Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, November 10, 1899, Sonntags-Blatt., Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    -—
Unf halbem Wegs- I
Rodellette »Don A r m I n R o n a i.
1. l
War das eine aufregende Nacht!
Kein Mensch hatte eine Ahnung davon
gehabt, gänzlich unerwartet war sie mit
dein Rachtzug angekommen
Ein Wagen war oorgefahren nnde sl
wurde hefig gellingelt Das Dienst-i
tnii kam m größter Aufregung in
das chlafzitnmer mit dem Rufe:
»Bitte, gnädige Frau, stehen Sie
gleich auf es ist jemand angelomnten.«
»Wer ist denn dasu
:Jch Mama, ich bin’3 « rief eine helle
Frauenstimme
»Warte, Du bist es, urn Gotteewili
len, wie kommst Du hierher? Was ist
denn geschehen Z«
Frau Doktor Ludwig Bernsen, die
Tochter der Wittwe Neubert, lief; sich
müde am Bett ihrer Mutter nieder. Sie
ergriff ihre band und driicke einen hei
ßen Kuß darauf. Nach einer kleinen
Weile sagte sie dann mit viillig ruhiger
Stimme:
»Ich Gabe meinen Mann verlassen
und bin fest entschlossen. nicht mehr zu
ihm Iuriielzulehrenf
Dann erzählte sie der zu Tode er
schroetenen Mutter die ganze Geschichte
urit einer Ruhe und Auefiihrlichteit,
wie man von vollzogenen Thatfachen
spricht
Marie Neubert war mit achtzehn
Jahren die Frau des Doktor Ludwig
Berufen, eines vielgesuchten Rechtsan
walts, geworden, der bis dahin zu den
bekanntesten Leberniinnern der Welt ge
zählt hatte. Die Ehe war eine ruhige
und friedliche. Vor einem Jahre aber
war die junge Frau dahinter gekom
men, daß ihrMann sich keineswegs der
pflichtet gefühlt hatte, mit den Passio
nen des Junggesellenthums zu brechen.
Sie erhielt die sicheren Beweise dafür,
daß er zum Haushalle einer, im Rufe
der Unnahbarleit stehenden Schauspie
lerin beizutragen pflegte. Marie, die
bis dahin mit einem gewissen Gleich
muth an der Sete ihres Mannes gelebt
hatte, begann ihn zu verabscheuen« zu
verachten. Sie vermied jedoch jeden
Ell-t, und die Welt hatte keine Ah
nung, welche Entfremdung zwischen ih
nen Plas gegriffen halte.
Die charakterstarle junge Frau such
te auf anderen Gebieten Ersatz siir das
entgangene Glück. Sie interessirte sich
fiir Literatur und Kunst: and beson
ders, wenn ihre jüngere Schwester bei
ihr zu Besuch war, besuchte sie fleißig
Museen.Ausstellungen, literarischeSoi
reen und fiihlte sich in dieser Sphäre
recht wohl.
Bei derartigen Gesellschaften tam sie
öfter mit dem Professor Heinrich Oel
berg zusammen. Das gemeinschaftliche
Interesse beförderte rasch ein freund
schaftliches Band zwischen ihnen. Pro
fessor Oelberg wurde nicht müde, die
beiden Damen auf ibrrn Streifziigen
zu begleiten und mit seinen tiefen
Kenntnissen die der Kunst und Wissen
schaft gewidmeten Stunden noch ge
uußreicher zu gestalten. Auch im Hau
se des Doktor Berufen, wo jeden Don
« nerstag sich die Freunde desselben ein
sufinden pflegten, war er ständiger
Gast. Erst glaubte die Welt, der Pro
fessor interessire sich für Fräulein Ag-’
nes, bald fand man jedoch, daß seine
Huldigungen mehr der schönen Frau,
Doktor galten, von der man ja wußte,j
wie sehr ihr Mann sie oernachläfsiatr.l
Frau Doltor Bernsen fand am Verkehr
mit dem hochgebildeten Mann da
griißie Gefallen Sie hätte aber ge
wiß jede Beziehung abgebrochen, hätte
sie geahnt, was-I sich die böse Welt zu
LI2114 --4- «
ICIIIFDII»
Gestern Abend nun war die Kam-,
strophe eingetreten. Doktor Bernsen
war in der Gesellschaft lustigerFreunde
gewesen, und es schien da recht lebhaft
" zugegangen zu sein Man feierte ir
gend einen seiner Erfolge, und des
Toastirens und Champagnertrintens
war tein Ende· Es war sehr spät,
als Doktor Bernsen endlich den Heim
weg antrat. Er war in sehr gehobener
Stimmung und siihlte den Wunsch in
sich, die ganze Welt an seine Brust zu
drücken.
Jn der Wohnung brannte noch Licht.
Ein interessantes Buch schien seine
Frau noch wachgehalten zu haben. l
heute wollten selbst seine alten Ge
siihle für seine Gattin nochmals zum
Ansbruch lotnmen. Er nahm einen
Stuhl, setzte sich neben sie und wollte
sie mit einem teichten Scherzworte an
sich ziehen. ·
Marie machte sich mit Entschiedeni"
heit los und blickte ihn lange durch
dringend an. .
s« »Nach allem, was zwischen uns ge
schehen, wagst Du es noch, mich anzu
riihren?« l
Berner war heute nicht in der
Stimmung, etlan ernst zu nehmen, u.
erwiderte daher scherzend: i
»Aber Marie wer wird denn gleich
so sein? heute bin ich in der Stirn
nuenz alles u vergessen; vergiß Du
auch. Du wei t ja, daß ich immer nur
Dia gen-n hab-.- t
»Ich. laß die Kindereient Zwischen
III ist Ia doch alles aus, ich bin ja nur
noch um den Schein zu wahren, bei
Dir geblieben und der Mutter wegen,
die ich nicht tränken wollte Zwischen
uns wird sich nichts mehr ändern, es ist
alles vorbeik· s
Jst W des Doktors ging eine
spr. die gute Laune war
Hrseu
J- Jst-it Misere- Schritten
nnd nieder. Endlichbi er m
Wstebun ·
l
s
oisi das Dein lestes Wort?«
Mein allerlehtes.«
»Nun gut; wenn Du mich dazu
zsingst, so will ich es Dir auch sagen:
Dein Benehmen imvonirt mir nicht
nicht« Das ist ja alles nur Schein und
Verstellung, leere Ausredem aus die ich
nicht mehr reagiere· Den wahren
Grund Deine-z Benehmen-( kenne nicht
nur ich. sondern alle Welt.«
.,Den wahren Grund? Und der
wärest-s«
»Daß Du einen Geliebten hast« —-—
Und ohne auf eine Atti-vertan tva ten,
fuhr er mit höhnischem Cynismus Fort:
»Ich denke, Du weißt» von wem ich
spreche. Du kennst ja den Helden recht
aut, diesen lyrischen Professor Oelberg.
Eine nette Geschichte den-P
Marie erhob sich mit talterRuhe nnd
rief mit dem stolzen Bewußtsein der
reinen, in ihrem tiefsten Innern ver
lehten Frau:
»Hinaus!«
Bernfen bebte unter ihrem Blicke zu
stimmen
Er sprach kein Wort nnd entfernte
sich. In der Thür drehte er steh nack
einmal um und sagte drohend:
be ..Morgen sprechen wir weiter dar-its
r.« —
Anderen Tags aber war Marie nicht
mehr da: noch in derselben Nacht pack
te sie das Nothwendigite zusammen,
verließ das Haus ihres Mannes und
kehrte zu ihrer Mutter zurück.
e)
Si
Mitte Januar retsteMarie mit Mut
ter und Schwester nach dem Süden und
verbrachte in dem milden Sonnen
schein der Riniera einige Wochen. Sie
hatte sich mit allen Umständen defini
tiv abgesunden. Sie betrachtete den
Bruch mit ihrem Manne als einen end
giligen und wartete mit Sehnsucht aus
die Stunde, da auch Doktor Bernsen
seine Einwilliguna zur Ehescheidung
geben werde. Mit Professor Oelberg
unterhielt sie einen lebhaften Brief
wechsel; die Fäden zwischen den beiden
spannen sich immer sester.
Ende März lehrte die Familie nach
Hause zurück. Sie lebten von aller
Welt zurückgezogenx nur ProfessorOels
berg, der inzwischen in die Vaterstadt
Mariens versetzt worden war, verkehrte
viel bei ihnen
An einem schönen Frühlingstage sa
ßen Frau Doktor Bernsen und Proses
sor Oelberg allein aus der Terrassr.
Oelbergs Blicke hingen mit Entzii
cken an der reizenden Gestalt der jun
gen Frau. Plötzlich stand er aus und
trat zu ibr hin.
»Wissen Sie,'« sagte er leise, »daß
Sie aussehen wie ein junaes Mäd
chen?« —
»Manchnial ist es mir auch so, als«
wäre alles nur ein Traum gewesen·
Und wenn ich nun noch Mädchen wö
re, was würden Sie da thun, Herr
Professor?« -
»Ich hielte bei Ihrer Maina sosort
um Jhre Hand an! Und wäre Jhiieri
das recht?«
Marie antwortete nicht. Sie beugte
sich noch mehr vor, um die jähe Röthe,
die in ihrem Gesichte ausgestiegen war,
zu verbergen. Qelbera ergriff ihre
Hand —— sie entzoa sie ihm nicht.
Sie sprachen teinWort, sie hatten sich
ohne Worte genug — alles aesaat.
Von diesem Zeitpuntt an beaanii
Marie fast unbewußt sich einaehenoer
mit dem Scheidungs —- Vrozesz zu be
schäftigen. Doktor Bernsen wollte
freilich von nichts wissen. Anfangs
hielt er den Schritt seiner Frau siir ei
ne vorübergehende Laune. Er kannte
offenbar ihren Charakter nicht genug.
Als er sah, daß seine Aufforderungen
zu ihm zurückzukehren unberiicksichtigt
blieben. richtete er sein Leben wieder
ganz junggesellenmäßig ein, verkehrte
Gesellschaften. besuchte Theater und
stürzte sich mit derdoppeltem Eifer in
alle Großsiadt- Vergnügungen Der
Welt sollte das als Zeichen dienen, daß
ihn der Schritt seiner Frau gleichgiltig
lasse. Ei entlich wollte er in den He
riiiischooll en Vergnügunaen nur seine
wiednerwachten Gesiihle betäuben. —.
Denn das wurde ihn-i mit jedem Tage
klarer. Seitdem er sie verloren liebte
er sie erst« recht wieder er liebte sie mit
verdoppekter Leidenschaft und verdop
Pslter Sehnsucht
Alle iirsprache von Bekannten und
Verwan ten war vergebens. Mochi
seine Frau machen, was tie wollte in
die Scheidung willigte er nicht. j
J. «
Die größte Sensation in dem klei-l
nen, mitten im Hochgebirqe romantisiiii
gelegenen Kurorte war die Ankunft deri
Nachniittagspost, wenn der lcihrneBrief-l (
träger mit den angelommenen Briefen
sich der Kurpromenade näherte. 1
Die muntere Agnes war heute die
Erste, die vorn Boten einen Brief ern
sing.
»Ein Brief siir Dich, Marie, rief
sie schon von weitem der mit Professor
Oelberg nachkommenden Schwester ent- ·
gegen.
,.,Ach von meinem Manns«
Nachdem sie ihn gelesen, reichte Ma
rie den Brief schweigend dem sie ge-;
spannt beobachtenden Professor Oel-it
berg, der folgendes las:
»Du wirst ej vielleicht lächerlich fin
den, over ich gestehe es Dir unumwun
den, daß ich auch hier im Tritt-ei des
Bavelebenj nnausgesesst Dein gedenke f
höre nun meine leite allerleste
Bitte: Gut, willigte ein ich lasse.
mich von Dir s iden, jedoch nnt nnierf
M VIIISUII Wisse mit tsix Upsbj
vierundzwanzig Stnnven, ehe unsere
Wege fiir immer auseinandergehn-. —J
Ich schwöre Dir bei meiner ewigen Se
ligkeit, die Welt soll nichts davon er
fahren Reise geheim hierbei-, in In
burg werde ich Dich erwarten. ach
genau vierundzwanzig Stunden kannst
Du wieder im Hamburg fein und di«
Heimreise nach Belieben antreten. Jll
schwöre Dir bei meiner Ehr-, daß ich
unter dieser Bedingung zu allein bereit
bin, was Du wünschest Dagegen
schwöre ich Dir ebenso ieieriich, daß ich
unter keinen Umständen in die Schei-·
dung willige. wenn Du meine Bedinq
gung nicht erfüllst. Es hängt nun al-;
les. von Deinem Entschlusse ab, den ich
mir telegraphische erbitte.
Dein Gotte
Dottor Ludwi-,r Berufen. z
Einige Minuten herrschte tiefesk
fs«F-ck-,n.zeizsien. Dann fragte der Profes
« or:
»Nun. was werden Sie thun?"
Sie konnte nicht spat-im antworten.
Nach einigem Nachfrnnen erwiderte sie.
«Denten Sie über den Antrag knei
neH Mannes nach: ich der-e das thun.
wozu Sie mir rathen. Allei- tpingt von»
Jhnen ab; morgen friih heim Brunnens
sprechen wir weiter darüber. l
4.
Lange, lange stand VenfeisarDeiberg
Abends noch vor dem Kurhaus und
blickte zu dem Fenster hinauf. hinter
ivelchem die geliebte Frau wohnte. Und
dann ging er zum Ufer des Teiches
hinab, sette sich bald aus eine Bank,
oder ing, gedantenschwer sinnend, die
ausge drbenen Spaziertvege entlang.
Welche Entscheidung soll er treffen?
Welchen Rath in dieser verwickelten
Angelegenheit geben?
Erst gegen Morgen suchte der Pro
fessor sein Zimmer aus, vonSchlaf und
Ruhe konnte aber bei ihm teine Rede
sein. Es war noch nicht sechs Uhr, als
er schon den bezeichneten Platz an dem
Brunnen aufsuchte, bleich. iibermächtig
und in nervöser Erwartung.
Nach Verlauf einer Stunde lain die
sehnlichst Erwartetr.
»Haden Sie einen Ausweg gesun
den?'· war ihre erste Frage. ·
«Einen Weg nicht, aber einen Ent
schluß. "
»Bitte, lassen Sie hören«', ries Ma
rie rasch.
»Mein Rath geht dahin« ——— die
Stimme de- Prosessors zitterte merl
zlich —- «und ich bin nach reiflicher
. Ueberlegung dazu gelangt: Nehmen-Sie
den Vorschlag an und Lehren Sie aus
vierundzwanzig Stunde-i zu ihm zu
rück. Jch habe nicht die Kraft. zu ent
sagen, und das ist der einzige Weg,
Sie endlich zu errincen.«
Vom Gesichte Maries verschwand
das sanfte Lächeln, und sie frug mit
merklicher Kälte:
«Haben Sie die Sache auch reiflich
überlegt «
»Die ganze Nackt liindurch.«
»Gut, ich irerde Ihren Rath besol
-gen.«
Tags über sprachen sie nicht mehr
davon.
Anderen Tage um neun Uhr friib
wurde Professor Oelderg aus dem
» Schlafe geweckt. Der Lellner übergab
; ihm einen Brief«
; »Weder Freund! Ich irill Ihnen Le
sbewohl sagen in dem Momente, wo
r ich bereits fern von Ihnen weile. Jch
;bin mit dem Erpreßzug um acht Uhr
’friih abgereist und gedenke schon heute
Abend mit meinem Manne zusammen
-zutresfen. Leben Sie wohl, lieber
Freund, unser Traum ist zu Ende —
iiir immer. Ich handele, wie Sie es
wünschten: iet« reise! Aber nicht auf
vierundzwanzigäsundem wie Sie mei
nen, sondern siir immer. .
Auf dem Wege, der in das Hausl
meines Mannes führt, giebt es siir
fiir mich keine Rückkehr. Diese vier
undzwanzig Stunden entscheiden mein
Schicksal. Jch werde an seiner Seite
Leben, wie Eine. die kein Recht ansGliick
at.
Die Jhre tann ich nicht mehr wer
den, lieber Freund, und dem Glücke ha
be ich für immer entsagt. Die letzte
Enttiiuschung hat mich nüchtern ge
macht. Liebten Sie mich wirklich so,
wie ich in glücklichen Stunden ge
giaubt habe, Sie hätten mir diesen
Rath nicht geben tönnen.
Sie kennen mich und werden es ge
wiß nicht versuchen, mich umstirnnien
zu wollen. Suchen Sie das Glit- aus
andern Wegen, ich werde es wob! nie
wieder finden. Leben Sie wohl, lie
ber Freund, und vergessen Sie mich.« ]
Cefpeeetltflser Ritt.
Ziizze von Paul Perron.
Auf den falschenTip, den Tons Noa
rer mir aegeben hatte, gewann ich tau
send Dollars, und es hatten allein mei- «
ne Dummheit und Fortuna Schalk-,
denn Tom hatte mir mit Absicht das
Pferd mit den fchlechteften Chancen, ei
nen richtigen Outfider, genannt, nur,
urn endlich meine ewigen Fragen los
zu fein. Ich war dumm genug, an feis
ne Ehrlichkeit zu glauben und feste
hundert Dallars auf den faulen Gaul.l
und ich· war glücklich genug, dennoch
zu gewinnen. Mein Gaul lief fa ge
mächlich, als ob es einen gemiithlichen
Spazierritt galt aber der Favorit
rannte eine Stanke um« das zweite
Pferd verlor den Reiter bei einem
Rumpler, und das dritte Pferde ftiir
te. Mit der qemtithlickften Pare trag:
te mein Faulpelz durch? Ziel, und das
Resultat war, das ich für einen Dol
lar zehn wieder erhielt.
Meine Dorn-seit wurde nur noch
von seeiner Mai übertroffen. denn
ichswarssbesdmädernsiensen
den biederen Tom gef, um mich fitr den
schönen Tip zu bedenken. Und et
schleppte mich mit in feine Stamm
tneipe, wo ich allen feinen Freunden
und Bekannten mehret Fäßchen Ein
ausgeben mußte. Das war eine inter
nationale, durstige Gesellschaft Trak
net Jockens und Stallleute aller Art,
die sich einmai tüchtig betrinten woll
ten, weil das nächste Rennen in San
Francigco erst vierzehn Tage später
stattfinden sollte. Da konnte man sich«
schon erlauben« den Sonnenaufgana
abzntvaxtew
Na. seht geistreich war die Unter
haltung nicht. Einer schrie noch mehr,
als der Andere. so daß mir in der
schmälen alcohalgeiättiaten Luft der
Athem auszugehen nnd meine Augen«
zuzufallen drohten. Ich hörte nur ein
zelne Worte. Von Weibern war dis:
Rede und von Pferden, und Dann fing
Tom an nnd erzählte, das-. er ganz be
stimmt gewußt hätte, daß der Gaul,
auf den ich gest-net hatte. gewinnen
triitde. Ein lautes Gelächter belobnte
feine Renommage. Da plönlich über
dtönnte eine heisere, krächzende Stint
nie das Geschrei. « s
Verdammt will ich sein, wenn di:
Geschichte mit rechten Dingen zugegan
acn ist,u sagte der alte Joaey Janus
Will. »Ich laube wahrhaftig, es war
ter »Seht-in einfeger«.« s
Aus eine Minute verstummte der
Lärm. Alle Burschen schauten mit vi
fenen Munde zu Janus hinüber, der
laltbliitig mit einem Zuge ein Wasser
glas beißen Grogs binabstiirztr.
»Der Schornsteinfeger?« fragte end
lich Einer.
«,.Welcher Schornsteinfeger?" siigte
ein Anderer bin-iu.
,.Der Schornsteinfeger. sage ich, und,
wenn er’s gewesen ist« hätte er auch den
großen Chamant besiegt. Da giebt’:
überhaupt lein Pferd, das er nicht von
den Garten geschiittelt hätte, wie ein
Knabe die reifen Pflaumen vom Bau
me." —.
»Da steckt 'ne Geschichte dahinter,«
rief Tom, «l,-erauo damit, alter Bur
sche-« —
.Wollt Ihr zubiiren?« sagte Juni-H
und zwinlerte mit den Augen. »Aber
verdammt will ich sein,n:enn Einer von
Euck- lacht und ich ihm nicht dies Glas
in's Gesicht aieszenk Es ist eine ver
teufelte ernstbaste Geschichte, die ich
nicht zum zweiten Male erleben möeb
te.« —- —
,.Herans damit, Ja:nes,« riefen nied
rere Stimmen. Die Groggliiser wur
den neu gefüllt, nnd tiese Stille trat
ein. Jch wischte mir den Schlaf aus
den Angen. James, der ein Gesicht
hatte wie ein vertrockneterBanmstuan
ans dem die Nase wie ein Ast heraus
much-, blickte sich im Kreise um« nnd,
als er sah-»daß Alle an seinem Munde
hingen. begann er folgendermaßen:
»Es-«- war vor vierzig Jahren, als die
großen Rennen in Amerika sich erst ein
bürgerten. Bei Chieaao war ein gro
ßes Meeting, und die Obicagoek suchten
den New Yorlern in Höve der Preise
nnd Giite der Pferde den Rang abzu
streiten. Jm großen Handicap sollten
zehn berühmte Gänle siart3n, aber ini
letzten Augenblick tam noch ein elster
dazu. Damals nahm man es mit den:
Termin der Eliennnngen noch nicht so
genau. Ein unbekannter Hur Smiid
hatte an das Comite geschrieben, das-,
sein »Zchornsteinseger,« schwarze
Hengst, Vater »Schorns1ein,« Mutter
,,Sweaiheart,« mitmacljen solle. Pa
viere und Geld schielte er ein. Es wsiirs
de aniRenntage mit «Schornsteinfeger"
zur rechten Zeit erscheinen.«
Vier oder siinf Tage vor dem Mee
ting trafen bereits alle Pferde ein, und
jeden Morgen fanden Probe - Galopvz
statt. Jch war noch ein ganz junger
Jockey, der überdies bei seinem erstgn
Ritt Mallxur gehabt hatte, so dasz mirs
tein Besitzer seinen Gaul anvertrauen
wollte. Trotzdem bummelte ich von
Morgens bis Abends bei den Boreöj
herum. Von .Schornsteinseger« war
nichts zu sehen und zu hören. Am frü
hen Morgen des Renntagee fehlte
«Schornsteinfeger« noch immer, so daß
Jedermann glaubte,— der Derr Smith
hätte dem Comite einen Possen gespielt.
Schon wollte nvan den fremden Gaul
streichen. als ganz fern auf der Prairie
ein schwarzer Punkt auftauchte, der
sich dein Rennpserd ziemlich schnell nä
herte. Durch den Krimftecher lonnte
man bald sehen, daß es ein völlig
schwarzgetleideter Reiter auf einem
schlanlen Rappen war. der im Hand
Galopp vahecspemqie numianieuchs
richteten sich aller Augen aus die san-·
derbare Erscheinung, und trotzdem es!
sonnenheller Morgen war, iiiblte Jeder .
Bienen Schauer durch seinen Körper ge i
n.
Der Reiter parirte fein Roß vor dem«
Eotnitezette, sprang ab und stellte sich,
indem er nur stijchtia den tsylindethnx
Derührth dem Präsidenten als MH
Smith vor. Dann ließ er das Pferd
stehen und ging in’s Zelt, um die bei-I
mals sehe geringfügigen Foemalitäten’
zu erfüllen. !
«Schoenfteinfegee« stand in einem;
Kreije von Rennstallbesihetm Ttaiik
nern, Jocteys undStallbedienfteten un
wandte seinen ichtanten Kon mit den«
funkelnden Augen bald nach recht-M
bald nach links, als ob ee «Guten Mot-«
gen« sagen wollte· Es war ein schöne-·
nnd elegant gebautei Schien das durch·
den zueitckqetegten Galopp durchaus
nicht ermüdet zu fein schien. Aber diei
unstet-enden Eennef schüttelten den
Kopf nnd lächelten. Der dumme Gaul
sollte nett dem berühmten «Petmkose««,
laufen, der sich in bester Conditton be
fand. Darüber tout Inan bald einig:
«schptamuw« um an »ein-k
dutchJ Ziel get-eh denn et konnte mit
keinem der gemeldeten zehn Pferde den
Vergleich aushalten
Mit spöttian Blüten wurde der
her-r des unglücklichen Outsiders be
grüßt, alä er wieder ans dem Zelt trat
und laut nach einem Jocley begehrte,
der fein Pferd reiten sollte. Niemand
meldete sich. Er wiederholte feine ZW
ge, aber als der Präsident fein Begeh
ren uniersiiihth trat ich schüchtern dot
rcn einem hellen Gelächter der Umste
henden begrüßt Das ärgerte mich sp.
daß mir das Blut zu Kopf flieg.
« Herr Smitlh der mich mit feinen
tchlvaxzett Mich-v Augen einen Augle
Pliu strikte, llopfte mit auf die Schuf
er.
»Wel! mn boy,« faqte er. »Zwei
lusndert Tollan fiir den Ritt und tan
fend für den Sieg. Abqemacht.«
Ein allgemeines »Ab« und nochma
liges Gelächter, jedoch der langeSmitb,
welcher mit feinen schwarzen Augen,
schwarzen Haaren, bleichern Angesicht
und in dem schwarzen Anzug wie ein
Leichenbitter aussah, ließ sich nicht irr-e
machen. —
.,Well, gentlemen! Wette mit Jeder-i
ein paar tansenwotlars. daß«Schorn-s
steinseger« es markt« Dabei zog er
seine Vriestttsche. die mit Tansenddol
lcrs - Scheinen gelpickt war. »Wer
hält die Wette?«
Na. fest brach ein Tumult ans, wie
ich ihn selten gehört habe. Wohl an
siinszig Wettlnitiae stiirmten ant Mr.
Sinitb ein. Die Wetter wurden regu
lirt, das Geld. wie es damals Sitte
war, bei dem Präsidenten deponirt. und
ein allgemeiner Freudentautnel bemiich
tigte tich der Wettenden, die alle schon
glaubten, das Geld in der Tasche zu
haben. Mich aber zva Mr. Striith bei
Seite, in dem Pferde bin. entnahm
der Satteltasche einen schwarzenJocken
Dress und schwarze Mütze nnd befahl
mir, zur rechten Zeit beim ersten Glo
denzeicken zur Stelle zu sein.
Mir ist nie wieder ein Vserdebesiyer
vargetommen, der mit solcheriliuhe und
Gleichgiltiateit dem Rennen entgegen
sab. »Schornsteinieger« blieb aus detn
Rasen stehen, ließ den Ron zwischen
den Vorderbeinen bänaen und schien zu
schlafen, und sein Herr stand daneben
wie eine Statue. So verrannen mehere
Stunden, bis endlich der erste Glocken
schlag siir das Handieap erklang. Mr.
Smitb trat näher bekan. der Gaul boh
den Kopf und svisste die Ldren nnd
ließ dabei ein ganz leises dumpfes Wie
bern hören. als ob er Bauchredner
wäre.
»Weil, bon,« saate Mr. Srnitb nnd
ergriff mich mit seinen dürren, langen
Händen, die mich wie eine Feder in den
Sattel hoben. Durch die leichte Jacke
tindurel fühlte ich. wie eigtalt seine
Hände waren. lind wieder ging ein
talter Schauer durch meinen Körper.
Kaum war ich im Sattel, so führte er
das Pferd etwas abseits, denn es hatte
sich wieder eine Menge genirender Zu
schauer einqesunden.
»Daß anf, Jamesf sagte er leise zu
mir. »Der »Schornsteinseger« ist ein
verdammt eigensinniaes Vieh. Wen-r
er will, gewinnt er. Wenn nicht, nicht.
Niemand darf imerrichristen machen.
Halt Arme nnd namentlich die Peit
sche in Nich. Wirst aenng zu thun lia
ben, im Sattel in bleiben. Halt fest.
Inn-Je, kalt seit, nnd- nm wag Anderes
tianiEIIre Tich nict !. Zo, ga on.'«
tFr gab dem Gaul einen leichten
Schlag aus die Schenkel, nnd der
»Schornstcinseaer'« wieberte wieder wie
ein Bauchredner. Es war unheimlic
anzuhören Dann sente er fich, als das
zweite Glockensianal ertlang, in leich
ten Trab, und mit den anderen zehn
Pferden tanterte er als Lester an der
Tribiine vorüber zum Statt.
Damals wollten die Leute noch viel
fiir ihr Geld haben, die Babnliinge be
trug iiber 3000 Meter. und zwei Mal
mußte das Feld bei den Tribiinen vor
über, und erst beim dritten Mal war
das Ziel erreicht. Keines der els Psa
de seßte Anfangs seine volle Kraft ein,"
«Schornsteinseger« aber gewiß nicht.
denn er blieb noch eine nette Länge dem
vorlekten Pferde zurück. als wir zum
ersten Mal bei den Tribiinen vorbei
kamen. Dabei tarn ei mir vor, als ob
er den linten hinterfnß nachschleiste .
wie ein todtes Gebein. Mr. Smith
stand an der Bart-irre und ließ ein let
serr Pseisen hören. Der Gaul spitzte die
Ohren und wtelzerte im Galopp leise
uriick. Weiter qina’s. »Schornsteins
seger« blieb zurück. nicht weit, aber doch
merklich. Einen Augenblick war ich
versucht. Arme und Beine zn riihem
da -— - war es Cinbildnztg oder« «Wirt
llMlkll « lCUclllc UCV Dlilff(, lllcl slljlllsus
xen Haaren umrahmte Gesicht Mr.
Sinitife mit drohende-n Ausdruck ne
den mit auf . . . ich liefz die Rechte mit
der Peitsche langsam sinken. Zum zwei
ten Mal passirten wir die Teil-une, ich
lag zwei Lönaen hinter dem Vorlesten
Und mindestens zwanzig hinter demEr
ften. Ein Hohnlachen empfing mich,
und ärgerlich wollte ich die Peitsche he
ben, als mein Auge wieder auf Mr.
Smith traf, der wie eine Statue arn
Pfosten ftand und leite pfiff.
Und nun in der legten Runde begab
sich etwas Mettwiikdiges, etwas Tol
les, etwas Verritcltes. »Seht-kaltem
feaet« rückte allmählich auf«aber glaubt
Ebr, daß er auch nur einen Puntt
chneller lief. Verdainmt will iet: fein.
wenn er den linken hinterfuß nicht im
rner noch nachfchleppte, und doch waren
wie plötzlich mitten im Knäul, und doch
fah ich. daß dieJoeleni auf den anderen
Pferden eine mäederifche Paee mach
ten. Diefe Beobachtung machte mich
san zafhfp daß mich jede Aufre ng
ver e Jeh war nur ein stiller eph
achtee. Langia-n wie ein Wandelpep
norania zog das ganze Feld naeh eitel
wiirts an mir vorüber. Wie toll schrieen
) nnd peitschten die anderen W qui
. ihre Pferde ein, während ich behaglich
i wie ans einein Spazierritt dahinter-t
Itete, nnd, als »Schornsteinseger« die
« Svihe genommen hatte. bog er allmäh
lich seitwärts wen, als oh er seinen
Nachsolgern Plan machen wollte nnd
lies ganz ans die Aussenseite Nun kam
die les-te Biegung. Er nahm den wei
ten Bogen mit Eleganz nnd war zwei
Längen vor, ohne daß er auch unschei
nend nnr einen Muskel schneller be
sorgte.
»Was soll ich noch sagen? »Sei-ones
steinfeaer'« tam ans der Anßenseiis mit
vier Länaen im Kander als Sieger ein,
Hind, lanm hatte er die Linie passirt.
? stand er bembensest still, so daß ich fast
siiber seinen Kopf ans den Rasen ge
; schleudert worden wäre, wenn inichMr.
! Smitd nicht am Bein gehalten hätte.«
Der alte Jaines schwieg still. Wir
starrten ihn eine Weile an. Dann
sraate Einer: »Und die Moral von
dieser Lügengeschickte. Jamed"«2«
Er schlug mit der Faust ans den
Tisch, daß die Gläser emporspran en.
« »Lügenaeschi te? Daß mich der en
lkl hold wenn r. Sinitti nicht der ell
te Gentleman in eigener Person war!'«
Ein schallendez Gelächter war die
Antwort!
»L(·Icht- ft! viel Jhxtvollt Jch weis3.
Was Ich Weiß, I.md. wer damals die
Geschichte mit erlebt hat, kann’s be-:
zeugen. Hat der alte Smith nicht all’
sein Geld einer armeuWittwe geschenkt,
die mit einer hübschen Tochter lebte?
Hat er mit dein Gelde die schöne Lizzie
nicht entführt? Und ist sie nicht drei
Wochen später iinWalde mit nlngedreh
teni Halse als Leiche aesnnden worden«
Wollt Ihr noch met-r Beweise, so fragt
den alten Lotomotivsiihrer Green, der
; vor zelm Jahren; mit seinem Zug zwi
Hchen Boston nnd Washington verna
;qliickte. Das war in dunkler Nacht,
» ater trotzdem hat er iin Schein der La
I lerne turz vor dem Zusainnienstos mit
» dem lfrpreßinq einen schwarzen eiter
; auf einem schwarzen Gaul vor seiner
z Lotoniotive herreiten sehen, das war
»Me. Smitli ans dein »Schornsteinses
s ger.« so wahr ich lebe, es war der Teu
; iel ans seinem Höllenrosz, das ich nie
: veraessen werde.«
Zucht-No Bote-.
—
Von einem Londoner Platte wird
eine Joachim Anetdote erzählt die
wenn nicht wa r, doch gut erfunden
ist. Während eines Besuches in Lon
don ging zoachirn in einen Friseur
I laden, ninich rasiren zu lassen. Der
Barbier hatte von Joachim weder
etwas gehört, noch lein Bild gesehen
nnd fragte dienstfertig: Haar schnei
ben, Herr?« indem er das wallende
T Lockenbaar des Künstlers mit prüer
dem Auge betrachietr. Joachim gab
ibni zu verstehen, er ware mit der
Länae seiner Haare durchaus zufrie
den, aber der Barbier ließ sich so leicht
nicht avschreeten »L nten sind sie ein
wenig u lang«, meinte er diploma
i tisch. ;oachirn bedeutete ihn von
Neuem, daß er gerade so liebte, und
? der Barbier war ein Weilchen still.
»Die Haare sind auf dem Scheitel
;iemlich diinn", sagte er dann, aber
! Joachim sah ibn nur an und schüttelte
seine Rünstlermäbne. Nun rasirte der
Barbier ibn mürrisch und unzufrie
den weiter, aber er lonnte die hoff
nuna noch immer nicht ausgeben
Soll ich n cht wenigstens die Spitzen
abschneiden einen halben Zoll etwa?«
Joachim blieb bartnäckiq." Da riiz
dem Barbier die Geduld. »Nun gut«,
iaate er, und in ieiner Stimme lag
tiese Verachtung, »wenn Sie durchaus
out-leben wollen wie ein deutscher
Musiker, so läßt sich darüber nicht wet
ter reden.«
.- ....----s—0-.-0---· --...
spöeheedsh
Nun fiel das leßte rathe Blatt vom
Baum
Das leßte goldme fzlllijltehen wurde
bl G
a «
Im Nebel starb des Sommers Rosen
traum,
Die leyte Lust verqlomm, der letzte
- haß.
Du bist am Ziel: schon neigt dein Pil
aerlauf
Sich sanft ins friedumfchattet' stille
Tha .
Schon dämmert’8 dir im Auge heim-«
lich auf
Wie eines neuen Frühlings Morgen
sirnhL
R. Voller.
Ein komischer Zwischenstu
der an eine Szene in Benedix· »besch
zeitereile« erinnert, hat sich dieser Ta
ge vor einem württemdergifchen Ge—
rtcht abgespielt. Bei der Verhandlung
ertlärte der Angeklagte u. A.: »Ich
würde mea sponte eine Berichtigung ge
bracht halten« -—— Der Mäqer erwider
te darauf: «D·err X. hat behauptet, er
würde eine Berlchtinunn mea lponte ge
bracht dubtn.« -- Du Angellngtez
»Mu- fagt dler lna sponte.« Gelt-k
leit im Anditormrn und am Gerichts
MchJ —- Dtt Klchm »Du-to Herr I.
behaupten »Ich würde lua ponte . . .« —
—- Angetlaqten »Im sagt mqu wie
der mea sponte. lLeddafte betratest-)
—- r: »Jet- rede Sle ja Un, Seit
Xt Al c Sie würden las sponte . . . .··
Ungetlagteu »Dieses Mal ist es
teule tua spontet« CStltrmt He cel
ctc .