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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (July 14, 1899)
f scu see-mich cach einem wahren Geschehniß. Von Clara Voigt. Bessern war ich auf dem alten Schö nberger Friedhof am Grabe einer jest beinahe Vergessenem Mein weißer Issentranz, den ich mit tiefer Weh muth dort niederlegte, war die einzige slumenspende auf dem epheuurnspon neuen hiigeL den schon die erste leichte Schnee-schiebt des Winters bedeckte. Zehn Jahre ist es gerade ber, als man an dieser Stätte ein junges Men schenkind in die Gruft binabsenitr. Damals war das rffene Grab von einem großen Trauergefolge umgeben. Tit-unter befanden sich der Bräutigam der Verstorbenen und ihrePflegemutter, die Beide völlig untröstlich schienen. Die alte Dame ist inzwischen eben: falls heimgegangen. Der jugendfchiine, geistdcslle Mann hat sich vor Kurzem mit einer Dame aus der Ariftolratie lsctmöhlL Jn den ersten Jahren war das Grab immer verschwenderisch mit den kost barsten Blumen überhäuft Nun, von einer längeren Reise zurückgekehrt fand ich es völlig ungeschmiickt. Die letzten Kränze waren bereits ganz verdorrt, der in den schlichten Marmorstein ein gehauene Name »Ellen« und die Fab reszablen kaum noch erkennbar. Eine Fluth von Erinnerunaen wurde bei-n Betrachten des Steins mit der fast er lischenen Inschrift in mir lebendig. Sie war meine beste Freundin und» starb mit 18 Jahren, zwei Tage vor; ihrer Hochzeit Man konnte sie keine(l regelmäßige Schönheit nennen, aber sie? War in meinen Augen das anmuthigstej Geschöpf der Welt. Jhre Erscheinungl wie ihr Wesen, beides athmete sanfte Schwermuth, die den Zauber ihrer Per sönlichkeit noch erhöhte. Mit Vorliebe trug sie Weiß. Ins der Erinnerung sehe ich sie niemals an-l tirs vor mir. Große, dunkelblaue Au gen leuchsteten aus dem überzarten Ge sichtchen und bildeten mit ihren schwar zen Wimpern und Brauen einen fes-f selnden Gegensatz zu dem aschblondens Haar, das sr i -r in natürlichen Lockenj um Stirn un schläer drängte. Auch. die strahlenden Auan meiner Freun din trnnten oft tief fchwermiitbia bliiz elen. Selbst in der Zeit, als sie Braut gen-reden war und den im Geheimen schon längst Geliebten ihr eigen nennen, durfte. Damals vermochte ich mir das’ nie zu erklären. Erschien sie mir doch die beneidenstrertheste Nraut, die man sich denken konnte. Erst ganz kurz vor ihrem Tode erfuhr ich dann das Ge heimniß ihres jungen Lebens, die Ur seche ihrer Sehn-main Ellen G. wurde als Tochter eines Ofsiziers in einer rbeinischen Garnison geboren. Als sie sieben Jahre alt war, starb ihr Vater infolge eine-:- un Rialt chen Sturzes mit dem Pferde. J·re von Natur schwächliche Mutter konnte den. Tod des Gatten nicht überwinden —-—; Durch den steten Kummer aenäbrr, trat; »ein früher kaum beachtetes HerzleidenE plötzlich sehr gefährlich auf und wardi binnen Jahresfrist die Ursache ilsresj Todes. Eine ältere Schwester von il:r, ncbm fich sofort des verwaisten Kindes-i an. Sie war die Wittwe eine-«- Ritter-Z grtsbesi ers und bewohnte im Sommer; ihren rachtiaen Landsitz in der Min der Ostsee, während sie den Winter in der Hauptstadt verbrachte. Diese Tante, zu der Ellen nach den-. Tode ihrer Eltern kam, besaß eine tlriz ne Tochter Ruth. ein aufsallend schönes Kind, doch von unbändiaem Trotz und Eigensinn, das seiner Umgebung oiell zu schaffen machte und mit seinen iechsl Jahren bereits das ganze Haus irr-ran nisirte. Die Mutter Rutbs nabm Ellen mit zärtlicher Liede nis. Jm Gegen-itzt zu ihrem Töchter-eben war die tleinej Waise ein leicht lenkbares Kind rniti weichem, liebevollemGemiitb. Nur wenn. etwas ihren Zorn erregte, konnte sie ooni großer Leidenschaftlichteit sein. Da sie; sehr begabt war, wurde sie auch bald; ter Liebling der französischen Erziehe-» rin nnd Rutb häufig als Vorbild bin-’ cstellt. Diese selbst empfand vom er ei; Tage an gegen ihre ältere Kanne eine gewisse Abneigung, die sich mit der Zeit sogar in eifersiichtigen Haß ver wandelt-. Jbr berrisches Temperament lallte nicht die Liebe der Mutter mit einem anderen Kinde theilen. So quälte sie Ellen ans alle nur denkbar-e M nnd spielte ihr fast täglich einen emderen Streich. Mit Betrübnis sah Eines Jante das beinahe seindselige sechs-ließ zwischen Tochter und Nichte. Sie beifste indes daß wenn Beide erst Alter nnd verständiger wären, der ftcte sent zwischen ihnen von selbst aushä teu werde. Es war Sommer, und man befand sich draußen auf dem Lande. Da das Gut in der Nähe der See laa, pflegten; tsie Kinder jeden Nachmittag in Ver-leis tung ihres Fräuleins an den Strandz zu gehen, Um Dort Muscheln zu fuchenJ und sich im Sande zu laqern. ! Nun kam es eines Tages-, daß die Erdieherirh durch häusliche Arbeit »Hu-: rij gehalten, ihre Zöglinge allein geben ließ. Rusth mußte natürlich verspre chen, recht brav und artig zu sein und der fest 10-jährigen Ellen in allen Stücken zu gehorchen. Unterweas blieb Tuch Das Kind ruhig an ihrer Seite Sie erschrak aber Ellen, als es, am Strande angekommen, sich plötzlich von ihrer Hand losriß, ein Stück voranlies M dann auf den Steg kletterte, der, us ählen ruhend, eineStrecke weit itzt-I t hinein efchlagen war, um M Inle der Eifer-erboste an stür s , , Knien zu erleichtern Durch « » Wer bei hol-entsee gang war er häusi glatt und schlüpsrig rnd von seiner itte an hatte das Wasser bereits eine beträchtliche Tiefe. Es war beiden Kindern streng verbo ten, ilin zu betreten. Als Ellen nun Ruth dort erblickte, lief sie ihr sosort angstersiillt nach, uno bat sie, doch wieder herunterzutommcn. Das Kind sitäubte sich indeß heftig. INach mehrmaligem vergeblichem Fle «l,sen bemächtigte sich Ellens ein leiden schasilichee Zorn. Sie versuchte fest die Kusine mit Gewalt an sich zu ziehen. Aber wüthend schlug das Kind nach ihr. Es entstand ein kurzer Kampf zwischen den Beiden, aus dem schmalen Stege doppelt geiahrvoll. Durchthtbs Widerstand aufs Höchste erregt und ilsrer Sinne kaum mehr mächtig, ver ysetzte schließlich Ellen dem Kinde einen heftigen Stoß, so daß es hinfiel, aus glitt Isnd mit demKopf voran in’s Meer binabsstiirztr. i Tas Alles vollzog sich in wenigen Sekunden. Während der Körper der ungltcklichen Ruth noch ein paar Mal zur Oberfläche empor-tauchte. bevor ihn die Woe en in die Tiefe rissen, rang Ellen o aus dem Steg die Hände end oereinte ihre Hilferufe mit denen der Ertrinkenden Doch die heute sehr rnrulxig gehende See übertönte mit ih rem Rauschen das angstvolle Geschrei. 5euch war Niemand zur Rettung m der Nähe. Todesschrecken im Herzen lief das-« Mädchen den Weg am Strande zuriick und stieß halb wahnsinnig vor Erre gung ab und zu mit veriagender Stim me einen Klageschrei aus. Endlich kam Jemand don der Düne her dem wilddabinjagenden Kinde ent gegen. Es war der 16-j·cihrige Sohn des OberfötitersDietrich R» der Spiel kamerad der beiden Mädchen. Auf tei nem hübschenKnabengesicht lag ein selts scmer Ausdruck, als er Ellen in ihrem tollen Lauf gewahrte. Mit dem here zerteißenden Ruf Muth ist ertrunken!« ftiiizte sie wenige Schriite vor Ihm zur Erde nieder. Behutsam und fanit habt er rsas von Schmerz und Schreck ohn rnächiig gewordene Kind empor und trug ek- auf feinen Armen nach dem Landbaues der Tante zurück. — Als Ellen aus ihrer Bewußtlosiakeit erwachte, befand sie sich in ihrem Bett und das Erste, was sie sah, war das bleiche, thriineniiberftrömte Gesicht ih rer Tontr. »Wenn ich jetzt spreche.« iagte sie zu sich, »und ihr die ganze Wahrheit ge stehe, wird sie mich aug- dem Hause wei sen und mir fluchen.« Feige Anast vor ren eFolgen ihres Geständnifses kam iiber das sonst gute, rechtlich denkende Kind. »Ich kann es ihr nicht sagen,I nein, ich kann es nicht. Was soll aus mir werden, wenn sie mich non sich sskfztkk Während sie noch s» dacht-, finne sie sich plötzlich umschlungen und dieThrä nen der armen Mutter aus ihren wie im Fieber glühenden Wangen. Tief er schüttert erwiderte sie scheu die Liebko fi ngen der Tant( und brach dann, von ter, entsetzlichen Aufreaunzen der let-. ten Stunden überwiiltiat ebenfalls in heftiges Weinen aus. Erst allmählig vermochte sie zu sprechen. Sie eriiihlte 1.un, daß Ruth auf den Steg geklettert :nd trotz ihres Fieber-e nicht herunter-« gekommen wäre. Dann plötzlich sei sie tusgeglitten und in’s Wasser aeftiirzt. Kein Menfchlicheg Wesen lei bei dem Unglück in der Nähe gewesen Niemandls bade ihre Hilferuse aehört. Auf allez, Spätere konnte sie sich nicht mehr be sinnen. Vom Landbaus waren bereits- Bo ten an den Strand geschickt worden« nachdem Dietrich mit der bewußtlosen Ellen allein gekommen war. Da hatte man schon sofort das Schlimmste be fürchtet. Am ersten Abend kehrten die Leute i«noerrichteter Sache wieder beim. Mehrere Tage darauf wurde die kleine Leiche in der Nähe des Damenbades an’s Land gespült und auf dem einfa nkn Dünenkirchhof in aller Stille be e: igt. — Es war so natürlich, daß die noch irnge Mutter Ruch. nachdem sich ihr erster, heftiger Schmerz iiber den jiihen Tod ihres Kindes gemildert und nach und nach in leise Wehmuth verwandelt» hatte, jeht ihre ganze Zärtlichkeit und; Liebe auf ihre kleine Pslegetochter über-; trug. s Etwas wie Scheu und Unterwürfig keit la in der Art und Weise, mit der Ellen iefe Liebe erwiderte. Sie tbat Alles, was sie nur der Tante an den Augen absehen konnte, befieebte sich, je den ibrer Wünsche zu erfüllen und sie nie durch Ungeherfam zu betriiben Aber wenn sie sich unbeobachtet glaub -te, derdunkelte cit ein leitfamer Aus drkcl ihre großen Kinderaugen, ein schnurzlichessagen undBangen, ein de müthig-— stummes Flehen um Vergebung . . .Jn stürmiscben Nächten, wenn das Rauschen des Meeres bis- empor zu dem einsamen Landhcus drang, tonnteEllen niemals- Schlaf finden. Dann stand stets nur ein einziges Bild vor ihrer acauälten Seele, und durch das Wellen krausen glaubte sie noch immer den letz ten gellenden Schrei der wilden Rutb zu vernehmen. Seit jenem Augenblick ans dem Steg hatte sich ein tieferSchat ten über ihr Leben aefenli. Gleich ei nem beinah körperlichen Druck lastete es fortan aus ihr und brachte sie Um Eisen Frohfrnn und die Harmlosigieit ih .rer Kinderzeit. —- — Sieben Jahre waren seit RutbsTode Iverflossen Die jetzt siebzebnjäbrige szllen sollte m die Gesellschaft einge iislirt werden. Die Taute, der ihre Melancholie ost Besorgniß einsliißte, hoffte sie durch Geselligteit zu heilen. Man verbrachte, wie jedes Jahr, den Winter in der hauptsiadt Damals lernte ich Ellen kennen. Unsere Ange bkrigen waren miteinander befreundet, und sei kam es, baß auch wir uns bald innig zugethan wurden, um so mehr, da nsir viele gemeinsame Interessen be saßen. Bei ihrem ersten Auftreten erre te meine schöne Freundin allgemein e wundernng. Wer einmal in ihre gro ßen, schwermüthigen Augen gesehen hatte, konnte sie so leicht nicht wieder vergessen. s Auf einem ihrer ersten Wille trasi Ellen mit ihrem sriiheren JugendgeJ spielen Dietrich zusammen, den sie seiti Ruths Tod nicht wiedergesehen hatte. Bald daraus war er aus die Forstschule nach E. gekommen. Ter junge, heißhlütige Mann ver liebte sich sofort in das anmuthigeMäd eben, das ihn als Knabe schon gefesselt hatte, und verfolgte es überall mit sei ner leitenschaftlichen Verehrung. Ellen wies ihn jedoch kühl zurück. Wie ich wußte, hatte ihr Her-l sich schon iiir ih ren späteren Bräutigam entschieden, ei nen entfernten Verwandten ihrer Psles aernuiter, derPrivatdozent in einer klei nen Universitätsstadt war. Jhre aussällige Kälte vermochte in deß nicht Diettich abzuschreelen Täg lich erhielt sie die herrlichsten Blumen von ihm. Fast stets wußte er sie aus ihren Besorgungen in der Stadt zu treffen, und wenn sie im Ballsaal er schien, wich er kaum von ihrer Seite. Es war an einem Gesellschaftsabend gegen Ende des Winters, als die vorn; Tanze erschövste Ellen eins der Neben-; Zimmer aufsuchte, um sich auszuruhen.1 Sie hatte sich noch nicht lange aus demT kleinen Divan niedergelassen, da stand Dierrich vor ihr. Er mußte ihr Ver ichwinden von serne beobachtet haben und ihr dann unbemerkt gefolgt sein. Und plötzlich lag er ihr zu Füßen. »Ich liebe Sie, ich liebe Sie!« stam mlte er wie rasend immer von Neuem. Unnilltiirlich war sie bei seinenWor ien en prsrgesvrun en. »Hören Sie au ! Jch will, ich darf Sie nicht anhören!« lam es im ersten Schreck von ihren Lippen. Er aber rief leidenschaftlich: »Ste ßen Sie micht nicht von fich, Ellen! Weisen Sie nicht meine Liebe zurück! Es ist die Liebe eines Mannes, der eine Welt rdsern könnte siir chren Besitz und seinen letzten Blutstiovien mit Freuden siir Sie hinaehen. . .« «Dennoch muß ich Sie bitten, anf ;ul;ören.« unterbrach ihn Ellen in lei sem, ater seitem Ton, «da ich Ihre Nei gung nicht erwidern tann und das Ge s:"c«ndr.iß deshalb nur qualvoll iiir mich i t." — Blase bis in die Lippen erhol: er sich. Die Kälte ihres Tong- mehr noch. als die Worte selbst, riesen in ihm die ganze Grausamteit des Mannes wach, der sich von der mit jedem Pulsichlaa Br achrten verschmäht sieht. Ein paar Schritte zurüatseetend sagte er, ohne die glühenden Blicke von ihrem ebenfalls erblaßten Antlip zu wenden: Orden ten Sie, was- Sre sprechen! So wie ich wird Sie nie wieder ein Mann lieben. Ich liebte Sie schon, als Sie nach ein Kind waren. Ten Beweis hierfür will ich Ihnen jetzt geben« Ein paar Augenblicke hielt er inne« Un die Wirlung seiner Worte zu beob acltcn. Sie schien nicht zu ahnen, wo rauf er hinaus wollte. Jhre leuchten-— den Augen waren zur Erde gesentt, aber von ihren Zügen las er unichwer, daß sie ihm nur noch widerwillig zu hörte. Hierdurch aus«åAeuszerste erregt fuhr er seit: »Wissen Sie auch, daß ich an jenem Nachmittage, als Jhre Kusine Nuth ertrant, Alles von der Dünenhiihe aus gesehen habe? Dennoch liebe ich Sie, habe ichSie bereits damals geliebt! Deshalb schwieg ich bis zurStunde und werde auch weiter schweigen, wenn. . .«J Er stockte plötzlich, denn trotz der sii nlosen Leidenschaft, in der er sich be find, gebot ihm der Ausdruck, der nun» in Elleng todtblasses Gesicht trat, Scho nung. ein Ausdruck so unsagharen Ent setz(ns, daß seine Lippen verstuminen n ußten Vor ihrer geängitigten Seele war bei seinen Worten das alte Ge spcnft ihres Lebens in neuer, schreckens voller Gestalt aufgetaucht. Leise stöh nend verbarg fie ihr Antlitz einige Se ti nden lang in den Händen. Nach einer Weile fragte sie niit nöt-! liq fremder Stimme, oer man die müh-; sain verhaltene Qual anhörtu »Warum retteten Sie Ruth nicht: wenn Sie in! der Nähe warens« - Als er den Eindruck seiner Mitthei lung auf sie gewahrte« begann er das Gesagte wieder halb zu bereuen. Uri sicher entgegnete er: »Die Entfernung von der Dünenhöhe zum Strande war immerhin so groß, daß das Kind doch ertrunten wäre, bevor ich hätte unten anlargeri iönnin. Und später, als Sie erst bewußtlos in meinen Armen lin gen, dachte ich auch nur an Sie.« Danach fuhr er fast demüthig spri ,.Bergeben Sie mir, Ellen! Meine Hef tigteit riß mich hin. Niemals hätte iet; fdavon gesprochen, wenn Jhre Mitte, Ihre Unnahsbarleit mich nicht dazu ge trieben. Sie sollten wenigstens wissen, Twie ich Sie liebe! Vielleicht stimmt Sie kdies für Die Zukunft milder gegen niich.« « Sie erhob zur Abwehr die Hand Dann bat sie ihn, sie fiir heute allein giei lassen, da sie se r erschöpft sei. Jn . r Furcht, sie no mehr aufzuregen, liiirig er auch mit einem lehten heißen Blick auf fie. · Noch an demselben Abend bat Ellen ihre Tante, mit ihr aan Land uriicks zalehren Da sie die Weise-seit cht zu Hilf-ihm te. schind- um aus g me tide m. du die emi Luft und die Stille des Landes nach ten Anstrengungen des Winters gut thun würden. Die Taute. die sich selbst nach Ruhe sehnte, willfahrte ihrem Wunsche Mit geleimer Sorge gewahrt: sie bald, daß Ellen in ihre alte Melan cholie zu verfallen drohte. Jn den leyten Monaten war sie merklich heiterer und leben-froher geworden. All die neuen Eindrücke, die während ihres ersten Winters auf sie einstiitmten, halten lie unwillkürlich von ihren trostlosen Ge dcnten und Erinnerungen abgelentt, Seit jener Unterredung mit Tietrich aber war es wieder mit der allen Ge walt iider sie gekommen. Zu dem Be wußtsein ihrer einfcigen Schuld gesellte sich jetzt noch der auälende Gedanke an einen Mitwisser. Ihre edle Natur em pfand Enipörung und Verachtung ge aen denMann, der die unseligsteStundz ihres Lebens dazu benutzte, um iine Liebe zu erzwingen. Sie wußte jedoch, daß sie tausendmal lieber untergehen-« als ihn jemals ethdren würde. So lief-, sie alle Briefe, die er noch an sie schrien und in denen er uin ein gutes Wert von ihr bettelte, unbeantwortet. ? Mut dem Lande angekommen weilte sie fast täglich auf dem einsamenDiinen tirchhoi an Nuths Grabe, die nun bald acht Jahre dort schlummerte. Mit we bem Herzen wünschte sie oft an ihrer Stelle zu sein. Da lam wohl auch das ctiibende Verlangen über sie, sich endlich ihrer Tante zu offenbaren und hinzu nehmen. was dann über sie verhängt wiiror. Doch kehrte sie von solch’ einfa men Spaziergängen in das Heim von Ruths Mutter zurück, wo ihr diese schot mit qütigem Lächeln aus der Schwelle tntgegentrat, dann empfand sie die alte Furcht vor den Folan ihres Geständ nisses und — schwieg. Den nächsten Winter blieb Ellen der hauptsiabt fern. Sie war inzwischen die Braut des jungen Professors ac worben. Statt empfindend von Natur aab sie sich mit heißer Leidenschaft der Liebe zn ihrem Verlobten hin. Aber selbst in der aliicklichsten Zeit ihres Lebens, seid-it an der Seite des angebeteten Mannes blieb die Schwer muth ihrem Wesen treu. seh war wo ehenlang zum Besuche aut dein stillen Gute an der Ostsee. Rath hing an mir« Mit der Leidenschaitlichteit, Die den Kern ihrer Natur bildete. Zuweilen tagte sie zu mir: »Das Glück ist zit aroß für mich. Ich verdiene es nicht unt siirchte deshalb, es wieder zu verlieren.'« Umsonst versuchte ich, den Grund ihres wachsenden Trübsinns zu erfah ren. —- Anfang Dezember sollte die Hochzeit in der zweiten Heimath der Braut, dern Hause ihrer Innre« gefeiert· werden. Vierzehn Tage oorder war Ellen mir der Tante usw dem Bräutigam noch der Hauptstadt gereist, urn noch bei jchiedene Eintäufe zu besorgen. An einem schönen Winterniorgen« fuhr sie an der Seite ihre- Verlobten im offenen Hoxelwagen durch die-Haupts vertehrgstraßen Plötzlich gewahrte sie on einer Ecke der Linden und Frie drichstraße unter den dort aus und ab Wandelnden Dietrich. Er blieb stehen,« als der Wagen langsam an ihm vor iiberiuhr, und starrte Ellen, ohne zu grüßen, an. Seine hübschen Züge traten bleich und von wildem Leben verwilstet. Die diisteren klugen bot-Orten sich in does von der frischen Winterluft getötbere Mädchenantlitz, que- dessen leuchten n« Blicken die Liebe zu dem neben ihr sihenden Manne sprach. Als er sie sc ansah. schauderte Ellen unwilltiiriitch zusammen- Jhr Bräutigam. der dies benrertte, sragtet »Ronntest Du den Herrn?« -" »Es war ein Jugendgespiele von mir«, entgegnete sie mit zuckenden Liv pen, »aber er hat sich sehr verändert, zum Erschrecken verändert....« n ihrem Inneren schrie eine Stimme: .Nun ist Alles aus-X . Ihr todestrouriaer Blick streifte da bei das schiine, ernste Gesicht ihres Ver lobten, der ihre Hand zärtlich in der seinen hielt. »Vielleicht thut er dies heute zum testen Mal,« dachte sie bLtter. c I . Als Ellen on jenem Morgen in ihr betet zueiicktehrte, wußte fre, baß nach ibrer heutigen Begegnung ein Brief von Dietrich tomsmen würde. Sie hatte es aus seinen haßeriüllten Blicken ge lesen. Und schon am Abend hielt sie seinen Bries in den Händen. Jhrei Adresse kannte er, da sie stets in dem selben Hotel abgestiegen waren. Beim Empfang des Schreibens be sand sich das junge Mädchen allein. Ihre Pslegeniutter machte Einkäuse in der Stadt· und ihren Verlobten hielt ein wissenschastlicher Vortrag fern. Während ihre Augen mechanisch die Handschrist aus der Adresse brüsten, »die ihr wohlbekannten, kühn geschwun denen Buchstaben, sagte sie sich, daß die-— Eser Bries ihr Schicksal barg. Ein-Schick sal, das verschmähte Liebe und eiser süchtiger Haß aus Grund einer einzi en dunklen Stunde ihrer Vergangen geit über sie verhängten und dem zu entrinnen sie kein Mittel wußte . .. Mit zitternden Händen zerriß sie den Unischlaq. Dictrich schrieb: »Sie haben mich durch Jhre einstige Zurücklceisung unsagbar unglücklich gemacht! Aber nicht das allein. sondern auch schlecht. Ich bin ein ungerachener Sohn —«— eine isersehlte Existenz —- ein verlcrener Mensch geworden durch Sie! Seit ze nern Abend, da Sie meine grenzenlose hingabe mit eisi er Kälte und Verach tung leis-linken« suche ich in den wilde sten Orgien die Qual meines Herzens zu betäuben. «- — Trotzdem habe ich geschwiegen und hätte» es auch ferner than, wenn rnir nicht der heutige Tag hre Liebe zu einein Anderen grossen I hart hätte. Wie ich hör-, gederten Sie diesen Deren, mit dem ichSie traf, binnrn Kurzem zu heirathen. Sie in ten Armen eines Anderen zu ·.visse«.i, geht iEber meine Kraft. Da ich sit Maik los elend durch Sie geworden bin, sol len auch Sie nicht gliicklich werden. Am Tage Jhrer Vochzeit wird Ihr Braus tigani das Geheimnis Jhres Lebens durch mich kennen lernen. Wie ich ihn von unserer heutigen Begegnuisg be uriheile und nach dem, was ich Von ihm in Erfahrung get-tacht habe« ist er sehr ernst und streng in seinen Grund saherr und wird deshalb über ein ge wisses Vortosnmniß Ihrer Vergangen izeit wohl anders denken, als ich . . .« Weiter las Ellen nicht. Das Papier entsiel ihren Händen und flatterte zu Boden. Jn diesem Augenblick trat ich gerate, mit der Absicht, meine Freundin zu einein Spaziergang aufzufordern, zu ihr ian Zimmer. Der verzweislungi volle Ausdruck auf ihrem schönen Ge sicht —- ihre schlaff herabhängenden Arme —- der aus dem Boden liegende Brief« auf den ihre Augen noch geheftet waren, während das Licht in ihnen plötzlich erloschen schien, —— dies Alles-E ist mir bis heute undergeßlich geblieben.j Und dann ihre Beichte! Mit fliegenderq Hast, in abgerissenen Worten -—— oft von wildem Aufschluchzen unterbrochen,1 theilte sie mir das traurige Geheiinnißs ihres Lebens mit. Auch den Brief senes Schritten mußte ich lesen. Eins ward mir damals sofort klar:. Nicht ihre Schuld allein, sondern oor· Allein die jahrelange Geheimisaltungi hatte das Unglück über meine armel Freundin heiausbeschworen. Von dieser Gewißheit beseelt, flehte ich sie an. sich setzt endlich ihren Lieben! zu offenbaren. Zunächst aber vernich tete ich Tietriche Brief« damit er nicht oor der Zeit Alles verrietbe. Denn ichs inertie bald, daß Ellen heute zu einer weiteren Aussprache nicht mehr fähig .var. Tie entsehliche Aufregung schien sie körperlich und geistig völlig etschiipåts zu haben. Sie fietsertr. Jhre Worte begannen sich zu verwirren, ihre Blickes schwcisten unstiit von einem Gegenstands im Zimmer zum anderen. Ich dat sie« deshalb. sich etwas liinzulegem und blieb bis zur Heimtehr der Tanie beil ihr. Mit geschlossenen Augen und been-I nenren Wangen lage sie aus dem uno:.- · auenien botelsosa Schwere, unregel ; mäßige Utdetnziige hoben ihre zarte Brust Von steil zu ,eil stöhnte fiel leise, wie von angstvollen Vorstellungen gequält. Als die Tante lam und El » len lereits in heftigem Fieber antraf, wuroe sofort nach einem Arzte geschickt. i Tuch der Bräutigam wurde benachrich tigl. Nach der Untersuchung erklärte oer Doktor, eine alute Krankheit wäre im, Begriffe auszubrechen Er könnte nur noch nicht sagen, welche. Er verschried ern Rezept, gab einige Anweisungen sür« die Nacht und ließ Eis holen, unt dies Glutlz des Fiebers zu dampfen. Vor seinem O eien verspr ch er in cll rFriiii Zieg nächst en Morgens wiederzulominess ! Die ganz e Nacht wachten Tante undl Brauligs -rn am Bett der Kranlen die lereils heilig pbantasirte und Niemand melr erharrt-. Tag Eis aus ii:rer glit lzenden Stirn, ihrem pochenoen Herzen schmolz in wenig Augenblicken Unru hig wars sie sich von einer Seite zur« anderen, während ihre Lippen unzu-. sammenhängende Worte murmelten, V deren Sinn il,re Umgebung dollig un verständlich war Am anderen Morgen erklärte der Arzt die Kranllzeit sür ein heiti ges Ner venfieber, das durch starle Erkaltung, verbunden mit Gemüthsbetvegung, her-« vorgerusen und ini Hinoltek aus Ellen s zarte Konstitution sehr ernst zu nehmen war. Es geschah nunAlles roas in mensch lichen Krasren stand, um das geliebte junge Leben zu retten. Der Arzt wünschte selost, daß noch ein Rolle e hinzu ezcgen wurde. Die gewissenha teste dandlung wurde angewendet, die treueste Lieoe und Sorgfalt umgab die Kranke Tag und Nacht. I Ueber eine Woche lang lag fie in fchlafiihnlichem Dämmerzuftanve, unv« wenn sich ihre vunllen, durch vadzzieveri verfchleierten Augen einmal öffnetem zeigte sie tein Versiänpniß fiir daz, ivas um sie herum vorging. Endlich tam eine Stunde, in ver El len zu völlig tlaremBeivußtfein erwach- « te. Gewichen war alle Angst, vie noch beim Beginn der Krankheit auf ihr ge xaftet hatte. Nur ein Gedanke be herrfchie sie jetzt, ihren Lieben vie Schuld ihres Lebens- beichten zu dur fen. Als sie Tante und Bräutigam an ihr Bett rief und ihnen wie in gefunden Tagen freundlich ent fegeii lächelte, fchiipfien Beide iieue hvf nung auf ihre Genefung. Das Fieber schien sie ver lassen zu haben. Ein Ausdruck von Klarheit und Ruhe verschönte ihr ab gezehrtes Gesicht Jhre Augen hatten das alte wunderbare Leuchten. Mit herzbewegender Stimme lieg e sie ihr Geftändniß ab. Sie sprach in tief ernstem Ton, ohne Ueberhaftung Sie ließ nichts aus und setzte nichts hinzu Auch befchiinigte sie nichts Von jenem Nachmittage an, wo sie von iviidem seen ergriffen vie kleine Ruth ins eer hinabueftoßen bis zu dein Tage, an been sie Dietrichs Draht-rief bekom inen hatte Als sie zu Ende war, warf sich ihr Bräutigam, vvii feinen Gefühlen über mannt, aufs Knievv vor ihrem Lager hin und bedeute Ehre weißen, mageren hönde mit feinen iiffen und Thiiinen Ellen, armer Lieblineg war das Einsige, ivas er vor tiefer ewegung zu sprechen vers-echte W So verhielt sich der Mann, aus des sen Erbarmungslosigteit und Strenge - » Dietrich gerechnet hatte. - Anders Ruth's Mutter. Sie bliet zunächst stumm und unbeweglich. Wäh rsnd Ellen's Beichte war es ihr gewesen als müßte das, was sie jetzt vernahm. fortan eine tiefe Kluft zwischen ihr und ldergeliebten Nichte reißen. Als müß «te ihr getödtetes Kind nun ewig zwi schen ihnen stehen. Welche Mutter wiirde in den ersten Augenblicken nicht ebenso gefiihlt ha Eben? War ei doch ihr eigen Flegsch und Blut gewesen, das den gewaltsamen Tod.gefnnden halte, ihr Kind, das sie unter Schmerzen geboren! Und dazu sihr einziges! f Aumäblich adck ksbtqßie das Bitt der Todten vor der Lebenden, die da so trank und hilflos vor ihr lag unt ihre großen Augen mit riihrender Bitte um Vergebung auf sie geheftet hatte. Und Alles-, wag zuerst dies Mutter hekz durchsluthet, wurde bald durch die gewaltige Empfindung des Mitleids und der dergebenden Liebe besiegt. Ta pser drängte die edle Frau ihre Thra NM slfkith die bei der Erinnerung an Ruth in ihre Augen getreten waren. »»Metn.5kind. warum hast Du nicht fkuhek gelptvchen?« begann sie nach ei ner Weile des Stillschweigen-L Du hät test dann langst den Frieden gefunden. Es thut mir weh, daß Du so wenig Vertrauen zu mir gehabt hast. Aber ich vergebe Dir, ich vergebe Dir von ganzem Herzen!«' Bei diesen Worten von Ruths Mut ter tam eine unendliche Erleichterung iiber die Kranke. Die Last war plötz lich von ihr genommen. Noch in letz ter Stunde durchtostete ihre Seele ein reines Glück. Doch zugleich waren ihre Körperkräfte durch die Anstrengung reg Sprechens wieder gänzlich der draucht. Crmatiet sank sie in die Fris sen zurück. Vor ihren Augen dunkelte es. Sie sühlte das Herannahen neuer Bewußtlosigleit. Fast heftig zog sie die Tante und den Geliebten zu sich heran, und wahrend sich ihre Lider be reite geschlossen hatten, sliisterten ihre Lippen noch heiße Dankesworte ,,Bald wirst Du genesen, meine El len«, sagte setzt ihr Bräutigam in in nigem Ton, »und dann ganz glücklich werden. Meine Liede soll Dich allek Leid der Vergangenheit Vergessen leh ren. An meiner Seite wirst Du ein neues, schönes Leben heginnen.'« Sie aber wußte es besser. Es gab teine irdische Zutunst mehr siir sie. Dir Qual der verflossenen Jahre hatte ih ren zarten Leib geschwächt und siir den Tod reis gemacht. Sie stand dicht vor der Schwelle der Emiateit. Dennoch war sie glücklich. Hatte sie doch Vergebun empfangen, Vergebung von den theiscr ten Menschen, die sie auf Erden besaß. Nun würde auch der Richter dort eben inilde sein, dessen war sie gewiß. llnd mit einem Lächeln der Befreiung aus den schönen Zügen schlummerte sie in den Armen ihrer Lieben hinüber-. Ich sah meine geliebte Freundin erst im Sorge wieder. Der Ausdruck der Ruhe und des endlich gewonnenen See-· leniriedens war aus ihrem dertlärten Antlitz gleichsam stehen geblieben. Man empfand in ihrer Nähe nur die heilsa teit und Masestiit des Todes, aber nicht sein Grauen. Nachdem man sie unter Thränrn der Verzweiflung zu Graden getragen hat te, wollte ihr Verlobter Rechenschaft von Dietrich fordern, der der haupt zerstörer seines Glückes war. Dieser Feigling hatte sich jedoch leider allen Konsequenzen seiner niedrigen Hand lungsweise entzogen, indem er am Be erdigungstage Ellen's adgereist war, ohne daß Jemand wußte. wohin er sich aewandt hatte. So mußte man einem höheren Richter die Vergeltung anheim stellen Zehn Jahre sind seitdem verflossen. Sie reichen aus, um auch den heißesten Schmerz zu mildern und in wehmiithis ges Erinnern zu verwandeln. Doch iider dem einsamen Hügel der Todten schien mir noch seht der Geist des Friedens und der Liede zu schwe ben, jener grossen, Alles verzeihenden Liebe, welche die lehten Lebensstunden der armen Ellen mit ihrem göttlichen Lichte durchstrahlt hatte. -——-0.-0-—·--— Das Wachsthum der stät-en Von allen Nationen am schnellsten termebrt sich die russifchet Rußland braucht nur 45 Jahre, um seine Be köllerungszahl zu verdoppeln In Deutschland sind dazu 65 Jahre nöthig, in Oestetteich - Unqarn 70. England 80, Italien HO, in Frankreich aber 860 Jahre, nnd das auch nur dann, wenn die aegenmärtiae Bevölkert-nas .zi.nabme lich nicht verlleinert, was aber thatföchlich der Fall ist. Was will der Verlust lflsaß - Bett-ringend mit 15 ,Millienen Seelen demjenigen gean iiiber bedeuten. den Frankreich durch diesen geringen Zuwachs an Bevölke rung mit den Jahren erleidet! Jn den letzten fünf Jahren hat sich die Ein tvohnetxakzl Deutschlands um It Millio nen erhöht, die Frankreichs aber mir um 175,000; darunter war noch ein großer Theil nicht französischer Natio nalität. Interesse-Ins Thema. Er schwieg, beharrlich, Der antezreund, Es wollte mir nicht gelingen, Obwohl ich mir redlich Mühe gab, Ein Thema in Fluß zu bringen. Doch siehe, plöklich gelang ei mir, Sein finstetes .S weisse zu breche-re Ich gab ihm naml ch lesenbeit, iel von M ielbft zu sprechen.