Heut « Ein jeder Tag bringt Dir m goldner Dein Maß von Pflichten und von Leid und Freud, Genau bemessen isi’s für Deine Kräfte, Genau soviel, erz, kannst Du tragen ut. Heut sollst Dn’s schaffen. heut sollst » Du leben, Jur heute ward Dir Licht und Kraft und Muth; . Des »gesiern" nicht beschwere Deine Seele, Das »morgen«Hstell getrost in Gotte-i " ut. Leg in dies heute all Dein etnstes Wollen, Der Seele ganze, volle Kraft hinein; Dem treuen Kämpfer muß vie Palme werden, Vertraue Dir ————— und jeder Sieq ist Dein! Oitlilie Gumprechi. sæ mußtmymk Von Katharina Zitelmann. Geheimrath von Hollander hat ein neues Quartier bezogen, ein prächtiges mit einem Tanzfaat und neun Zim mern. Die bescheidenere frühere Woh nung genügte nicht mehr, denn das Töchterchen ist aus dem vornehmen Stift, wo es erzogen wurde, nach Hause zurückgetehrt und soll in die Welt eingeführt werden. Welch eine Umwälzung das bedeutet! Sie selbst freilich tennt die Herrlichkeiten noch nicht, die man ihr vorsetzen will und beschäftigt sich garnicht damit.Jhre Ges danten und Interessen weilen noch im Stist bei den Freundinnen, mit denen sie ihr Leben theilte. bei den Lehrern und Lehrerinnen, die sie unterrichtet, bei dem ,,siis3en« Prediger, der ne ein gesegnet hat. Aber alles muß ein Ende haben, und da sie nun siebzehn Jahre zählt und erwachsen ist, mqu jie voxs gestellt werden und in Gesellschaften gehen — so sagt Mama Die Geheimräthin von Hollnnder ist eine stattliche, noch jugendliche Frau, die bisher ihrer Familie gelebt hat und ihren gesellschaftlichen Veipflichtungen nur so weit nachgelonimen ist, wie« unbedingt nothwendig war. Sie hat fünf Kinder zur Welt gebracht und eins davon sterben sehen, und da sie es allezeit mit ihren Iliutterpflichten ernst genommen hat, ist ihr nicht viel Zeit geblieben« ireder zu anderer Be-’ schaftignng, noch zur Pilege ihrer Jn teresfen. lind sie hat Jnteressenz sit singt ein wenig und malt recht hübsch- - aber da sie nicht dazu gekommen ist« weiter zu lernen, sind ihre Leistun gen geringe geblieben. Ihre Gesund:" heit hat immer zu wünschen übrig ge lassen, und so hat sie am Gesellschafts-; treiben lein Vergnügen gefunden,’ ebenso wenig wie ihr Mann, der start beschäftigt, froh war, wenn er Abends daheim ruhig die Zeitung lesen oder rnit seiner Frau einen Spaziergang machen konnte An Verkehr freilich hat es ihnen nicht gefehlt. Mutter undl Schwestern der Frau Geheiuirath leb-! ten am Ort, und die Besuche vorn Lan-s de hörten nie aus, denn beide Gattens hatten Schaaren von Vettern. Der tatn in die Hauptstadt, um Wolle zu ver-Z laufen, der, um sich zu amüsiren. Einert war Mitglied des herrenhaufes, derj andere Landtagsabgeordneter ——— und;v alle sprachen gern bei Hollunders oor,i so daß es zuweilen sogar etwas viel wurde. Wie hätten sie da noch Lust ha ben sollen, Gesellschaften zu besuchenkj Doch nun ist Gerda heimgeteliri« das älteste Rind, die einzige Tochter, ders Mutter Abgott. Da tann es nicht wiei bisher weitergehen. Das jungeMädchen hat Ansprüche an das Leben zu stellen Fürs erste tst Gerda trotz ihrer tun-s en Kleider noch ein rechtes Kind, dagi sich am liebsten mit den Brüdern uni- i heetumnielt, neckt und auch einmal --——s balgt, und sich der goldenen Freiherr freut, die plötzlich über sie ausgeschüt tet ist. Denn so gern sie auch im Stift» war, sie ist doch froh, daß das »Büs-i feln« nun ein Ende hat, daß sie nun mit der Bildung fertig ist, wie Jltama sagt. höchstens französische Flor-versa · tionsstunden soll sie noch nehmen; und vielleicht Klavier; —- »Stu:1«)-.-i tr sten ein Heidengeld,« sagt Mann, »die müssen doch mal aufhören. Jetzt han delt sichs sür Dich um andere Dinge.« »Um was denn?« fragt Gerda uns-, begierig. Frau von Hollander getäin in Ver-« legenheit. Jn fernster Ferne biizi ver ihren Augen eine Unifokm —— de: Zus lünstige der Tochter steckt darin. CJss lann auch ein Zivilist sein« denkt sie, wenn er nur wohlhabend und Von gu ter Familie ist. Aber das .)at noch Zeis. Getda ist ja noch ein halbees flink-. »Um was handelt sich’54« beklaut Gewa. »Nun. Du sollst mit uns in Gesell schaft gehen, stöhlich sein, lamen, Dif ainiisiten. Wir haben den Wunde dir eine recht liicklicheJugend zu bereiten-« »Er-te smal« sagt das Töchter chen, der Mutter um den Hals fallend. »Ich bin ’a schon so glücklich! Jst es denn so chön, in Gesellschast zu ge hen? Frühet stöhntest Du doch immer, · wenn ihr eingeladen made-W Die Maina sieht Geeda überrascht san Und antwortet dann verwitttz «Ja. - ich machte mir nicht viel daraus, seit her-— seht mit Dir ist das ganz etwas anderes.« »Warum?« fragt das Töchterchenz — sie ist unausstehlich neugierig. »Du bist ein kleines Schaf,« entgeg nete die Maina ein tccnixi ungeduldig. »Eine junge Dame aus unseren Kreisen muß die Welt kennen lernen; das ge hört sich so. Weißt Du schon, wag für eine Freude wir Dir zugedacht haben? Du sollst nirh Neujahr bei Hofe vorges stellt werden!« Manier hat unwilltiirtich die Stimme gesentt, uin dem Töchterchen die große Neuigkeit miizutheilcu. Doch da dieses sich noch gar nicht-J Recht-IS darunter vorzustellen weiß, scheint es nicht sonderlich erschüttert rxircy Lag ihnr bevorstehende Glück. »Freust Du Dich denn nich1.« fragt Mania enttijuscht. Gerda macht ein ziemlich dummes Gesicht. »Du-bist doch noch ein Echtes Kind,« seufzt Frau von Hollunder. Die neue Wohnung ist sehr glän zend geworden. Eine der ersten Firmen der Hauptstadt hat den Austrag, meh rere Zimsmer neu einzurichten, zur vollen Zufriedenheit —- nur etwas theuer —- ausgefiihrt· Es ist eine wass re Pracht, was da an Vorhangem Teppichenund Kronleuchteen geschaf jsen ist Und nun iserdas Stäbchen! IEin wahre-« Vogelnest! ——- so recht, irie jes für ein sungesb Stäbchen paßt Wel che Arbeit, ipelche Mühe welche no Jsten, bis alles vollendet ist! Frau von Hollander leistet Beiviinderungsnutdi ges-. Und laum ist di-: se Aufgabe be wältigt, so muß sie eine andere in Lin griff nehmen: die Tochter auszustre ten. Es ist nicht so eint ach, all die Tin letten zu beschaffen, ioeiin man es »verniinftig« einrichten will. Sie fährt von Laden zu Laden, sucht Stoffe asis, verhandelt mit Schneide-rinnen und Putzmacherinnen, kommt fast nie mehr zu rechter Zeit zu Tisch und ifl abge hetzt und müde. Geroa ziiusz natürlich dabei sein, denn ohne sie ietzt es doch am Ende nicht. Aber sie langweilt sich sträflich. Und nun erst die schrecklichen Anprobent Sie seufzt, wird unlie bensiviirdig —- es kommt soga: zu Tiskiinen Endlich schilt Mann ihr-! urt dantbare Tochter, und die schämt sich. Doch freuen kann sie sich beim besten Willen nicht, nur liinftig dieAeufzerunz gen ihres Mißmiithes unterdrückeii,« um Mama nicht zu tränken. Das thut sie denn auch mit Opfermuth Sie dul: det, daß sie fortwährend .,einlaufen« gehen muß, daß man ihr das Korsett fest zieht iind sie stundenlang Modell piippe zu spielen gezwungen ist Heim lich ioiinscht sie die sämmtlichen neuen Kleider zum Kuckuck und sehnt sich nach ihrem Ettft zurück, wo inan sie mit Toiletteiifrsagen verschonte. Als aber endlich alle-J fertig und ihre kleine Person zu einem Modediinichen herausstaffirt ist, da lacht sie vor Ver gnügen, liebäugelt mit ihrer schlanten Taille im Spiegel und findet sich aller liebst. Jst das dasfeibe unscheinbare Schulmiidel, das eben noch im schwar zen Wolltleid einherlief, den Zon auf dm Rücken? Wie das modisch frisirte Haar ihr steht! Und der große Rein brandthut. Reizend! Am Ende ist doch dieses Resultat nicht zu theuer ertauft worden. -—-— Mama strahlt. Und Mut ter und Tochter treten in vollster Einig keit die Visitentour an. « Gerda tnixt bis an die Erde vor al len möglichen Excellenzen — das hat sie im Stift gelernt —- und antwortet· ab und zu auf eine gändige Frage ein schifchternes Ja oder Nein. Zum Glück tommt der Lohndiener, der die Karten in die Wohnungen trägt, meist mit dem Bescheid zurück, daß die Herrschaftenj nicht zu Hause seien. So ist auch die, Qual bald überstanden. i »Na, nun lann’g losgehn!« sagt Papa. l Richtig! Da fliegt die erste Einla dung zum Ball in's Haus-. i Bor’m Spiegel steht Gerda und wird geputzt. Die Modistin keine ge wöhnliche Schneiderin· bitte! ist er schinen. um bei der Ioilette zu hklsen und slieszt itber von Bewunderung siir das gnädige Fräulein, wobei aus ihr Wert ein gutes Theil fällt; denn Alci der machen Leute· Die Dienstmädchen stehen mit »Ach!« und ,,O!« im Hin tergruud, und nun finden sich auch Großmutter und Tanten ein« um das Kind im Ballstaat zu sehen. »Wie reizend! Wie süß! Eine Ro senlnospel Ent«3iickendi« rufen sie, wir sie sachverständigen Auges sie mustern Sechg Frauenzimmer umstehen die tleine Person, ziehen und zupsen an ihr herum, beeisern sich, ihr die Hand schuhe zuzutnöpsem geberden sich. als hätten sie nie etwas Schöneres gese hen und alg sei Gerdas erster Ball das wichtigste Ereigniß der Weltgeschichte. I Jst-das zu mager noch,« flüstert sMama der-Schwester zu. « »Das thut nichts, die Fülle findet ssich mit der Zeit,« giebt die etwas tor pnlente Tante tröstend zurück. I »Sonst wäre sie ja auch eine voll kommene Schönheit,« meint die andere Tanie, die ein-as überschwänglich ist. Frau von hollundct lächelt glücklich und ist überzeugt, daß die Schwester die Wahrheit spricht. Geedas scharfe Ohren aber hören das alles, und der Weihrauch, den man ihr streut. beginnt ihr zu Kopf zu steigen. Sie muß doch wirklich ein sehr beinerlenzwertheö Ge sichöpschsn stin- dss man so viel We · sent von ihr macht. Wenn die Freun dinnen ern Stift sie jetzt sehen tönnten! Wie die sie beneiden würd-m Man wirft ihr e. in n langen, war Einen Mantel um die Schultern, und sie schwebt hinaus. Papa klemmt sich nur mit Mühe in die Drohle die ganz angefüllt ist non den Toiletjen der beiden Damen. Nama wird nicht müde, ihn zur Vorsicht zu erniahnenx »Nur nicht Gerdas Kleid zerdruuein bi tte, nimm dich in acht!« » I Nun steht das junge Mädchen im Tanzsaal zwischen all’ den fremden Menschen und fühlt sich ungliiuti.sh und verlassen. Mamas Augen sprechen ihr Muth zu, folgen ihr, wo sie geht und steht. Jhre Tanztarte füllt sich lang; sam, dann wirbelt sie umher in den Armen der Leutnants, und alcz sie Nachts todtmüde heimfährt, denkt sie bei fich: Jst das alles-;- Darnin jolrl;’ Aufhebens! Mama aber ist überzeugt davon, das; ihr Kind sich »himmlisch amüfirt« hat. iEs fehlt ihr nur an Herrenbctannt .scbasten, denlt sie, und darum müssen wir sogleich selbst tanzen lassen. Den Saal haben wir ja. l So winkt sich denn der Geheimrath aus dem Ministerium einige Asfessorm herbei; ein paar Vettern werden ver .schrieben die Söhne der befreundeten Kollegen geladen, und die Sache ,,g2ht los « wie der Ballvater sagt, der sich in einiger Aufregung befindet über die neuen Pflichten, die ihin erwachsen sind Frau von Hollander dagegen be nimmt fich wie ein Feldherr. Sie fühlt Riesenlräfte in sich erstehen bei den »großen« Aufgaben, die sie zu ldfen hat; und sie löst sie vortrefflich Das Fest ist glänzend, und jedermann if: hochbesriedigt. Auch Gerda findet heute mehr Vergnügen und giebt sich freier. als bei dem ersten Ball. ,,Eine Gaootte!« kommandixte dir den Tanz anführende Vetter Frau von Hollunder erschrickt. Ihre Schwestern blicken sich besttirzt an. Gerda hat noch keine Gavorte gelernt! Jn tiefer Reue senkt die Geheimräthin den Kopf. Daran hat sie nicht gedacht daf; jetzt andere Tänze Mode sind alk srüher. Und sogleich faßte sie dcn Plan eine Tanzstunde für Gerda einzurich ten. Vortrefflicher Gedanke! Das si chert dem Kinde Tänzer — und tie sind nothwendig. Sie ist zu unbekannt und lönnte sitzen bleiben. Mamn cr röthet vor Scham. Ihre Tochter Man erhlümchenZ Nein, das-« darf niht sein. · Also Tanzstunde Zwölf Paare sind bald gefunden, und zweimal wöchent lich wird nun von vierundzwanzig jungen Menschenlindern eifrig Garn-ne und Menuett geübt. Es geht Die Reihe herum in einigen Familien und is: höchst gemiithlich Zum Schlaf-, giikoi’3 Büsfett und geselligeg Vesicantien sein. Da lernt man sich dann kennen, und es fehlt nicht an Vergnügen, erf machereien, Eifersuchteleien, Bonatti-is und etwas wahrem Frohsinn. Gerda kommt allmählich in Geschmack. Wie sollte sie nicht! Sie ist ja siebzehn Jahre alt. Und wie sich nun die Einladun: gen häufen, ist sie keinen Abend mehr daheim. Morgens schläft sie oiJ zehrt oder els Uhr, sonst könnte sie das an strengende Leben nicht ertragen. Trot dem bekommt es ihr sehr schlecht. Sie ist blaß und matt uno schluilt Dünn togen zu ihrer Stdrtuna Zum-Fila vierüben oder Lesen kommt sie nicht mehr. Wo sollte sie die Zeit dazu her-V nehmen? Toileitenvorbcreit:.ngen nisdl Besuche nehmen sie vollaus in An spruch. Sie hat nicht einmal Zett, Ma ma zu helfen, die sich fast ausopsert Zum Glück sind die Ianten da, um der Schwester beizustehen. Und nun der große Tag der Vor stellung bei Hofe. Die Kurstlneppen sind fertig. Gerda lominc sich in oer its- ! ren vor, als ob sie selbst eine TUtsijestijt wäre. Mama in Bordeunsannnstt schaut stolz auf das Töchterchen in weißen Atlas mit der schweren rosa Dammastsi schleppe. Alle ihre Geoantexi gehen auf: in dem Triumph ihre-z Kindes-. Gercaj gefällt sehr, benimmt sich höchst »in-n f me il saut,« die Masestäten sind äu ßerst gnädig gegen sie, die Tanzstunv denosfiziere beschützen sie und sorgen für andere Tänzer, während zahllose junge Gräfinnen und Barouinnen unt-» sonst danach ausschauen -— kurz, es geht alles nach Wunsch, und Frau von Hollander sagt sich befriedigt, mehr könne keine Mutter für ihr Kind thun. als sie gethan. Run tann es aus den ersten streifen den Gatten wählen. Ja, Gerda soll heirathen· Glück ist nur die Liebe, Liebe nur ist Glück! - — Aber die Liebe muß sich in eine gute Partie schicken, sonst ist sie vom Uebet. Nur leine unnöthige Verlieberei, um des Himmels willen nicht! Eine gute Partie, das ist das Ziel, auf das al les hinweist. Gerda ist ja zum Glück vernünftig und nicht zu Sentimenta litäten geneigt. Da wird der Rechte schon kommen. Eine alte Jungfer wie ihre Tanten soll sie nicht werden. Die Vorstellung bei Hofe zieht eine Menge neuen Umgangs und alle niög lichen Verpflichtungen nach sich. Jn den vornehmen Kreisen, bei den Gesandten und Ministern —— überall tanzt nun Fräulein von Holland-eh und Mama begleitet sie, während Papa zuweilen ftreilt. Ja, der Papa fängt an unge miithljch zu werden. Jknn wird’5 zu viel; er vermißt Ruhe und Behagen, die friedliche Hauslichleit von früher. Er brummt, daß feine Frau gar leine Eskit mehr fiik ihn hab-. Aber wag soll er machen? Wer A gesagt hat, muß auch B sagen, da hat seine Frau ganz recht. Und sie behauptet, die Pflichten gegen Gerda erforderten dies Treiben, er dürfe nicht egoistisch sein, wenn es sich um das Glück seines Kindes hand le. Zwar ist er nicht völlig überzeugt davon, daß dies alles zu Gerdas Glück nothwendig sei, aber da seine Gattin es verlangt, so thut er’s. Er giebt nach und hofft auf den Sommer, wenn die Ruhe wiederkehren wird. Ach) Gerdag Brüder sind durchaus nicht einverstanden mit den häuslichen Zuständen Umsonst rufen sie nach der Mama, die nie zu Hause ist, oder wenn sie da ist, keine Zeit für sie hat« Der kleine Vruno ist eine wahre Range ge orden, seit er sich unbeaussichtigt eiß, und Felix hat eine sehr schlechte Zensur nach Hause gebracht. Die El tern drohen, ihn in’s Kadettenlorps zu stecken, wenn er sich nicht bessert. Bernhard aber lebt auf beständigem Kriege-saß mit Gerda, die er verhöhnt und eine Zierpuppe schilt. Wenn die Brüder jetzt kommen, mit ihr zu tol len oder zu spielen, so schließt sie die Thiir vor ihnen ab. Sie hat keinen Sinn mehr für die angezogenen Jan-» gen, seit sie im Umgang ihrer Tänzer gereift ist. Gerdas Bild e cheint in al len möglichen Familienb cittern. Aus der ersten Seite eines weltbetannten Journale-ist ein Portrait Bismarels von Lenbachs Mästerhand wiedergege ben, und den Schluß der Jtuimner bil den die Mädchenköpfe der Salirsnschiin-» heiten, die jungen Damen, die bei Hofe vorgestellt sind. Eine kurze Magra-l phie ist beigesiigt und belehrt die Leser iiber Lebenslauf und Thaten des Alt reichstanzlers und der glücklichen Kin der der Creme der Gesellschaft Zwölf photographische Ausnahmen sind von Gerda gecnacht worden, Voni denen Mama die oestgelungenen den illustrirten Blättern zur Verfüguan4 gestellt hat« Die Wahl war sehr schmer, denn alle Bilder sind gut gerathen. Das junge Mädchen ist «en sale« und im Prosil, in ganzer und halber Fisi gur, mit gesenttem und erhobenems Kopf, mit gelöstem und ausgestecttem Haar, in liinstlicher und natürlicher Beleuchtung, in Haustleid und Kuril schleppe dargestellt, und Mama hat sämmtliche Bilder in Kabinettsormat reizend gerahmt auf dern Tisch deg Sa long ausgebaut, wo sie im Kreise um die Lampe stehen, durch illustrirtei Kunstwerke und Photographiealbums von einander getrennt. Hier müssen sie von allen Besuchern des Hauses be merti irerden, und sollten sie doch ein mal übersehen werden, so macht die4 Geheimräthin den Gast aus das vor ziigiiche Wert des Photographcn auf-« mertsam. Das; manch einer heimlich lächelt, merkt sie nicht. Die einst so verständige Frau hat sich sehr Urku dert. Sie ist nur noch Ball-mitten Alle: ihre sonstigen Eigenschaften sind von: dem Krotodil der Eitelkeit aufgefressj sen, der Eitelkeit siuf ihre Tochter.llnd als der dritte Winter zu Ende geht, ist von Gerdag natürlichem, unverdor-« benem Wesen auch nicht eine-Spur triebe übrig. Mama hat es fertig bekommen, sie zu einer at:mass,ende11, dummen, tlei ren Gang zu machen, einer leeren, ober slachlichen Seele ohne Geist und Stre ben, einer Gesellschastgpuppe, die von dem wirklichen Leben nichts weiß und stumpf· und gleichgiltig daran vorüber geht. « Und doch meint Frau von Hollun der, ihre.miitterlichen Pflichten gegen Gerda im vollkommensten Maßes er siillt zu- haben. —..--—.—.-O—«-— Ver Entbrecher.. Humans-etc nach dem Ungarischen. von Armin Ranai. l I ! I c i i In einer kalten Dezembernacht wurde das Geschäftglotal deg. Bari tierH Fridolin Merzig total ausgesi raubt. Als der Buchlialter am nächsten Morgen mit dem Geschäftsfchlüssel vori dein Bureau erschien, lzeigten ihm so-. fort die zur Hälfte geoffmten !liolllci.-—l den, dass etwas Beidndereis uorgefaLl len sein müsse. Er schlug Lärm. die Lilienschen liefen zusammen die Polizei erschien ebenfalls. u.n den Thatbestano auszunehmen Herr Merzig, der sonst erst gegen zelni Ubr im Geschäft zu uscheinen pflegte, ioar nach kurzer Zeit auch schon anwesend, nnd dann kamen noch einige Zeituiiggreporter,s um fiir ihre Blätter interessante No-, tizen zu erhaschen Der Polizeitonrj nrissär durchsriclite alle erbrochenen Zchränte und ließ teinen Umstand uns« lieachtet," der ihr auf irgend eine Spur« lxatte leiten können. Herr Merzig ging ihm dabei bleich und gebrochen an die Hand. s Die Kunde von dem Einbruch hatte die größte Sensation erregt; denn die Firma erfreute sich überall des besten Rufes, wie auch Herr Fridolin MerziiI selbst allgemeine Sympathie genoß,· ioeil er als solider Geschäftsmann sichs von den modernen schinutzigen Börsen-· manipulationen stets fernzuhalten ge wußt hatte. Die Börse hatte die Nach richt mit großer Antheilnahrne regi strirt, und als Herr Merzig später den in Mitleidenschast gezogenen Banisir men Vergleichsvorschläge machte, fand er allenthalben das höflichste Entge genkommen. ’ Bei diesem sensationellen Einbruche ibandelte es sich um nicht weniger als dreimalhunderttauf end Mark, die man Herrn Merzig geraubt hatte. Von die ser hortenden Summe sollte die hiilfsl te in baarem Geld in den Rassen-l schränlen verwahrt gewesen sein, das Uebrige waren Depofiten von Privat-I kunden des Banthauses. Fridolin Merzig hatte sich mit seinen GläubL -s gern aus fünsundzwanzig Prozent ver-l glichen; seinen Klienten und Depositä ren bdt er eine Entschädigung von dreißig Prozent, und nach langen Ver-l handlungen gab man sich damit allge-l mein zufrieden Diese Operation hatte Herrn Merzig fast ruinirt, aber er be hielt seinen gerichteten Namen, und als er sich nach einiger Zeit wieder an der Borfe zeigte. wurde er auch Von den mächtigen Geldfiirsten freundlich be grüßt, wie jemand, der ganz unver schuldet in’s Unglück gerathen war. Die Polizei entfaltete anfangs eine fieberhafte Thätigkeit, um den DiebenZ und dem Raube auf die Spur zu kom-. men. Es wurde eine große Belohnung ausgeschrieben, aber nirgends war ein Anhaltspunit zu finden. Schließlich schlief die Sache ein, und ein Jaker später dachte niemand mehr an den Vorfall. An der Thür desv Polizseitornmik särå klopfte es leise. Da der Gestrenge,» in seinen Alten vertiest, nichts davonl zu hören schien-, öffnete sich langsam« die Thür, und ein kleiner, einge-! schrumpften äußerst schäbig gekleideter Mann steckte» zaghast forschend, seinen( Kon hinein. Nun blickte der Polizei tommissär zornig auf Das schäbiges Männchen aber ließ sich nicht abschn cken und srug in unterwürfigem«" Tone: ! «»Bitte, verzeihen Sie, mein Herr, ich weiß nicht, ob ich an der richtigen Stelle bin —- —«' »Was wollen Sie denn hier?«’ »Ich möchte zur Polizei.« »Jn welcher Angelegenheit?« »Ich komme in der Einbruchssache beim Bautier Fridolin Merzig.« »Und was geht Sie denn dieser Einbruch an?« Der Mann berbeugte sich bescheiden. »Ich denke, ein klein wenig schon; denn das Banlhaus Merzig habe ich aus-geraubt« Der Kommissar sprang in höchster Bewunderung aus: »Ist das Jhr (irnst?« ,,Leider mein bitterster Ernst, denn ich war iener Unglückliche.« Der Polizeilommissar war mit ei nem Mal wie ausgewechselt »Setzen Sie sich, lieber Freund, Sie« fscheinen ja miide und abgespannt zuj ein.« Er betrachtete den kleinen Menschen; mit geradezu liebevollen Blicken und; war ijber die unerwartete Entdeckung so erfreut, dast er unwillkürlich seine Zigarrentasche bervorlangte und sie» dem Fremden hinhielt. « ich danke sehr, « wehrte dieser ab, »ich pfleae nie zu rauchen.« lJiun forderte ihn der Kommissar: ans, Platz zu nehmen und setzte sich selber an den Schreibtisch »Lafsen Sie mich nun Alles genau; hören,« sagte er dann, »etwa fo, als-I wenn Sie zu einem guten Freundel sprachen« « ( Das kleine Männchen blickte den nommissäx dankbar an, seufzte lautl und begann dann seine Erzählung-: »Ich will Alles gestehen; denn ieh kann nicht mehr schweigen Jch ginge gewiß zu Grunde, wenn ich das Ge heimnis; noch länger mit mir herumtra gen würde .. Aber glauben Sie. nicht, Herr Kommissar, daß mich etwa das Gewissen zu Ihnen getrieben haili Das Gewissen spielt in der modernen Welt gar keine Rolle mehr, ich selbstg kann mich nur noch erinnern, alsSchuLI junge mit einem Gewissen behaftet ge wesen zu sein, das hat sich aber gege ben. ——— Nein, mich hat ein anderes Ge-; fühl hergebracht «-—— der Zorn, die Ftin-i che, die Vergeltung« I i I »Wer hat Sie denn so zornig ge macht?« »Die Weltoroniina, die Gesellschaft — boeli ich will Jbiien Alles der Reibe nach erzählen. Wir sind im selben Städtchen geboren, der bestoblene Bari-: kier Merzia und ich. Wir hatten aua) dieselbe Schule besucht dann qingen unsere Wege auseinander Unsere-I Schicksckle waren verschieden lfr wur de angesehen, bekam eine reiche Fraut ich blieb ein armer Teufel dein eöj schwer genuq wurde, sein tägliches Brot zu verdienen. Und dabei niuß ich immer daran denken, daß in der Schule eigentlich ich der Ueberlegene war! Wie ost tani Meriia, irin sich von mir das Griechiscbe oder die iiia thematischeii Ausgaben besser einpräi aen zu lassen. Und später hatte der reiche Bankier kaum einen steifenGruß für mich, wenn wir uns zufällig be aegnetem ein Händedruck oder ein freundliches Wort wäre gewiß unter seiner Würde gewesen. Jn einem kalten Winter, da es mir besonders schlecht ging, beschenkte micr meine Frau mit Zwillingen Die Noth war groß und irn Hause kein Groschen, als dieses übermäszige Geschenk deg Hinimels eintraf Da bezwang ich meine Scheu, suchte Merzig auf und bat ihn die Patbenstelle bei den Zwil lingen zu übernehmen. Und was that mein etnstiger Schulkanierads Er ließ mir bei der Kasse siirif Mark anwei sen! Jrn letzten Winter, da ich wieder bei ihm vorsprechen wollte, empfing er mich überhaupt nicht. Jch muß das Alles genau erzählen, damit Sie meine Beweggründe besser verstehen. —- Jm Dezember nun ging ich spät Abends einmal am Banlhause Fridolin Mer zig vorüber und bemerkte zu meinem Erstaunen, daß der Rollladen vor der Glasthijr zur Hälfte hinausgezogen war und ims« Lokal selbst tiefe Finster niß herrschte. Es war schon spät, weit. und breit zeigte sich kein Mensch, —wie es lam, ist mir noch heute unbegreif lich — aber plötzlich reiste in mir der Gedanke, die Glastkjiir einzudriicken. Jch hatte nie Vorher Schlechtes gethan, aber dieser verdammte halboffene Roll laden übte einen unwiderstehlichen Zauber aus mich aus, als wollte er sa gen: Hier ist die Gelegenheit, die Zu kunft der Zwillinge sicherzustellen. Wollen Sie nun die weiteren Details wissen, Herr Kommissar? Jch drang also in das Geschäft ein und —— den ken Sie sich nur diese Soralosigkeit!— icb fand jedes Fach, jedes Lädchen, je den Kasten unversperrt, selbst der gro ße eiserne Kassenschrank stand sperr angelweit offen·« Der Polizeikomrnissar schüttelte er staunt den Kopf. »Und was haben Sie denn gefun den?« Das kleine Männchen griff in die Hosentasche. s »Ich habe Alles mitgebracht, was ich aus dem Bankhause geraubt habe, Al les, bis auf das letzte Papierschnitzek chen.« Der Kommissar sprang erregt auf. »Was, Alles'3« ,,Jawohl, Herr Kommissar! Hier sehen Sie zweiundzwanzig Mark in Baar, hier zehn nngezogene Loose von der vorjährigen Klassenlotterie, hier ein Türkenloos und zwei Argentini sche Prioritäten . . « »Sie scherzen wohl!« schrie derKom missär. »Es- handelt sich ja um drei malhunderttansend Markt« Das Männlen lachte bitter. ,,Dreimalhunderttausend Mark — proste Mahlzeit! Beim Glück meiner Zwillinge, Herr Kommissär, schwöre ich, daß an jenem Abend in sämmtli chen Banklokalitäten kein Pfennig mehr zu finden war.« Der Kommissar machte ein strenges Gesicht. »Gehen Sie in sich, Unglücklicher, und bleiben Sie nicht auf halbem We ge stehen! Was soll ich denn von Jhren sonderbaren Reden halten?« Der Einbrecher schlug seine Hände in Verzweiflung zusammen. »Oh, Herr Kommissar, Sie schei nen mich noch immer nicht zu verstehen. Haben Sie die Wahrheit noch nicht er rathen? . . . . Merzig hat den Roll laden absichtlich offen gelassen, damit sein Geschäft ausgeraubt werde, und ich mußte gerade dazukommenl Das Schicksal hat gerade mich zum größten Wohlthäter dieses illierjig gemacht, denn er gewann durch meinen Einbruch ein Vermögen. Seine Gläubiger haben ja jeden Auggleich acceptirt und, was die Hauptsache, der schlaue Merzig ist ein Ehrenmann geblieben, angesehen und geachtet in der menschlichen Ge sellschaft.« Der Polizeitommissär blickte ihn mit weit ausgerissenen Augen an, der Schultamerad des Herrn Merzig fuhr aber heiter fort: »Wie gesagt, ich wäre sein größter Wohlthäter, wenn ich die Sache auf sich hätte beruhen lassen. Aber das konnte ich nicht über mich bringen. Lieber will ich von Frau und Zwillin gen eine Zeitlang getrennt sein, als fiir zweiundzwanzig Mart und einige schlechte Looses diesem Manne zu einem Vermögen zu verhelfen. . Monate lang verschloß ich den Aerger in mir, wer weiß, vielleicht hätte ichs über wunden-, aber gestern bin ich wieder diesem Merzig begegnet; er saß in ei ner Equi·page, stole zurückgelehnt und tauchte eine furchtbar dicke Zigarre. Unwillkiirlich zog ich meinen Hut tief vor ihm ab, doch er zwinkerte noch nicht einmal mit den Augen. Jn diesem Mos mente war mein Entschluß gefaßt. Es ist vielleicht unvernünftig, was ich ils-ne, mich wird man Vielleicht noch härter strafen als ihn, doch ich konnte nicht anders handeln, selbst wenn ich mich in’s Zuchthaus gebracht haben sollte« DierPolizeiiommiffiir schien von dem Gehörten nicht sehr anaeneknn berührt zu fein und betrachtete das Geld und die Loose rnit schalen Blicken. Endlich aber traten iknn die Umstände in ein aijnftigeres Licht: die Verbaftnnq des Bankiers MerZicL die Aufdeckunq des Schwindels versprach neue Senfa tion. Er klopfte dem kleinen Männ chen iovial auf die Schulter und faaiet »So, mein Freundchem dann wäre fa Alles in -Ordn11na, nnd Sie werden nun schön bei uns bleiben.« Atgekålut Herr (zum Fräulein): «Seien Sie versichert, Fräulein, ich tann «l)ne Sie nicht leben!« Fräulein: ,,Plaus schen -ie doch nicht, andere haben doch auch Geld!« .--...«.. Sprüche-· Die öffentliche Meinung wird ver achtet von den evhabensten und von den am tiefsten gefunlenen Menschen Ein armer wohlthätiger Mensch tann sich manchmal reich fühlen, ein geiziget Kröfus nie