Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 08, 1899, Sonntags-Blatt., Image 11

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    i großmtilterleim
III Lehnstuhl schläft Großmüiterlein,
Die Hände müd’ im Schooß, die al
ten; ——— «
Um das Gesicht mit seinen Falten
Juckt manchmal es wie Sonnenschein.
Sie träumt. —- Zuriick um manches
Jahr
hat sie ihr Abendtraum getragen,
Da schneller noch ihr Herz geschlagen,
Da golden noch geglänzt ihr Haar.
Sie träumt und lächelt still manchmal
Wie lang der Weg, den sie gegangen,
Von goldner Sonne Licht umfangen,
Bis blaß und blasser ward der
Strahl! —
Sie itiiumt.——Jm fernen Westen sinkt
Die Sonne hinter weißen Firnen,
Und um die kalten Bergesstirnen
Ein rother Schimmer seltsam blinkt.
Ein letztes Träumen ist es auch.
Das Berg und Thal noch still durch
wehet.
Und leis durch die Gefilde gehet
Erloschnen Lichts Erinnrungshauch
Nicht lange mehr-Hint- Fetd und Hain
Umsäugt die Nacht mit ihren
. Schleiern; —
Richt long mehr —-— und für immer
feiern
. Wirst dann auch du. Großmütterleint
E r n st Z a h n.
W
Reisebegegnunq.
Nwelette ron"C.Wendlandt.
Nach Konitz. Dirschau, Königsberg.
Eydtiuhneni Einsteigen meine Her-r
schastem einsteigen!« Die Klinael des
einsteigenden Schaff-ins schrillte durch
die Wartesiile, die Reisenden suchten
eilig ihre Gepäclstiicte zusammen uno
drängten durch die breiten Thüren, die
emporsiihrten auf den großen düstercn
Räson des Bahnhofes Friedrichstraszc
rn.
Als einer der letzten näherte sich dein
Schnellzug ein nach neuester Mode.
mit etwas gigerlhaster Eleganz geklei
deter Herr. Die Gestalt, ehedem of
senbar groß und stattlich, in müder.
nachlässiger Haltung etwas nach vorn
geneigt, das bereits gelichtet-: Haar, die
schönem aber schlossen Iige des blas
en Gesichts vollendeten den Typu
eines alternden Lebemaniies.
Er blickte in mehrere Anwes, sah.
daß sie vollständig beer waren nno
wandte sich schließlich an den Schaff—
net, der mit dem Billetabstempeln sast
sertig war. »Ist tein einigermaßen
leeres Kupee mehr vorhanden? Zwei
ter, Dirschau«.
Der Schafsner risz eine Thür anf
«Hier mein Herr, noch drei Plätze frei.
Bitte einsteigen, es ist die höchie
Zeit« Der Schaisner stempelte das
illet, und der Herr stieg mit miß-—
muthigem Achselzucken ein· Die Thü:
wurde hinter ihm zugeschlagen, uno
kaum hatte er ten Koffer ins Gepäctz
netz befördert, so psifs auch schon dis:
Lotomotide und der Zug setzte sich in
Bewegung. —
Jetzt erst, nachrem er sich niederge
lassen, wars er unter den meist halb
gesenkten, breiten Liedern hervor eins-i
gleichgiltigen Blick auf die Mitreisen
den, ein altes Ehepaar und eine Da
me mit zwei Kindern. Und plötzlich
öffneten sich seine eben noch so schläf-- ;
eigen Augen schreckhast weit in unsJ
gläubigem Staunen, in denen das-II
erste Erschrecken rasch einen feindseli s
gen, kalt verächtlichen Ausdruck Plan
machte. Und dann sah eins vom an-l
dern fort mit einer kleinen, eigenthiim- l
lichen Bewegung, als wollten sie beides
sagen: »Was gehst du mich noch anI'·s
Die Mitreisenden hatten nichts del
merkt; die Kinder schauten aus deius
genstey und das alte Ehepaar war mit !
ädecker und Kursbuch beschäftigt.
Durch die Ritzen der Fenster drang
ein iner, scharfer Zug. Er wickeln-;
sich ester in die schmiegsame Felldecke,
verschränkte die Arme und lehnte sich
in die Ecke, und während er nun an
gelegentlich aus die öden, vorbeihusch:
enden Felder schaute, zuckte ein häß
licheö, kynisches Lächeln um seinen
Mund-e- Berriickter Zufall, der ihn hier ’
mit seiner ehemaligen Frau, in das
Elbe Kupee geführt, nach jahrelanger
- rennungl Ah, was ging es ihn ans-l
,,tempi pass.atil« Er gab sich Mühep
an fein Programm siir die nächstens
Tage zu denken: heute also in Dir-!
schau übernachten, Morgen nach Ma
rienburg, die Burg besichtigen, und
dann weiter nach Osterode zu den
Jagden bei Deren v. Seiden. ,,Wo
sie nur eigentlich hinfährt«, irrten
seine Gedanten wieder ab; »Ost reus
ßen ist doch wahrlich nicht das and.
das sich lohnte, in je iger Zeit zu be
suchen, wenn man ni t einen bestimm
ten Zweck mit der Reise verbindet-«
Ohne daß er es wußte, hatte er den
Lops nach ihr gewandt und beobach
tete sie heimlich. Jhr wohlgeformie3,
energisches Prosil hob sich frisch und
blühend von dem grauen Wagenpolster
ab; die ehedem etwas zu schlanke Ge
stalt schien voller geworden, der ele an
te Pelz schmiegte sich weich den schonen
armen an. Wie wohl sie aussah!
iel schöner und blühender als da
malt.
IR, seht wandte sie den Kopf. Die
Sen dilttst siir das Angestarrtwerden
war al o noch dieselbe wie damals —
die gro n, dunkelgrauen Au en streif
ten ihn mit jenem tiihl ragenden,.
Ieicht indignierten Blick, mit dem die
säumte Frau das zudringliche Mar
eines Ilubetannten abzuweisen
pslegt. Er wt diesem Blick aus und
versuchte spötti ch zu lächeln, aber es
gelang ihn nicht. Sollte er aus der
nächsten Station umsteigeni Nem, er
wollte ihr zeigen, wie gleichgiltig ihn
dies Zusammentreffen ließ. Und sic?
Nun, sie würde aus demselben Grun
de si en bleiben —- er kannte sie.
« »F tütterchen«, sagte da plöglich eint
weiche helle Kinderstimme, ,,giebt es
denn hier gar keine Berge«. Und da
fuhr er herum, sein Herz that einer.
ganz eigenthümlichen raschen, starken
Schlag- Während sich seine Blicke in
das zartblasse, liebliche Kindergesicht
bohrten, aus dem ein Paar stiller,
ernsthafter Augen zu der Mutter auf-«
sahen. »Das war Jna, seine kleine
Jna, sein Kind! tWie alt war sie doch
damals arwesen? Kaum drei Jahr
wohl. tfr hatte nur eine unbestimmte
aber seltsam wohl- nnd wehmuthende
Erinnerung an ein zierliches, elfenhas.
tcs Geschöpfchen mit langen, blonden
Locken und zärtlichen Augen, das sich
oft in zaghafter Liebtosung an ihn
geschniicgt. Wie groß sie geworden
war in den sechs Jahren — so lange
war es wohl her.
Und der stämmiae, kaum siebenjiiizs
ri e Junge, der sich jetzt mit dem ener
gischen ,,bei uns zu Hause ist es scho
ner als hier« in das Gespräch mischte,
das war se i n Junge. Damals war
er ein dickes Baby, dessen Gegenwart
ihm so ost lästig gewesen, war solch
ein stämmiger, frischer, echter Junge
geworden, der mit blisendem schwar
n Augen unternehmend in die Welt
schaute, mit se i ne n Augen.
Ein seltsames Gefühl erwachte in
ihm, ein niegelaniites, aber sobald er
zur Ertenntniß tam, schüttelte er es
energisch ab. Lächerlichi Sollte er jetzt
aus seine alten Tage noch gesithlsdu
selig« werden —- er, dem nie etwas ver
haßter gewesen als Sentimentalität.
der es stets siir das Dummste und Un
oortheilhasteste gehalten? Aber er war
entsetzlich nervös und abgesponnt, du«
her wohl die Anwandiung. Er wolltet
versuchen zu schlafen; sein gewohntes
Schlafmittel tonnte er zwar leider
jetzt nicht einnehmen, aber vielleicht
wirkte das eintönige Gerassel einschlä
sernd, und jetzt, wo er die Augen ge
schlossen hielt, sah er wenigstens nichts
don denen da drüben in der anderen
Kupeehälstr. ;
»Mutti, ob Lisette auch nicht ver-»
gißt, meinem Hänschen Futter zu ge-;
Ibens Weißt du noch, wie es heraus-s
;slog und ans meinem Finger pickte,
Tgerade als wollte es Adieu sagen -«
s »Mutti, sie doch mal, sieh! Dort
lläust ein Hasel Hei, wie schnell der
laufen tann —- ich glaube fast, noch
schneller als ich.« i
H »Sind wir nun schon über die ost
« preußifche Grenze ?«
i »Weißt du, Mütterchen, ich habe
i schrecklichen Hungser«.
J So llang es durcheinander wie lieb-—- s
lliches Vogelgezwitscher, die weichr,s
helle Stimme des Mädchens und diei
etwas tiefere, lräftigere des Knabens
und dazwischen immer wieder die der
Mutter, weich und voll wie eine
Glocke. Nein, an Schlasen war nicht
zu denken, das fah er wohl ein.
Er blinzelte unter den gesenkten
Litern nach ihr hinüber, und wieder
fiel ihm auf, wie wohl sie aussah. Auf
ihrem Gesicht lag llare Ruhe uno
friedvolles Glück —— ein beneiden-i
werther Ausdruck! Nichts mehr von
dem nervösen Zucken um den Mund,
nichts mehr von dem herben Troh von
damals! O, er kannte dies Gesicht!
Er hatte es gesehen voll unbetiimmer
ten Jugendiibermuths, er hatte es ge
sehen in holder, mädchenhafter Scheu
und vom Glanz der Liebesseligkeit
übergossen, und später voll zitternderl
Unruhe, voll bangem Mißtrauen, voll
wilder Verzweiflung und endlich
dann voll starrer Abwehr und voll
Verachtung. Er knirschte leise mit
den Zähnen bei der Erinnerung. Wa
rum war sie fo lächerlich albern und
unmodern, nicht einzusehen, daß einem
Manne, wie sie ihn gewählt, eine
Frau auf die Dauer langweilig wer
den müsse, und daß er, »der schöne
Wilm Bernsdorf«, nicht gewillt war,
wie jeder gewöhnliche, ehrsaine Spieß:
bürger zu leben? Warum hatte sie
alles so thöricht tragisch genomme:i,
statt sich in ähnlicher Weise zu trösten,
er hätte ihr wahrlich teinen Stein in
den Weg geworfen; feine Devise wa:
immer gewesen »leben und leben las
fen«!" Wie gut hätten sie zusammen
auglomnien lönnen. wenn sie vernünf
tig gewesen wäre
Und ein Narr war er gewesen, daß
er ihr damals so gutwillig die Kinder
überlassen. Freilich, er hatte es ein
wenig gar zu toll getrieben, sie hatte
in jeder Weise recht bekommen, und
die Kinder waren ihr ohne weiteres
zugesprochen worden. Aber das war
wohl auch, weil man einsah, ihm lag
nichts an den Kindern.
Er hatte gewußt, wie unglücklich sie
an seiner Seite gewesen war, aber
jetzt, jetzt zum erstenmal, dämmerte
in dem Manne die volle Erkenntnis
aus, wie surchtar, wie ties sie damals
E elitten haben mußte. ,Sie war eine
so seinsiihlige, vornehme Natur« sie
shatte immer einen sast physischen Ekel
svor allem nicht ganz Lanteren exe
« eigt. Wie waren doch die Worte, die
te damals bei ihrer Auskinandersegs
ung gesprochen? »Wir müssen uns
trennen um der Kinder willen, denn
sie dürsen nicht unter der Obhut eines
soc n Vaters auswachsen, und wir
mii en uns tunnen um meinetwillen,
denn ich werde fschlechh ich gehe phy
sisch und morali ch zu Grunde an des-·
ner Seite«.
Er hatte, um sie nicht aufs neue
merken zu lassen, daß er sie beobachtet«
die Augen wieder geschlossen. Da
durchsuhr es ihn plötzlich wie ein elek
trischer Schlag. Ein weiches, dickes:
Handchen hatte sich auf seine Rechte
gelegt, und, aufblictend, sah er in die.
dunklen Scheltncnauaen seines KnaJ
ben, die ihn zutraulich anblicktem ;
»Du, Mann ich wäre bald übe:’
sDeinen Fuß gestolpert und hätte einen
stüchtigen Bums betommen«, sagte das»
lKerlchen lachend. . ;
I »Wilm«, rief seine Mutter erregt,«
»was fällt dir ein, was thust du da
drüben?« l
Der kleine Bursche sah sich erstannti
um. »Aber Mutti, diesmal ist doch dies
Station auf der Seite. Siehst du, da;
ist schon der Bahnhof. Wie heißt denn I
das Ina, komm, lies mir mal, wie;
die Station heißt.« s
Jn dem Moment riß der Schaffnec, !
der mit einer größern, platzsuchenden
Familie draußen gestanden, die Thür»
auf, um zu sehen, ob noch genügends
Platz sei, und das Kind wäre unfehl-?
bar hinausgestiirzt, hätte sein Vaters
nicht blitzschnell zugegrifsen und es»
zurückgerissen. Jn demselben Mo-;
ment aber, wo seine Hände den Kna-;
ben berührten, ging etwas Unbeschreib- ’
liches, Niegetanntes in ihm vor. Einei
rasende Lust packte ihn, dies kleine ’
zstänimige Ktöperchen an sich zu presst-n
kund das weiche, bräunliche Gesichtchen
lmit Küssen zu bedecken. Aber zu glei
cher Zeit stand auch des Kindes Mut
ster dicht neben ihm, und zog ihres-n
sKnaben so ungestüm an sich, als müsse
fsie ihn vor einer Gefahr schüßew
F»Slehst du, Bubi. das kommt davon
wenn Kinder vorwitzig sind«, sagte sie
Pmit nicht ganz fester Stimme. »Du
wärest hinausgestiirzt, wenn der Herr
dich nicht gehalten hätte«. Und dann.
mit einem leichten Kopsneigem »Ich
— danke Ihnen«
Reine Ursache, gnädige Frau, das
war ja selbstverständlichwar ja selbst
-verstiindlich·« Seine Stimme tlang
müde und bedeckt.
Wilm Betnsdorf hatte sich inzwis»
schen aufgerichtet und zog aus deri
Seitentasche feines Ueberziehers seine;
Reiseleltüre, eilt auf dem Vahnhof er-:
standenes, neues Biich Zwischen fei
nen Brauen lag eine finstere Falle. Er
war entschieden entsetzlich newös
heute; nicht einmal ausschlafen hatic
er am Moran können, da der Zug sn
eilig ging. und nun dies unerwartete,
katale Reiseintetmezza —s—4es war kein
Wunder, daß ihm seine Nerven nun
so lächerliche Possen spielten. Zum
Teufel, er würde doch Herr darüber
werden können! Er rief all feinen
nicht «eringen Chnisinuå zu Hilfe und
vertie te sich in sein Buch. »Etwas Pi
kante6« hatte ihm der Verkaufer mit
oerständnißvollem Lächeln versichert.
Eine Weile ging es denn auch, dann
machte er plötzlich die Bemerkung, das-,
er nicht recht wußte, was er las, und
dafz er immer öfter iiber sein Bruch
hinweg zu den Kindern hintiberblial
te. »Bubi« hatte seinen«tleinen Schreck
längst vergessen und widmete sich jetzt
eingehend mit dem Inhalt der Reise
tasche die »Miitterchen« auf-gepackt hat
te· Wie hübsch das aussah, wenn die
weißen, kleinen Zähnchen so energisih
in das Brödchen bifsenl Kna, die beim
Auspacken der Tasche ge olsen, war
ihm bei dieser Beschäftigung etwag
näher gerückt, und das blonde Locken
töpschen gaukelte ihm jetzt gerade ge
genüber, wenn er aussah. Es schien
ihm, als ob die ernsthaften Augen ihn
uweilen nachdenklich, wie in scheuer
tzjrage streiften. Ein zitterndes Ver
angen packte ihn, dem Kinde beide
Hände hinzustreeten und zu fragen:
,,Kennst du mich denn gar nicht mehr
kleine Jna? Haft du mich denn ganz
der essen-«
nbi kreischte Plötzlich vor Vergnii
gen aus.
»Mutti, auck doch nur, es fchneit! Es
schneit wirklich! Nun merkt man doc)
erst ordentlich, daß Weihnachten
kommt!«
Auch Jna stieß einen leisen Jubel
laut aug, dtiickte ihr Gesichtchen an
die Scheiben und sah mit strahlenden
Augen in das Flockengewimmei. »Sieh
doch, Mutti, wie groß die Flocken sind
und wie hübsch nun gleich die Tan
nenbäume aussehen! Wie richtigeWeihs
nachtsbiiume!«
aMutti! Jn Nothenlirch kommt
aber doch auch der Weihnachtsmann,
ja? Wenn er uns nur findet ——
weißt du «-—- weil wir doch diesmle
nicht zu Haufe sind. « Bubi macht ein
sehr bedenkliches Gesichtchen
»Sei ganz ruhig, er findet dich
schon Wenn mein lieber Junge nnr
recht artig ist, dann kommt der Weih
nachtsmann auch nach Rothentirch.«
»Ach, wie ich mich schon freue, wie
ich mich srene!« Bubi seufzte vor
Glückseligkeit tief aus.
Das Buch. in dem Wilrn Bernsdorf
gelesen, flog plötzlich aus das Polster
egeniiber er hatte es an der pilant
fen Stelle weggeworfen. Und nun
tand er den Reisegefährten den Rücken
rehend, am Fenster und starrte mit
wunderlichem Gesichtksausdruck in das
Schneetreiben.
Die alte Dame, die schon lange mit
verliebten Blicken die Kinder betrach
tet hatte, wandte sich jeht lächelnd zu
der Mutter. »Was haben Sie da siir
ein paar Prachtkinder gnädige Frau!«
Ueber das Gesicht der Angeredeten
flog ein strahlendeö Lächeln. Machen
Sie mir die Schelrne nicht eitel!« sagte
sie trotzdem,-mit einem Blick auf
horchenden Kinder; »Jna ist meistens
gut und arti aber der da«, sie drohte
den Knaben fcherzend mit dem Fin
«der ist ein kleiner Eigenstnn getr«
braucht strenge Zucht und eine feste
· TNiny dafür ist ja der here Papa
Zacekefnäyktetmdefrch alåe herr, sich ins
as e p « if en .
»Mein Papa ist todt«, sagte Bubii
mit seiner lauten Kinderstimme und!
baumelte mit den dicken Beinchen. ’
Der Mann atn Fenster fuhr herum,i
als hätte man ihn geschlagen. !
Aus seinen jetzt weit offenen, dunk
len, immer noch schönen Augen flamm-;
te ein Blitz voll wilden Zornes zu ders
blaß gewordenen Frau hinüber-. Aber !
die klaren, grauen Augen hielten die: !
sem Zorn festen Stand; und er ver-I
stand, was- ihm ihrs-strenger, kalter-!
unerbittlicher Blick antwortete. :
»Sollte ich den Kindern von einem.
Vater erzählen, der ihre Mutter ver-!
rathen und betrogen, der ihr die schön-—- -
sten Jahre des Lebens vergiftet und
nun das Leben eines gedissenlosen
Wüstlings führt? Jst es nicht besser,I
wenn sie ihren Vater todt wähnent
und ist er es denn nicht auch für sie Z« «
Er ließ sich in die Ecke fallen; ihm »
war, als bräche etwas in ihm zusam-!
men, als sei er wirklich todt, alsihaszf
ihm der frische Mund seines Knaben’
das Urtheil gesprochen. Und dann»
horchte er wieder auf, mechanisch und s
unwillkürlich. -
Bubi, der sich nach den bedauernden
Worten des alten Ehepaares, daß e:
keinen Papa mehr habe, unsäglich wich
tig vorkam, schnitt plötzlich ein der
schmitztesGesichtchen und schmiegte sich ;
zutraulich an die alte Dame. »Du, ichs
will dir auch etwas verrathen. Wirt
kriegen einen-neuen Papa, und, einen
faniosen!« »
»Schweig, Wilin!« rief- Frau Mag
da dunkel erglühend »Du schwatzest du
Sachen, die die Herrschaften unmög
lich interessiren können.«
Die alte Dame lächelte und reichte
ihr die Hand hinüber.
»Nicht doch, liedegnädige Frau, so
dürfen Sie nicht denken. Sie waren
mir von Anfang an ganz ungewöhn
lich shnispathischund ich freue mich
aufrichtia, daß Jhnen ein neues Glück
erblühen soll.«
»Ich danke Jhnen«, stammelte Mag
da, die dargebotene Hand des Ehepaa
res herzlich drückend, in sichtlicher Ver
wirkung.
»Und gut ist der neue Papa, nicht
wahr, Inkr? So gut — so gut wie —«
»Bubi suchte nach einem Ausdruck, der
annähernd die Güte dieses Papa ver
deutlichen könnte und schloß dann»
strahlend: »Wie der Weihnachts- i
mann«.
Die alte Dame strich über sein dunk
les Köpfchen.
»Ich sehe, Sie haben gut gewählt,
gnädige Frau, Kinder haben ein sehr
seines Gefühl dafür, ob es jemand gut
mit ihnen meint oder nicht«
Frau Magda lächelte nur schwach.
aber ihre Augen strahlten auf.
»Ich hätte mich nie wieder zu eins-r
Heirath entschlossen, wenn ich nicht die
feste Ueberzeugung gehabt hätte, dass
der Mann, den ich liebe, auch meinen
Kindern ein liebevoller, musterhaster
Vater sein wiirde.«
»Das glaube ich Jhnen«, versicherte
die alte Dame warm, »auch wenn Sie
es nicht ausgesprochen hätten.«
»Wir reisen jetzt zu unserm lieben
Papa und seinen Eltern«, sagte Jna
schüchtern, aber mit überglücklich leuch- :
tenden Augen. l
»So, so. Du hast ihn wohl auch
sehr lieh?«
»Seht lieb«, wiederholte Jnr
schlicht, aber mit der eigenthiimlichen
Jnnigkeit, die ihr schon als Kind eigen
gewesen.
»Ja, und er hat ein großes Gut'«,
rief Bubi enthusiastisch, »und viele
Pferde und schrecklich viele Schafe und
Kübe!«
Frau Magda sah jetzt, wo das Roth
der Verwirrung von ihren Wangen ge
wichen, plötzlich sehr blaß und unruhig
aug. Sie hatte mit scheue-n Blick den
Mann in der Ecke gestreift, der so re
gungslos dasasz.
»Seht einmal Kinder, jetzt kommen
tvir auch schon auf die letzte Statinn
vor Koiiitz«, suchte sie die Kinder abzu
lenten. »Ihr müßt euch doch auch ein
bißchen die Gegend betrachten. Schaut
doch, wie lustig sich da drüben die Jun
gen schneeballen!«
»Die letzte Station vor Konitz«.
Sie hatte es ein wenig schärfer bei
tont und Wilm Bernsdorf hatte ver
standen.
»Sie möchte mich lostverden«, dachte
er; ,,er wird wohl aus dem Bahnhos
sein. Die Situation ist ihr denn doc:;
zu peinlich geworden. Aber ich bleibe«.
Ein unbezivingliches Verlangen hat- i
te ihn gepackt, den Mann von Angesicht
zu Angesicht zu sehen, der bald disk
Stelle einnehmen sollte, aus der er ge
standen hätte, wenn er sich nicht in
wahnsinniger Verblendung das Recht
dazu verscheth hätte
Und vor sich sah er zwei Bilder: Ein
reiches, behaglicheg Haus, ein liebe
durchwehtes, fröhliches Heim, ein ge
deihliches Schaffen und Streben, ein
friedvolles, freudiges Alter; und das
andere: Ein alternder Mann mit fie
chem Körper und stumpsem Geist, allein
in seiner hypereleganten Wohnung.
von dienstbaren, falschen Kreaturen
umgeben, und beständig frierend und
nach Wärme verlangend — nach Wär
me.
,,Station Koniß!« riefen die Schaff
ner in langgedehntem Ton.
Die Wagenthiir wurde ausgerissen
die auf dem Perron Harrenden dräng
ten an den Zug.
Ehe Mang ihn zurückhalten konnte. .
war Bubi, die große Fouragetasche im »
Arm, nach vorn gestürzt und stieß im«
näch ten Moment einen Jubelruf ause.
» ier, Papa, hieri«
Wilm Bernsdorf richtete sich aus,
eine fieberhafte Spannung im Blick. «
Ein großer, breitschultrigerssMann
mit großem, blondem Bart nnd dem
frischem, gebräunten Teint des Land
wirts schwentte den vor Lust zappeln
den Knaben hoch in die Luft und setzte
ihn dann behutsam auf dem Peron
nieder. Dann hob er auch Jna heraus
mit einer ganz anderen sanften Zärt
lichkeit, und dann leuteten seine Auan
der Mutter der beiden entgegen und
sein ganzes Herz lag in den Worten:
,,Endlich, Magda, endlich!«
Sie aber schmiegte sich nicht, wie er
erhosft hatte, in seine Arme; ein be
deutsamer Wink ließ ihn auf eine stür
mische Begrüßun· verzichten. —
Noch einmal sa Magda, als sie das
Kupee verlassen, zu dem-Mann empor,
der so zusammengesunten, mit schlaf
fen, matten, fahlen Zügen und halbge
schlossenen Lidern dasaß wie ein Tod
ter — und der jahrelange Haß, die un
endliche Bitterkeit, die sie gegen diesen
Mann empfunden, schwanden plötzlich
hinweg.
Sie wandte sich ab, blaß und ernst,
sie hatte nichts mehr zu verzeihen. si
wußte es jetzt, sie nar an ihm gerächt!
W-—
—
Eine Hochschule für den Magen.
Von W." Waldan-.
Keinem, der sich für Frankreich und
sein geistiges Leben je interessirte, ist
es unbekannt, welche hervorragende
Rolle die Academie dort spielt, d. h.
das Institut, welches nicht Jeder be
suchen darf, der da lernen will, in das
man überhaupt nicht als Lernender,
alsWerdender eindringen kann, son
sdern als ein Fertiger, dem die Unsterb
;lichteit gewiß ist. Wenigstens schmei
scheln sich jedenfalls Alle, die durch
die Mitgliedschafi das Recht erlangt
haben, sich »Jmmortels« zu nennen,
daß die Nachwelt ihnen Kränze wid
men werde, obgleich diese undankbare
Nachwelt ihrer meist vergißt, kaum,
daß der Sarg sich über ihnen— geschlos
sen hat.
Paris besitzt aber noch eine Acade
smie, welche jedoch nicht über die Gren
;zen des Landes hinaus, ja, wohl kaum
Hallen Bewohnern der Hauptstadt selbst
bekannt ist, und die doch von gar
Vielen als das wichtigere Institut be
trachtet wird, sicher von all' Denen,
die der Meinung sind, man solle zuerst
die Kräfte und die Gesundheit des
Körpers pflegen, ehe man an die des
Geistes denke. Das Institut, von dem
ich hier spreche, ist nämlich tein gerin
geres, als die ,,Academie de cuisine«.
Wie würde Brillart-Savarin frohlockt
haben, hätte er je die Entstehung einer
solchen ahnen können, deren begeister
tes Ehrenmitglied er sicher geworden
wäre, er, dessen Name sich dauernder
erhält, als der so vieler ,,Jmmortels.«
Die »Academie de cuisine« besteht
jetzt seit ungefähr 16 Jahren, sie wurde
im Jahre 1883 in’s Leben gerufen,
selbstverständlich durch Herrscher im
Reiche der Kochlunst. Es bestanden
damals mehrere culinarische Gruppen,
wodurch alle Anstrengungen, wirklich
Großes zu leisten, häufig vereiteli
wurden. Dem Grundsatze folgend, daß
nur Einigkeit stark mache, suchte man
daher alle unter eine Fahne zu brin
gen. Leicht war das Unterfangen nicht,
aber mehrere der bedeutendsten ,,Chefs«
ließen in ihren Bemühungen nicht nach,
und so gelang es endlich, die Academie
zu begründen.
Anfangs glaubte man, sich nach
seinem berühmten Borbilde richten zu
müssen, und so wurde die Zahl der
Mitglieder auf 40 festgesetzt, aber ein
weiterer Geist durchwehte dieses Jn
stitut, und sehr bald machte man sich
von jedetr Beschränkuon los, so daß
jetzt der Zahl der Theilnehmer keine
Grenze gesetzt ist. Sogar Damen wer
den aufgenommen, wie sich das fiir
eine Academie gehört, die auf der Höhe
der Zeit bleiben will.
Nicht, wie dies bei dem vorbildlichen
Institut der Fall ist, müssen die Can
didaten bei den bereits Erwählten Be
suche machen, um sich des Wohlwollens
derselben zu versehen; ein solches Er
schmeicheln der Stimmen ist gegen die
liberalen Anschauungen der ,,Arademie
de cuisine.« Hier wird einzig und allein
nach dem wahren Verdienst geurtl)eilt,
und zu diesem Zwecke haben die Bewer
ber eine Arbeit an dag Comite einzu
reichen, d. h. nicht etwa eine Speise,
sondern einen schriftlichen Aussatz,
woriiber dasselbe entscheidet. Die Aca
demie krönt auch einzelne Werke, wie
z. B. »La cuisinc retrospective« von M.
Phileag Gilbert und »Le« table a tra
vers leg ageg« von M. Colombie, ei
nem der Mitbegründer des Jnstitutg.
Trotz dieser etwas theoretischen An
wandlungen ist aber die ,,Aeadernie de
iuisine« im Allgemeinen eine Gesell
schaft, » die sich praktischen Studien
widmet. Jn den Statuten heißt es,
daß der Zweck der Gründung der
Academie darin bestehe, der Kochtunst
den größtmöglichsten Aufschwung zu
geben, in jeder Weise daraus hinzu
wirken, daß im Jnteresse der öffentli
chen Gesundheit diese Kunst nach hygie
nischen Grundsätzen ausgeübt werde.
Jn ihren wöchentlichen Zusammen
iiinsten beschäftigen die Mitglieder sich
hauptsächlich damit, ein wenig Ord
nung in Bezug aus die verschiedenen
Bezeichnungen einzuführen, mit denen
ost ein nnd dasselbe Gericht belegt
wird. Zu diesem Behuse ist eine En
ehelopiidie verfaßt worden —- man be
merke, daß dies innerhalb von noch
nicht zwei Jahrzehnten geschehen ist«
während die andere Academie mit th
rein Lexilon nochnichf über die An
fänge-hinaus gelangt- ist —, die als «
Lehrbuch ,,par excellenre« des strebsa
men Kochlunstlernenden betrachtet
werden kann. Die Namen der einzelnen
Gerichte sind darin so viel als mög
lich-vereinsacht, und man hat sich be
müht, die Erfinder derselben zu ent
decken und nach diesen die Speisen zu
benennen. So erfahren wir z. B» daß
Jardiniere, Printaniere und Mare
doine in Wahrheit ein und dasselbe
sind, nämlich ein Mosail von Gemü
sen, das nur durch verschiedene Sau
cen: »sauce brune, consommee oder
sauce blanche« zusammengehalten wird.
Dergleichen interessante und nützliche
Din;e lehrt uns das Küchenlexikon
noch eine ganze Menge, und wenn
nicht schon die vielen und prächtigen
Ansstellungen welch-e die Academiler
veranstaltet haben, uns von der Nütz
lichkeit ihres Institutes überzeugt hät
ten, so müßte das dieses Buch thun.
Jn Berlin beabsichtigt, wie ich gele
sen habe, die Iltunicipalität, eine Koch
schule in’s Leben zu rufen. Von solcher
Stelle begründet, wird es sich jeden
falls um ein Institut höherer Art han
deln, wo nicht nur die einfache Herstel
lung von Gerichten gezeigt, sondern
auch der wissenschaftlichen Seite dieser
Kunst die ihr gebührende Würdigung
·zu Theil werden dürfte. Die Pariser
,,Academie de cnisine« «lönnte dafür
als nachahmenswerthes Vorbild die
nen, und dies war, neben dem hohen
Interesse, das sie san und fürs sich bean
spruchen kann, mit der Grund, daß ich
Ihren Lesern hier von derselben sprach.
Niemand wird die Wichtigkeit einer
solchen Lehranstalt verkennen. Jhre Be
strebungen müssen vom wohlthätiasten
Einfluß auf den Magen und die Ge
sundheit überhaupt sein und mehr als
alle weisen Lebens-regeln dazu beitra
gen, den Frieden des Hauses zu för
dern und die Daseinsfreudigkeit zu er
höhen.
Retcher Segen.
Beim Herrn Professor ist Familien
zuwachs eingekehrt und er will zum
»Tagblatt« eilen, um allen Freunden
der Familie die frohe Nachricht durch
die Presse zu verkünden. »Lieber
Eduard,« sagt seine Frau, ,,inserir’
doch gleich, daß wir eine Amme suchen
——— aber dreimal, nicht wahr —-— man
hat dann eher eine Aus-wohll«
Er nickt mit dem Kon und eilt freu
dig erregt davon. — .
Am nächsten Morgen prangt denn
auch die Nachfrage nach einer Amme
wunderschön im Jnseratentheil, und
vorne, gleich nach den redaktionellen
Nachrichten, liest man an auffallender
Stelle die Jubelpost:
, ,,Durch die heute erfolgte glücklich-e
Geburt eines gesunden Knaben wur
den hoch erfreut
Professor Durcheinand mit Frau."———
Am darauffolgenden Morgen
brummt der Professor ein um’å an
dere Mal beim Zeitungslefen. —
,,Wa haft Du denn?« fragt seine
Frau. --- »Ich weiß nicht!« sagt er.
»Ich finde das Ammeninserat nicht!«
—-- Plötzlich springt er mit einem
Schrei auf. -—— ,,« a, was ist denn
das?« ruft er. —- Seine Frau, an de
ren Bette er faß, greift nach dem Blatt
und liest mit Erstaunen an hervorra
gender Stelle in schönem Druck:
»Durch die heute erfolgte glückliche
Geburt eines gefunden Knaben wurden
hoch erfreut
Professor Durcheinand mit Frau.«
»Ein Setzerirrthum!« sagte er.
»Nichts weiter!« —-— Dabei beruhigen
sie sich nach einer Weile. — Aber am
dritten Morgen beginnt, sobald die
Zeitung kommt, ein fieberhaftes SU
chen. —— ,,Keine Amme!« seufzt er. —
,,Keinse Amme!« auch sie. —— Da ein
Schrei —- diesmal von Beiden. Wie
der lächelt ihnen an bevorzugter Stelle
in prächtigen Lettern die Nachricht ent
gegen:
,,Durch die heute erfolgte glückliche
Geburt eines gesunden Knaben wurden
hoch erfreut
Professor Durcheinand mit Frau.«
»Was werden unsere Bekannten
denken!« stöhnt die Frau Professor
und sinkt in eine sanfte Ohnmacht.
Er steht eine Weile sinnend. —
»Sollte ich wirklich,« murmelt er
dann, »das Jnserat von der Amme
einmal und die Geburtsanzeige drei
mal bestellt haben! Vertvechsele
doch sonst nie was!«
-·---———..O- ---- « —
Modern.
Manch Liebesliedleim tief empfunden,
Hab’ ich in süßen Schäfer-stunden
Dir zugesteekt; du nahmst es an
Und ehlichst —-— einen andern Mann!!
Gesammelt hast du sie sogar!
—— Recht pietätvoll, scheint's-, nicht
wahr? --«
Gesammelt und herausgegeben
Erblickt’ ich sie im Laden eben!
Ja, so erwirbt mederner Weise
Die Maid das Geld zur Hochzeitsreisel
Alsrsed Mahlen
——0.-0
Bomndsetzieesq.
Schriftstellers-Gattin: »Mein Mann
schläft nur bis 1 Uhr in der Nacht,
dann brennt er Licht an und schreibt
in’s Notizbueh seine Gedanken und
Einsiille «—— halt-en Sie das site be
denklich, Herr Doktor?"
Arzt: »Wenn er sie nicht drucken
läßt, keineswqu -