Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, September 01, 1899, Sonntags-Blatt., Image 11

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    Ver Bursche. sp
—
UphmsmischeanSpeyer
Es war zu Anfang des Mai und
tvir sasien in iGranada im hatel "Zu
den biet Jahreszeiten«.
Unsere Unterhaltung hatte sich schon
ICUf alle möglichen Oebieh erstreckt: aus
Baron den Grasen m Reichstadt,LUd
wig den Siebzehntem de- PriesterJuan
in Indien, Dan Sebastian in Portu
galtmd aus-andere erhabene Todte, als
wir — i weiß nicht aus welche Weise
— von undeu, Axsem attentotten
und zulett aan Osiziers urschen zu
sprechen anfingen·
Ein sehr junger, tapferer Haupt
mann, dem ich diese Geschichte widme,
ergris darauf das Wort und erzählte
etwa olgendeö:
.,. ch möchte anen etwas er äblen,
damt Sie ich von der Grö e des
Menschlichen rzens eine Vorstellung
machen, und nenn Sie wollen, über das
Manichäerthum den Instinkt der Thie
"- :te und den Werth- oder die Zwecklpsigs
Zteit menschlicher Bestrebungen disku
tiren lönnen Jch als nachterner
·Mensch begnüge mich damit, eine nackte
Thatsache zu berichten aus die Gesahr
bin, mich selbst einer Schuld zu bezieh
tigen.'«
.,,Erzö·hlen, etziiblen,« riefen alle ein
stimmig aus und rückten die Stuhle
näher. Erzählen Sie, Hauptmann.
Dieser zündete sich eine dritte Zigarre
-.an und sagte ernst und traurig:
»Seitdem ich die Schule verlassen
und in das Regiment eingetreten bin,
sind zelin Jahre verflossen und ich hat
te während der ganzen Zeit nur zwei
Burschen in meinem Dienst. Der eine
der beiden biete Garcja und ist der Held
vak- ask-schnipp
Die Stimme des Hauptmanns zit
terte bei Nennung dieses Namens. Er
Fabm einen Schluck Kaiser und fuhr
ort:
»Gut-da war ein angeworbener Sol
dat, ein Mann von etwa achtundzwan
eig Jahren, aus Totana gebürtig, mit
schwarzen Augen« braunem Teint, von
arabaschem. oder besser gesagt, tune
«sifchenr Typus, mrtkarg in jeder Be
ziehung, in seiner Liebe und seinem
Haß auch gleich leidenschaftlich Gar
cra zwar durchaus nüchtern« stöhnte tei
nemågjter und kümmerte sich nicht um
die tber. Bei Tag und Nacht in
guten und schlechten Zeiten, unter den
versengenden Strahlen der Sonne und
bei Sturm und Regen, stets harrte er
meiner Befehle, stets diente er mir wil
lig und treu.
Jener Mann erfetzte rnir mein-e gan
ze Familie, wenn ich tras iast immer
der Fall war —- sern von den Meinen
weilte. Aus all diesen Gründen muß
te ich ihn ei entlich sehr lieb gewinnen
... und i liebte ihn wohl auch...
oh ja, seitdem wußte ich eg, ahnte ich eg,
ohne mir indessen jemals darüber klar
zu werden. Mich zufrieden zu stellen,
rnir jeden Verdruß zu ersparen, einen
freundlichen Blick von mtr erha
schen« das war das größte Miiek für
diesen Mana.
Und irr-T alledem —- warum weiß ich
nicht — be andelte ich ilw fast stets mit
der größten Strenge. Meine Unter
haltung mit ihm beschränkt-e sich ausBe
ghle und Verweiie wegen der geringsten
ergehen.
Und doch —- wenn Garcia krank ge
worden wäre, wenn er mich verlassen
und vor meinen Augen Tbränen ver
gossen hätte, —- in rein Augenblicke, ha
be ich mir seitdem oft gesagt, würde er
aufgehört haben, mein Untergebener zu
sein, würde ich ihm vielleicht gesagt ha
ben: »Bleibe bei mir, Garcia!« da ich
dann zu der Ueberzeugung gekommen
wäre, dafe wir im Grunde-doch sehr
an einander hingen und uns wie Brü
der liebten.
Ali der letzte karlistische A suhr
sich regte, war ich in Cataluna, den e
ehlen des Generals B . . . gehorchend.
Garcia war bei mir. —- Etnes Tages
befanden wir uns in dem kleinen Dorf
Gtronella dem Feinde gegenüber.
Seit dem frühen Morgen hatten wir
uns tapfer geschlagen, aber als der
Abend hereinbrach, und der Sieg schon
last aus unserer Seite war, wurden wir
tsnn einer tm Nachtrab befindlichen an
sehnlichen Truppe überrascht. Wir wa
ten zwischen zwei Feuern. Unser Oberst
befahl den Rückzug weil er die Schlacht
sur verloren brei, und in demselben
Augenblick ergriffen saft alle Soldaten
die Flucht.
Jch hatte diefen Befehl überhört und
harrte an der Spine meiner Kompag
nie aus, die den äußersten rechten Flü
ssel einnahm und deren Offiziere fast
alle gefallen waren. Jch war damals
Seiondeleutnant.
Die Karliften drangen weiter vor.
Meine Soldaten fielen um mich herum
wie trockene Aehren. Und noch immer
ertheilte ich keinen Befehl zum Rückzug!
Es war Wahnsinn; die Epilepfie, je
ne furchtbare Krankheit, die ftetö all’
meine leidenfchaftlichen Ertegungen be
gleitet, hatte mich befallen. Nachdem
meine blinde Wuth unzähli e Opfer e
koftet hatte, flohen die ii eigen, o ne
meinen Befehlen weiter zu gehorchen,
den Tapferften das Feld überlassend.
« Garcia, der wohl glauben mochte, ich
hörte den Befehl zur Flucht ertheilt,
eilte gleichfalls davon, in der fefien
Voraussetzung, ich befinde mich an det»
Spitze der fliehenden Kompagnie. So
blreb ich, den Säbel in der Hand, allein
zurück und drang weiter gegen den
Feind vor. bis mich ein furchtbarer epi
lepnfcher Aniall ja Boden niederwarf.
i dPre Aufriihrer fchen hielten mich für
o .
So brach die Nacht herein. l
Die übrig gebliebenen Truppen wa
ten schon in Geronella, too sie sich ber-1
eint hatten, um am nächsten Tage mit
vermeinten Kräften den Feind zu über
fallen. »
Gareia tatte inzwischen mein Hist-n
bemertt und war iest entsuiossen, auf
den Kanipivatz zurückzut br n, u:n
meinen Leichna : zu holen. IVJUU TM
gefallen, mir beizustehen, wenn ich ver
wundet wäre.
Um dorthin zu gelanaen, mußte er
dastaknstische Lager durchschauern
Nur ein Wahnsin..ia.r oder eine Mutter
konnte sich zu dieser heldenthat auf
rasseni Borsichtig Verließ er das Dorf
und pas trte naus einemUmweg von drei
Meilen ie seindliche Linie. Bald dar
auf hatte er mich unter den Leichen ge
sunden.
Jch lag regungslos in jenem merk
würdigen Zustand der Epilipsie, in dem
man sehen und hören, sich aber nicht be
wegen kann· Garcia errieth sofort,
was mit mir war. Seine Thränen
flossen, und mühsam nur unterdrückte
er«das Schluchzen, während et mich
aut seine Schultern lud, um mich in dag
nachstgelegene Dorf zu bringen.
« So erreichte er ernst, schweigsarn und
m sein Schicksal ergeben das seindliche
Lager. ——— Nur ein Wunder konnte uns
retten! Das wußte er wohl, wußte
aber auch, daß ich an einem solchen An
tall ohne die geeigneten Meditamente
nach Verlauf von ein paar Stunden,
und bei diesem Schneegestöber in der
kalten Winternacht unweigerlich zu
Grunde gehen mußte.
So setzte er seinen Weg fort. Noch
hatte er das tarlistische Lager zu durch
schreiten. Nur die undurchdringliche
Dunkelheit der Nacht vermochte uns zu
retten! Aber der Mond, der nichts ahnt
von allem, was aus der Welt vorgeht,
durchbrach plötzlich den lichten Wol
tenschleier und erschien strahlend und
schön, die ganze Schneelandschast mit
seinem sanften Glanze beleuchtend.
Garcia seufzte, ein Unaliick ahnend,
tief aus. Auch ich fiirchtete mich, re
gungslos auf den Schultern jenes un
glücklichen Märtyrers lastend.
Welch entsetzliche Bürde! . . .
Aber oh Wunder! Garcia ging in
einer Entfernung von etwa zwanzig
Schritt an einer Schildwache vorbei,
ohne von ihr gesehen zu werden« Viel
leicht waren wir gerettet! Aber nein
—-— das Verhängniß ereilte uns auf
andere Weise.
Schon hatte der Märtyrer seinenLeis
densweg beinahe beendet, als die star
listen ihn beim Schein des Mondes ent
reckten.
»Wer da ?'« rief eine Stimme aus der
Ferne.
»Gebt Feuerl« eine andere, nähere.
« ,,Heilige Jungfrau!« murmelte Gar
kra.
Und meine Handgelente trampfhast
umklanimernd, beschleunigte er seinen
Schritt. -
Da trachte ein Schuß, eine Kugel
pfiff durch die Luft.
Mein Bursche schwankte . .. ließ sei
ne Last sinten und fiel tief aufseufzend
mit dem Gesicht zur Erde
· ch fiel uber ihn . . . Das Opfer war
vo bracht.
Welch eine Nacht! Großer Gott!
Jch fühlte, wie Garcia zitterte und
sich unter meiner Last trümmte· Alles
blieb till . .. und es wurde immer käl
ter, bis meine Glieder ganz erstarrten.
Garcia war todt. « ch wußte es und
tonnte mich nicht rii ren. So ver
Ibrachte ich die Nacht auf dem Leichnam
meines Untergebenen, meines Stlaven,
meines armen Garcia!
Das war die erste Umarmung, die
ich ihm zutbeil werden ließ.
Bei der frischen Morgentiihle begann
der Anfall zu schwinden. Jch richtete
mich auf und schaute ringsum. Jch
war allein, allein unter Todten! Die
Karlisten hatten während der Nacht das
Schlachtfeld verlassen, alle Verwunde
ten mit sich nehmend.
Jch untersuchte Garcia und sah, daß
die Kugel von der einen Seite einge
drungen und aus der anderen wieder
berausgetreten war.
Nun naan ich ihn auf die Schultern
und gelangte endlich zitternd, schwan
kend, thränenden Auges und blutenden
Herzens nach Gironella. Hier wurde
der arme Garcia begraben. Heute ist
sein Name sur mich ern Gegenstand der
Verehrung und des Kultus.
Wie ost, wie unzählige Male habe ich
zu Gott gefleht, er möge ihn wieder
auserstehen lassen, damit ich ihn wegen
meiner Heftigteit und Härte um Ver
zeihung bitten und ihm seine Opfer
vergelten könne. Wie oft habe ich in
Gedanken um Verzeihuna gebeten!
Und wie sehr hat sein Tod mich geläu
tert! Seit der Zeit bin ich sanft, nach
giebig und liebevoll gegen meine Unter
gebenen. Denn ich hatte eingesehen,
daß unter dem einfachen Rock eines
Soldaten oft ein besseres Her s lägt
als unter der goldstrotzenden ilni vorm
eines Generals.« f
Der junge Osfizier schwieg. Wir:
Triickten ihm die Hand und einer nach
dem andern erhob sich und verließ nach
denklich und ernst gestimmt die Gesell
schqu
Allein zu sein! Drei sWorte leicht zu
agen,
Und doch so schwer, so endlos schwer
zu tragen.
h a m i s s o.
Empor zum goldenen Himmelslicht
Heb» das vermeinte Angesicht,
Statt muthlos zu verzagen;
Wer immer um das morgen bangt,
An nicht’gen Erdensotgen hangt,
Kommt nie zu Feiertagen!
Frcda von stonoft
Its-n und Lieb-·
Von Jeanne Matni, deutsch von F.
, Gtäfin zu Reventlow.
Madanie Degcles, 46 Jahre ali.
! Toniixur Des-klei» 50 »Hu att.
wie-with
; Szene: Cine elegante Wohnung cxm
Boulevatd Malesherbcs. Sieben Uhr
Abends mitten im Winter. Draußen
schneit es.
s Madame Descles sitzt in ihremZims
smer vor dem Schreibtisch und schreibt
einen Brief. Sie ist zum Ausgehen
angetleidet — einfache, dunkle Tot
»lette, schwarzer Dut. Auf dem Stuhl
’neben ihr sieht man eine Reisetasche
und einen PelzmanteL
Bictoire geht aus und ein und bringt
das Zimmer in Ordnung.
» Madame Descles (schreibt): —- —
,,Um ihretwillen, um unserer Kinder
willen verlasse ich Dein Haus-. Sie
haben mich darum gebeten. Gabriel
wird mich heute Abend abholen, wenn
er aus dem Bureau kommt. Er will
es nicht länger mehr dulden, daß ich
Thier bleibe und wochenlang aus Dich
warte, ohne zu ahnen, wo Du über
haupt bist. — Er sagt, ich hätte genug
gelitten, er will es nicht mehr mit anse
hen. — Das Maß ist voll — es muß
ein Ende gemacht werden. —- Und
I ean denkt ebenso wie sein Bruder
ie wollen von jetzt an mit mir zu
sammenleben, siir mich arbeiten. So
werde ich den Reist meines Lebens,l
wenn ich auch nicht mehr glücklich sein
kann, doch wenigsten in Ruhe und von
meinen Mitmenschen geachtet, verbrin
zgen. Jch hätte gewünscht, Dir das
Alles müdlich sagen zu können — aber
lseit elf Tagen bist Du nicht mehr nach
Hause gekommen. Wenn Du nicht
Deine Kleider und Deine Wäsche hät
test holen lassen, so hätte ich anneh
men müssen, daß Du todt seiest. Man
zhat Dich gestern beim Rennen mit
zMadame Fertil gesehen. — Hute Dich
vor dieser Frau — sie ist schon, sie ist
anziehend, aber denke daran, wie sie
Monsieur de Saires zu Grunde gerich
tet hat. Er hat sich aus Verzweiflung
ieine Kugel durch den Kopf gejagt.
nWomit gedenkst Du sie zu bezahlen?
JJch kann Dir nichts mehr geben, ich
fhabe nichts mehr. Du hast Alles ver
·than, meine Mitgift, meine Schmuck-:
isachen —- Alles. Jch glaube, das
kMobiliar hast Du auf meinen Namen
1schreiben lassen. —- Wenn Du es ver
tausen kannst, so vertaufe es. Jch habe
ivie Dienstboten obqeiohui Josef hat
1000 Fres. von mir verlangt, die er
;Dir geliehen haben will. Jst es wahr,
jdaß Du sie ihm schuldig bist? Jch«bin
Jnicht in der Lage, sie ihm wiederzus
!geben. Jch habe nicht mehr so viel.
300 Francg nehme ich mit —-- es ist
Alles-, wag ich besitze. Es ist mir sehr
unangenehm, daß ich Josef das Geld
nicht geben kann. Der Mensch hat
einen schlechten Charakter und ist
schioatzhast. Er soll die abscheulich
sten Sachen iiber Dich herumerziihlt
haben. Jch rathe Dir wenn Du nazh
Hause kommst, gib ihm sobald wie
möglich sein Geld wieder und schick ihn
dann sofort weg. -—— Aber wann wirst
Du nach Hause kommen?«
Victoire: ,.Madame!«
I Madame Degclesx »Nun, was gibi
es?«
Victoiret »Ich glaube, Monsieur
iommt.«
Madame Desileö: ,,SI.Itriisieur Gab
riel?«
I Bictoire: »Nein, Monsieur!«
lJn diesemAugenblict wird rasch die
IThiir geöffnet und Monsieur Descleg
er cheint. Victoire entfernt sich·)
Madame Descles: »Was? —— wa-)
—--— Du bist es?«
F Monsieur ’-Descles: »Ja, ich bin es.
JEr ist leichenblasz und anscheinend
erregt. Tiefe Schatten liegen unter
iseinen Augen, er sieht seineFrau ängst
»lich und verstört an). hat Niemand
.nach mir gefragt?«
: Madame Descles: ,,Nein.«
s Monsieur Descles: »Ist das ganz
gewiß?«
» Madame Descles: Ma, ganz ge
ivisi.'«
» Monsieur Descles sinkt in einen
»Lehnstuhl): »Ah —- ich tann nicht
mehr. iDann schlägt er beide Hände
.vor’s Gesicht). Ah!« —
» (Patise. —— Madame Descles blickt
stillschweigend aus ihren Mann, der
»völlig zusammengebrochen dasitzL —
-Dann zuckt sie leicht die Achseln, sal
tet ihren Brief zusammen, steckt ihn in
das Couvert und legt ihn auf denTisch
Dann nimmt sie ihren Mantel und
geht aus die Thiir zu. Monsieur Des.
cles blickt aus).
»Wol)in willst Du? Willst Du fort
gehen?«
f Madame Descle5: »Ja, ich gehe
ort."
Monsieur Descles: »Was? Du gehst
sort —- ganz fort?«
Madame Desclesz ,,« a«.
Monsieur Descles: »Für lange?«
Madame Descles: »Für immer."
Monsieur Descles: »Du willst mich
verlassen — Du hast wohl genug von
mir?«
Madame Descles: »Ja.«
Monsieur··Descles: »Da hast Du
recht. Geh’ nur. Es ist das Beste,
was Du thun kannst. Gerade in die
sem Moment (bitter) ja, gerade in die
sem Moment. —- Nun, warum gehst
Du denn nicht? Woraus wartest Du
noch?«
Madame Descles: »Ich warte aus
Gabriel, er sollte mich abholen.«
Monsieur Descles: »Du willst mit
zu ihm gehen?« .
Madame Deöcles: spa, zu ihm und
Jean. Wir Drei wo en von jetzt an
jgusammenlebem (Paufe.) Lei? wohl,
ucien!«
Monsieur Deseles (ialt): »Adieu!«
i tSie macht einige Schritte vorwärts-.
Ali- sie schon auf der Schwelle steh«,
wendet sie sich noch einmal um und
wirft einen lekten Blick auf ihren
Mann Er hat das Gesicht wieder mit
beiden Händen bedeckt, seine Finger
lieben und ein dumpfes Schluchzen
ringt sich aus« seiner Brust.)
I Madame Descles Ohne näher zu
treten): »Warum meinst Du? Was
fehlt Dir?«
I Monsieur Descles: »Nichts nichtsl
—- es ist nichts. Lass’ mich allein —
geh’ nur.«
Madame Descles: »Was ist Dir
geschehen? Sag’, was ist Dir gesche
I nMonsieur Descles (läszt die hände
sinken sein Gesicht ist von furchtbarer
Angst entstellt) »Jch sag Dir ja, lass’
mich allein — ich muß allein sein. —
Was kümmert es Dich jetzt noch,
mir etwas geschehen ist. Du hast Dich
ja für immer von mir losgesagt. —
So geh’ doch —- geh’ doch. «
Madame Descles (nachdenklich):
»Ja -—- ja — ich — ich will fort (sce
bleibt immer noch an der Thiir stehen)
aber kann ich Dir wirklich nichts mehr
helfen?«
Monsieur Descles: »Nein —- jetzt
nicht mehr.«
Madame Descles limmer noch in
der Thür): »Weißt Du das ganz
gewiß — fer gibt leine Antwort).
Sieh, wenn Du weinst, muß etwas
sehr Ernstes vorgesallen sein Du
meinst nicht leicht. So habe doch Ver
trauen zu mir Warum weinst Du?
Willst Du es mir nicht sagen?«
Monsieur Descles: »Nein —- Du
willst fort von mir. —- Du willst mich
«verlassen —- mich aanz allein lassen —
erade in dem Augenblicke, wo eine
schwere Gefahr —«
Madame Descles: »Gefahr? Was
siir eine Gefahr?«
Monsieur Desrles: ,,Kannst Du es
denn Dir nicht denken? Hast Du denn
nichts gesehen —- nichts geahnt? lEr
steht aus und geht mit großen Schrit
ten im Zimmer aus und ab). Du hast
gewußt, daß ich ein wahnsinniges
Abenteurerleben führte —- hast Du
denn nie daran gedacht, daß ich eines
Tages den Hals dabei brechen könnt-?
Nun, jetzt ist es glücklich so weit --—- esJ
ist aus mit mir. Jch werde dies Zim
mer nicht wieder verlassen. Es ist ein
Wunder, daß es nicht schon längst so
weit gekommen ist Meine Söhne sind
nicht so naiv wie Du, sie wissen ganz
gut, wie die Sache liegt. Deshalb
haben sie sich auch von mir zurückgezo
en —-—- sie wollen nichts mehr von
ihrem Vater wissen, sie empfinden nur
noch Abscheu vor dem oäterlichenHausc.
O, sie haben es rasch begriffen-»Aber
darum handelt es sich jetzt nicht. —
Willst Du wirklich wissen, was gesche
hen ist?«
Madame Descles: »Ja."
Monsieur Des-klein .Nun, ich warte
daraus, daß man mich verhaften wird
— es kann jeden Augenblick geschehen.
Vielleicht noch heute Abend — aber je
denfalls morgen Früh«
Madame Descles: »Verhaften? —
Warum? was hast Du gethan?«
Monsieur Degcleg: »Ich habe gestoki
len — »O ich bitte Dich, sra mih
nicht nach den Einzelheiten gniiae
Dich mit der Thatsache —— die ich nicht
ableugnen kann, weil man mich auf
frischer That ertappt hat« iBeive
schweigen.) Nun -—-— Du schreist nicht
auf —-- Du wirst nicht ohnmächtig vor
Entsetzen?«
Madame Desrles tmit leichenblas
sein Gesicht und weit aufgerissenen
Augen, ihre Stimme klingt leise und
pfeifend): »Schweig — es ist emand
ini Vorzimmer Vielleicht ist es than-—
(sie schaudert am ganzen Körper) viel
leicht ist es die Polizei Hörst Du
snoch leiser) hörst Du?« 1
Monsieur Descles iebenfalls schau
dernd): »Ja, ja, ich hdre.« lEr faßti
instinktiv ihre Hand und stützt sich aus
sie Eine Minute der entsetzlichsteu
Angst -— dann öffnet sich die Thüre
und Victoire erscheint).
Victoirez »Madame, Monsieur Gab
riel ist da.«
Madame Descles lathmet auf):
»Ach lassen Sie ihn einen Augenblick
im Salon warten«
Victoirez »Der junge Herr ist wie-—
der hinuntergeganaen. Er läßtMadame
sagen, daß er sie unten im Wagen er
wartet.«
Monsieur Degcle5: ,,Haben Sie ihm
gesagt, daß ich hier bin?«
Victoirez »Ja, Monsieur.'«
Monsieur Degcles: »Gut, tragen
Sie die Reisetasche hinunter Madame
wird Ihnen qleich nachtommen.«
I lVicioire will die Tasche nehmen,
aber Madame Descles faßt sie am
iArm).
Madame Descles: ,,Lassen Sie sie
noch da.«
Victoire fiiberrascht): »Aber Ma
dacne!«
Madame Descles: »Lassen Sie sie
da.«
Monsieur Descles: »Hast Du viel
leich; Deinen Entschluß wieder geän-:
deri-«
Madame Descles: »Ja«
f Monsieur Descles: »Du willst nicht
ort?«
Madame Descleis: »Nein.«
Monsieur Deselest »Dann mußt
Du wenigstens Gabriel Bescheid sagen
lassen.«
Madame Descles (lurz): »Das ist
wahr. (3u Victoire). Gehen Sie hin-.
unter und sagen Sie meinem Sohn,«
daß ich nicht kommen lann. Er scll
nicht auf mich warten. Jch werde ith
schreiben.«
Bictoire (örgerlich): »Gut Madame.
Und der große Koffer?" «
Madame Descles: »Lassen Sie ihn
wieder herausbringen.«
lVictoire wirft einen mißtranischen
Blick auf die beiden und geht dann
langsam hinaus).
Die Teil-meisten- Tafel-.
Von M.R.Credi.
Jn Mittelegypten liegen nahe dein
Nil in einer von Bergen umrahniten
Ebene die Trümmer von Teil Amaena.
Die Stadt, die hier einst gestanden,
war eine Gründung des Königs Ame
nophis des Vierten. Dieser Herrscher»
der um das Jahr 1400 v. Chr. zur Re-·
gierung gelangte, war zugleich ein ge-«
waltiger religiöser Reformator, er ge
dachte, einen monotheistischen Sonnen
tult zu begründen. Auf daß nun seine
junge religiöse Schöpfung von deni
Einflüssen der alten Kulte unberührt
bliebe, verließ er das götterreiche The
ben, in dem bisher Egyvtens Herrscher
residirt hatten, und siedelte nach Tell
Amarna, der von ihm neu angelegten
»Sonnenstadt«, über. Doch der
»Glanz der Sonnenscheibe« (so nannte
sich Amenophis) soll rasch verblassen.
Seine Nachfolger, welche sich wieder
der alten »ortshodoxen« Bielgötterei zu
wandien und den letzerischen Sonnen
lult des königlichen Reformers mit
großer Strenge verfolgten, lehrten
nach Theben zurück, und das nunmehr!
verlassene Tell Amarna ward taschi
ein Trümmerhaufen I
Der Schutt der Jahrhunderte fant·
auf die Ruinen, die unter dem heiteren;
Himmel Eghptens in trostloser Oedek
dalagen. Mehr denn drei Jahrtausen-:
de gingen über die Trümmer von Tell
Amarna hernieder, ehe die ungeahnten«
Schätze, welche sie bargen, ihre Aufer-l
stehung feiern durften. l
Jm Jahre 1887 stießen daselbst Fel
lachen bei ihren Feldarbeiten auf eine
große Anzahl von Thontafeln, wie sie
in Assyrien und Babylonien zu Tau
senden gefunden werden, Mußte also
schon das Material der neu gefundenen
Jnschriften befremden, fo blieb zu
nächst geradezu unerklärlich die That-—
sache, daß diese im eqyptischen Boden
gefundenen Thontafeln mit assyrifchen
Keilschriftzeichen bedeckt waren. Doch
schnell erkannte man, welchen hervor
ragenden Fund die ahnunajplosen Fel
lachen gethan hatten. Die Tafeln
bildeten nämlich ein ganzes Archiv von
Brieer, welche die Könige von Baby
. lon und Assyrien, die Fürsten von Ch
vern, Syrien und Palästina mn Ame
nophis dem Bierten und seinem Vor
Igjjnger ausgetauscht hatten. Die Ta
Ifeln von Arnarna zeigen uns also zu
i
nächst, daß um die Mitte des zweiten
vorchristlichen Jahrtausends das Assy
rische —- iihnlich dem Französischen in
der Neuzeit —- eine Art internationa
ler Geschöftssprache war.
Die werthvollen Steine kamen, dank
der Freigebigkeit eines Mäcens, zum
größten Theil nach Berlin, woselbst sie
eine Hauptzierde der vorderasiatischen
Söle des Neuen Museums bilden.
Die Briefe behandeln nicht nutFra
zgen der hohen Politik, sondern gewäh
"ren uns auch einen Einblick in die pri
vaten Verhältnisse der Fürsten jener
Zeit. So behandeln die Könige von
Eghpten und Babylon in mehreren
Brieer eine Heirathsangelegenheii.
Der Egypter beginnt einen dieser
Briefe mit den für den Stil der dama
ligen Zeit charakteristischen Worten:
»An Kallimasin, König von Babylon,
meinen Bruder. Mimmuria (dies ist
ein Beiname des Ainenovl)is), der
große König, König vonEg "«ten, Dein
Bruder. Mir geht es gut, ir seiHeil,
Deinem Hause, Deinen Frauen, Söh
nen, Großen, Pferden Streitwagen
und Deinen Leuten sei Heil! Mir·
geht es gut, geht es gut, meinem Hau
e, meinen Frauen, Söhnen, Großen,l
Pferden, Streitwagen, Leuten geht es
sehr gut und meinen Ländern sehti
gut«. Diese Einleitung begegnet uns
auch in vielen anderen Briefen. Ty
pisch sind auf folgende Ergebeiiheits
sormeln, mit denen die meisten Briefe
der kleinen Vasallenfiirften an den
mächtigen Herrscher Amenophis be
ginnen: »An den König, meinen
Herrn, meine Sonne, meinen Gott. N.’
N., Dein Diener. Sieben- und sie
benmal zu Füßen des Königs, meines«
Herrn, falle ich. Jch bin der Staub
unterhalb der Füße, die Sandale des
Königs, meines Herrn« u. s. w.
Der diplomatische Verkehr zwischen
den einzelnen Höfen scheint nach den
Amarnataseln sehr rege gewesen zu
sein. Wir besitzen einen Reisepas3, den
Alta, der Gesandte des Königs von
Babylon, auf dem Wege nach Egypten
mitbekommt. Der Geleitbries hat fol
genden Wortlaut: »An die Könige von
Kanaam die Vasallen meines Bruders:
der große König. Hier Atia, mein
Boote, zum König von Egyvten, mei
nem Bruder, habe ich geschickt. Nie
mand möge ihn aufhalten. Wohlbe
halten bringt ihn nach Eghpten und
bis nach der Stadt Luchli in Egypten,
in Eile sollt ihr ihn bringent Und
nichts Gewaltsames möge ihm zuge
fiigt werden«
Ergötzlich ist ein Schreiben, das
uns zeigt, welchen Werth die Fürsten
jener Zeit der diplomatischen Cour-ö
toisie beilegten Der Egyptetkönig"
schickt einen Gesandten an But-what
jasch von Babylon. Dieser ist krank
Und kann den Gast nicht zur Tafel
iehen. Jm Uebrigen grrILZ er dein
Heherrscher Eghptens darob, dasz er
sich nicht nach seinem Befinden erinn
digt habe. Der egnptiiche Gesandte
bemüht sich nun, den Nachweis zu füh
ren, daß sein König von der Kraniheit
des Königs noch nichts wissen könne.
»Der Weg it nicht nahe. Wenn Dein
Bruder geh« rt hätte, so hätte er Dir
einen Gruß geschickt, das Land ist
aber fern. . . . Daß Du trank bist,
sollte Dein Bruder gehört haben und
nicht seinen Boten schicken?« Schließ
lich wird Bunahurjasxh versöhnt
und will das alte Einvernehmen mit
Pein Egypterlönig wieder bestehen las
en.
Von weit größerer Bedeutung all
diese Briefe sind für die Geschichte ie
ner Zeit natürlich diejenigen diploma
tischen Schriftstücke, in welchen politi
sche Fragen behandelt werden. Unter
ihnen nehmen eine hervorragendeStel
lung ein die Briefe. welche Abdchiba,
der egyptische Statthalter in Jerusa
lem, an seinen Herrscher richtet. Ein
mal um das andere bittet Abdchiba mn
eine starke militärische Besatzung, da
das valästinensische Land von den
Chabiri überfluthet, und Stadt auf
Stadt in deren Hände falle. »Es sor
ge der König für sein Land und wen
de seine Aufmerksamkeit ihm zu, er
schicke Truppen nach dem Lande von
Jerusalem! Denn wenn keine Trup
pen kommen in diesem Jahre, dann
ist verloren das ganze Gebiet des Kö
nigs, meines Herrn«.——Jn jenen Cha
biri glaubt man nun mit Sicherheit
die um jene Zeit in Palästan einriicks
enden Hebräer zu erkennen. Abdchiba
war wohl bei dem Könige von Eghp
ten verleumdet worden; denn er nimmt
wiederholt Gelegenheit, seine unterthä
nige Gesinnung zu versicheru. Um sich »
aber zu vergewissern, daß der König
von seiner Ergebenheit Kenntniß er
halte, fügt er am Schluß seines Brie
fes folgende Worte an den Setretär
des Königs hinzu: »An den Schrei
ber des Königs, meines Herrn: Add
chiba, Dein Diener, zu Deinen Füßen
falle ich. Bringe die Worte »Dein
treuer Diener bin ich« deutlich vor den
König, meinen Herrn!«
Der glückliche Fund von Tell Amen
na und die staunenswerthe Arbeit der
Gelehrten, welche die oft nur mit der
Lupe wahrnehmbaren Keilschriften
entziffert haben« hat mit einem Schla
ge ein fern zurückliegendes Jahrhun
dert erhellt. Die Tell Amarna - Tor-i
seln bilden eine hervorragende Quel-«
le für die Geschichte des alten Orient-L
für die biblische Wissenschaft und nicht
Zum Mindesten für die Kultur-ze
schichtk.
I passive-.
i Zwei Wanderer schritten selbander
den Berg hinan. Er war steil und un
eben, große Steine lagen mitten im We
ge, Dornenhecken säumten ihn ein. Da
«zu brannte die Sonne heiß hernieder.
» Die beiden Wanderer stö nten.
s »Welch schrecklicher - eg! und Mc
lang er sich noch dehntl« g;o«llte der
Mann, dem ein schweres Bundel·"iiber
der Schulter hing, »ja, wenn ich we
’nigsteng allein ginge, wollte ich eher
oben sein! Aber so, mir Dir, man
kommt nicht dont Flecke, bald lleibst Du
»mi: Deinem Kleide an einem Dornen
zweige hängen, bald setzt Du Dich zum
Ausruhen auf einen Stein, tein Bor
wärtizlommen ift’s mit Euch Web-rul«
»Und mit Euch Männern erst recht
nicht,'« entgegnete murrend das Weib,
»wir könnten längst oben sein, wenn
Du Dich nicht im Wirthshaus amFutze
dsg. Berges so lange aufgehalten hat
te t.
So scheltend und stöhnend gingen dfe
Beiden weiter. Heißer brannte die
Sonne, fteiniger wurde der Weg. Ein
einzelner Wanderer holte das Paar ein:
»Griis3’ Gott! ist’s noch weit bis zum
Gipfelf
»Sehr weitl« stöhnte der Mann.
»Ich ja, sehr weit nochl« seufzte das
ei .
»Aber Jhr habt’s wenigstens gut·'
tröstete der Wanderer, »Ihr geht zu
sammen! Könnt Euch gegenseitig stü
tzen! Euch unterhalten! Dte Zeit ber
treibenl Aber ganz allein, da wandert
sichs schlecht! Nun, grüß’ Gott! Auf
Wiederseh’n, oben am Gipf«el!«
Damit schritt er sürbaß.
Der Mann nnd das-Weib aber schau
ten fich an. Was hatte der Wanderer
gesagt? Sich gegenseitig stützen, dann
ging es besser. Ja, daran hatten sie ja
tsoch gar nicht gedacht! Aber man
könnte eg ja versuchen! Die Frau lud
einen Theil von des Mannes Bsitrde auf
ihreSchultem wie leicht wurde ihm da!
Wie gut konnte er sie nun führen! Er
:ing sie fast zuletzt und merkte es taum.
Oder machte es die Unterhaltung, die
jie jetzt zusammen führten? Nicht Vor
würfe mehr, wie vorhin, nein, fröhliche
Ccherztvorte flogen herüber und hin
ijher, leise Lieber-warte, zärtliche Recke
reien wurden getauscht. Plötzlich sahen
sie, daß sie den Gipfel erreicht Zattem
Sie Hainen etwas früher nach o en an,
alS der einsame Wanderer. Wenige
Sclritte vor dem Ziele stand auch er.
Aber er eilte nicht freudig darauf zu, er
stand und schaute zurück aus den Weg.
Wie lang war die Wanderungäewefent
Wie lang —- und wie einsam! r schau
te feuchten Auges auf das fröhliche
Paar und seufzte.
J. W a l d a u.
—- ZeitgemäsZ. »Gehst Du, liebe
Frau, das Reisegeld hätten wir nun
t-eifammen; jetzt müssen wir bloß noch
ruf die Ansichtspostkarten spaten.«