Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, September 15, 1899, Sonntags-Blatt., Image 15

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    eine dem tyrilnien Tag-hoch des
Leutnants non Fersen-tin
Bei Karl sen Stoßen.
Letzthin bei Karl den Jroßen mal —
Dingsda —- Aachen —- jewesen.
Münster besichtigt, Rathhaussaah
Bädeter vorher jelesen . . .
Malen ihn immer mit langen Bart —
Einsach: Jeschichtstenntnisz-Mangel:
Schnurrbart jetragen, preußische Art
Strammer here a la Wrangel . . .
Schon aus Schule ieschwiirmt für ihn:
Wittetinb ellig berhauenl
Flotte Töchter sehabt, dann Spleen
Wesen Uniliick mit Frauen . . . .
Riesig jelehrtes haus dabeil
Selber zwar nich ieschrieben,
«Aber Dichter zur Schreiberek
Fortwährend anjetrieben . . .
Ueberhaupt rührig sangen Tag —
Wahrhast voller Jesellet
Schauert Einen, wenn Sartophag
Sieht so an Ort nn Stelle . . ..
Neulich verdientes Denkmal jelriegt —
Bigchen oerspätet iescheben .. .
Braucht eben Zeit, bis Jroszes siegt:
Uns mal nich besser sehen!
Vier Bitten
Von Felix von Stenglin.
Aus dem Wege von der Statian nach
dem Berliner Vororte S ging der ehe
malige Bauer Christian Lutz mit droh
nendent Schritt einher. Jn der Rech
ten hielt er einen Stock, Unter dem lin
ken Arm trug er mühsam- ztvei gross-:
Düten mit Aepfeln gtnd Apselsinen.
aus die er ab und zu mit einigem
Unwillen binahsab. Schon öfter, wenn
der etwas beleibte Mann unter derLast
eingekaufter Gegenstände schweißtrie
send nach Hause gekommen war, hatte
er dergleichen verschworen. Warum
that er es nun doch wieder? . . . . Nun
ja, der Grete wegen! . . . . Gerade aber,
als er an die Grete dachte, wurde sein
Gesicht noch sinsterer.... Er seufzte
einige Male vor sich hin unb preßte
dabei wohl seine Ditten etwas zu fest
an sich. Plötzlich war ihm, als ob
hinter ihm etwas auf dem Boden aus
chliigr. Er stutzte und sah sich inn.
ichtig, da rollte eine Apsplsine dem
Graben u! Und gerade kam einer von
dieser i m berhaßten Familie Wels,
der Sohn seines Feindes August Wels,
hinter ihm die Chaussee entlang. Auch
noch andere Leute wurden weiterhin
sichtbar. Hastig bückte Chriktian Lutz
sich, um die Apselsine aufzuheben,
unglücklicherweise drückte er dabei die
er die erste Apfelsine aufhob, rollten
Diiten noch mehr zusammen, und als
zwei andere zu Boden. Christian Lutz
fühlte den Blick des jungen Wels, des
sen Schritte immer näher kamen, spöt
tisch aus sich ruhen, der Schweif-, trat
ihm aus die Stirn . . . . Er richtete sich
aus und pustete. Da siel ihm die
Cigarre, die sich beim Bücken gelockert
hatte, aus der Spitze heraus. Schnell
wollte er sie ausheben, als er abermals
hinter sich das Austlatscher einer
Apselsine hörte. Unwillig zertrat er
die Cigarre und beschloß nun, die drei
esallenen Apielsinen einstweilen sich
selbst til-erlassend, das Uebel an der
Quelle zu verstopsen. Vorsichtig zog
er die obere Diite unter dem Arm her
vor, tonnte aber dabei nicht verhin
dern, daß die vierte Apselsine ihm da
von rollte. Zum Unglück kam der iunae
Wels in diesem Augenblick vorüber und
sagte —- wie es Christian Lutz schien,
mit unzweideutiqem Hohn —- ,,'n
Abend, Chriitian! Schöne Apielsinen!«
Christian Lutz wurde puterroth in
Gesicht. Dieser Lasse! Nun würde ers
natürlich seinem Vater erzählen, und
der würde im Wirthshaus seine Witze
machen, — man bekam wieder einmal
Gelegenheit, iiber Christian Lutz zu
spotten! . . ..
»Ei tiek mal!« rtes ietzt ein Knabe,
der mit einem anderen vom Felde lam.
»wer wachsen de Appelsinen us dePap
pelböme!«
«Entsamte-e Jung’!" schrie nunChri
sttan Lus, ergriss im Zorn eine der aus
den Boden gerollten Früchte und warf
Fle nach dem Knaben, ohne aber zu trei
en. Ein dritter kam hinzugekannt.
Nun johlten und höhnten sie erst recht.
Da —- die zweite Apielsine slog der
ersten nach, dann die dritte, nun die
vierte.... Christian Lusz hatte all’
seine Selbstbeherrschung verloren. Er
dachte nicht daran, dasz Grete sie so
gern asi, dachte nicht an das Geld, daz
er dasiir ausgegeben hatte -— ihn ver
langte nur nach etwas, um diese Buben
zu werfen. Aber die Knaben waren
ganz zusrieden damit. Sie ergrissen
eine der schön dustenden Früchte nach
der anderen, hielten sie triumphirend
hoch und bedankten sich höhnisch. Dann
liefen sie dem Dorfe zu.
Christian Lutz verspürte seine Lust,
ihnen zu folgen; sein Zornanfall hatte
sich etwas gelegt. Er sammelte aus«
was noch von Aepfeln und Apfelsmen
mn ihn herum lag, stopfte sich die»
Taschen voll und setzte. als diese gestillt
waren, eilig seinen Weg fort —- gerade
noch rechtzeitig, ehe die anderen LeuteJ
unter denen Christian auch einen gewis-:
sen its-haften Kanzteisekretär ertannteJ
berangetotnmen waren. -— — s
Christian Lut stand, noch immer»
nicht Lenz besänftigt an einem nH
Ex- nei:e Pisa nnd blickte an biet
re
Q- iemertte er etn sauget Paar-, das
funtergesaßt eng aneinander geschmiegt,
langsam dahergeschritten kam. Das
junge Mädchen trug eine saubere weiße
Schürze über dem einfach gearbeiteten
städtischen Haustleida einen Hut hatte
re nicht ausgesetzt, und man konnte ihr
schönes braunes Haar voll bewundern
Jhr Be letter, etwas größer als sie,
ein hüb cher und frischer junger Mann
und mit einiger Eleganz gekleidet,
blickte ihr beim Sprechen zärtlich i-1
die Augen. « ·
Im Zimmer war eine jüngere Frau
mit dem Abdeclen des Tische-S beschäf
tigt. Als sie den Bauern unwillig den
Kopf wenden sah, trat sie neugierig
an’s Fenster und blickte hinaus·
»Na wat hebben Dir’n die widder
jedahn, Onkel?« fragte sie in der halb
platten Sprache, deren die Eingesesse
nen von S. sich zu bedienen pflegten.
»Na wat soll’n se mir denn jedahn
hebben! Nischt hebben se mir jedahn!«
antwortete Christian Lujz mürrisch und
machte einige Schritte in’s Zimmer.
Kopfschiittelnd ging die Frau hin
aus.
Der Bauer nahm sich eine Pfeife
vor, stopfte sie bedächtig, zündete sie
an und setzte sich abermals an’s Fen
iter. Das jun e Paar war nicht mehr
zu sehen. Chri tian Lust dachte an seine
Grete. Bis jetzt hatte er die Hochzeit
immer hinauszuschieben gewußt, vom
Frühjahr zum Herbst, vom Herbst zum
, rühjahr, aber schließlich — nächster
Frühjahr muszte er die Beiden zusam
mengeben, denn nun hatte er’s fest ver
sprochen. Und dann — dann war er
allein, wieder allein, —- fiir immer
allein! Er verbisz sich recht in seinen
Aerger, als er so saß. Ihm mußte
auch Alles verquer gehen, Alles! Und
wenn ihm einmal das Geschick wohl
wollte, so tam es immer sehr schnell
wieder davon zurück!
Er dachte an das Kreuz draußen
cui dem Gottesacker mit der Inschrift:
»Hier ruhet in Gott Luise Friederitc
Margarethe Lutz, verwittwete Grün-·
wald, geb. Wels, geb. den 27. Noo.
1845, gest. den 8. Okt. 1885. Friede
ihrer Asche!« Ja, sie war die Einzige
gewesen, die ihn geliebt hatte, und sie
war ihm genommen worden!
Und weit, weit zurück gingen seine
Gedanken.... Als Knecht war er in
das Haus des alten Weis gekommen.
Die stolzen Bauern, besonders die
Sippe der Welse, hatten es ihn oft
merken lassen, daß er nur ein Frem
der und nur ein Knecht sei. Sie nur,
die Tochter des Dienstherrn, war
freundlich zu ihm. Aber sie hatte den
Underen nehmen müssen.... Wenn
es denn nicht sein konnte, warum ihn
höhnen und kränken? Christian Lutz
war so in seine Erinnerungen versun
ten, daß er ab und zu laute Brumms
töne des Unwillens von sich gab. Zehn
Jahre lang hatte der Andere sie beses
sen, und als sie dann, selbstständig und
wohlhabend, ein Jahr nach dem Tode
des ersten Mannes sein Weib gewor
den war, da hatten Jugend undSchön
heit schon Abschied von ihr genommen.
Aber dennoch, die rauhen, finsteren
Seiten in ihm begannen sich zu glitt
ten, zu beruhigen, das Glück wollte
faufgehem Da starb sie ihm nach wenig
;Jahren! Er stöhnte, Christian Lun,
’als ihn seine Gedanken in diese Zeit
geführt hatten. Ein Rückfall in sein
»alte Verbitterung war damals gefolgt.
Besonders von den Verwandten seiner
»Frau, die in diesen Jahren ihn Haß
»und Bosheit genugsam hatten fühlen
;lassen, zog er sich ganz zurück.
’ Etwas zwar war ihm geblieben:
seine Stieftochter, die Grete. Schon
als sie noch klein war und der Vater
noch lebte, hatte Christian sie gern ge
habt, ohne es indeß Andere merken zu
lassen. Er steckte ihr Näschereien zu,
machte ihre Spielsachen ganz, und
wenn er wußte, dasz gar Niemand in
der Nähe war, nahm er sie wohl auch
auf seine Kniee.... Für sie hatte e-.
gearbeitet, als seine Frau gestorben
war, unermüdlich, Tag aus, Tag ein.
Und sein Fleiß und seine Geschicklich
keit trugen Früchte, er wurde derWohl
habendsten einer. Als die Welse sahen.
daß er es besser verstand als sie, daß
er immer das beste Korn und die besten
Kartoffeln einbrachte und später die
vortheilhastestenLandverläufe abschlos:.
da näherten sie sich ihm, aber er wie-;
nach wie vor ihre Freundschaft von
sich. Jn seinem Hause, mit seiner
Grete kaspelte er sich ein. Und all
mählich, ganz allmählich kamen Stun
den, da es wieder wärmer und lichter
in ihm wurde; unter dem Einfluß des
heiteren, lebensvollen Mädchens stieg
etwas wie neuer Fried in ihm auf, zum
zweiten Mal klopfte das Glück bei ihm
an . . . . Und nun? Er seufzte tief auf.
Jn wenig Monaten ging sie von ihm.
Nicht einmal ein Jahr wollte sie noch
warten, und er hatte doch einst zwötf
Jahre gewartet! Wußte sie denn nicht,
wie er an ihr hing? War er denn so
finster gewesen, daß sie seine Liebe ga:
nicht gespürt hatte? Dies Gefühl in
seinem Herzen, das er unter rauher
Schale so heilig gelZitet hatte, diese
Liebe zu seiner Grete war ihm nun
auch verleihet..·. »
Die Pfeife war dem Bauern ausge
gangen, mit starren Augen blickie er
vor sich bin — ——-— .
Da öffnete sich die Thür, und Der
"enige, um den seine Grete ihn verlas
sen wollte, Fritz Merter, trat ein. !
»Tag, Vater!« saate et freundlich,;
aber mit einer gewissen Ueberlegen-;
i.
Dieser Ton schon erboste den Bau-!
ern. Nicht eben ettnuthigend, sah er
Fri Mut-r an. (
,, habe ’ne kleine Sache mit»
Speien su besprechen«« fuhr der iunae
Inn ori. (
i
s Der Bauer brummte nur, stand aus
und bot auch dem ,,Berliner«, wie er
sihn manchmal verächtlich nannte, lei
nen Stuhl an·
, Das störte indeß Fritz Merler nicht.
Er ging vielmehr gleich aus’s Ziel los.
»Ich lann gerade jetzt ein kleines
sGeschäst unter günstigen Bedingungen
Iiibernehmem und dav haben wir doch
slieber beschlossen, nicht bis Ostern zu
warten, denn in dem Geschäft brauch
sich ne Frau. Na und da steht wohl
snichis im Wege, daß wir im Oktober
jschon Hochzeit machen.«
- Christian Lutz schwieg, er fand keine
iWorte siir diese Ueberraschung.
»Na, Sie sagen ja gar nichts?« be
gann Fritz Merler nach einer Weile
wieder. »Ist es Jhnen etwa nicht
recht?«
Ein Vorwurf wohl gar noch! dacht-:
der Alte. Ein Vorwurf, daß er ihm
nicht das Kind hinwarf, ohne mit der
Wimper zu zucken . . .. Und nicht ein
mal eine Bitte!.... Wir haben b.
schlossen . . .· es ist Jhnen wohl nicht
recht.... Nicht einmal bitten konnte
man, wie«sich’s gebührte! Und lang
sam, leise begann der Bauer zu spre
chen: »Ostern, hebb’ ick eseggt, richt«
icl de Hochzeit aus, und von de hoch
zeit von meine Jrete s oll’n se noch lange
reden — Ostern, aber nich eher.« Und
nun erhob er seine Stimme und schrie
fast: »Nich eenen Dag eher!« Damit
wandte er sich um und stellte sich an's
Fenster
Grete trat jetzt ein. Fritz Merler
machte ihr ein Zeichen. »Das ist doch
unsrecht von Dir, Vater«, begann sie
ei e.
Da drehte er sich heftig um. »Wat
ick eseggt habb’, dat hebb’ icl eseggti
Ostern un nich eher!«
Auch Auguste, die Nichte desBauern,
versuchte später ihr Heil. »Weeszi De,
Christian, Du hast se doch die Verlo
lobung erlaubt, nu weeß ict nich, war
um Du jetzt so bist!«
Er antwortete nicht.
l «.Lasz se doch nu machen, wie se wol
en.«
»Natürlich! Du sangst ooch an! —
Ostern richt’ icl de Hochzeit aus oder
jarnich! Ostern oder jarnichl Jln da
bei bliwt etl«
L- II — is
U
Christian Luh war ein Starrtopf.
darüber waren die S...dorser längst
einig. Doch daß Liebende, wenn sie
zusammen wollen, die allerstarrtöpsig
sten Menschen sind, erfuhr der Bauer
in den nächsten Wochen Hur Genüge.
Sie wären wohl gar heimlich auf und
dabongegangen, wenn sie sich nicht
bekommen hätten.
Weit entfernt allerdings war Chri
stian Lutz davon, sein Wort, das er
Ostern oder gar nicht die Hochzeit aus
richte, zurückzunehmen. Mochten sie
denn gehen und thun, was sie woll
ten, er tümnierte sich nicht mehr
darum.
Das sagte er sich auch heute, da sie —
wie er nur zufällig gehört, denn Greis
war schon seit acht Tagen bei ihren
Schwiegereltern — in Berlin ihreHoch
zeit feierten.
Zögernd trat Auguste zu ihm heran
Reizen durfte sie ihn keinesfalls, da
konnte ihn der Schlag treffen . . ..
»Na det is nu mal so, Ontel. Nach
jeben lonnt’st De nich —«
Er wandte sich schroff um. »Nach
jeben sollt’ ist's Jck nachjebens J da
sollte doch s-— —nee! Eher —«
,,Nee se hebben's ooch nich um Di
verdient.«
»Wenn se noch selommen wären, —
wenn se noch —- ——aber nee —
»Nee nee. Du hast et eseggt, und dec
mußt De als Mann ooch halten.«
»Wenn se noch —- —un hätten jehe
ten, siehste, —- aber so —- mit uns ist
Faust Wenn se noch jebeten hätten, —
Jaber nee —««
j »Na nee.«
s Der Bauer blieb wieder allein.
» Auguste war indessen inGreteö Zim
mer hinausgegangen, um dort Ord
nung zu machen. Da trat plötzlich der
Alte ein.
,,Wat machst De denn hieri« fuhr
er sie an.
« »Jet? Jck hab' usjelramt. Soll nt
wat?«
Anstatt zu antworten, wandte sich
Christian Lut-, achselzuctend, stieß
einen tnurrenden Ton aus und stieg
die Treppe hinunter-.
Dann ging er auf den Kirchhof·
Doch auch dort hielt es ihn heute nicht
lange. Ihm war, als ob eine Stimme
aus dem Grabe siir die Grete sprächc.
sur ihr Kind. . .. Nun sing auch fix
die hier ruhte, schon an, nun war anl)
sie schon im Bunde mit den Anderen.
Als er wieder an seinem-Hause ange
langt war, hörte Christian Lutz seine
Nichte mit einem Manne reden.
»Er, is so bissig, er schlagt Se dodt!
Er will nischt von die Beeden wissen
Nehmen Se’t man widder mit. Wenn
er kirsmt un er sieht et —«
Plötzlich trat der Bauer ein.
»Hei-rich, da is er!« ries Auguste.
Fragend blickte der Bauer aus den
Gasthossdiener, der mit zwei großen
Kökben dort stand.
»Schönen Gruß von Herrn undFran
Merker«, sagte der junge Mann. »Und
Sie möchten sichs gut schmecken lassen,
es wäre von der Hochzeitstafel.«
Auguste blickte furchtsam aus ihren
Onkel.
»So! Von de HochzeitstaselP mur
melte der. Und dann solate ein gar
eigenthümliches lurzes Auslachen, das
Auguste keineswegs beruhigte. t
Der Diener hob die Deckel der
Körbe hoch. »die: ist Wein, von e
det Sorte eine Tit-M Und dies h r
sind die Speisen. Wo soll ich sie aus
packen?«
Christian Luß stand und schien die
Sprache verloren zu haben. ngh einer
Weile aber, als Auguste und der Die
ner ihn noch immer fragend anblickten,
da sagte er grob: »Na, so packt et doch
aus! Jn de Körbe kann et doch nich
hleiben!« undwandte sich ab.
Auguste hals beim Auspackem ohne
ein Wort zu sagen. Sie konnte vor
Verwunderung zu keinem rechten Ge
danken kommen.
L Da stand der Bauer schon wieder
neben ihnen. »So, nu nehmen S:
hier ’n lleenet Trinljeld«, sagte er
und drückte dern Diener einen Thaler
in die Hand.
»Danl’ auch schön, Herr Lutzl Und
Iwünsche wohl zu speisen!«
Christian nickte ihm zu, er schien über
irgend etwas nicht ganz in’s Reine
kommen zu können, schien etwas sagen
zu wollen . . « Dann unterließ er’3
aber doch. —
« Nun saßen sie bei Tisch. August-:
bewegte sich wie im Rausch, trotzdem
.sie noch keinen Schluck getrunken hatte.
»Sie that die Stippe auf, sagte ,,Mah!
zeitl« und setzte sich.
»’ne Krebssuppe«, bemerkte Chri
stian Luß nicht ohne Wohlgefallen.
»Krebssuppe eß ick jerne. Aber se muß
·jut sind". Er nahm einige Löffel. ,,Jut
is se«, sagte er dann und lösselte den
Teller leer.
I Und dann saß er still, hielt dieHände
im Schooß und murmelte vor sieh hin:
»Die erste Bitte«.
Erstaunt, fragend sah Auguste auf.
lDoch weiter sagte er nichts-, er nahm
sein mit Rheinwein gefülltes Glas zur
Hand, hielt es gegen das Licht, trank,
s schnalzte mit der Zunge und trank wie
der, bis es leer war. Er setzte das Glas
nieder, lehnte sich hdnteniiber, faltete
die Hände über dem Magen und sagte,
als wenn er eine schwere Arbeit ver
krichtet habe: »So, Aujuste, nu hol’ den
lFisch-«
Auguste sprang dienjtekmg auf, wo
sbei sie fast das Tischtuch herabgerissen
hätte, nahm die Suppenteller fort und
holte den Fisch aus der Küche
! ,,Wat is denn det?« fragte Christian
Lutz, sich über den Tisch beugend und
den Duft des Fisches begierig mit se -
nen Nasenfliigeln einathmend.
i »Da is Lachs, Onkel. War Fei
nes·«
»Na denn jib man’n orntlichet
Stücke.« Er stopfte sich die Servietie
fest und setzte sich zurecht, als wenn
Es ein Klafter Holz zu spalten gegeben
ätte .....
Plötzlich schral Auguste zusammen.
.Mit Geräusch schob Christian Lutz den
Teller von sich und sagte ein wenig
lauter als vorhin: »Der zweite Gang.
Die zweite Bitte.«
»Nee aber nu —«, meinte seineNichte
und fortschte auf seinem Angesicht, —
das aber war ganz ernst.
»Bring’ ooch die Pnlle mit Roth
wein rin«, bemerkte er nur.
Auguste mußte dreimal gehen, denn
sie hatte erst die Kartoffeln und nach
her das Apfelmuß vergessen.
l ,,Reh sis immer noch’"g Feinste«.
sagte Christian Lutz und hielt seinen
Teller hin.
, Auguste lam plötzlich der Gedanke,
ob vielleicht bei ihrem Onkel in der
Aufregung etwas im Oberstübchen ver
schoben sei, —- dieser Gedanke erschüt
terte sie so, daß ihr die Kniee zitterten
und sie sich schleunigst niederließ.
»Drint, Anjuste!« sagte der Bauer
und leerte sein Glas mit Rothwein.
»So is er jrade jut«, setzte er hinzu,
»’n bislen warm muß er sind.«
Auguste beobachtete ihn. Nein, er
schien doch ganz vernünftig . . ..
Nun schabte er mit dem Messer die
Sauce auf und sagte: »Man musz
nischt umkommen lassen.« Gleich dar
auf schlug er leise mit der Faust au
den Tisch und rief: »Die dritte
Bitte!«
Auguste sprang auf. «Wat hastc
denn?« fragte sie.
,,Drint, Auguste!« erwiderte er und
«schenlte sich ein. Jn seinem Gesicht
schien ein Fünkchen von Heiterkeit auf
zuglimmem —- oder lani es der Frau
nur so vor?
»Je! will die Speise holen«, bemerkte
sie leise.
»Speise ooch noch?« sagte er — wie
es Auguste schien, mit einiger Befrie
digung im Ausdruck.
« Und als er nun seinen Teller mit
Speise geleert hatte, da faltete er die
Hände und sprach leise vor sich hin.
»Die vierte Bitte.« Und noch leises
setzte er hinzu: »Jn Jotts Nanien!«
Da wurde der Nichte so weh und
so heilig zu Muth, sie saltete gleichs
salls die Hände und murinelte bewegt:
»Amen!.«
»Und nu den SchlampanjertK sagte
Christian Lntz heiter und erhob sich. um
die didbäuchiae Flasche zu öffnen.
,,Ontel, wird et nich zu ville?« meinte
Auguste besorgt.
,,Nee, Auiuste«, antwortete er, ohne
sich stören zu lassen, ,,heut’ wird et nich
zu ville.«
Er erhob sein Glas-. Sein Gesicht
war vom Weingenuß geröthet, die klei
nen Augen glänzten. Nun tniss er ein
Au e zu, schaute verschmitzt seiner
Ni te in’s Gesicht und stiesz mit ihr
an. Ihre Anast war gewichen. Sie
begriff zwar nicht recht, wie das Alles
so kommen konnte, sie hatte ja nicht in
sein Jnneres sehen können die ganze
Zeit tlder . .. . Aber es kam nun über
sie wie eine plötzliche große Freude.
Und sals der Bauer ietzt, während die
Gläser aneinander tlan en, laut ries:
«Uf de Merkee’scheni" a mußte sie
ihren cestlhlen Lust machen. sie wars
’sich im Stuhl heut-»aber nahm vie
Schürze vors Gesicht und lachte aus
vollem Halse Und dann tam Chri
stian auch in S Lachen und schüttelte
sich so, daß der Champagner aus dem
Glase sprang. Aber endlich trank er
doch, setzte dann das Glas nieder und
sprach befriedigt: ,,Sieh"ste, Aujuste,
junge Leute müssen bitten, dadruf be
ruht die Weltt«
si- es si
Die »vier Bitten« waren dem Chri
stian Lutz vorzüglich bekommen. Er
schlief die Nacht über wie ein Hamster
und fuhr am nächsten Tage mit heite
rer Miene nach Berlin, um seiner Grete
einen Besuch abzustatten. Als sie aber
an seinem Halse hing und weinte, dst
wurde ihm doch ganz wundersam, und
da kam auch ihm eine Thräne in’-I—
Auge. Er dachte des kleinen Fried
hoss und des ihm theuren Grabes mit
Rührung Aber er ließ Grete nichts
merken. Seine ersten Worte waren:
I »Aujuste liegt in t Bette un hat Rebp
weh, der Schlampanier war zu ville
vor ihr Aber jut war er Und der
Rehbraten zum Zerjeh’n«
« August Wels bemerkte einige Zeit
Sdarauf im Gasthaus: »Mit Christian
i,s’t richtig· Heut hat er mir aus’n
Fenster zujenickt. Nu macht er et nich
mehr lange.«
, Aber er irrte sich. Christian Lutz
erzählte noch den Kindern seiner Grete
Ivon dem Mittagessen am Hochzeitstage
und von den vier Bitten
Kunst uno lliissenschalt
—
-— Wasser als Heilmittel. Jmmer
mehr zeigt die heutige Medizin das Be
I streben, einen Faktor in den Kreis ih
,rer Thätigkeit zu ziehen, der bisher
Zoon der Allgemeinheit der Aerzte we
« niger beachtet worden ist: die Wasser
sbehandlung Jm Publikum herrscht
vielfach die Meinung, als ob die sog.
Naturärzte diese Behandlungsweise
- »entdeckt« hätten und zur Anwendung
brächten. Dem gegenüber ist ein Ar
tilel sehr interessant, den Dr. Deter
mann-St. Blasien über die Wirkung
der Wasserbehandlung bei der Neu
rastbenie in der »Zeitschr. für physik.
und diät. Terapie« veröffentlicht und
in dem er einleitend über die allge
meine Wirkung der Wasserbehandlung
spricht. Der Artikel beweist, welche
Wichtigkeit die medizinische Wissen
schaft dem Wasser als Heilfaktor bei
legt, wie sie aber vor allem bestrebt ist,
diesen Faktor rationell zu verwerthen,
indem sie seine Wirkungsweise er
forscht. Winternitz hat zuerst dieWir
kungen des Wassers studirt und festge
stellt, welche gewaltigen Einflüsse es
auf Jnnervation, Blutzirkulation,
Blutbeschaffenheit, Stoffwechsel und
Wärmebilduna des Organismus aus
übt. indem es dadurch die ,,natiirli
chen Wehr- und Hilfskräfte des Kör
Pers« stärkt. Neuerdings hat beson
ders Professor GoldschneidseriBerlin
dieses Gebiet bearbeitet. Er stellte fest,
daß das Wesentliche bei der Wirkung
des Wassers das direkte Ausstrahlen
der Teniveraturreize auf nervöse Bah
nen sei. Wir haben in der Haut be
stimmte Nerven, welche die Kälte und
andere, welche die Wärme vermitteln.
Auf diese werden durch das Wasser
Reize ausgeübt, die sdann als Bah
nungs- oder Hemmungswirkungen auf
andere Nervengebiete übergehen. So
ist die schmerzstillende Wirkung des
Wassers zu erklären, wenn man z. B.
bei Kopfschmerzen kalte Umschläge
oder die Eisblase anwendet. Nicht an
ders wirkt der sogenannteMigränestist.
Er enthält Mentbol, das einen starken
Reiz auf die Kältenerven der Haut
ausübt. Umgekehrt bewirkt ein war
mer Umschlag bei Kopfschmerzen Stei
gerung des Schmerzes, weil er die Er
regbarkeit vermehrt. Bis zurSchmerz
grenze dagegen erl,Eht, hemmt auch die
Wärme stark, wodurch die schmerz
und krampfstillende Wirkung heißer
Umschläge sich erklärt. Neben dem
Einfluß auf die Hautnerven ist ein
wichtiges Moment der Wasserwirkung
die Betheiligung der Blutzirkulation.
So ist es ein sehr bewährtes Mittel
gegen Kopfschmerzem die Füße zu er
wärmen. Indem das Blut durch den
Wärmereiz gleichsam in die Füße ge
zogen wird, ist der Kopf blutleer. An
dererseits wird ein Kopfschmerz, der
auf Anämie lFlutarmutm des Koper
beruhte. durch einen warmen Umschlag
um den Kopf schnell beseitigt. Immer
wird es darauf ankommen, bei der
Anwendung der Wasserbehandlung die
einzelne Person zu betrachten und nach
! ihrer Besonderheit die Art der Anwen
! dung zu bestimmen
—- Die Bahreuther Bilanz, das
heißt das finanzielle Ergebniß aus
Unkosten und Einnahmen der Bahretk
ther Festspiele, wird recht verschieden
beurtheilt. Die Einen meinen, das
Plus wäre »auch in diesem Jahre be
trächtlich«, da die Einnahmen bei 2()
Vorstellungen mit 1500 bezahlten
Plätzen a 20 Mark das nette Stimm
chen von 600,000 Mark ausmachten.
Die sehr bedeuten-den Ausgaben schei
nen nach Meinung Anderer jedoch gar
nicht genügend hoch in Gegenrechnung
gestellt zu werden Wenigstens weißt
ein »Bayreuther Getreuer« in ders
»Bresl. Zig« zu erzählen, daß die
Unkosten höher sind, als man gewöhn
lich annimmt. So haben die Neuein
ftudintngen, des ,,Nibelungenringes«
1896 ein Defizit ergeben, trotzdem kein
Platz unbesetzt war. Kosteten doch die
vlrtuos aemalten »Wollenzüge« allein
30.000 Markt Erst die Wiederholun
gen des »Man« 1891 unid 1899 wer
den das damalige Manto gedeckt haben.
Ebenso wird die Neueinstudirung der
»Meistersinger« in diesem Jahre mit
einem Defizit endigen. Und dies, tros
dem der »Bayreutl)-Getreue« die Ge
sammteinnahmen aus den zwan ig
Vorstellungen auf 640,000 Mart s
her als die Anderen, anfefztt Er meint.
daß von einem Gewinne für das Haus
«Wahnsried« überhaupt keine Rede fein
könne. Wagners Erben bezögen nicht
einmal die gesetzlichen Tantiemen. Je
der Ueberschuß fällt in die Festspiel
« kasse und kommt den nächsten Ausfüh
; runaen zu Gute. Hat der diesjährige
»Ring« frühere Unkosten decken helfen
müssen und die neue Ausftattung der
»Meisterfinger« ein Defizit im Gefol
ge, so kann die Festspielkasfe für die
nächste Bayreuther Spielzeit allerdings
nicht ,,beträchstlich« fundirt sein. —
—- Die Technik bei den Eingehen
nen in Afrika. Vor einigen Tagen
mee-Mufeums n Paris eine interes
wurde in die Sammlungen des Ar
sante Nummer einverleibt. Es ist dies
ein vom französischen Marine-Jnf"an«
wie-Hauptmann Pillivuyt einem auf
ftändischen Eingeborenen bei Sikaffo
in West-Afrikia abgenommenes Gras
erehr, das von einem Schmiede des
Ortes hergestellt worden ist. Auf die»
Frage des Hauptmannes, ob die Ein
geborenen viele solche Flinten befäßen,
erwiderte der Neaer, sie hätten vier,
die nach dem Modell eines bei einem
gefallenen fran öfischen Soldaten ge
fundenen Gewegres angefertigt wur
den. Die braven Neger hatten geduldig
Stück für Stück das Gewehr ausein
anderaenonimcn und ohne besondere
Werkzeuge und Maschinen die Waffe
fabrizirt, mit dir vor noch zwanzig
Jahren die ganze französische Armee
ausgerüstet war. Die Arbeit ist na
türlich eine sehr grobe, aber es fehlt
keine Schraube bis auf den Bügel, def
sen Bedeutung den Schwarzen offen
bar nicht einleuchtete. Vielleicht hatten
sie auch wegen der daran gravirten
Ziffern angenommen, es sei eine Art
Amulett mit einem den Vleichgesichtern
günstigen Gebete, weshalb der mit der
Arsskührung derWaffe betraute Künst
ler ich wohl hütete, es nachzumachen.
— Der kontinentalste Punkt der
Erde. Wie die russische Geographische
Gesellschaft mittheilt, ist keexnige
Punk« der Erde, welcher auf allen Ser
ten am treitesten vom Meere entfernt
ist, jetzt gefunden worden. Er befindet
sich im anzen südlich von Tsiitnschin
und ist 2400 Ken» oder 1500 englische
Meilen in jeder Richtung von Miit
entfernt Die Gegend hat sich auch in
meteorologischer Hinsicht interessant
erwiesen, kenn es wurden hierLDZchstm
tungen deg- Lustdruckes beobachii-t, wie
auf keine-u Punkte der Erde. Eis ifi
daselbst ein ständiges meteoroicsgischez
Observatorium errichtet worde.-.
—Der Schädel eines diluoiglen
Raubthieres, welcher vor einiger Zeit
in der Gegend von Fiönigs-Wuiterhau
sen gefunden und dem Märtischen
Provinzialmuseum überwiesen wurde,
hat sich als von einem veritavlen Lö
wen herstammend entpuppL Deannd,
eine der größten Seltenheiten fiir die
Provinz Brandenburg, beweist, daß
auch in der Mark einstmals Löwen ge
haust haben. Professor Dr. A. Neh
ring von der königlichen landwirthsch
Hochschule hat den Schädel untersucht
und darüber eingehend Bericht erstat
tet. Zur Bestimmung des Stückes-, ob
Löwe oder Tiger, hat Professor Neh
ring die in den Berliner Museen vor
handenen Schädelsammlungen zuHilse
genommen. Verschiedene :llterlmale,
insbesondere die Stirnbildung· haben
zu dem Ergebniß geführt, daß man es
hier mit einem Löwen und nicht Tiger
zu thun hat« Der Gelehrte bebt her
vor, daß der eine der. zum Vergleich
herangezogenen Löwenschädel (gemeint
ist einer der vier Gailenreuthsr Schä
del aus dem Museum für Raumqu
de), der wohl zu den beste-:l:-c.«-,1-.n
Schädeln des »Leo spelaeus« gehört,
siir die Untersuchung von besonderer
Wichtigkeit war, weil an ihm alle Cha
rgltere klar und sich-er zu erkennen
seien
—- Wie breit ist ein Blitz? Man
stellt sich gewöhnlich unter dem Batz
itrahl eine gar-z schmale, sadenförinige
Erscheinung vor, und manchmal mag
I das ja auch zutreffen, immer nder
nicht. Vor kurzer Zeit wurde in St.
I Gilgen am Wolfgangsee ein Blitz pho
tographirt. Durch die Entladung war
die ganze Gegend so stark beleuchtet,
daß man auf der Photographie deutlich
erkennen konnte, an welcher Stelle der
Blitz eingeschlagen hatte. Aus der Ent
fernung dieser Stelle von der photo
graphischen Camera nnd aus der Breite
des Blitzes in der Photographie liest
sich die Breite des reellen Blitzes zu 15
M. berechnen. Wenn inan nun auch
der Thatsache Rechnung trägt, daß
grell beleuchtete Körper aus dunklem
grunde vergrößert erscheinen —-—- die
menschliche Hand im weißen Hundschuh
z. B. sieht daher größer aus, als-Z sie
wirklich ist — und darum annimmt,
daß das Bild des Blitzstrahl-H auf der
vbrtographischen Platte etwa um ein
Drittel zu breit erschien, so wäre der
Blitz doch immer noch circa zehn M.
breit gewesen, also von einem faden
diinnen Blitz kann gewiß nicht die Rede
lein.
— Unter Ebeleuten. Sie: »Um
mich haben sich seiner Zeit sehr viel
Männer beworben.« —- Er: »Und ich
hatte das Unglück, der Gläckliche zu
sein.«·