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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Aug. 11, 1899)
Die Anbetnnq der belltqu drei König-« Von PaulBourgeh Autorisirte Uebersetzung von A. Bruch. Bei meinem Eintritt ins Atelier fiel mein Auge aus ein Kunstwerk, von dein mein Blick sich nicht wieder losrei hen konnte. i Solch’ lange schmale Getäsel walten» die alten italienischen Meister tnit Bor ltede zur Ausschrniiclung ihrer AltarL siiit)le. Die satten, reichen Farben des Bitt-es strahlten und leuchteten, tros dem das Ganze schon sehr nachgedun ten hatte. Die Form entsprach dem Jnhalt des Kunstwerks Das feine Gold des Heiligknschei nes und der zarten Stictereien war zierlich aufgetragen. Das MeistekWck stellte in tieferniter Kunst die Anbetung der heiligen drei Könige dar. In einem Stalle, wo — am Hals ter befestigt —- Ochs und Esel friedlich Seite an Seite ruhten, saß die Jung frau Maria. Tkvß göttlichkk Unschuld glich sie einer liebenswürdigen hüb schen Florentinerim Sie hielt dass Kindlein dem ältesten der drei Könige entgegen, der seine Krone neben sich in den Sand gelegt lmtte und knieend, diel Hände gesaltet, mit seinem grauen Barte den nackten Fuß des Heilandeg« berührte. I Der zweite und jüngere der Könige, der halb blaue und halb gelbe Schuhe-. kkUg. beugte sich ein wenig vor und reichte mit gespreizten Finger-n einen« geschlossenen Kelch dar« während an seiner Seite das dunkle Gesicht des Neaerliinias aus Pilzen hervorblickte Bornehme Herren standen rings herum. Ihre mächtigen Kleider undL andächtige Haltung verliehen dem Bil-) de etwas Ilialerisrhes und zugleich ties Religiöses. Zu beiden Seiten des ärmlichen Stalles aber erstreckten sich weithin blaue Berge, schwarze Cypern, thurmreiche Städte — ein liebliches und getreues Bild toslanischer Land-: schaft . . . s« Aus gewundenen sandigen Wegen zogen beladene Kameele in Karaivanen daher und darunter stand ganz fein in goldenen Lettern die biblischeJnschrist; »Ei, apertis Thesauris, obtulerunt et aurum, thus et mhrrham« (t.1nd nach ( dem sie ihre Schatztammern ausgethan hatten, brachten sie Gold, Weihrauch und Myrrhen darl Einen aanz besonderen Contrast bo ten die nebenstehenden Uemalde, m de-; nen sich die Kleinmalerei unseres Künstlers offenbarte. Jch habe noch nicht gesagt, daß das Atelier, in dein »die Anbetnna der Kö nige« in Kraft und Anmnthung her borragte, dein beaiinstigten modernen Pariser Porträtmaler Maxime Fau riel gehörte. Mauern und Staffeleien waren mit übermiihtiaen, launigen « Stizzen bedeckt: anmuthig gleitet eine Schlittschuhläuferin über das Eis nnd schiin mit dem Zobelmuss das Gesicht chen vor der Fkältes dort geht eine vor nehme Dame die Treppe des Opern: hauses hinunter: halb wendet sie den Kopf zurück und spricht über dieSchnL ter zu einem Verehrer, der ihr den Mantel umleat. Den Rücken uns zu gedreht, versucht eine badende Jan-J srau dorsirlxtia mit der Spitze des Fu ßes das Wasser ihres Bartes · Maxime huldiat der freien Richtung der Kunst. Er versteht nur in aut, den Launen des Publikums gerecht zu werden und sich lsrsola zu verschaffen Das ist eben der arosze Fehler dieses ·Malers, der, obgleich hervorragend de aabt, doch nur der Mode tnildth und Gefahr läuft, an ihr zu Grunde zn neben. Giebt der Itiinstler beirufzt oder un bewußt dein Leichtsinn der schönen und eitlen Ajtiisxinziänqer der Vornehmen und der Halbwelt nach".' Seine Feinde behaupten, dasz er sich aus Nuhinsudn den Launen des Publilums anpaßt Jeh meinerseits glaube, daß dem nicht der Fall ist. Eine kleine Geschich te, die er mir über das slorentinische Altarbild erzählte, iiberzeugte mich vorn GegentheiL Uub nach meiner Meinung könnte Maxime, wenn er wirklich ein solch schlauer Fuchs-, ja, nur ein Essetthascher wäre, uns nicht mit seinen blauen Augen so ossen an löcheln wie er es thut. Der herzliche Händedruck, seine gesunde Gesicht-for be und das blonde haar, in dem noch lein Silbersaden glänzte, mehr aber sein jugendliche-Z volles Gesicht ließen ihn sechsundzwanzig und nicht sieben unddreißiq Jahre alt erscheinen. Er gehört eben zu jenen Künstlern, die unser Herz im Fluge erobern. weil sie sich unseren Latinen und Neigun en anpassen, während«andere unser e stihl durch ihre Werte beleidigen. Die ser liebenswürdige klug seines Charak ters offenbarte sieh in der Erzählung itder die hertunft jenes Bildes, der-: in so seltsamem Widerspruch zu allen anderen Werten seine-z Ateliers stand. Faurlelö Kampf gegen Dummheit und mittelmäßige Leistungen verliehest dem Erlebniss, das an und siir sich nur ein Elieileabentruer war, eine besondere Bedeutung »Viel bel Paese la dooe il si sucno«. . ·- sis · . «Kannst Du den Namen des Mas Ieri nicht errathen?« smgte er, als ichl III-« Mnotisirt vor dem tleinen sto-« — rentinischen Altaeviloe stehen blieb. »Du brauchst Dich nicht Deiner Un tenntnisz zu schämen; er ist in jugend lichem Alter gestorben: so viel ich weiß, sind acht seiner Werte in den verschie denen Gemiildegalerten Europas aus gestellt; eines im Louvre, vier in Flo renz und in Mailand, zwei in Rom in der Galerie Doria Pamphili und eines in London. Das neunte siehsi Du vor Dir. Der Künstler heißt Francesco Pesellino; er ist ein Schüler Fra Filippo Lippig . »Ein solches Meisterwerk iann man noch dem heutigen Jialien entführen, ohne ein amerikanischer Millionäk zu sein?« »O ja, ich besitze das Bild seit mei nem Aufenthalte in Rom, letzten Win .ter," antwortete Maxime. »Ich will ossen bekennen, daß ich den Schatz nicht selbst entdeckte. Doch will ich Dir den Sonderling, dein ich dieses Klei nod verdanke, beschreiben, da Du doch Typen aus aller Herren Länder sam melst . . · Uebrigens hast Du ja auch in Rom gelebt. Hast Du niemals et was Von einem alten überspannten Franzosen reden hören, der La Ro chette hieß . . . und Steine mit Jn schristen sammelte?« »Ja- ja D « O« ,,hast Du ihn je gesehen?« Jch verneinte. »Nun, dann will ich ganz zurückgreisem Denke Dir einen gebrechlichen, sehr kleinen Greis; Win ter und Sommer ging er in einem schwarzen, abgenutzten sadenscheinigen Rock, der keinen einzigen Flecken zeigte, und Sommer und Winter trug er einen Ueberrock iiber dem Arm, wie ein alter Römer, der Nordwind und Abendm belsiirchtet. Ein hoher, schwarzer-Filz hut und schwarze Stosshandschuhe ver bollstiindigten seinen Anzug. Doch nicht zu beschreiben sind seine blitzen den braunen Augen, der verächtliche Zug des Mundes und das stolze Wesen des armen Gelehrten. Jn seiner Ta sche hatte er dreißig bis vierzig antike Steine, deren geringster wohl funftau- s send Franc-ji werth war. Aber wer kaufte solche Steine? Niemand. ( La Rochette aber sriihsiiickt im Case Greco . . . aus Sparsamkeitsriicksiclp ten, trinkt fiir vier Soug eine Tasse Kassee und ißt ein Butterbrot dazu i Erst um sechs Uhr Nachmittags nimmt! er siir zwanzig Sous sein Mittagsbroti ein. Da sieht man ihn an der Table d hote sitzen zwischen armen Priestern und Pilgern, denen man billigetePre se machte. Diese ahnen nicht, daß an ihrer Seite wohl der größte Kunstken ner Europas sitzt Vierundzwanzig Sous Nahrung, zehn Soug Wohnung! So lebt La Nochette seit vierzig Jahren; durchreist Italien von Norden nach Süden, ohnej jemals seine Adresse ·n Rom zurückzu s lassen, und so nur war es ihm möglich mit viertausend Francg Rente feine wunderbaren Kunstschätze zu sammean Er bezahlte niemals mehr alg siinfzigs France siir einen Stein . . . Jch sah einst ohne sein Wissen einige aus sei-; ner Sammlung bei einem seiner-Franks de . . . Lo Rachette besitzt ein einzig dastehendes Museum! . . . ; »Vergröss,ert er sein iiintommen nicht dadurch, daß er Abhandlungen iiber irgend einen Kunstgegenstand in Zeitungen oder Zeitschriften veröffent ichtk Man gab mir, wenn ich mich recht erinnere, einen Aussatz zu lesen, der gegen die neue Iliichtung der Villnz Medicig und gegen ihre Ansstellungen gerichtet war. Die Schrift hatte in diesem tleinen Kreise Staub artigen-ir belt. War es nicht so?« : »Ja wohl,« erwiderte Maxime, »und gerade einem dieser Aufsasze, der mir gewidmet war, berdantte ich seine-Be kanntschaft. Meiner Treu. Eg- war, ein recht scharfes Wort bei meiner An tunst in Rom! Ich ahnte wahrlich nicht, daß ich ihm einst diesen göttli chen Pesellino verdanken sollte! Doch Du kennst ja meine Ansicht über die Kritik. Was ist ein Urtheil derjenigen werth, die selbst nie einen Pinsel in der» Hand gehabt und keine Ahnung von Male-ei haben-: . . . i Jnsosern konnten wir uns also, d.l).s ich hatte von seinen Steinschätzen nnd« seinem Geiz sprechen hören, von seiner Sainmelioutb und seiner Gelehrsam« teit; ich wußte, wie begeistert er sür7 Alterthnm und siir Renaissance war und hatte selbst erfahren, wie hart er die moderne Kunst verurtheilte . . . T Durch einen Zufall befand ich mich einst am Sterbebette eines seiner in-. timsten Freunde, dessen Namen wenig stetig Du auch kennen wirst; es war her Alteribumsiorscher Saudiat! . . .’ Mast Du kennst ibn nicht? Nicht einmal seinen Namen? Oh, undank-. bare Welt! . . . Dent' Dir nur« dass dieser Unbekannte die Geschichte der Architektur der Römer wieder in Auf-I nahme brachte. Jch will Dir später mehr davon erzählen Sauviat war in demselben Grade Gelehrter, wie La Rochette Sammler ist. Seine Seele hing so sehr an seiner Wissenschaft, er« opferte alles so vollständig siir dieselbe,s daß er sein Leben in einer armseliaeni Mietbsstube der Via Sistinn endete« Er war so arm. daß er in seiner letzten« Krankheit nicht einmal bötte gepflegt werden können, wenn nicht einer seiner Freunde und ich gewesen wären. Wir sorgten auch silr ein anständiqes Be gräbniß und setzten ihm ein Grabmal . . . Wie jammervoll . . . Jn Erinnerungen versunken schien Maxime den Pesellino ganz zu vergel ·,sen, dessen wunderbare Schönheit mich inoch immersesselie, und ich konnte m t begreifen, welcher Zusammnhang zw - schen dem Tode des armen Archäologen Sauviai, der Sammellvuty La Ro ikseiter und dem herrlichen Gemälde bestand, zu dem mein Blick immer und immer wieder zurückkehrte Fauriel bemerkte meine stumme Frage und begann: Jch komme gleich auf die ,,Heiligen Konige aus dem Morgenlande«. Nur Geduld. Erinnere Dich des Sprüch wortes, das ebenso lostanisch ist, wie dieses Altar - Gemälde: ,,Siedi a L’Gambeita. e vedrai la tua vendetla«, -— setz’ Dich und schwinge die Beine hin und her, und Du wirst Dein. Rache haben·... Nimm’ das Wart »Geschichte« für ,,Rache« und höre zu: Acht Tage waren verflossen seitdem wir —- mtt dem Priester waren es ste len Personen gewesen — dem Sar des armen Soudiat gefolgt waren, afs eines Morgens mein Bedienter mir in n: ein Atelier am Place de la Triiiitc wo ich in jener Saison wohnte, die Karte La Rochette’s brachte. Waehaf tig, der ist kühn dachte ich, denn mi: lam sofort der Artikel, von dem ich zu Dir sprach in Erinnerung —- Laut aber sagte ich: Jch lasse bitten. Gleich daran trat die phantastische Gestalt, die ich Dir beschrieben, ein. »Mein Herr, « sagte er zu mir, »ich habe Sie angegriffen, weil ich the Malerei nicht mag. Nein, ich mag sie i.icht, und Sie selbst, dem Gott so herr liche Gaben verliehen, Sie können un möglich mit dem Herzen jener Richtung angehören, der Sie öffentlich huldigen. Doch meinem lieben, verehrten Saa viat gegenüber haben Sie sich als edler Mensch gezeigt. Jch war damals nicht dort gewesen. Man konnte mir teine Nachricht zukommen lassen, denn Nie nie-nd wußte meinen Aufenthalts-weh Sonst hätte ich schon früher zu Ihnen gesagt: Trotz Ihrer Malerei danke ich ihnen, mein Herr» « Das nennt man mit der Thür in s Haus fallen, « sagte ich lachend »Und was hast Du geantwortet?«.. »Ich hätte ärgerlich antworten müs sen, nicht wahr?" erwiderte Maxime ,,Vielleicht etwa so: Mein Herr, wenn Ihnen meine Malerei absolut nicht paßt, wer zwingt Sie denn, dieselbe zu betrachten und darüber zu sprechen? . Doch im Augenblick hatte ich nur das e: ne Gefühl, nämlich, daß dieer origi nelle Mannchen in dem guten Glauben handelte, daß sein überspannter Aus sali gerechtfertigt sei Was ich ihm entgegnete? Ganz ein sach daß ich mich ihm für seinen Frei i«iuth nnd sein Vorgehen sehr verpflich tet fühle. Wir unterhielten iing ita tiirlich über den unglücklichen Sauviat, tind kamen dann, da wir ja in Italien waren, auf die Kunst zu sprechen. Wie Beide haben seit etwa fünfzehn Jahren tirohl schon tausend und abettanscitd Diskussionen ülieeres·ihetit beigeioohiit,. list-eh niemals hörte ich einen besseren! Redner über das dreizehnte, vierzehnir i.nd fünf-zehnte Jahrhundert, ais La Mochettr. Nach seiner Meinung be annn bei Raphael der Verfall d;-. » sinnst. Am liebsten hätte er den ande- s titngsiviirdigen Zanti als Missethijtet behandelt, doch dag wagte er nicht rech« Giotto und Botticelli, Angelico uiio Perugino werden von Manchem ecis tteichen Ansichten hutdigen, verdammt s Doch La Rochettog « Zchioijrmerei für-« alteg Urspriingliche war anderer Ack. « Dieser Saiiiiiiler aiititer Steine besas . eine wahre Misnchgnatun sein ganze titefiiltl eiiipötte sich immer don Neuem Leidenschasilich gegen alle inrichtungtas der modernen Welt. lfr haßt t- Maschi- « nen, Telephono und isthonograplicns ebenso sehr wie uiottlosigteit Demo l tratie und Götzenandetung Jii der tikidollloniinenen Kunst der ersten Mei- l ster satid er eine gewisse Beruhigung tiriiste Trauer und tiefer Glaube, fester isteiiteinsitin und althergebrachte Gc iiiissenhaftigkeit, vereint mit idealem Litealismug besänftigten seine große Abneigung gegen alles Zeitgeniiisze. »Solche Träiiiner sind Phantastcti,« antwortete ich ihin; »walirscheini:c:«i cnchte er ein frommes Wert zu thun, indem er Dich als Vertreter der iiioder neii Richtung der Kunst angriss Hast Tu gar nicht darüber iiit ihm gespre duns. « »Ich hatte reine Zeus erwiderte Maxime- »Während jener ersten, ich nsill lieber sagen einzigen Visite —-- . denn es iourde April, ehe er den Full wieder in mein Atelier setzte, war er lot tottvoll nnd rücksichtsvolL wenn Du; lieber willst, nicht mehr über meines Malerei zu reden. Was hätte er auth, seinem scharfen, schneidenden Urtheil noch hinzufügen können?... Seit Ie nem Tage sah ich ihn weder in den! Straßen Roms-, noch hörte ich etivags von ihm. Beim Abschied hatte er zut mir gesagt: Jch werde Ihnen dantepl tür Alleg, was Sie meinem guten tZauviat Gutes gethan haben. ! Er hatte so feierlich und zuversicht Z liclk gesprochen, daß ich keinen Augen« « blict im Zweifel über seine Absicht sein konnte, mir gegenüber feine Dankbar ? tiit zu beweisen. Jch erwartete mit seltener Neugier, was er wohl beginnen - würde. Alle meine Vermuthungci i aber stimmten nicht mit der Wirklich lcit überein . . .. An einem herrlichen Morgen Art-F fanget April gegen Ende meines Auf-i cnthalteg in tttom empfing ich ein gru-« fies Couvert, auf dem die Adresse mit « eckigen Zügen gemalt stand: es erin nerte fast an ein altes Manuscript. Ja dem Couvert lag ein tut es Billet, das mich ganz latonilch auffordertg mit dem nächsten Zuge nach Sienna zu fahren. .tvenn ich meine Kunst nochi bochhielte«. Dort sollte ich zu einer gewissen Stunde in ein mir angegebe nes Cafe gehen... Unterzeichnet war der Brief ,,Gaspard de la Rocyettri . .« »Hu bist selbstverständlich hingegan gen-« Jch fuhr sofort dorthin. Jch hatte gerade ein Portrait vollendet, das ich wohl zu meinen gelungensien zählen konnte: das der Miß Marsh, dem hüb schesten Girl der amerikanischen Colo nic in Rom. Die Saison war in jeder Weise sehr vortheilhaft gewesen. Ich hätte mtt Gemüthsruhe die schlimmsten Hiebe und Recensionen ertragen Ich habe eine sichere Schä tzung für meine Werte: nämlich die Zufriedenheit meiner Modelle. Was will ich überhaupt darstellen? Moderne Frauen. Wenn sie sich wiederertennen, wenn meine Malerei ihnen ihr Abbild so getreu eigt wie ihr Spiegel —— dann ist mein Viert gelungen. Die gelehrte stcn Firitiien konnten diesen Glauben in mir nicht erschüttern. Also, fest ge wappnet gegen die möglichen Spötte reien des Quattrocenlisten La Rochette reise ich ab nach Sienna, der alten ro then Stadt. Es war an einem herrlichen toskani sehen Frühlings - Morgen. Noch ath me ich im Geiste die frische, würzige Lust, sehe den leuchtenden Himmel über den engen Straßen und —- den dunk len zwischen den Palästen· Noch deut lich erinnere ich mich, wie ich meinen Weg in dein Straßenwirrwarr suchte. · geh fragte einen der Fußgänger, der mir gesalligsi antwortete: »Ich« muß euch hinunter nach Campanse.« Er sprach von dem anderen StadttheiL als ob er in eine andere Stadt ginge; so sehr hängt diese mittelalterliche Stadt noch an den althergebrachten Cintheilungen An einer Ecke des Campo stand ein kleines Case. Von dort konnte man den hufeisenfiirmigen Platz mit der Mangia überschauen, dessen schlanker Thurm von Leonardi verherrlicht wor den ist. Hinter dem lkitfenster des Ca fes erblickte ich vor einer halbdollen Tasse das ernste Profil des- alten Freundes von Sauviat über einer ge öffneten »Göttlichen Comödie« Ja, ja, wenn eH sich nicht um Kunstanstchs ten handelte, war LaRochette ein recht etnsilbiger Mann. Guten Tag und Guten Abend waren wohl die einzigen Worte, die er sprach. Fünf Minuten nach unserer Begrü: sinng saßen wir im Wagen und fuhren zusammen nach San Biagio . ·. Nach dem Schlosse hinter Belcaro, dessen Besitzer eine Sammlung falscher So domag besaß, von denen er eines mit Zwanzigtausend Franes verkaufen wollte. »Dort haft Du doch unmöglich den Pesellino entdecken lönnenk Jch selost lbiabte vor vier Jahren Alles durchstü er Dir stand eben nicht der alte La Ro rlxctte als Führer zur Seite, fuhr Ma xime fort. Da Du Dich des Schlosses erinnerst, so werden Die Wege auf den Oiigeln Dir wohl auch nicht ausz dein Gedächtnifz entschwunden sein mit den dunkelgrünen Eichbiiumen, den Tan nen mit weit auggebreiteten Zweigen, ten zactigen Stämmen der alten Oli ven, den Weinbergen am Abhang, und den schwalbenfchwanzartig auggezact ten sinnen desJ Sch.osse5. Vielleicht kannst Du Dir auch noch den wunder lichen Grafen San Biagio selbst vor s«cllen, dein Du, wenn Tit nicht wüß ten, wer er ware, aus der Strasze ein ».«Ilinosen bieten würdest. Ertnnerst T n Dich noch deg- B.1tterti, der die Gor axtnzola und den Wein degosick Kannst Tit Dir noch seine listigen Augen, sein itrnppiaes Gesicht vorstellen-? Li Rochetn hatte zu mir folgende-« gejagt: Sie werd-In die Gemälde, welche ich Ihnen heimlich bezeichne, tausen, doch tnttsien Sie nnerschrocten adtiattdci.t; sodann fragen Sie, unter dent Vor wanxse, «"l)re-?atnmlnng zu vervollstän digen, nach zwei Altarbitdern, welche ulier einem Möbel in der Sacristei ver Ziime hängen. Sie müssen vorgetsetn rast Zie diese nur der Rahmen have-r kaustn wollen . .. tfr schwieg, ohne meine Fragen wei ter einer Antwort zu würdigen sich eines unbekannten Ulteistcrwertesz mir rseraisnnt sei-i iviirde, und nun denke, wie enttäuschi icywar,a15ict), nachbeni wir oie Zugurinte überschritten hatter ans den groben Clnantitrintcr tresse, dein die romantische Besiuung gehörte-, und als ich in der Sacristei wo:)l funf zig Bilder sal) die alle ttseils gefälsclst, ttseiik überm-alt waren; eg war der Mist der (ileniälde, die er selbst bei den eng iisasen Parvenus nicht hatte losschla gen konnenl La Rochette hatte in jenem Momente solcy großen Einfluß auf Was daß ich mich we gen der vier be zeianieten Liøeniiilde zum Handeln her beiliesz. Es waren vier abscheuliche Nachtigallen, welche der Gras niir scgar nott) als roba di cinque cento bezeich nete. Für jede-Z Bild sollte ich tausend Fran: sbezaislen Ju) bot ihm tausend Fra:i»g- siir alle So dioruitirtcn wer wohl eine lange halbe Stunde, bis ich plötzlich vorgab, daß zwei Getnäldcs iåber dem Schrank mich der Rahmen halber int«eressirten. Es waren die ab geschinacktesten Rahmen, die ich je ge seyene Doch dfe Milerei übertraf alles-! Es war unrnoglich, unter dem dich aus getragenen Golde und dem Preußisch Blau die Zeichnung des ursprünglichen Lunis-en zu erkennen. Als ich auch das zweite Bild verlangte, blickte ich La Rocyette an, der kaum vor Aufregung das Zittern seiner Hände verbergen konnte. Kurz, für zwölfhundert Lircs entsiihrten .vir sechs Bilder. Kaum saßen wir wieder im Wagen, als mein Gefährte eines der Bilder nahm und sagte; »Seit zwanzig Jahren bin ich nun schon auf der Suche nach diesem Bilde. Es ist ein Theil einer Predella von Pesellino· Die ersten Anhalts punkte fand ich in den Archiven von Arezzo und oann bin ich der Spur old ijieroer gefolgt. Warten Sie nur . . .. . Warten Sie nur!« I Jn der That! Als wir uns in einem Hotelzimnier eingeschlossen hatten, sin gen wir an die obere Malerei mit So ritus abzuwaschen. Schtcht um Schjcht entfernten wir vorsichtig die Farben: und wag erblickten meine Augen? Ein Wunder. Gord und Herz verschwunden unter dem Schwamme und dem Wisch tuch, Klümpllxen auf Klümpchen, und ganz allmählich trat das Meisterwerk zutlage. Als wir die Arbeit begannc1;, war es drei Uhr, und um zehn UEJr waren wir noch mit derselben beschäf tigt . . .. »Der Alte bat nicht zu viel gesagt«, rief ich und tah von neuem das kleine Kunstwerk an. »Wenn er Deine Gut herzigkeit gegen Sauviat belohnen wollte, so hat er es wahrhaft königlich gethan« .Fijr zwölfhundert Franck« ein sclches Wunderwerkl Es ist fünf Ins-tausend werth, nein, hunderttau send!« . . . »Er wollte mir kein Geldgeschent machen«, unterbrach mich der Mater. »Der alte Schwärmer machte mir viel mehr Schwierigkeiten, als das verur sacht hätte .. . Als er mir die Gelegen-; beit zu jenem Kauf berschasite, hatte er übrigens gegen seinen hxitigsten Grund satz verstoßen, denn noch niemals hatte jemand von ihm seine Ansicht iiber den größeren oder geringeren Werth eines Kunstwerkes erlangen können. ,,Kunst lann man weder kaufen noch verlau fen«, lautete eine seiner Redensarten Nein, der wahre Antrieb zu dem so tö niglichen Geschenke war ein and:rcc. Du wirst ihn aus Fislaendem ersehen: - Als wir nun das csjsxäfel gereinigt hatten, und die leuchtende Schönheit des Meisterwertes das elende Zimmer des Hotels erfüllte, legte der Alte seine Hand mir auf die Schulter mit dersel ben Feierlichleib wie in jenem Momente wo er mir versprochen hatte, meiner menschenfreundlichen Handlung gegen Sand-tat zu gedenken. Dann sah er mir sest nnd gebietend in die Augen und sure-I: Gebt mir Euer Wort, daß Jan niemals diese »Anbetung der heiligen drei Könige« verkaufen werdet«. »Ich gebe Ihnen mein Wort«', ant wortete ich ihm. »Und daß das Gemiilde stets in Eu rem Atelier bleiben wird«. »Und daß es stets in meinem Atelier bleiben wird«. Und daß Ihr das Bild nach Eurem Tode dem Louvre vermacht.« »Und daß ich es nach meinem Tode dein Louvre oermache«. , »Nun denn«, suhr er fort, »wenn der, Anblick dieses göttlichen Vildes es Euch nicht zum Bewußtsein bringt daß Jhr Euer Talent nicht mehr durch unweit digc Werte entehren dürstet, so seid J) hrs strafbar; versteht Jhr mich? Jhr seid ein Verbrechen l llnd bevor ich ihm hätte antwortcni können, war er verschwunden Jch aber wac iiber diesen plötzlichen, liestigeni Fortgang La Eliochettes so starr vor Staunen, wie noch nie in meinem Le-j ren. So blieb ich denn allein mit met-I nem Kleinod . . »Und hast Du diesen seltsamenbjlkann niemals wiedergesehenk« fragte ich nach kurzem Stillschweigen l »Er ist mir nie wieder zu Gesicht gis-« tomnnn«, antwortete Max-me »und ni) liin sehr iron darüber, denn er ist schuid an den unseligstcn Stimmung-In, di-: ichs während meiner ganzen htiinstlerlausJ bahn hatte. Gewis, . . »«!"rienn it) auch gegcn stritilcm völlirki gleichgültig bin. den Haß von lsgzlegcn gegen meine Werte niederein Neid zu-« schreibe, den von Journalistkn Un-; tenntniß zugute halte, so traf nkich doch das scharfe tlrtheil Ln Rochc tie·s -—--( der mir Ja bri meinem Verhalten gege: is seinen Freund bewiesen hatte, wie sein und zartsiihlenb er war — sehr hart und ich wurde an mir selber irre. ».ltur«3, als ich nach Rom zuiijclsi kehrte, priiste ich ausg geiiaiieste allel Stizzen und Bilder, die ich während des Winters oollenkiet hatte. Vor acht-« iindoierzig Stunden noch ioai ich jok zufrieden und stolz iiber dieselben geioc-’ sen. Jetzt schien e5 plötzlich, ais ob mir Schuppen von den Augen fielen, ais ob alles-, was inich so sehr begeistert hatte, nur recht inittelniäßig war· Jch erinnere mich dessen sehr genau. Gerad-. a15 ich gegen meinen eigenen Willen dem Befehl La Rocheites iolgin mußte, hatte ich die »Anbeiiing der heiligen drei Könige« auf eine Staffelei gestellt. Jch blickte das Bild nochmals- an nnd betrachtete dann meine eigenen Geincilde s und Pastellhiider Eine ivahnsinriige Angst übertan mich, die ich nie zuvor empfunden iiiid auch seitdem niemaisz wieder gefühlt ljabe . . . Was trai« das zitesult at? Soll ich es Dir sagen? Aig ich wieder in Fraiitreich war, habe ich inich drei Monate lang abgeniiiht, eiiie Idee, ja, mein Glaubensbekenntnis; auf einer riesigen Leinwand vorzustellen Wie habe ich mich dabei alsgequältl llno warum? Für nichts. «Eines Nachmittags, als ich ganz inutslos über den Boiilevaro schlen derte —— denn ich fühlte, daß da Ge inälde mir nicht gelang —--— komme ich bei einem Bitterladen vorlei Hinte der Scheiebe erblickte ich mein:».tzaresseuse«. Erinnerst Du Dich des BildesJ Eine liebliche Frau, die soeben gebadet hat und eine Eigarrette rauchend auf einein Felle liegt Zwei junge Mädchen stan den vor dem Schaufenster, echte kleine Pariserinnenel »Die eine sagte zu der anderen: Ah, dieser Fauriel, ist ganz mein Gestsmckz ich begreife nicht, wie man sein Porträt von einem ander-en Künstler malen las sen kann, wenn man reich ist . . .« »Wie hübsch, wie entzückend!« sagte die Andere. »Weißt Du, was mir so sehr un ihm gefällt? Er macht seine Frau-en genau so, wie sie im Leben wirklich sind.« Und dab3i glänzten ihre Augen hinter dem Schleier. Dieses tindliche Loh, das- ich zufällig vor jenem Schaufenster auffing, berei tete mir ein so lebhaftes Vergnügen, daß — nachdem die beiden kleinen Da men fortgegangen waren —- ich mich daran macht.·, mein Gemälde noch ein mal zu studiren, aerade als ob ein an dere-: es gemalt hätte. Und plötzlich wurde es mir zur Ge wißheit, ich Jeariff Von ne:!em, daß es für einen Künstler nur eine eixmge Richtschnur aiebt -— nämlich seiner Na tur keinen Zwang aufzuerleq«n. Ja, ja, das ist das einzig Wichtige, rief ich unwillkürlich aus. Jet, bin nun einmal dazu geschaffen, das Schmachtende, Elegante und Pi iante darzustellen Warum auch nicht? Pesellino und Angelio latten die Gabe, ernste und religiöse Dinge zu Verheer lichen. Sie hatten Recht; ich habe abe auch Recht . .. si- -·- q Und er lachte stolz über die sentiinen-« talen und galanten Stizzen, die überall an den Wänden seines Ateliers hingen. Für ihn war der anesri.f der Kunst Freude und Glück, den Schmerz kannte er nicht. Diese Unterhaltung mit Ma xime brachte mir wieder den unaus iüschlichen Ziatnpf vor Augen, der zxoei geistvolle und lluae Parteien von ein ander trennt. Nach allem aber mußte auch ich zugeben, daf; Faiiriel recht hatte, seine zierliche, gefallige Malerei wieder aufzunehmen, die so furchtbar von dein alten ,,Quattroeen7.isten« ver dammt worden war. Wer weiß? Viel leicht bleibt oie eine oder andere seiner Pariserinnen der Nachwelt erhalten, wie die zierlichen, zerbrechlichen Tona grafigureti, die uns von dein Leichtsinn der EfJienschen vor zweitausend Jahren Zeugnis; geben» Und außerdem hat er die innerlich: Genugthuung, daß er sich bemüht hat, seine Mitmenschen zu er freuen La Rochette dagegen —- hätte er nur malen tönnen —- würde sich be friedigt gefühlt haben, wenn er densel ben mißfallenl Wer kann entscheiden, welche der veiden Ansichten die ver nünftigste seis cssenvachtanm Aus den Offenbach- Anekdoten, die ,,Bühne itnd Welt« veröffentlicht, seien hier noch einige mitgetheilt: Die Ope reite ,,Bataclan«, (Tschin - Tschin«) ioar unter begeistertein Beifall in Wien Jiti Quai : Theater gegeben worden, und Direktor Treuniann lud Offen bach, den glücklichen Componisten, ein, tiach Wien zu kommen, und sich die Ausführung anzuhören Gern leistete dir Meister Jaegueg der freundlichen Einladung Folge, und schon nach we nigen Tagen kam er in Wien an Da eiischon zu spät war, noch in s Theater »in fahren, brachte Treuinann den Maestro in sein Hatt-J, wo ihm zu Ch ten ein festliches Souper veranstaltet wurde. Anwesend waren die Darstel ler nnd Hahitnes deg Quai-Theatcrs, darunter der alsZ ausgezeichneter Pia nist bekannte Fürst Rudolf Lichten stein. Dieser setzte sich ans Klavier und variirte eine der schönsten Arien ans »Bataelan« aufs Geistreichste loo taiif er iuit der Melodie Von »Hoch soll er leben« schloß. Alles klatschte und sah aus Offenbach, von dein man ers wartete, er werde setzt dein Fürsten ge tiihrt datilen Allter nicht«-Z dergleichen. lfine peinliche Pause entstand der der han«-here endlich ein lfiide machte, iii dein er Lss eiibach fragt , wie ihtn der Vortrag ges llen have. »O, sehr gilt! Don wein ist denn aber da:?!« Er lonnte iii der Tl ,at nicht wissen, »von tveiii dass ioar,« denn »das-TO nämlich iie ganze Arie, war eine Einlage dch liispelliiieiftethiiider! Tahleau! —— Ier Spieltisch gehörte zu Osseiihact)’5 liebsten Zerstreuungen Er war ein leideiischastlicher Spieler, wußte iitii kaltem Blute aits einen Sitz 1("),lt()0 Zi—,()()l) France zu verlieren, freute sich alter kindisch iiher den geringsten Ge Ioiiin von ein paar France Getoaiin er eine nennencswerlhe Stimme, sa machte er sich sogleich nnd heimlich aus dein Stande. lfr fürchtete, von einerii Freunde angepuinpt zu werden. Ein mal stand heini Spiel ihiii gegeniiver eiii schlanler, niit Orden gefchniüilter Herr. Offenbach geioaiiti sehr viel -— tu nennt Jemand seinen Namen. Der Wer Vrn aeqeniiber riictt erstaunt urm Zpieltische auf - - sit-di aber nur mehr den Rücken Osfeiibnd)«5, der sich seiner liewobntsxit gemäß eitigsi entfernte Irr Unvetannte eilt itnu nach. List-n lsucls aber sieht das nnd läuft, um sein Nortemonnnie besorgt, nur um so schnellen Im Foner des Hotelsö er reicht der Unbekannte Offenbach, der schwitzend und puiiend einen letzten Versuch macht, seinem Verfolger zu entwischen, und stellt sich ihm vor: »v. Tollert, Ober Regisseur der Pe tergburger Hostt)eater. Ich möchte mit Jst-nen, werther Mai-stro, wegen Jhkec neuesten Opetette verhandeln!« .-..-...- »o- .- » -—-.-—... ——— Dee Feind des Adels. A.: »Ar beiten Sie doch! Arbeit adett den Men schen!« Vagabund: «Reden Sie mir nicht vom Adel!«