Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 01, 1899, Sonntags-Blatt., Image 14

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    City Sehen-muß aek Palilauen
«T
Nach einein vorhandenen Etosi neu bearbeitet
(1. Fortienung.)
»Ja wohl, ich warne Dich» Du
nnkt mich lange genug, um zu wissen,
daß ich an Alles denke. Aber darf ich
nicht weiter " erzählen? Ich komme
jetzt zu dem von Dir inzenirten
Knalleffett Also Ada und ihre Tante
inqu eines Abends nach dem kleinen
Gasthof, in welchem die Betrug-Z
Coniodie vor sich gehen sollte. Alles
Ilnppte Vortrefflich. Ein von silber
netn Mondenschein überaossener Gar
ten, der zu dem kleinen Hotet gehörte,
in dein Garten eine. schlanke, hübsche
grau, ein reizendes Kind ans dem
tm tragend und endlich der Linne
iant Lilien welcher die Frau und das
Kind auf das Zärtlichfie begrüßte.
Hätte Aha hören tonnen, was da ge
sprochen wurde, fe- träre Dein Schur
kenftreich vereitelt worden, aber Du
Bist doch nicht etwa mitbe, Freund
Reuters«
.Möchtest Du mir nicht sagen, wie
lange und wie weii Du mich noch hie-:
heeumfiiffren willst?«
»Wir md bald am Ziele.«
«Wo ist das Ziel?"
»Bei einer Leiche.«
Es war eine Antwort, die Neutter
augenscheinlich nicht erwartet hatte.
Hastig trat er einen Schritt zurück.
»Du fürchtest Dich,« hohnlachte
Berg-traun
»Nein.« erwiderte Reutter kurz
«.ch bin auch bald mit meiner Er
zählung zu Ende, doch ehe ich sie fort
seU eine Frage: Wo war Deine Frau,
als Du das Haus verließeft?«
»Wozu die Frage?«
»Sie könnte zur Sache gehören.«
-..Zu welcher Sachke«
c ,«Zum Teufel, zu Deiner; antworte
mer.··
fsvMeine Frau war vor mir ausge
gangen.«
»Wohin?«
»Ein einer Freundin.«
»Vin. hm, und wie lange wollte sie
fortbleiben?«
«Bis neun.u
,,Jeht ist efH noch nicht sieben. Also
bis nenn. Aber vergessen wir nicht«
wo wir stehen geblieben sind. Am
Morgen nach jener verhängnißvollen
Entdeckung gab Ada Behringer Dir ihr
Jawort. Frauen sind schnell in ihren
Entschlussem wenn sie sich von einem
Manne betrogen wähnen und wunder
bare-r Weise am ehesten geneigt, sich
Demjenigen-zu eigen zu geben« gegen
den-bis dahin jede Faser ihres Jnnctn
hestiq rebellirt hat. Vielleicht glauben
sie der» immer noch geliebten, als treu
los erxannten Person gerade damit den
größten Schmerz zuzufügen, wenn sie
ihr eigenes, armes Herz mit Füßen
treten. « Meinst Du nicht auch?«
',,-Jch meine gar nichts.«
»Ah so, in eigener Sache soll man
sich nicht incriminiren,« ticherte der
Quellng »auch gut. Es wird Dich aber
jedenfaklz interessrren, mehr von jener
angebiichen Geliebten Villers zu er
sah-ren. Sie war seine Schwester,
sei-ne trnit allen Ehren verheirathete
Schwester, vonder ich Dir schon früher
erzählt habe, daß sie einen nomina
schenBauern gehrirathet hatte. Die
Ehe war leider nicht glücklich ausge
fallen und die junge Frau mit ihrem
Kind-nach Stettin gekommen, um des
abgöttisch geliebten Bruders Rath und
Hülfe einzuholen. Sie fühlte sich so
unglücklich, daß sie schon deshalb von
keines«Menschen Auge gesehen werden
wollte und dann glaubte sie auch, daß
der Verkehr mit ihr, der einfachen Frau
und dasBeianntwerden seines geschwi
sterlichen Verhältnisses zu ihr, dem
Bruder in seiner Carriere nur schaden
könne. hiller wußte ihren Gründen
umso weniger entgegen zu sehen, als
sie fest erklärte, nur unter dieser Be
dingung bleiben zu wollen. Er kannte
die Welt und seine Umgebun und hielt
es gerade Adckz wegen, ni t siir nö
thig Stoff zu unnützen Conmentaren
zu gebet-. Das-, die Bosheit der Welt
von dem Verkehr der Beiden dennoch
erfahren und ihm eine andere Bedeu
tung. die schlechteste natürlich· beilegen
würde, daß sie selber l;crauf»c1chworen,
was sie am messien verhindern wollten,
daran hatten die beiden arglosen Men
schen nicht gedacht. Ein Schutte, ein
elender Spi)n, gab der Sache die Ve
deutuikg, welche für seine Zwecke am
besten paßte, nnd sorgte dafür, daß
auch Ante-e mit seinen falschen Augen
sahen. Erst Frau Aha Reutter erfuhr
die .Wahrheit. Erfuhr sie erst, als sie
schon die Mauer Deiner Kinder war.«
Mutter war merkbar zusammen
gezuckt ·
»Gehst Du, ich kennte Dir also
wirklicher-pas Neues sagen, Freund
senkten »Ja, ja, das hat mein kluger
Freund beim doch n· gewußt· daß
feine Frau Jahre und ahre mit voller
Kenntniß seiner Schurke-em- neben
neben ihm gesonnen schade-! Ei
sgeseiich i it M Dir man noch Von
« Miene-ne R Schicksaleu spre
U ·Dsk IMMEngR halber will
sei-M Staub-I kichihngeth
der grausamsten Enttäuschung seines
Lebene denAbschied, versuchte dies und
das und tam später mit mir nach Ame
rica. Das-, Dir solches nicht bis zum
heutigen Tag verborgen geblieben, be
weist mir Deine Anwesenheit an dieser
Stätte, oder sollte es sich wirklich um
einen bloßen Spaziergang handeln,
mein lieber Freund?«
Reutter antwortete nicht.
Uebrigens bin ich nun zu Ende mit
meiner Erzählung und auch arn Ende
unserer Wanderung, die Dich weit we
niger aus Deinem Wege geführt hat,
als Du in diesem Au endlict glaubst.
Siehst Du das trübe Licht dort unter
den Bäumen? Aber gehen wir lang
samer und tritt leise aus. Wir müssen
im rechten Moment eintreffen und
dürfen vorher nicht stören.«
Sie stiegen immer noch abwärts.
Um sie her lag die vollständige Fin
sterniß der Nacht, welche jäh an die
Stelle des Tages getreten war.
Sie gingen aus einem Pfade, den
sie nicht sahen und der doch so ties ein
gedrückt war, daß sie ihn nicht verseh
len konnten:
Menschen waren ihnen nicht he
gegnet und Häuser hatten sie nicht
Passirt.
Kaum ein Laut hatte das Ohr der
schweigsamen Dahinschreitenden ge
troffen.
Jn einiger Entfernung vor sich aber
sahen sie, durch die Zweige der Bäume
schimmernd, Licht, welches feinen trü:
ben, flackernden Schein dur ein Fen
fter zu ebener Erde zu we en schien
Auf dem Wege lag ein umgebauener
Baumstamm. »Gegen wir uns einen
Augenblick,'« schlug der Bucklige bor.
»Ich bin ganz außer Atheni.«
Reutter folgte ohne Weiteres der
Aufforderung seines Gefährten.
Er war in diesem Augenblick wohl
mehr in der Gewalt einer großen Neu
gicre und Spannung, als in der des
Buckligen, welcher ihm vor einer Vier
telstunde hohnlachend oersicherk hatte,
daß er fein Teufel werden wolle, sein
Teufel schon sei.
,,Stehcn wir auf, Freund Reutier.«
sagte Bergmann, nachdem sie eine
Weile stumm dagesessen hatten, »und
gehen wir zu Deiner Frau!«
»Zu meiner Frau willst Du mich
führen?« Reutter sprach es ohne meet
bare Erregung.
«Jawohl,« rief lebhaft der Buck
lige, «zu Deiner Frau."
»Du redeteft von einer Leiche?«
Obwohl Reuiter sich Mühe gab,
ganz ruhig zu erscheinen, war seinen
Worten doch die ängstliche Spannung
feines Jnnern deutlich anzumerken
und auch das tiefe Erblassen feines
Gesichts hatte er nicht verhindern tön
nen.
Bergmann lächelte befriedigt.
»Ganz recht, auch von einer Leiche.
Du wirst mich nicht Lügen zu strafen
brauchen. Komm!«
Sie erhaben sich und schritten auf
das Licht zu, welches immer noch sei
nen trüben Schein durch die Zweige
und Blätter der Bäume und Sträu
cher wars.
Langsam, vorsichtig mit leisem
Schritt gingen die beiden so unglei
chen Männer eknber.
Nur wenige Augenblicke und sie sat
ten ein kleinre-, niedriges Haus er
reicht·
Scharf hoben sich dessen Umriss-. Von
der herrschenden Dunkelheit ab.
Es war leicht und freundlich, wie
cin Schweizerhäuschen ebaut, Wein-.
reben ranlten sich an en Mauern
hinaus, alle Fenster waren dunkel bis
aus das eine, dessen slimmernder
Lichtschein ihnen als Führer gedient
hatte.
Aus dem ganzen Hause braun nicht
ein einziger Laut, auch in drin Ge
mache, aus welchem der Lichtschein
kam, schien nichts sich zu bewegen
»Treten wir näher,'« sliisterte der
Bucklige, »und hiite Dich, was Du
auch immer sehen magst, den gering
sten Laut von Dir zu geben«
Die Mahnung war überflüssig,
denn Reutter trat ohnedieg weit lei
; ser auf, als sein nervöser Begleiter
i und nun standen Beide vor dem er
» leuchteten, niedrigen Fenster.
»Blicken wir hindurch,« zischte
Bergmann, »aber ver-rathe Dich nicht.«
Das Stäbchen, in welches sie schau
ten, machte einen recht freundlichen
Eindruck.
Eine helle Tapete bedeckte die
Wände, auf Consolen standen weiße
Miste-h alle Möbel waren von salidc
Eleganz.
An der inneren Wand befand sich
ein niedriges Sopha, auf dem die an
scheinend re ungslose Gestalt eines
Mannes zu Zehen war, vor welchem
eine tau an den Knieen la .
S hielt die beiden Bande des
Mannes in den ihrigen nnd ihr Int
lis ruhte aus dem seinigen
xhes beleuchten die ampe ans dem
runden Tische neben been Sense die
W· W Wisse-« «W ne
.- Hs »
s Hasen see-tief- selnen W«
Der Betragea hatte von einer Leiche
gesprochen. ren zwei daf« .
Beramann lieh den iodernven Blick
fiir keinen Moment von des Anderen
Angesicht dann sprach er, die stumme,
angstvolle Frage des gehetztrn Mannes
anbeantwortend lassend, ebenso leise
wie vorhin: »
.Kennst Du die Frau?«
Aber Reutter, welcher das Bild in
Zimmer mit seinen heißen Blicken ver
schlang, hörte nicht auf ihn und unge
duldig fliisterte der Buckliae ihm zu:
»Du antwortest mir nicht. Haft
am Ende wohl schon errathen, wer sie
Frau da ist, die ·Deinige natürlich.
Auch über den Mann, vor dem sie
kniet, kannst Du nach Dem, was Du
von mir gehört hast, kaum im Zweifel
sein. Es ist —'«
Reutter fuhr säh herum und jetzt
fand er auch Worte fiir die Frage,
welche vorher in feinen Aug-en gestan
den hatte:
»Mensch, sage mir, sind sie todt-«
,,Hm, hm,« hohnlachie der Klein-,
»vielleieht eine aemeinsebaftlichc Ver
aiftuna. Aber still, regt sich dori nicht
etwas?«
Es hatte sich in der That etwas ac
regt, aber nicht in dem Gemach selber,
sondern es war laut an die Thiir
desselben gellopft worden, ein Mal,
zwei Mal.
Man mußt-. es in dem Zimmer
ohne Zweifel hören, wenn dort Je
mand war, der hören konnte. Aber
der Mann auf dem Sovba und die
Frau vor ihm rührten sich nicht.
Da wurde das Klopfen lauter,
dringender-.
Reutter’s Augen sogen sich in qual
disllsier Spannung an den beiden Per
sonen im Zimmer fest. sein Herz schlug
zum sit-springen
Am liebsten hätte er laut aufge
schrieen
Da beweate sich die tnieende Frau,
langsam erhob sie ihr haupt, das auf
dem des Mannes geruht hatte.
Das Gesicht desselben wurde frei· es
war das blasse Antlitz eines Todten.
Die Frau beugte sich noch einmal
darüber hin und drückte einen langen
inniaen Kuß auf die für immer stumm
gewordenen Lippen.
Dann streckte sie ihre hobe, edle Ge
stalt und wie sie sich wandte, zeigte sie
den am Fenster Lauschenden ihr schö
nes-, iurnmervolles Gesicht, das bleich
irar wie das des Todten.
»Nun. wie aefällt Dir Deine
Frau?« sraqte Beramann mit schnei
dendem Hohn den arofzen stattlichen
Mann zu seiner Seite.
Durch Reutterkz Körper lief ein
bestiaes Rittern, aber er sprach nicht,
dinn die Thür des Zimmers hatte sich
leise geöffnet und eine tief verschleierie
Dame war darin erschienen.
»Aha« sprach sie bittend.
Die hohe Frauenaeitalt beugte sich
noch einmal zu dem Todten hernieder,
ihre Lippen prekten sich aus seine
Hände, seinen Mund, dann schwanlte
sie zu der verschleierten Dame, welche
sie sanst aus dem Gemache zog.
Der Todte war jetzt allein.
»hasi Du ein Messer bei Dir?'
srcate der Vucklige seinen Beqleiter,
welcher immer noch regungslos da
stand.
»Wozu die Fraan« entgegnete
Neutter schwer athmend.
»Was, das errätbst Du nicht
Mensch? Sie war treu bis in den
Tod. Aber ihm, dem Geliebten. nicht
ilkrem Manne Hast Du kein Messer
bei Dir?«
»Nein."
»So babc ich einen Dolch Ich steckte
ibn aus Vorsorge zu mir, ich glaube
aus Vorsorge siir Dich, falls Du kein
Messer haben solltest. Ein Dolch ist
zudem poetischer und praktischen hier
nimm!«
Mit diesen Worten zog der Bucklige
einen Dolch hervor und hielt ihn vor
die Augen des Anderen
Obne zu antworten. stieß Neutter
die Hand,ivelche die blitzende Wasse
hielt, zurück.
»Ab, mein Lieber,« lächelte der
Kleine, .b(3si Du keinen Muth, keine
Galle mebrii Sie soll leben? Zum
Teufel, Du verdirbst mir noch mein
ganzes Spiel. Jch bin eine poetische
Notar. Wir hätten die Beiden zu
sammen begraben, sie womöglich in
ein Grab betten können, die beiden,
treuen setzen. Noch ist es Zeit. Die
blinde und dumme Welt würde natür
lich glauben, sie habe sich selber den
Todesstoß gegeben, um den Geliebten
nicht zu überleben. Aus Dich fiele
iein Verdacht, gewiß nicht der ge
ringsie.«
«Satan,« knirschte Neuiter.
»Es-mach mein Freund,« hohnlachte
der Kleine »und ereifere Dich nicht·
Du wirst doch nicht im Ernste glau
ben, daß ich Dir diesen schöner-,
klitzenden haarscharfen Dolch wirklich
zu anderer Benutzung als sitt das
eigene Herz lZur Verfügung gestellt has .
ben würdes«
»Ich glaube, daß der Teufel selber
egen Dich ein armseliger Stümper ;
ist « sagte Reutter hart.
In diesem Augenblick öffnete sich
die Hausthür, Bergmann und sein
Begleiter traten zurtirh
Voll fiel der Lichtschein auf zwei
verschleierte Damen, welche, von einem
alten Manne geleitet, in der Richtung
nach der Fähre zur 14. Straße da- «
vvngin en.
Als eauszer "rtveite waren, wen
detächsichieder Ruck ige Zeuttekfh n Händ
pr n e nein a en hn n
« on, dnr den aber eine seltsame
Irrt-rights werte
R ,cpnftnntin Mich
» tät-W
Deine-Weges sllr heute. Ich ;
halte Wache deipdern armen Todten. ’
der doch seliger entschlasen ist, als er
es sich in seinem durch Deine Schuld
zerstörten Leben wohl hätte träumen
lassen-«
O I f
Am anderen Tage schreckte eine sen
sationelle Kunde die deutsche Gesell
schaft von New York.
Frau Ada Reutter, Gattin von
Constantin Mutter, Chefs der großen
Jmportsirma Reutter F: Co» war von
den Palisaden herabgestürzt und hatte
dcbei Verletzungen erlitten, welche
ilzren Tod herbeigeführt hatten, ehe
noch örztliche Hälse zur Stelle ge
schafft werden kennte.
Und um so erschiitternder und
tragischer war der jähe Abschluß des
Lebens dieser wegen ihres WohlthLi
tiateitssinn’s allgemein verehrten
Frau gewesen, als sie sich gerade aus
einem ihrer Samaritergiinge befunden
tratte und ans dem Wege gewesen war
ciner armen deutschen Familie Trost
rind Hiilse zu bringen, alk- die entsegs
liche Katastroplie sie ereilte·
So lautete die Auskunft, welche im
Hause der Verungliickten gegeben
wurde.
Und so derichteten übereinstimmend
die Blätter der Metropole. sämmtlich
in langen, stimmungsvollen Nekrolo
aen die seltenen Eigenschaften der
Verewigten bervorhedend und symp
tl.isch des von dem surchtbarenSchlage
gänzlich niedergedrückten Gatten ge
tenlend, der so rnit seinem unendlichen
Schmerze beschäftigt sei, daß er sich
nicht in der Lage befande, irgend
welche Angaben zu dem in seinen De
tails noch nicht völlig ausgetlärten,
grausigen Unglück zu machen
Als Bergmann von dieser neuen
Mendung der Dinge hörte, erschien in
seinen Auaen ein seltsames Leuchten.
Zum ersten Mal in seinem Leben
war er unschlüssia.
Zum ersten Mal traf sein rasch ar
beitender und scharf abwägender Geist
nicht sofort dasRechte oder weni stens
nicht Das, was ihm als das echte
erschien.
Zwei Mal machte er den Weg nach
dein Polizeigedöude in Mulberry
Street, zwei Mal stand er vor der
Thür des Chess der Detectiv-Abthei
lung und zwei Mal tehrte er vor jener
Thier wieder um
Als es zum zweiten Mal geschah,
inurnrelte er trotzig: »Nein, das nicht.
Jch weiß mir etwas Besseres-F
Und der Ausdruck einer furchtbaren
Entschlossenheit erschien auf seinem —
Gesicht
Die Anordnungen für das Leichen
begängniß Hiller’s waren bereits ge
troffen, aber Bergniann hob alle Ar
rangements unverzüglich wieder auf.
Erst wollte er sich über Tag und
Stunde des Begräbnisses der Frau
Reutter und über so manches Andere
vergewisserm dann mochte das Ver
hängnisz seinen Lan nehmen. -
Die Freundschaft des Buckligen für
Hiller war der einzige lichte Punct in
seinem verbitterten Leben.
Als hillcr damals fein Lebensglück
in Trümmer sinlen sah, wurde der
Wunsch, die alte Heimath mit allen
aualdollen Erinnerungen zu verlassen,
täglich stärker in ihm und dieser
Wunsch fand immer neue Nahrung,
als Ada Reutter nach einigen Jahren
mit ihrem Gatten, dessen ausgedehnte
geschäftliche Beziehungen an der ande
ren Seite des Oceans ohnedies seine
persönliche Anwesenheit dortselbst
wünschenswerth machten, ebenfalls
nach America übersiedelte.
Auch Berginann, den sein diaboli
sehe-Z Verlangen, die alte Rechnung mit
Reutter auszugleichen, teinen Augen
blick verlassen hatte, zog es inii magi
schrr Gewalt in die Nähe dek- Bewuß
ten und so bestiegen die Freunde denn
eines Tages in Breinen oen Dampser
und fuhren nach New York.
Es war eigentlich Bergmann’s Ab
sicht gewesen. sieh mit Hiller in Chi
raao, dem damaligen Wohnorte Neut
ter's. niederzulassen, allein der ehema
lige Lieutenant, sehon zufrieden, daß
er die Lust eines Landes mit ver im
mer noch Geliebten, aihmen konnte,
widerlegte sich, weil er um teinenPreis
die Ruhe Ada'i stören wollte.
Bergmann versuchte nicht, ihn an
deren Sinnes zu machen, vielleicht des
halb nicht, weil er schon damals wußte,
daß. die Familie Reutter daran denke,
ihr Domieil von Chicago nach New
York zu verlegen, eine Absicht, iiber
deren Ausführung allerdings immer
noch nahezu zwei Jahre vergingen.
Daß dann nicht sogleich die Explo
sion erfolgte, obwohl sich in der Be
weistette gegen Reutter längst Glied
an Glied zum geschlossenen Ganzen ge
siigt hatte, wurde durch die Krankheit
sich's verursacht, eine Krankheit, von
der er sich nicht wieder erholen sollte.
Als Bergmann mit tiesem Schmerz
die tödtliche Natur des Uebel-!- erkannt
hatte, wußte er, daß lein längeres
Säumen mehr geboten sei.
Er weihte die ties erschütterte rau
Reutter in alle Vor ilnge ein, er chit
derte mitleidslos, w e auch sie um das
Glück ihres Lebens betrogen worden
und wußte zu bewirken, daß ihre Ge
genwart dem- Kranken in dem kleinen
freundlichen Häuschen an dem Abhang
der Palisaden den le ten Trost brachte
und Her mit dein se igen Glauben an
ihre Liebe die Augen zur ewigen Ruhe
schließen darste.
Der wilde Schmerz um den Verstor
benen Ieigeeie das brennende Verlan
OI M sticllgeh IN an WM
i
-
F—-—-—-W
’ Zu üben, der Augenblick des handeln
war gekommen.
Beramann wußte, daß Mutter nicht
mehr ahnungslos, daß er Verdacht ge
schöpft und von den Furien des Ge
wissens gejagt, nach Gewißheit lechze.
Dastrat er dem Verhaßten auf ten
Palisaden entgegen, da zeigte er ihm
mit erbarmungoloser Deutlichkeit, wo
vor Reimen-Z Herz in auälendem
Zweifel bannte, da gab er ihm die Ge
Wkßhckit. daß er i.i den tiefsten Winkel
feiner Seele geschaut, das-, wenigstens
TM Mensch auf Erden wisse, wer Con
stantin Reutter sei. . . .
Und nun! Und nun!
» Der Vorhang hatte sich gel) ten
uber dem Schlußart des Dramaz, das
Ende war da . «
Inzwischen al- eö noch Vielerlei in
Erfahrung zu ringen, Verschiedene-H
von Dem, was sich in den letzten vier
undzwanzig Stunden ereignet hatte,
war noch duntel und unklar und Berg
mann sah ed nur durch einen-Schleier,
aber dieser Schleier war roth wie Blut.
Erst als das Begräbniß der Frau
Reutter’6 auf dem Greenwood-Fried
l-,-ofe angeordnet war, nahm er die
Sorge für die Beerdigung des todten
Freundes wieder auf
Es sollte nun doch einDoppeldegriibs
nifr geben.
Er kaufte mit theurem Gelde eine
Grabftätte neben der, die siir Frau
Reutter bestimmt war und ließ den
Leichenzug von der Fahre an 23. Str.
zu einer Zeit abgeben, daß beide Züge
fast zusammen ans dem Friedhofe ein
trafen·
Kaum war das große und glänzende
Trauergesolge, welches Frau Adr
Reuttet zu Grabe geleitete, durch die
Kirchhofs-Pforte gezogen, so tam der
tleine Zug Leidtragender, welcher dem
Sarge Villeer folgte, Bergmann,
feine heftig weinende alte Haushalterin
und eine Deputation des Kriegerlzum
des« die dem verstorbenen Kameraden
die letzten Ehren erwies.
Es war ein seltsames Paar, der
Buellige und die schluchzende alte Frau
zu feiner Seite, aber wer cie Beiden
fah. dein mußte das Herz schwer wer
ten.
Des-E Gesicht des kleinen, verwachse
nen Mannes blickte mit fo finsterern,
wilden Schmerz drein, daß die, welche
ils-m begegneten, ein Grausen übertau
ten wollte.
Als Hiller’s Sara in die Gruft ret
senlt und die letzten Adschiedswerte
Verklungen waren, wandte Bergnnnn
sey plötzlich an feine Begleiterin und
agie:
»Wenn Jhr Vater Ihre Mutter ne
iddtet l,·aite, möchten Sie es dann lie
berwiffen oder rndchten Sie es nicht
wissen-"'
»Um Gotteswillen, Herr Berg
mann,« rief tief erschrocken die alte
Fran.
»Antworten Sie mir, ich seye ja
nur den Fall«
»Aber wie tcnrmen Sie zu einer so
entsetzlichen Frage und an diesem Ort
dei- Friedens«-»
»Sie lag mir nahe, gerade an die
sem th des Friedens. Und Ihre Ant
wort -«
O
Die Frau sann lange, lange new.
»Es wäre sdnccklich,« sprach sie mehr
siir sich als siir ihren Bealeiter, dann
aber war sie mit sich selber in’ö Reine
gekommen
»Jch möchte es um Alles in der-Welt
nicht wissen,« siigte sie mit sester
Stimme hinzu.
Beramann sab sie mit einem unbe
schreiblichen Blicke an, sagte aber
nichts.
Jn diesem Augenblick,suhr einer der
Waaen vorüber, die zum Reutter’schen
Trauergesolge gehörten
Der Buckliae schaute aus und heftig
begann es in ihm zu arbeiten, dann
verließ er mit der alten Frau eilends
den Friedhof.
Jn dem Wasser-. welcher Bergwann
xa außer Fassung gebracht hatte, sa
en Canstantin Reutter und sein
Schwiegervater Berthold Behringer. .
Ali Renttefs Blick den Augen set
nes Todseindes begegnete, war er jcils
erblaßt.
Der alte Behrinqer hatte es bemerkt
nnd grübelte befremdet darüber nach.
Er war erst kurz vor der Beerdi
,ung seiner Tochter von einer Ge
schästbreise zurückgekehrt und harte
mit dem Schwiegersolsn noch wenig
über die Vorgänge der letzten Tage
sprachen können.
Je t aber wendete er sich ihm zu
und agtez
»Sie haben mir in Jhrern ersten
Schmerz nur wenig über die nö eren
Umstände des entsenlichen Schick als
xchlageh der uns genossen, Ja en
önnerr. Durste ich Sie um deren Ell it
tdeiluna bitterst« «
,.Es wird mein herz— zerreißen, ves
sen Wunden noch so hefiiq bluten.« «
»Ich denke es mie. Aber wiitde es
später weniger so feins«
»Sie haben Recht, here Schwieger
vater und zudem darf ich mich auch der
schmerzlichen Pflicht, Ihnen Aussta
rung zu eben, nicht entziehen. Am
vorigen iensiag machte meine Frau
einen Spaziergang Ich hatte sie gebe
ten, nicht auszugeben, da ich sie nicht
begleiten tonnir. Sie war jedoch wie
eii Tagen schon, in einer fondetsaren
ufregunf, olene daß sie mir oen
Grund m tthe tie, ohne daß ich ihn ek
raihen konnte. Dienstag Na mitiag
trat sie dann plöslich in mein immer
und sagte mir kurz, sie werde einen
Ausgana machen müsse auch noch nach
einer k amiiie se n, in der Noth und
Kraut it herrsche, wenn sie spät wie
derkomme, so möge ich mich nicht äng
Mgem it U sit. init wem e -
hen merk Reich antwortete eke
Und wohin?— Das wisse sie nicht
o genau. —- Jch machte ihr weitere
orstellunlfety aber sie en egnete nee
oiis, te m" sse geben« es du e sie im
Hart e nicht mehr. Als ich ihr dann,
obwohl es meine Zeit nicht eere,
dennoch meine Be leituna anbot, rotes
sie diese auf das stigste Zurück. Sie
kennen, Herr S wiegervatet, Ada?
bestimmtes Wesen. Ihren einmal ze
saßten Entschluß änderte nichts-L o
gab ich ihr nothgedrungen ZWE« «
Behringer unterbrach seinen chioies
gersohn. «
»Habcn Sie Streit mit ihr gehabt?"
Reutter entsärbte sich und senkte
desi Blick.
Er erholte sich aber schnell und
sagte, tief athmend:
»Nein böses Wort war Zwischen uns
aefallen.«
»Und Sie haben teine Ahnung, tras
lea beunruhigen, autregen trnnte?"
Reutier zögerte eine Weile« ehe er
antwortete:
»Nein — indeß kommen wir nach
her daraus zuriid.« .
Nachdentlich schwieg Bei-ringen
»Ein häßlichesz Gefühl iibertam ihn,
wahrend seiti Schiviegersohn surtsuhrx
»Ada ging alzo wirklich. Kaum
war sie fort, so esiel mich eine unbe
schretbliche Unruhe. Bald litt es mich
nicht mehr zu Hause. Jch kleidete mich
also an und folgte ihr, denn ich hatte
eine Bermuthung, wohin sie gegangen
iein könne, zu einer armen deutschen
Familie in Weehawten. Jn solcher
Stimmung fühlte sie immer den un
bezwinglichen Drang, Bedürsiigen
Wohlthaten zu erweisen. Als ich di
Fähre an 14. Straße betrat, um die
andere Seite des Hudson zu erreichen,
begegnete mir der ZeitungssReporter
Herzbergen Er sah mich so eigen
thümlich überrascht an, daß ich un
willkürlich auf den Gedanken sam,
er habe meine Frau getro en, die ihm
wohl von röszeren Festl chleiten der
ersten deut then Vereine betannt sein
mochte. Und richtig, du sing er schon
aani von selber an. zu erzählen, das; er
vor wenigen Minuten an der New
Jersey’er Seite des Flusses Ada ge
sehen habe. Jch bemerkte in leichgiili
tiaem Ton, das! wir uns der ehlt hät
=
ten, ich iie aber wohl leicht einqolen
würde. Die innere Unruhe wollte
mich verzehren, ich weiß nicht, wie es
kam, riefenschwer siel die Abnnng
eines entsetzlichen Unglückz aus mich
und diese Ahnung, sie sollte zur Ge
tvißbeit werden, zur Gewißheit in
furchtbaritek Weise vor meinen eige
nen Augen. Jch eilte den Weg hinan,
der zu den Palisaden führte, es gab
. keinen anderen, den sie eingeschlagen
haben konnte. Ich stürmte weiter nnd
weiter, es begann bereits zu dunkeln.
Niemand war mir begegnet und ich
konnte auch leinen Laut vernehmen,
der die Gegenwart eines Menschen«
außer mir angezeigt hätte. Plötzlich
bemertte ich auf einer scharf vorsprin
aenden Gesteinlante eine duntle Ge
i italt nnd glaube, ein menschliches We- «
. sen zu erkennen. Ada will ich rasen,
; denn mit tausend Stimmen schreit es
; in mir, sie, sie ist es, aber ich kann
; nicht rufen, das Wort erstirbt mir ans
i den Lippen. Die Gestalt da oben
I schwanlt, beugt sich vor, stützt nieder
i und vekschwindki in vek Dunkelheit
IAber entsetzliche Laute dringen an
,mein Obr. Das Gestein bat var
sspringende Spitzen und Zacken, auf
jede Spitze, auf jede Zacte höre ich»
einen Körper fallen, snit reißender
lSchnelle und bei jedem Ausschlagen
l höre ich ein unterdrücktes Wimmern,
das thmern einer Frau. Ich stütze
l
· lich entstelltem Gesicht.
hin, meine Pulse fliegen. lea kann
ich jetzt rufen, ach rufen, verzweif
lnnqgooll hinangschreien Jch be
komme leine Antwort. Nur auf
einem großen Uinrvege lann ich die
Stelle erreichen, wo die Abgestiirzte
sich befinden muß. Endlich, endlich
bin ich da und nun sehe ich, meine
arme, unglückliche Frau. mit furcht
bar zerschmettertem Körper mit rass
Sie at ete
noch schwach, es dauerte nicht lange,
aber fiir meine brennende Ungeduld
viel zu lange, bis Hülfe herbeikam.
Zu spät. Zu spät!- Sie hatte schon
den letzten Atheinzug gethan. Soll
ich, tann ich Jhnen meinen Schmerz
schildern, die marternde Angst bei dein
Gedanken an meine Kindes- Erlassen
Sie Inir das Weitere.«
Geraume Zeit schwieg Behringer,
sein Gesicht war bleich geworden, in
seinen Zügen zuckte es.
Endlich sprach er langsam und mit
erstickter Stimme, als fürchte er sich
vor seinen eigenen Worten:
..Denten Sie an einen unglücklichen
Zufall oder an Selbstinord?«
»Wie sollte ich an Selbstmord glan
ben?« rief Reutter fast lebhaft. »Was
könnte sie zu einem solchen veranlaßt
haben?«
Behringer schaute seinem Schwie
gersphne ernst in's Ge ichi, sagte aber
kein weiteres Wort.
Und nun hielt der Wagen vor dem
Reutter’schen hause an Madisos
Aventin
n An der Thür befand ein Trauer
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gis « alousietn waren geschlossen.
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»Sie entschuldigen mich wo l s .
kurze Zeit,« sagte der Letztere se E
lich, »ich mochte siir eine Weile« «
meinen Gedanken allein sein und II
ßerdem sehnen si die Kinder so
nach ihrem Gro vater, von III
alle Sage spreche-R «
Gortseßung solan
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