Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, October 13, 1899, Sonntags-Blatt., Image 11

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    Eine Reicht.
Eli-Ue vonGustav Rennen
Man hatte sich auf die Veranda ges
setzL Es war schon duntel und nur vie
brennenden Riaaeren leuchteten still»
wie geesße Gliettwiikener oder beschrie
ben einen kleinen Bauen in der Lust.
Geaen den helleren Horizont hab fis-i
mitunter ein schwarzes Pensil ab,
neiate sich nnd rerschtvand wieder. Lie
Gesellschaft war seh: animirt, enan er
zählte, spöttelte, lachte und neigte sich
immer aufs Neue die dictbauchiaen
Chiantiflaschen.
»Aber nun werde ich Licht beinaen!«
faate die Wirthin und erhob sich.
Alles proteititte.
»Ich sinde, es ist viel amiisantek. sp»
im Dunkeln zu sitzen. Nicht. Yok
tar?« saaie eine junge Dame, bkkme
sich fester in ihren Stian und Umk
idrem Nachbar näher.
»Gewiß; denn bei Tage «-»——- «
Die iunae Dame ersticlte aber« dsg
leimende GeistreichiateiL »Ich iiixoe
überhaupt die Nacht reizend. Sein-c
Sie den Garten an-—n)ie alle Inein
Farmen die bunten Farben meian
der verschwirnmen, wie wie --«
»Schade, daß der-Mond nicht scheint;'
man hatte die beste Gelegenheit, sentisj
nuntal zu werden', warf Jemand
ein.
»Ach, Sie antwortete die
iunae Dame wieder, »Sie -- -- -- es istA
doch reizend, nnd ein bischen Schwän
mekei schadet aar nichts, nnd die Nacht
ifi meine Schwärmerei. Aber schönY
mus; es sein« natürlich, so wie ietztJ
iternentlar oder so-—meinetn:egen auch
mit Mond!« i
»Man sagt aber-, die Nacht sei tei
neg Menschen Freund-N wandte ein
Herr lachtnd ein.
«PnreVerleumduna!«' entgegnete die
Danie. .Da"e GeaentheiL Ich be
haupte das Gegenthetl!«
»Nimm Jemand den Dandschuli
ansi« fragte Jemand aue der Ecke und
lasse-. I
Ein älterer herr. der sich bisher rusi
hia verhalten hatte. rückte mit seinem;
Stuhle niiber und legte seine Cigarre
wea.
»Ich weiß nicht, lvie Andere dar-l
iiber denken« . taate er leise, und es.
maa das auch Jeder mit sich selbst
auimacheld Ich versönlich tann sagen,
dass ich — -—nun sagen wit, lein gros
ßer Freund des Dunlels bin denn ichl
babe eine Nacht erlebt. die «- « ·I
doch« -—- unterbrach er sich, »eH istk
wohl heute nicht angebracht lFr sah
sich um. .
.Doch. doch « erzählen, erzählen
Sie nur!" tlana es von allen Seiten.
»Ja, und etwas Grugliches. Das
ist zu schön so im Dunkeln«. sagte
die tunae Dame wieder, lehr-te sich weit
in den Stubl zurück und faltete die
hände hinter dem Kopfe. Kommen
Geister darin vor? Sind Sie etwa
Spirititt? Das wäre nett. Jch möchte
aern einmal hören, wie re dabei su
acht «
Der Herr beugte sich weit vor, sodaß
feine Ellenbogen auf den sinnen lagen
und lächelte lette. »Ich bedaure, daß
ich damit nicht dienen tann und iiber
ak- -- —-« i
.Erziiblen, nein, nein, erzählen!« ;
unterbrach man ihn
»Ja« das beißt«, beaann der Mann
»ich weiß nicht, ob meine Erzählunax
die Geiellichaft so sehr interesiiren
wird. Ich meine, man muß das erle
ten. Doch, tue-r und gut —- ich willj
es schildern, soweit es meine Erinne
runa noch zuläßt; denn das Ereignis-,
beaab sich schon vor langer Zeit. Die
Eindrücke waren jedoch start aenua,
um im Wesentlichen die Zelt zu über
dauern.
Ich reiste in dein Sommer, in wel- ;
chem ich mein neunundzwanziglles Les
denstabr eben vollendet hatte, mit ei-l
nem Freunde in’ö Gebirge, nach TiroH
Mein Freund war, wie ich, Ingenieur.
wir hatten zusammen itudirt und tva i
ren, wie man zu lagen pflegt, unzer»
trenulich. Beide bei ein nnd derselben
Gesellschaft angestellt, hatten wir br
schiosien, unseren Sommers-elan wie
gewbbalich durch einige tübne Ver «
toueen auszufüllen Wir waren Bei «
im Berasieiaen geübt, ja, er war von
einer damals noch seltenen Leidenschaft
iiir solche wagbalsigen Experimente
erfüllt. -
Li- trar ln der letzten Woche unte
ies Urlaubs. Wir hatten beschlossen
die paar Tage. die uns noch verblie
veu, zu einem Ausfluge in die To
tomiten Zu benutzen Wem- wik auch
durch die vorherigen Märsche und An
ikrenaunaen schon etwas erschöpft wa
ren, to waren wir doch froher hoff
nuna, denn das Wetter war bisher
schön gewesen und jede Unternehmung
glücklich alsnetnufen
Es war in det zweiten hellste des
August, als nur eines Tages von einer
anneenqenden Bergvesteigunq zurück
ledrten Die ganze müde Stille eine-«
Smmnerspätnachmittaqs lag iiber den
unabfebbaten Gewirr von Thalern,
bewaldeten Lappen scharfen Gratess
und in tausend Formen uber einan
der aewätsten, ungeheuren Steinen-Is
len. Tief. tief unten in den Thalern
laa schon der Nebel, aus dessen milchis
get Muth die blauduntlen Spitzen der
Tannen-s und Mchtentdälder empor-tag
ten. Aber über uns hing noch der lichte
Dimmel in dem milder-en leichter-en
Blau des Ade-edi. und ins Westen
attidte die Sonne hinter einer langge
erefteeetten Schaar braut-rather Wol
ken.
sit hatten keinen Führer, benahm
mann k— wie ich meinen Freund neu-I
nen will — liebte das nicht, war es
doch gerade die Gesabn die ihn lockteI
und ihm das Holze Bewu tsein einerl
gesteigerten Leistungsfähi ett gab. .
scltachdem wir noch, aus einem mit
violettem Moose bedeckten Steine siH
end, unsere Flaschen geleert, hielten
wir für einige Augenblicke Unifchau in
die stille Wehmuth des herannahenden
Abends. in das lautlose, bleiche
Schweigen, das zitternd, wie in Ah
nuna einer lauernden. unabwendbaren
Gefahr, die Nacht zu erwarten schien.
Wir brachen aus und stiegen eine steil-.
Schuttbalde hinunter, die, wie wie
vermutheten. unseren Weg nach dem
Thale abliirzen sollte.
hermann war immer ein Stück vor
an. wie es seine Art war, und um und
vor uns rollten die unzähligen, losem
kleinen Steine. Von unseren Tritten
und den Berastöclen aus ihrer Ruhe
aestErL lustig fcharrend und llappetnd
An That.
Im Gefühl einer überschüssigen
straft nnd Lebensfreude stieß Her
mann, einen Augenblick stehen blei
bend, einen hellen Jodler aus und
aleich darauf sah ich ihn nicht mehr,
sondern nur noch einen dunllen Klum
ven, der unglaublich schnell aus den
rasselnd initstiirzeuden Steinen nnd
Steinchen hinunteirntschte. Einen lei
sen Schrei hörte ich noch, der mehr wie
ein Ruf seltsamen Eri"taunenå, ali- des
Schreckens llang. Mit einigenSpriin
gen war ich ihm nach und sah, mich an
einem svitz hervorspringenden Steine
festhaltend, daß sieh die Schuttttalde in
einiaen tiefen Nitten iiilt hinunterge
senlt hatte. Zugleich bemerkte ich Her
mann am Rande des Abgrundesz wie
er sich mühsam an einein steh bereite
loelernden ariißeren Steine festzuhal
ten suchte. Jch benate mich vor. soweit
im konnte. stiitrte mich mit dem Knie
an den spitzen Felsen nnd streckte mei
nen Belastoel dem Freunde hin, indem
ich-ihn, angstvoll leise, beim Namen
riet.
Er sah mich an. Sein Blick war
aani fremd und geistesabwesend und
die bleichen Lippen zitterten. Er schien
mich nicht zu teniien, sondern wie
derholte nur mehrmals, inich anstat
rend, die Worte: »Mutter-«--Mutter,
was hilfst Du nicht? So hilf mir
doch. Mutterl«
..Fafse den Strick!« ries ich ihm iu
und beuate mich soweii vor, daß ich
beinahe mitaestiirst wäre. Ein Blitz
des Verständnisses aina über sein blei
ches. von den Steinen blutig aerisseneg
Gesicht, und tastend griff er nach dein
Stocke. In diesem Moment löste sich
derStein.an dem :r sich hielt und er
stürzt-. hinab.
All das aeschch in einigen Augen
blicken, isp blihnrtiger Aufeinander:
folge, so daß ich ersi, nachdem ich biib
betäubt ani- den Stein zurück sunten
was-» int- nach und nach den organg
Willst mich-It konnte. Ich überlegte, l
ikas zn ihn sei. Hilfe herbeizuholen
häth wr: weis wie viel Zeit in Lin- l
sprach W, und da ich vermu
etx r. daß ii Zrllspalte nicht febr tief
si·., s« beschloß ich, diriunterzutlettern,
fortei es angängig war. Es war ia
immerhin ziemlich wahrscheinlich daß
nein Freund noch lebte wenn er iiichii
unterweas aniaeschlaaen und deri
Grund nicht zu tief war. th wider I
strebte mir auch, ihn, meinen inniatten
Freund womöglich während der leyten
Minuten seines Lebens ächzend da un
ten sterben zu lassen, allein und ver«
lassen und, ohne Abschied-wart
Vorsictitia suchte ich nach einein
Abstiea. skg war ja noch ziem
iich hell nnd da, wie ich an
nah-« die Spalte nicht alliu
tief sein konnte, lioffte ich noch vor
trnidrum der Tuiiieitieit einen nunin ·
aen Erfola oder doch Geivißtkiit tidcc
das Geschick des- Freundes zu haben«
Das Seil. das ich um den Leib trua,!
befestiate ich an einem weiter aufwärts-!
stehenden Baunittuiiipf und tiefz mich
dann. mit denFiifieu variicknia rastend,
hinab. Felodorspriinae und vereinzel
tes, vertiiinniertes Gesträuch binderten
mich. den Grund der Spalte in er
blicken.
Ich war eine Weite, fast feiitiecht
abgestiegen, als meine Füße oliiglikti
den Halt verloren, sodaß ich bauinetnd
an dem strass über ciiieii scharfen Vor
sprung gespannten Strick hina. Durch
den plötzlichen Abitur,- gerieiti inein
siokvet m eine heiliq Viehe-not Beme
aunn, ich veiniochiik loedei aufwärts
noch rückwärts zu iliininen, unt- plötz
lich. Ivalnscheinlsich von der sinkt schen
etnden Beioequna an dem scharfen Ge
stein zerriebelh riß das-s Seil und ich
imme. Ich erinnere mich, daß wäh
keno des blitzschnellen Falles Minder
limer Weile mit has lachende Gesient
eines iunaen Mädchens im Strohhal,
das ich vor einian Tagen in dem Gat
ten unseres- Gaslbausee gesehen, vor
schwebte. Wie ich gerade auf dieses
Inie völlia qleiehqiliige Bild lam, das
weiß ich nicht.
Ich fiel auf ein: seen-l abqeichkägle
Wand an der ich hinunlettuifchie,
während die spiyen Botsvkiinge und
Kanten mir in’6 Fleisch schnilten und
meinen Fall verlan sameen Mit den
Händen um mich f agent-, fühlte ich
plöilich etwas Siqchücheisssein kut
zee Gestrüpp, an dem ich mich fest
hielt. Die ganze Last meines Mir es
»Man nun an diesen fchiniichti n ur
xzeln, nnd ich vermochte nun r einen
Augenblick die Gefahr zu überschritten
In einigen Minuten meisten die Wut
zeln nachsehen; ich fah, wie sie sich
lanqism losldiien und die beöetelnde
Erde auf mich sur-me
»Jetzt geht es zu Ende mit diri«
dachte ich; ader dieser Gedanke er
füllte mich nicht mit Furcht, sondern
mit einer Art wilder Freude, so daß
ich die Zähne zusammenbiß. Dann
übertan mich ein wunderliches Mit
leid mit dem aewiihlten Strauche, ein
Mitleid, das mich fast veranlaßte, ihn
loszulassen Es war mir, als ob ich
langsam seine Seele ans dein mütter
lichen Erdreiche herauszdae, und sein
leises Knarren tlana mir wie eine Kla
ae, die Klage eines Sterbenden. ch
versuchte vergeblich, einen Halt iir
meine Mike zu finden, und als ich,
mich nur noch mit der rechten hand
haltend, mit der linten mich auszu
stittzen versuchte, gaben sdie Wurzeln
mit einem ächzenden Laute nach·---—
Ich machte auf, wie nach einem langen
chlafe und sah mich verwundert um.
Das Bewußtsein des Vorhergegange
nen war für einige Augenblicke wanz
in mir erloschen. Dann erinnerte ich
mich an meinen Absturz und den mei
nes Freundes und ein tiefes Entsetzen
tiberfiel mich. l
Wie lanae liege ich l;ier? dachte til-,
und wunderte mich, daß man uns in.
unserem Gafttiause noch nicht oermißi·
und ausgesucht hatte. Dann richtete
ich mich anf; doch ein »2,ietendcr, ste
chcnder Schmerz m der linten Seite
nöthigte mich wieder zum Sitzen. Ich
befühlte meine Glieder und streckte sie
-——sie schienen noch heil zu sein. Als-·
ich mich umfah, demerlte ich, daß ich
mich in einem ziemlich engen Raum,
der von glatt in die Höhe steigenden«
Felsen aebildet wurde, befand, die nur1
nach einer Seite hin den Ausblick aufs
ein dreieckiges Sliict Himmel frei lie
ßen. Die Spalte war, ihrer Abge-4
schlossenheit wegen, von einem starken:
Dämmer erfüllt, nnd mein erster Ge »
dante aina dahin. den offenen Aus
aana zu gewinnen. Jet) erhob micss
also wieder aus dem voriähriqen
Schnee, auf den ich gefallen und der»
wahrscheinlich meinen Sturz gemildertz
hatte, um langsam und vorsichtig, dies
tmluptrtg-ratten Steine iiberlletternd,
aus meinem Gefänaniß berauszutow
men. Es aelana mir.
Als ich in den schräaen Lichtschein,
der zu der Oeffnuna der Spalte tier
einfieL aelangte, demertte ich einen
duntslen Körper eg war ja mein
Freund. Er laa auf dem Rücken, den
rechten Arm in unnatiirlicher Stel
luna unter sich, den Kon starr zurück
geworfen. Der Hinterlops lag in ei
ner aroiten Lache Blutes er war
todt!
Ich richtete mich ualb aus den Knien
auf und sasrte mir mit beiden Hände-D
an die bömmerndeu Schleifen, obne
zunächst einen klaren Gedanken fassen
zu können. Es war zuerst nur das
Bild, das bloße, blutige Bild, was
mich so lebe erregt-, ohne Erinnerung
daran, wer dies tec und in welcher
Beziehung er zu mir gestanden. Und
dann, ruhiger geworden, stand ich auf
und zog den Leichnam vorsichtig un
die Ecke des vorstehenden Felsens, wo
ich aus einen schmalen, taurn einige
Fuß breiten Grzzt gelangte
Ich vermochte jeut ein größeres
Stiict des alltnalia verblassenden Him
mels zu sehen. Tief, tief unter mir
lag wie eine unsörmige, duntle Masse
ein Tannentvald und ringsum starr
ten die riessaen Felstoände empor. Es
war weder nach oben noch nach unten
bin eine Rettung möglich ohne fremde
Hilfe, und so seßte ich mich, den tod
ten Körper seitwärtd von mir, in ei
ner stumpsen Resianaiion aus einen
Stein.
Wie still eS war-! Welche hellem
mende und aufreaende Stille! Eine
Stille, wie man sie da draußen unter
den Menschen und in den Städten
aar nicht iiir möglich halt, die schier
dag Leblose lebend macht und iu tau
send uudeutlichen Stimmen zu Einem
spricht.
Ein BeraesaivseL linte Von mir,
leuchtete plötzlich yellqelb in den leu
ten Strahlen der untergehenden Sou
ne auf. Der Schein wurde immer
röthlicher. wärmender, lebendiger,
dlutvoller, während nach unten tu das
Dunkel immer meur zunahm. Dai
Licht verlosch taugt-tun langsam, lang
sam, wie der zitternde, zögernde Atbem
eines Sterben-den- Nie empfand ich
mehr, das; Licht Leben seit Jcti ver
lotch gleichsam selbst mit ihm.
(
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i
i
Die Dunkelheit tcodtinit nnlieimli
chek Schnellialeit immer höher un den
Felsen hinwi, verlöschte die Unm
schiede der Farben nno machte Alle-J
breit, massiq und trostlos bedriidend
Dac- bleiche lstesicht des Todten neben
niik leuchtete noch undeutlich durch den
Deiniiner. Ich vennoeme nicht mehr
hinzusehen, telmte mich zuriicl nnd ich
schloß die Augen.
Als ich erwachte, war es völlig dnn
lel. Aus der Tiefe heraus drang das
undeutliche Rauschen des Waldes und
die Betaaivfel hoben sich nur noch
schwach von dem nächtlichen Dinnnet
ad. Jch alhniete tief auf und betaftete
mich, unt mich zu vergewissern, daß
ich noch lebe; dann stiihte ich den Kopf
jin die ande und überließ mich den
Zunabläzsig auf mich einstükmendcn
Gedan n und Empfindungen
, Ich litt tnit dem einen Fuße aus
und st an des Bein des Verstorbe
nen. Ich erschrak, als ob ich ilnn wehe
Igenjcm hätt-, und zo» We den Fuß
zukiiit Wie still er i , dachte ich, wie
seltsam und hartnäckig still, wie die
Berge um mich, wie der Himmel und
di: Steine unter mit, von dem Allen
er nur ein Theil ist. Ziirnt er mir?
O, dieses Dunkel und dieses Schwei
gen und diese unheimlich-, lauernde
Starrheit! Wo ist er bin? Wo ist dass
Lehen bin? Gestitulationen nnd ein
schreien und Lachen —- das, war wir
eben nennen! Warum schreien wir
Alle so? Um uns zu vergessen, zu be
täuben? Und ist der Tod nur ein Aus
sichselbstbesinnen? Ich sah einst einen
von einem Wagen iiberfahrenen Hund
—-—es war ein liiißliches, zottiges, klei
nes schwarzes Thier-·s«-aber er hatte
denselben Blick, wie mein Freunds als
er starb. Gleich stemd und still; nicht
schmerzlich —- dag waz vorher, nein
und ich begriff nun, wie fremd wir
uns nur durch unser Schreien und un
sere Bewegungen, nur von außen ten
nen und uns innerlich doch fremd sind,
Alle. Und dase das Thier uns nicht
ferner und nicht näher steht und daf;
es, wenn auch nur einen den letzten,
Augenblick denkt und das-it in uns
Allen ein Etwas ist, das alle Ver
traulichieit sernhiili. Und vielleicht
nur das Mitleid ist die einzige Brücke,
die ian mit allem Anderen verbindet
sich fühlte meinen störver nicht mehr
und empfand erst ietzt, wieviel Seele in
uns ist« ntie allein lebt, was nicht mit
dein Auae und der Hand zu ergründen
ist, wie nichtig das- Wort und selbst
unser so verständige-Z Denken ist·
Ein kleines Thier-, wohl ein Käse-n
kroch iiber meine Hand. Ich schau
derte. Meine aufaereatr Phantasie
vergrößerte dieses unsichtbare Zeichen
des Lebens mir in’5 Ungeheure nis
in ftumniem Grauen schüttelte ich nnd-«
lange die Hand, selbst als ich die Be t
iveaunq darauf nicht mehr spiirte·
O, dieses furchtbare-, anllagendc
Schweigen! Dieses beredce Schweigen
des Todten neben :nir! Ich empsand
tief, daf-, er nach da, daf« er noch un
mich war, aber nicht als- ,,,reund. Was-v
galt ihm das jetth Und immer und
immer iarn mir der Gedanke. ob ich
nicht schuld war an seinem Tade. In
iraend einer Weise Wei- weisz, wie
sich die Dinae hinter unserer Oberflä
che vertuiivsentf Es tvnnte doch kein
Zufall sein« daß er hier starb, neben
mir? Warum drängte er sich mir mit
seiner letzten Stunde aus? Jst das
Schuld? Oder Mahnuan Odei
was?
Dann tatn es mir brutal, wie eins
tietes Unrecht an ihm vor, daß er todt
tvar und das-. ich lebte over doch zu le
ben glaubte. Mit welchem Rechte?
Warum aserade er und nicht ich? Aber
toas tvar schließlich frir ein Unter ,
schied? Daß er sich nicht bewegte? Viel-l
leicht leben wir erst, wenn ioir todt
sind und unsere Seele nicht in tun ,
send unsinnigen Bewegungen und Thä- s
tigleiten verausgaven Ich fiiltlte ja,
daß er noch da war ——- nicht sein
Leib: denn der war mir qleichgiltig,
iuie der Stein« eins dem ich saß. Das-!
war nicht mein Freund! Ja, er wer-U
noch da und quälte mich irr-it seiner
Gegenwart und ich alaubte nun zi
tvissen, warum wir manchmal benliickt
oder betrübt sind. ohne einen Grund
iu tennen. Wir sind dann gesund nnd
dann. aber - -!
Eine seltsame Furcht befiel mich
Ich stand aus und dehnte die von der
Nachtliilte erstarrten Glieder. Mich
sror st t. Der Raum war indeß zum
Aus. und Abgehen zu klein und so
setzte ich mich wieder, aber an der an
deren Seite der scharf vorsprinqenden
Ecke des Felsens-, um dem Todten nicht
so nabe sein zu usiissen Ich hört-H
ein leises, einförmige-S Geräusch neben
mir das-Z Fallen von Wassertropsen
In liirtnender Regeltnäßigleit, long-»
sam, langsam nnd unaufhörlich, sie-«
ten die Tropfen aus Die Steine mit
leite tlatschendem Laut. (
O. dieses entsetzliche Dtnitel, das sich;
in liinen liineinsras;, das Alles ver j
.1.ebrie: Form nnd Entfernung nnd
Naan nnd Isteitk Die Welt war ver «
aanqen. Alles war wie oersunten bin
ter mir. Alle Zeit war hinweg nnd icti
allein ani der Erde-, diesem Kloß von
Millionen, Slltiilionen Leichen lebender
Wesen. War es nicht qleich, ohne
Raum nnd Zeit nnd Licht, toann nnd
wo ich lebte? Jclz tonnte ebenso ant ani
einein anderen Sterne sitzen War dir
Welt schon veraanaen into icti allein
übtia, oder sollte ice erst entstehen nna
wartete icti darauf ans wag-? lFo
» schien ntir tititiioaliax, das-, da dranszen
Edic Welt noch so belieben sollte, wi
Ieiisst, das-. man srtnoatzem lachen, essen
irin trinten sollst-, wie sinnen Wo
iwar das hin-! Wie lange, lanae war
Idas lier! Da war ein Mensle der Jn
T aetxienr war nnd Hindenbera hieß,aber
er war ntir so fremd, mein ganze-:
"t·riiliere2« Leben war niir so srentd, wi-:
», der Stein. ans dein ich saß.
i So saß ich wohl dreihundert Jahres
I Dreihundert Troosen zählte ich
leinen nach denl anderen War die Zext
zwischen dein Fallen des einen und des-i
.anderen eine Minute, ein Jabr oder
ein Weltalterrk War das nicht gleicht
Ein wunderliche-Z Mitleid mit desn
Todten lain mich an. Jch machte inil
I Vorwiirte, dass ich ihn so allein gelas
t sen und begab mich wieder ans meinen
alten Platz neben thin· Das Rauschen
des Waldes drang verstärkt zu mir
beraus, aber es vergrößerte nur die
fruchtbare Einsamkeit unt tnicli.
Ich suchte meine Zündhölzer und
machte Licht. Der flüchtig ausznckend:
blaue Schein überhnschte das Gesicht
des Todten neben mir mit einein
Schein gespenstigen Lebens. Jch wollte
nach der Ubr sehen « sie war zerbro
chen, nnd ich war wieder willenlos dein
unaufhaltsam vorüberslutbendenStro
me der Zeit preisgegeben Oder stand
sie still nnd tain nie wieder ein Tag'
Etn leichter Schein an dem mir ge
.genttber liegenden Berggipsel liess mich
aussehen; ein leiser röthlicher Schein.
Ein Felsarat färbte sich, ein Vor
sprung trat aus dem Schatten-— noch
einer! Der eisiae Schnee in einer Rille
biitzte ariinaelden Der Mond ging
auf! Sein Licht glitt herunter an den
Wände-i un-- schuf iiberall leichthelte,
mdliae, undentliche Formen. Lang
fam taftete das Licht nach unten, i·1
die Rillen und Spalten hinein und
endlich stieg die lenchtende Scheibe, ge
neimnißvch still, in den schmalen Aus
schnitt des Hinweis. Jch aber saß im
Lin-kein sind er sah mich nicht unI
gan mitleidgldy über ten kleinen, lich
ten Raum des Himmels wieder hinter
ten Berg und lisr mich wieder allein
Dass Licht wanderte herum nach der
anderen Stils und mochte jetzt die Gip
ie wir zu Häupten beleuchten; aber
ich fah es nicht und fentte in stum
msr Verzweiflung den Kopf tief ak?
Tie- Brust.
Lts Ich einschlnmmerte, weiß ich gar
.t.cht: aber plötzlich hörte ich hinter mir
isten Zwe. !l.ls«änner ginan in Lintem
ttjesbiiich an mir vorbei. Der E«".«.
ists-n einen ruhen Fez auf dem Kopfe,
ein brannte fet)tv-arzbärtiges, häßli
rixcxs Gesicht und geftitnlirte lebhaft mi:
ten Händen Ich erinnert-e mich allh
lich, daß ni; diesen Menschen bei einem
tut-abweichenden Aufenthalt in Rairc
acseren hate ich wußte nicht nicht-,
LI- netcher Geleaenheii. Dol; irr-er
iststte Ini. fnet ein rotgeblich ..itaral"st
tries Schwert eufaetchnsindettx ein
Tsiialh iibet den ich mich später sehr
Jraert lzatte als ich den Betrug cr:
s.«.!:.s Aber wie tam er Ietzt yksxkch
Ten Anderen kannte ich nicht. Ei
hatte das Aussehen eines Enaifindcrö
und trua einen hoben, arauen Z:;lin
der mit einein breiten, ichs-kurzen
Bande. Sie sprachen laut zusa«.1men
in einer fremden St)rache, aber ich ver
stand sie, mertwiirdiaer Weise, voll
ständig.
»Er ift ein Narr; aber er ist jak
schuld daran!« sagte der Mann mirs
dem Fee und wies mit der Hand aus«
mich, ohne mich aber sonst zu beach
ten. »
Der Enaländer widersproch. s
»Nein, nein«, antwortete der Ande
re, ..ek ist schuld daran. Er hat diei
Berantwortunal Er ist ein Mörder,!
ein Mörder!" I
Ich erschrak. Sie gingen, immer
noch weiter sprechend, vorüber, und ich
hob änasilich den Kopf, senkte ihn aber
wieder, von einem tiefen Grausen ge
packt. Vor mir, in dem ganzen, wei
ten Thale, aus allen Vorsprüngen, da
dränate sich Kopf an Kopf. Weis-,
hcariae Kopfe, schimmernde Glatzen,
borstige, Llonde nnd dunkelhaarizie
Köpfe! An den Felsen klinan
Menschen in ren gesälsrlichsien
Stellungen; sie ritten auf den
scharfen Graten nnd drückt-en
sich mühsam an die glatten Wä"
de. ilno unten Kopf an Kopf-un
iibcrsehbark llnd Alle sahen mich an!
Die Einen mit schreckengbleichen Ge
sichtern, die Andern anklagend« lä
chelnd in boshaftcr Schadenfreude
oder lauernd auf meine Bewegungen
Ein leises Gemnrmel aina von ihnen
ans- nnd verstärite sich mehr nnd mehr.
Die Menschen an den Felsen zeigten
mit den Rinaern aus mich Und lachten
oder vernninschien mich. Ich fühlte,
wie mir der Schweif-. ausbrach »Was
habe ich denn begangen? Und lvak
wollen sie von mir-« fragte ich niich
immer wieder-. Aber das Gemnrmet
dauerte fort. Dann schrie ich plötzlich
in meiner Anast lant auf nnd ers
trachte.
»Da5 ist ja Wal)nsinn!« dachte iet)
und versuchte aufzustehen Ader meine
von der Kälte erstarrten Glieder ver
saaten mir den Dienst. Die Zähn«
schlugen mir llappernd zusammeuund
icls warf min) auf die Erde und betete
und weinte.
Ich siilslte wie meine Gedanlen si.t)
in toller Flucht saaten, tuie sie gleich
sam aus meinem Kopfe entflatterten
und wie Alles, wag um mich war, die
Steine und die Berae und der Todte
und der Wald da unten meine De
danten nachsprachen, die wie eirIreni
des zu mir lamen. Dann schlief in,
noch aus der Erde liegend, vor Ermit
tuna« ein.
’.«slls.«s ich aufwachte, auiilte mich ein
brennenden der«-.el)render Durst. feil-,
stand mühsam aus und ama H deksi
trispfenden Wasser und tziilt ins-die
Zunge darinnen Aber dir gesessen
brannten aus meiner Annae see-z it,
re-: Eigkälte
Der Himmel deinu sich H knltten
Ich erwarte den rerariualieitdest Tun
mit einer undetiireililichen Tettusucht
rsnd soa mein-e Blicke an den :-.ie.«:i« im
mehr lichter arauenden Bringt-fein
L, nur Licht, nur die Sonne, i.:, dir
Sonne.
Mit einem Mal: leuchtete die eine
Spitze aus! Ich siel nieder und sukixnr
und stammelte unzusammeitknninne
Worte. Nun bearifs ich, wie »du das
Licht, wie man die Sonne .mt-eten
tonnte. O, welches Wunder ist da.i
Licht! Es ist Freude, Glück, t.'.«ben,
Gott! Wie aleichailtia sagen wir jeden
Tag: die Sonne geht auf! oder. is
wird Tau! und empsinden nicht das
tiefe Mysterium, das darin liegt, daß
« mit jedem Tage die Erde neu geschaf
isen wird durch das Licht. Aber ich
siverde es nie vernessern nie! Und ich
Iverrnaa seitdem die Sonne nicht melir
« zu selten, akute ein Gefühl wie ein inni
ges Gebet.
I Ich empfand lies, daß ich nun geret
tet sei. wenn ich auch noch keine Mög
lichteit dazu sah. Aber ich war nun
felsensest davon überzeugt und blieb
Isitzery mit den Blicken in stummer Ver
zückung an dem immer mitbr autsiraly
lenden Lichte hängend, das den starren
Felsen da drüben Leben gab, und dem
Walde da unten und mir und Millio
nen von Geschöpfen auf der weiten,
weiten Erde-—- i -
Ein Pfiff ließ mich aussehen. Doch
über s mir sah ich einen Mann an
einem Seile schwanken. Jch war ge
rettet!
Ich laa längere Zeit trank, von den
Aufreaungen dieser Nacht tief erschüt
tert. Ein selten-er Zustand ergriff mich
und wirkte noch lange nach, ich ver
mochte kein Dunkel mehr zu ertragen.
Mit sdem abnehmenden Tageslichte
stellte sich eine stetig zunehmende Angst
nnd starkes Herztlopsen ein, das sich
bis zu Ohnmachten steigerte. Zu
schlafen oermochte ich nur, wenn ich
mehrere brennende Lampen um mich
wußte. Das ging ooriibet; aber das
Grauen vor der Finsterniß blieb mir,
besonders wenn ich einsam bin, und
wenn ich mir den Tod als eine ewige
Nacht denke, so fürchte ich den Tod!««
Der alte Herr, augenscheinlich von
seiner Erzählung start angegriffen,
stand auf und ging ohne Abschied hin
idea.
Dir Gesellschaft saß schweigend da;
selbst die junge Dame war ganz in sich
gekehrt.
Da brachte dag Mädchen die Lampe
und ihr freundliches, mildes Licht
tokurde mit einem tiefen Ansathmen be
q ifka
Der Jilletitgeisi.
Hin Mannheini soll ’s seit lang’ ge
scheh’n,
Daß Nächtens sich ein Spuk läßt
seh’n:
Der RheingeistL
EinMännlein, dürr und stark ergraut,
So ward dort hundertmal geschaut
Der Rheinaeis. ——
Die Sache scheint mir sonderbar
Und nimmer glaub’ ich, daß es war
Der Rheinaeisx
Denn erstens ist nicht alt und grau,
Nein, juna und blond mit Augen blau
Der Rheinqeist.
Und zweitens, sagt, was sollt’ er
dort?
Wie käm’ an diesen Schauerort
Der Rheingeist?
Jn solchem triften Steinquadrat ,
Zu spuken, fänd’ ja viel zu fad
Der Rheinqeistt
Jch weiß destimmtt es haßt den Fleck
Und hängt, mit Recht, an Rolandseck
lDer Rheinaeist.
Jn Rolandsecl und da herum
Am Drachenfels -—— da geht er um,
Der Rheinaeist!
Jn Bonn auch und in Geisterbach,
Da hält er Nachts die Leute wach,
Der Rheingeist!
Im Lenz zumal, bei Fliederduft
Und Mondschein, da durchziehl die
Luft
Der Rheinaeiftl
Und wo die Gläser klingen hell, «
Da fackelt nicht, da ist zur Stell’
Der Rheinqeiftl
Wo froher Sang begeistert schallt,
Da kommt, da zeigt sich allsobald
Der RiseinaeisU
Wo siürinisch man sich herzt und küßt,
Da sicher mitten d’rnnter ist:
Der Rheinaeisil
iWo Herzen froh erschlossen find,
Da stellt sich ein nnd Das geschwind
Der RheinaeisU
,Mir wird so leicht, als wär er nah . ..
Die Gläser tioelsZ Schon ist er da,
;Der TltlieinaeistI G. B ö i t i ch e r.
Einvitduugeskraft
Hat mir schon manchmal Spaß ge
macht
ilno wieder manches schonlvergällh
Dass ich die Dinge steth heraus
Jni Fion mir deutliich oorgestelli.
Bevor es in ein Stäot’l acht,
Seh’ ich ev vor mir ganz nnd gar,
Und toinni ins liin, « - steh’ ich ver
dnjit . . .
Da stellt sich alles anders dar.
Und w:-ndcrlich! -- —- längst wieder
fort,
Nach Jahren stelst eg vor mir da,
»Nicht wie ess ist, nein, deutlich so
Wie ichs k:eseli’n -—- eb« ich es sah· —
»Und so ancts sie, die ich aeliebtl . . .
iJch fal) sie nnr im Sonnnenlicht «
ISie war ein Erdentind,
Uno die Etniichteruna fehlte nicht· .
Nun. da wir längst getrennt und alt,
lDent’ ich gar oft an sie zurück
Und sels’ so hehr sie wiederum,
Wie sie mir schien im Frühlingsaliick
Alois Wolslmnth.
—- Eine moderne Köchin. »Aber
Anna, wann wollen Sie denn endlich
das Mittagessen kochen2« »Wenn
ich diesen Roman zn Ende gelesen
habe.« "
---- Neidi ch. Herr: »Ich sage Ils
nen, mein 1 räulein, die Mitller’sche
hat eine der schönsten griechischen
Nasen, die ich je Jesehen habe.« —
Danm »Aber ich b tt’ Sie, wer träat
heutzutage noch eine griechische Nasc«