Strorninipuls genau so lange dauert
wie eine Schwingunazperiode der
Membrane,,dasi also der Stroniisnpnls
in dem Moment aufhört, wenn lsei
ihrer Zurückbewequng die LIJieindrnne
sich am nächsten zu ihrer Ruhelnze be
findet, dann wird dieselbe nicht weiter
schwingen können, da leine bewegenoe
Energie vorhanden ist« Die unendlich
lleinen Nachschwinnnngem die noch
vorhanden sind, beeinflussen die Re
produktion der guten Zeichen nicht
mehr. Die Erfinder bringen also
die Zeitdauer eines Siromimpulses in
Uebereinstimmung mit der Zeitdauer
einer Schwingungsperiode der Tele
phonmemdrane. Mit Hülfe der Ge
schwindigkeit, mit welcher der persorir
te Papierstreifen bewegt wird, und
durch entsprechende Dimensionirung
der Verforation ist die Zeitdauer der
Strompulse zu reguliren und eine
vollkommene Dämpsung der Mem
brane erreichbar.
Damit man aber in der Praxis nicht
an solche Genauigkeit der Bewegung
gebunden sei, haben die Erfinder ein
einfaches Mittel erfunden, um den
Zweck zu erreichen. Sie machen näm
lich die Stromimpulse kürzer als die
Zeitdauer einer Schwingungsperiode
der Membrane und schalten parallel
zum Telephonapparateinen Konven
von 400 Meilen Länge auf enommen
« aufde. Die Zeitdauer der åePeschew
. au nabme eines Blattes mit 500 Wor
. ten dauerte 22 Selunden; die Ent
’ wicklung und Fixirung der Zeichen be- l
i nöthigten weitere 2z Minuten.
f Das Abtelegraphiren einer Tages
i zeitung von 16 Seiten, wobei 40,000
’ Worte angenommen sind, nimmt mit
» diesem Telegraphie-Systerne 25 Minu- «
ten in Anspruch, während geschickteHu
qbeS-Telegraphiiten mindestens 30
) Stunden zur Abgabe dieser Depefche .
brauchten und mit dem Morfe-Tele- I
graphen dies fünf Tage und Nächte ;
dauern würde. Selbstverständlich wird .
eine io außerordentliche Ausniitzbarieit Z
der Telcgraphenlinien auch die Kosten —
des Telegraphirenss erheblich vermin- i
I
Figur I. Summ- deö Schnelltclegksphem
sator ein, dann wird während der
Dauer des Strornimpulses der Kon
densator geladen, und nach Unterbre
chung des Strome-z wird sich derselbe
in die Telephonspule entladen. Dieser
Entladungsstrom verlängert daher
den früheren Stromiinpuls. Durch
die Wahl einesjlondensators von ent
sprechender Capacitiit ist nun zu errei
chen, daß die Membrane ottne Radi
schncinaung in ihre Ruhelage zurück
kehrt.
Aber das rasche Telephoniren hu
noch weitere Hindernisse, welche die
langen Linien verursachen· Eine lange
Linie hat gewöhnlich einen hoben Wi
derstand, große Chpacitat; ferner ro
ße Selbstinduttion. Dies hat zur Fol
ge, daß der hineingeschiitte Stroniinrs
puls seinen ursprünglichen Charakter
verändert, indem er in der Empfangs
jtation nicht so plötzlich abreißi, als er
in dem Sendeapparat unterbrochen
wurde, sondern sich allmälig verliert,
so daß die Zeichen nicht präcis wieder
aeqeben werden Es ist tlar, daß die
Capacttät. der Widerstand und die
—
deen nnd eine ganze Reform des Tele
gtaphiewesens nach sich ziehen.
Es ist vorauszusehen, daß bei An
wenduna dieses neuenTelegraphie-Sy
ftemes größere Unternehmungen wie
Zeitungen u· f. w» welche die Telegras
vbie in ansgedehntem Maß-Stabe be
nütsem die Depeschen schon auf perfo
tiricn Streifen dem Telegtaphenn.ni
übergeben, und daß die Telegkapliew
ämtet die Kosten nicht nach der Anzahl
der Worte, sondern nach dein Meter
maße des perforirten Streifen-Z berech
nen werd-In. Auch liegt die Möglichkeit
nicht außer Betracht, daß die Telegtas
vbenlinien, ebenso wie jetzt die Tele
phon(inien, für einige Minuten zur te
Liquaphischen Beniitznng den Abonnen- -
ten überlassen werden. Hiedurch eröff
net sich fiir die Anwendung dieses
Schnellteleqraphiessoftean eine groß
artige Pctspectivr. Es ist wahrschetns
lich« daf; der Setz-It in nicht zu ferner
Zeit eine Zeitung nach den Original
depefchen wird setzen können, was bis
her nicht möglich war, la die Länge I
Imm- l. Iclmkamm nach Po«:«k-Vikaq.
4
Selditinduttion der Leitung ein Hin
dernisi sür das Schnelltelegraphiren
bilden würden, wenn es den Ersindern
nicht gelungen wäre, dasselbe in einer
einsachenWeise zu beseitigen. Sie schal
ten nämlich in der Sendestation paral
lel zur Linie eine Spule L mit Selbst
indnttion (;’5ig. 2) ein; die Dimensio
nen dieser Spule werden den störenden
Faktoren entsprechend gewählt. Wenn
nnn ein Strmninipuls in die Linie
geschictt wird, so gelit ein Theil dieses
Strominwnlses durch die Selbstinduts
tionöspula Jin Momente der Strom-«
unterbrechung wird in dieser Selbst
indutiionssvule ein Strom von glei
cher Richtung entstehen.
Dreier Strom wird aiser in vie Uc
nie in entgegengesetzter Richtung hin
einsliesien als der Stromlauf des
Strornimpulses war, daher alle jene
Störungen vetinieden werden« welch
infolge der erwähnten Eigenschaften
der Leitung entstanden wären. Es ist
iiberraschend. in wie vorzügliche-r Weise
diese beiden Vorrichtungen aus die
Zeichengebung einwirlen. Ohne sie
sind die Zeichen verzerrt und nicht zu
entziffern: mit der Selbstindultiotis:
spule allein sind sie wesentlich klarer,
lassen aber die Eigenschwingungen ne
benber deutlich ertennenx bei Einschni
tima der Spule und des Kondensatorö
erscheinen sie in so tadelloser Klarheit
und Ruhr-, wie sie Ita. 4 zeigt. Es sei
bemettt, daß die Geschwindigkeit der
Ausnahme des abgebildeten Tele
atamrns 100,000 Worte in der Stun
de betrug, und daß es aus einer Linie
die der Papierstreisen nach den bishe
rigen Systemen haben müßte, ein sol
ches Setzen gan nndenlbar erscheinen
läßt. Zu einer Xepesche von 500Wori
ten wird bei dem hier erörterten
Schnelltelegrabbie - System ein Pa
pierblatt von 26 Zoll höhe und 4 Zoll
Breite gebraucht, welches Verhältnisi
noch beliebig günstiger gestaltet werden
kann, während bei den Apparat-Im die
nach dem Morse - System arbeitern -
hiezu circa 253 Fuß Papierstreifcn be- !
nöthigt werden würden. I
Welch dringende-s- Bediirsnifz ein i
einfacher-, aber sehr rasch arbeitender ;
»Schnelltelegrapl) ist, zeigt am beste-i die «
Thatsache, daß die große Menge ler
Leitun sdriihte setzt schon als exnc
höchst iiblbare Kalamiiät sich dort Be
merkbar macht, wo ein großer Telenrai
pbenverlebr vorhanden ist. Durch Ein
führung des Pollal - Virag’schen Te
leqraphie - Systems wird die Anzahl
der benöthigten Leitungen wesentlich
herabgesetzt werden. Auch wird es
mit diesem System möglch sein, den
bei besonderen Anlässen seli- gesteiger
ten Depeschenvertelir ohne Stockung
abzuwiclelin . Die längere Praxis muss
jedoch hier — wie bei allen Erfindun
aen —- daH entfcheidendeWort svrezhcn.
Die Genialität der Ersindunq, diePrZL
rision der Apparate würden es verrie
nen· daß der Erfolg dieses neuen Pro
duktes der Elektrotechnil sich zu einem
befriedigenden, segensreichen entwickeln
möchte.
X see-Sehen- diese absifo u.
Jn der neuesten Nummer der »Re
due des Revues« macht Dr. L. Caze .
eingehende Mittheilungen über dieEr- »
findung des russischen seit län erer ;
Zeit in London anzässigen Profeors ;
Peter Stiens, der ehauptet, er könne i
die Blinden sehen lassen, auch wenn ;
sie beide Augen vollständig verirren
oder nie bese en haben. Die bisherige l
Heilun der lind-heit, wenn sie iiber
baupt eilbar war, bestand darin, daß
die geschädigte Sehkraft des Auges !
und der Sehnerven wieder hergestellt i
wurde. Professor Stiens dagegen !
braucht angeblich gar leine Au enl
mehr, andern er erzeugt das Se en
dadur , daß er durch einen tünftlis n
Atparatsein Sel)bild, ohne Vermitt
lung der Augen, direct ins Gehirn
befördert. Er hat bis jetzt leine Ein
zelheiten über sein Syftem veröffent
licht, doch hat er sich dazu verstanden.
dem Dr. L. Caze einen Einblick in
den jetzigen Stand seiner Experimente i
und Forschungen zu gewähren. Dr. i
Caze berichtet darüber: J
Nachdem Professor Stiens mich in
eine lleine dunkle Kammer geführt
hatte. band er mir die Augen zu, fo
daß ich absolut nichts mehr sehen
konnte. Dann hörte ich ihn hin- und
hergehen, Zündhölzchen streichen, eine
Lampe anzunden-u. s. w., aber ich
konnte nicht den mindesten Schimmer
eines Lichtes wahrnehmen. Dann
fühlte ich, wie er mir einen Apparat
an die Schläfe fetzte und sofort be
merkte ich ein schwaches Licht, das die
Gegenstande in meiner unmittelbaren
Nachbarschaft erhellte. Ich sah eine
Hand vor meinen Augen und lounte
die Finger zählen, die sich mir entge
genstrecktem es waren drei. Allmah
lich wurde es noch heller nnd ich konn
te die Möbel in dem Zimmer unter
scheiden: es waren zwei Tisch-se nnd
acht Stühle, die ich mit Leichtigkeit
zählte. Jch hatte auch das Gefühl.
daß ich bei länaerer Dauer des Erbe
rinients meine gewöhnliche Selifähiip
teit erhalten würde; den Sch·iifen ent
lang spürte ich etwas wie einen riec
trifchen Strom. Plötzlich wurde dir
Apparat weggenommen und sofort
war um miet) her wieder die tiefste
Finsternif3. Das Experiment war zu
Ende.«
Professor Stiens weigerte sich auch
jetzt noch-, seinen Besucher mit dem
Apparate vollständig bekannt zu ma
chen, weil derselbe, wie er sagte, noch
mancher Verbesserungen bedürfe; doch
gab er ihm wenigstens einige Andeu
tungen iiber die Principien, aus die er
sich gründet. Der Mensch fiel-i be
kanntlich nicht mit den Augen, son
dern mit dem Gehirn; die Augen neh
men nur die Sehbilder auf und der -
Sehnervileitet sie zum Gehirn, wo die
Wahrnehmung stattfindet. Die Blin
den machen sich durch Betasten ein ge
naueks Bild von der äußeren Form der
Gegenstände Wenn die Augen ver
loren sind, treten andere Sinne in die
Liiclr. Viele niedere Thiere haben!
kein besonderes Schorgam aber sie«
sehen sozusagen mit dem ganzen Köc
pcr. Wenn als( ein Bild ohne Mit
wirtnng der Augen tem Gehirn zuge
siihrt werden kann, dann lann ein
Blinder ebenso gut sehen wie ein
«JJtensch mit gesunden Augen. Das
ist die Grundidee des Stiens'schen
Apparates. Statt durch die Netzknut
des Auges wird das Bild eines Ge
genstandes durc- ein Blättcken ausge
nommen und durch· einen electrisdsen
Strom in das Gehirn geleitet·
Das Princip ist also dasselbe wie
beim Telephon, das die menschkithe
Stimme aufnimmt, sortpflanzt nud
sie wieder von sich giebt. Der Appa
rat giebt also nicht blos den Blinden
das Gesicht, sondern er dient auch lZur
telegraphischen Ueberinittiun von
Bildern; ei ist fiir das Gesi t, was
das Telephon fiir das Gehör ist.
Daraus tann man schließen, daß der
Apparat des Professors Stiens auch
eine neue Anwendung des Telephons
snit sich bringt; der Professor will den
Tauben das Gelde verschaffen. wie
den Blinden das Gesicht. Wir träu
inen ja auch in vollster Dunkelheit mit
geschlossenen Augen die hellsten Bil
der; das beweist, daß das Auge zum
Sehen nicht unumgänglich nöthig ist
und daß das Gehirn allein sieht. So
erllart sich der Apparat des Professors
Stiens in ganz einfacher Weise.s
Dr. Caze schließt seinen Bericht
niit folgenden Sätzen: »Profcsso:
Stiens hat vollständig Recht, wenn er
sLch weigert, ietzt schon die Einzelheiten
einer Erfindung zu oeröfsentlichen,
die ihn noch zu wichtigen Aenderuni
gen und Verbesserungen nöthigt. Be
züglich der Leistungen seines Appa
rats müssen wir uns also noch grosser
Zurückhaltung befleißigen« Es wäre
ebenso unvernünftig, heute einen
Triuniphkgesang anzustimmem wie sich
einem S epticismus hinzugeben, der
durch nichts gerechtfertigt ist. Die -
Schlußfolgerung des Professor-Z i
—
Stiens bietet im Ganzen nichts das
unserer Erkenntniß widerfpricht.
Wird die Praxis mit der Tyeo:ie
übereinstimmen? Das wird uns eine
baldige Zukunft lehren. Aber trenn
Professor Stens Recht behält, wird
man ihn zu den größten Wohlthätern
der Menschheit zählen.«
II- III III
Das Fä ben lebender Blumen.
Lebende Blumen können leicht mit
wasserlöslichen Farbstoffen, wie Lö
sungen von Anilinfarben, gefärbt
Iwerden, wenn man in dieselben die
s abgeschnittenen Stengel hineinstellt.
s Jn Gardeners Chroniele berichtet
William Brockbank über seine dies
bezü. lichem im Verein mit W. Dor
ning on angestellten Versuche unter
Anderem Folgendes: Anitin-Schar
lach, in Wasser gelöst, erzeugt ebenso
schnell rothe Blumen aller Tbne, trie
Jndigo-Carmin blaue, beide vereint
alle Misehungen von Purper bis Vio
let. Maiglöckchen färbten sich in sechs
Stunden blau oder roth, weiße Nar
ziessen brauchen zwölf Stunden,ehe sie
im tiefsten Purpur prangt-tm obwohl
hillere Tbne früher austraten. Gelber
Orphodelus bekommt in zwölif Stun
den duntle Scharlachstreifen, chneller
färben sich Schneeglöckchen, Cyclamen,
Levkoh, Hhazinthen und Tulpen.
Die Farbe steigt in den Gefäßen
des Stengels empor, wie man deut
lich mit starker Lupe erkennt, aber
auch Hyazinthen und Narzissen mit
Wurzeln färben sich in der Fakbstoff
lösnng, die in den parallel zu einan
der verlaufenden Sastgefiiszen auf
steigt und bis zum Rande der Blu
men durchdringt, wo sie ost infolge der
überaus seinen Vertheilung der Ge
säfze eine dunklere Färbung erzeugt.
Ebenso färben sich die Pistille dunkler.
Abgeschnittene Tulpen nehmen den
Anschein herrlicher geflamrnter Sor
ten an, und merkwürdig verhält sich
die Pflanze Lapageria, deren droht
diinne Stengel den Farbstoff leichter
aufsaugen und schon nach vier Stun
den niit rather Anilinfarbstoslflösung
zart roth geaderte Blumen er cheinen
ließen, im Gegensatz zu der mit dicken
Sirugcln versehenen Eucharis anta
zrnica, welche den Farbstoff zwar aus
nabmen, aber nicht bis in die weißen
Blüthen führten. Bei vielen Blumen
färben sich nicht alle Theile gleichmä
ßig, so bei einigen nur die Kelchblät
ter, nicht die Blumenblätterz bei ans
deren tritt eine zierliche, bei der na
türlichen Blume nicht erkennbare Arn
dernng auf, z. B. bei Schneeglöck
chen und Cl)ristrosen, bei welchen die
Adernng sich netzsörmig ausbreitet.
Auch weiße Kamelien, Flieder, Pri
meln und andere Blumen nehmen
leicht die kFarben an und ergeben für
Tasclaufsätze Blumen, wie die Gärt
neriunst sie in der Natur nie hervor
j zubringen imstande ist, z. B. blaue
s Tunsem So geben Pfanzen niit
; weißt-unten Blättern, wie Aneuba und
Exdheu, hübsche Wirkungen. Es
i scheint nicht« das; so gefärbte Blumen
s irgend schneller welken als andere.
’ Durch Eintauchen der Blumen in die
Farbelösung können jedoch derartige
Fiireungen nich-It erkzielt werden.
if
Während eines vieljährigen Aufent
baltes in Cochinchina fiel Herrn Paul
d’Enjoy eine Typusverschiedenheit un
ter den mongolischen Anamiten auf,
die sich nicht, wie bei den arischen
Stämmen aus blond und braun be
ziehen, sondern aus die Farbe der Lip
s.-en, die bei den einen leuchtend roth,
bei den andern dagegen bleigrau ist.
Die Anamiten selbst sind sich dieses
Unterschiedes- wobl bewußt, mit Stolz
Mist der Eine aus die Muoi-son, wört
lich Korallenlippem hin, die seine Su
pcriorität i:ber den Besitzer der Musi
ck«:, des: Bleilippen, unividerleqlich dar
tlxun. Alle höhern Aemter, alle Stel
li ngen, die Intelligenz verlangen, wer
den von den Anamiten mit Korallen
lippe, deren Körperbau auch der weit
aus- elegautere ist, bekleidet, das Prole
tariat hat Bleilippen. Nach den Aus
saaen der Anamitcn selbst findet sich
dieser Unterschied in der Farbe der
Lippen bei allen niongolischen Völkern
vor.
Neuer Trintbrnnnca.
Unser Bild stellt eine neue Akt von
Trintbrunnen dar, wie sie jetzt in den
Parts u Boston und in anderenStäd
ten aufgestellt werden. Dieselben be
stehen meist aus Matneorbassins. Der
Trinter braucht weder Becher noch
Glas. um seinen Durst zu«stillen, et
. N
«t
is
! .
Ist---»sw"fffsft·p,c «..L
lehnt sich einfach über den Rand des
Vafsins und trinkt von einem Spru
del. Das klare, permanent fließende
Wasser kommt an Güte dem Quell
Ioasser am Nächsten, und die neue Art
des Trinkens ohne Gefäß entspricht
allen Anforderungen der Hygiene