Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, July 07, 1899, Sonntags-Blatt., Image 14

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IFFFY2 Creller
X Es 7
(2. Fortsetzung.)
»Er ließ mich bald in einen Seiten
psad einbieaen, führte mich mit großer
ssicherheit durch einen äußerst gefähr
lichen Sumpf und dann zu dem einsam
liegenden Hause eines schwarzenPflam
- zers. der uns Verirrten freundliche
Ausnahme gewährte. Sobald wir nun
Sumpf hinter uns hattet-, schien mein
Schwarzer sich zunächst siir gerettet zu
halten, denn mit dem bei dieser Rasse
so plötzlichen Stimmungswechsel lachte
er und äußerte:
»So, sollen hier Jean Bapiist su
OMX und schnippte höhnisch mit den
Fingern. Am andern Tage setzte ich in
arrßer Eile meinen Weg nach derStadt
fort und erreichte sie noch am Abend.
Als ich dort dern Konsul mein Aben
teuer erzählte, erschrak er nicht wenig
und rief mir bei der weiten Verbrei
tuna und der Gefährlichkeit des Bau
dpuxbundes zu, alsbald Haiti zu ver
lassen.
»Nichts könne mich vor der Nachstel
luug dieser Mördersekte schützen, nach
dem ich ihrer Rache in den Weq getre
ten sei. Da die-S sehr bedenklich klang,
meine Geschäfte auf der Insel auch be
endet waren, entschloß ich niich kurz,
den für Cuba bestimmten, zur Abfahrt
bereitlieaenden Dampser zu benutzen.
Der Flüchtling beschwor mich aber so
lanae. ihn mitzunehmen, bis ich ihm
willsahrtr. Seit der Zeit ist Jean
Daptist mein Bealeiter.«
»Das war schön von Dir, Edgar,«
saate Maria, »aber doch sehr unbe
dacht.« « « — .
.Wer rann in einem Augenoua rau
dltitig überlegen, wo ein Menschenleben
bedroht ist« heiter setzte er hinzu:
»Die: glaube ich auch vor den Messern
und Giften der Bandon sicher zu
sein-'
«Wa3 ist der Baudoux?«
«Eine geheime, weitoerbreitete Seite
unter den Negern Haiti’s, welche noch
an ihrem alten Aberglauben hängen
und dessen schauerliche Zeremonien sie
an verborgenen Orten ausüben. Nie
mand kennt deffA Mitglieder, welche
durch furchtbare Eide verpflichtet sind,
die Geheimnisse des Bundes zu bewah
ren. Man sagt, alle Ausstande unt-Re
volutionen Domingos würden in sei
ner Mitte vorbereitet
»Die Sektejwelche unter dem Ein
flusse der Fetischpriester steht, ist so
verbreitet unter den Schwarzen, und
ihre Organe sind so schlau und rück
sichtslos in ihrem mörderischen Vor
gehen gegen die, welche ihren Zwecken
im Wege stehen, daß selbst die mäch
tigsten Häuptlinge aus der Insel vor
ihnen zittern. Mein frecher Jean Bau
tist, der in einem guten französischen
hause St. Domingos als Diener auf
gewachsen ist, lachte zwar über den
blödsinnigen Aberglauben seiner
Landsleute, fürchtet sie aber wie alle
andern.«
Die Hörer lauschten mit gespannter
Aufmerksamkeit den Mittbeilungen
Edgarsx in des Doktors Gesicht zeigte
sich sogar eine leichte Bewegung, als
Edgar Parect des Vandour gedachte.
»Und ist Dein Jean Baptist ein gu
ter Mensch, Edgar?« fragte Maria
Joar er es werth, daß Du ihn retiest?«
»Nun, bösartig ist er nicht und hat
eine gewisse Anhänglichkeit an mich,
sodaß wir ganz gut zusammen aus
tommen.«
-«Welch seltsame Zustände müssen in
diesem Negerstaate herrschen,« äußerte
Frau von Strehlen. »Herr Doktor
Dahiow unterhält uns auch oft von
seines exotischen Reiseerlebnissen, doch
sind die weniger abenteuerlicher Art.«
»Sie haben auch fremde Erdtheile be
incht, Herr Dottor?«
»Um die Welt kennen zu lernen, habe
ich einige Jahre aus großen Dampfern
als Schissgatzt zugebracht«
Sie berührten auch Westindien?«
»Nein, Herr Baron, ich bereiste die
andere Hälfte unseres Erdrunde5, we
sentlich aus englischen Schiffen. Die
Sundninseln, Ostinoien, China be
rührte ich auf meinen Fahrten.«
»Im ersten Augenblicke Unserer Be
gegnung glaubte ich in Jhrer Person
etwas Belanntes zu finden, ohne je
doch zu wissen, wo ich es meinen Er
tnneknngen einordnen sollte, aber jetzt
weiß ich, was mir Ihr Gesicht zurück
ins Gedächtnis ruft «
«Und?« fragte gespannt der Arzt
Daz Zusammentreffen mit einem
Reisen-den in den Mornen Domingos «
»O, ein Doppelgängcr? Das ist in
Messent.«
,Erzähle, Evgat.«
»Auf meinen Streiszügen durch die
wilden Bergwälder der Insel traf ich
. eines Tages mit einem Herrn zusam
« . der ans eiliger Zahri nach der
f M begrifer war. o flüchtig die
Zwang war, hat sie sich mit doch
eingeprägt denn ein Weis-er ist in je
« m Gegenden eine seltene Erscheinung
IS M Herrn dorthin geführt hatte,
, sit nicht klar, doch auffällig
des er sc- mie für einen Fran
enM Wes-d doch sein fran
zösisch. so gut et es auch sprach
den Deutschen verrieth.«
»Vielleicht war es ein Elsässer?«
»Möalich, die Begegnung war, wie
ich sagte, sehr flüchtig, denn der herr,
er hatte mir anch seinen Namen e
nannt, den ich freilich vergessen ha e,
war in großer Eile. Später hörte ich
von den Schwarzen seltsame Dinge
über diesen Reise-iden, die ich indessen
bei der phantastischen Veranlagnng
dieser Leute keiner Beachtung wör- ;
diate.« l
»So daß ich also keine Veranlassung 1
habe, mich dieser Doppelgängerschast
zu rühmen?« sagte Doktor Dahlow
lachend.
»Noch allein, was ich hörte, nein,
Herr Doktor, doch weni, der sich in der
Welt bewegt, begegnet es nicht, daß
ihm ein Gesicht mehr oder minder nn
bestimmte Erinnerungen zurücke-ast, so
geschah es mit hiek.«
Vom Hofe her, die Fenster des
Speisezimmers lagen nach dort hin
aus, hörte man den Knall einerPeitsche
und ängstliches Geschrei von Frauen
ftimmen. Die Herren standen aus nnd
traten ans Fest ter. Aus einem mit
Kisten und Kossern beladenen Wagen,
der eben eingesahren war, stand ein
Neqer, der rnit vergnügtem Grinsen,
welches zwei Reihen weißer Zähne
sehen ließ· nach den Mägden hin
schaute, die bei seinem Anblick schien
niast die Flucht ergriffen hatten.
Jean Baptist hatte sich, seit er Ham
burq verlassen hatte, an solche Wir
kunq seiner Persönlichkeit gewöhnen
müssen und nahm sie mit Genugthus
una hin. Sie schmeichelte seiner Eitel: «
i
)
ren. Vier war der Erfolg seines Aus- "
tretens um so größer, als man in
Margberge seit Menschengedenten tei
nen Neger gesehen hatte. Auch die
Diener und Knechte schauten seht ver
wundert aus ibn. Baron Edgar öff
nete das Fenster und ries: »Frau
Bavtist!«
»Ah, Herr Baron, zu Ihren Dien
sten, da bin ich!« ries der Schmutze
und schwenkte grüßend das lleine Hüt
chen welches er von seinem Wolltopse
qeriisen hatte
Die Dasnen waren am Tische sitzen
aeblieben und Maria saate: »Bitte, Ed
aar, laß Deinen schwarzen Mann he
rauskommen, ich bin neugierig, ihn zu
sek«sen.«
»Gem« Er rief dem Neaer in die
sem Sinne iu, und mit einein:«..Sos
fert, Herr Varcn2« sprana der Neaer
aewandt vom Wagen und aina ins
Schloß. Gleich daraus öffnete ein
Diener die «Tl1iir und liese Monsieur
Jean Bavtiii Leclerc eintreten.
Der Sohn der Republil St. Do
n:inao, ein schlank aewachsener, kräfti
cer Bursche, mit einer echten Neaerphn:
siranoinie, aus deren tiesduntler Farbe
das blitzende Weiß der Auaen arell
bervorleuchtete, trat mit viel-O Oicherheit
e: n und verbeilate sich vor den Damen
in so arotcster Weise, daß diese ein
Lächeln nicht unterdrücken konnten.
Gekleidet war er in einem einfacher
blauen Trick-anzusi, der seine muss-tu
löse Gestalt hervorbob.
»Nun, mein schwarzer Bursche,«
redete ihn Baron Edaar französisch an,
»bist Du endlich anaelanqt?«
»Ja, here Baron,« entgegnete Jean
Bavtist ebenfalls in französischer
Sprache, ..nach vielen Besanverlichiei
ten, doch ist alles unbeschädigt hierher
aelommen.«
Der Baron hatte-ihm hauptsächlich
die Ueberioachung seiner Sammlungen
anvertraut.
Jsortresslielz mein Theater, Du bist i
die Perle aller schwarzen Dienen«
Iean Baptist verbeugte sich sie-s
schmeichelt
»Die Damen hier hatten den
Wnnsch Dich ganz in der Nähe be
wundern zu können nun zeige, daß Du «
ein Mann von auter Lebensart bist·«
Jean Bavtist atinste, seinen Mund
Zu bedenklicher Weite öffnend, ver
beuate sich wiederholt vor den Damen
und saate rnit chlaienbaster Gewandt
PJnein Damen. Jean Lapi-ist
ist. kålå eh: acalätsaråerMer Ab
es Zur at en re n
Ihrer Besehle ans das Mlichsie zu
ersiillen «
Die beiden jungen Damen nickien
ilnn lachelnd z.u
ins-IN ÆJT Wes-«in
kzck
MZÆI W Muts Sinne-es
m ·«
F »und tm, meine Damens suqte Ver
iunae Schwarze mit einer neuen Ver
beugung hinzu, «bin stolz darauf, in
Monsieur de Pareck einem Kavalier
ohne Furcht und Tadel zu dienen.«
Dies lam durch die qtotesk würde
volle Art Jean Baptist’s, der jich eifrig
bemühte, den Kavalier zu spielen, so
drollia heraus, daß Elise und Maria
herzlich lachten
Der Netzen den diese Heiterkeit
durchaus nicht itritirie fu in dersel
ben unfreiwillig komischen- eise fort
»Ja meine Darm-, ich bin stolz da
rauf, ihm zu dienen, Monsieur de Pa
reet hat mir in einer verhängnisvollen
Stunde meines Lebens —«' er stockte
und starrte mit weit nutneritsenen Au
gen aus Doktor Wahlen-.
Bisher hatte er diesem wenig Ach
tung geschenkt, doch bei einer seiner
eleganten Wendungen war sein Blick
aus das Gesicht des Doktors gefallen.
Der Schwarze stand bewegungslos,
das Auae aus den Arzt gerichtet. Ver
wundert sahen Alle aus Jean Baptisi
rxnd dann aus Dahlow Nach kurzem
Schweian äußterte der Doktor in
deutscher Sprache
,.Nun, gefalle ich Dir so. mein
schwarzer Adonis, daß Du mich mit
Deiner besmderen Aufmerksamkeit be
ehrst?«
Jean Baptist antwortete nicht, aber
sein geschmeibiaer Körper zog sich Zu
« sammen, als wolle er zum Sprunge
ansetzen, und sein häßliches Angesicht
drückte Zorn aus.
Alle erstaunten über dies sonderbare
Gebahren oes Reiter-T am meisten Ed
aar.
Nachlässic äußerte derDottor: »Ihr
Neqer hat adsonderliche Manieren,
Herr Baron." s
»Im-r Baptist,« sagte dieser streng,
,.kenimrn Dich wie ein wohlerzogener
Mensch."
Der Sckrswarze wandte langsam das
Auge von Dnhlonx er richtete sich ans
und seine Züge nahmen wieder eine
ruhiae Haltung an. s
»Pardon, Herr Baron,« sagte er,
»das Gesicht dieses Herrn erinnert mich
an eine frähere Bekanntschaft.«
»Der Mann muß gleich Ihnen,
Herr Baron, meinem Doppelgänger
aus Haiti begegnet sein,« sagte ,der
Doktor lachend, und es scheint. als ob
der nicht gut bei ihm angeschrieben
eI.«
Jean Baptist hatte seine gute Laune
verloren und sein Geh-ihren, der grim
miae Ausdruck seiner Negerphysiogno
mie. die Damen erschreett. Dies ge
wahrend, sagte Edaart »Geh zum
Schloßtastellan Jean Baptist, er
spricht französisch und wird Dir Dein
Quartier anweisen-» Dann «laß »die
innen naco einem Zimmer orrnqens
»Hu Befehl, herr Baron, sofort.«
Er wandte sich und aina, und ein
scharfer Blick streifte den Doktor, ehe
er das Zimmer verließ.
»Was hatte der Mann. Edaar?«
»Ich vermuthe, es ist ihm, wie
mir, die Aehnlichkeit des Deren Dolior
mit jenem Reisenden aus haiii auf e
sallen, dessen ich erwähnte, ich will ihn
darnach besraaen.«
.Welch ein seltsamer drolligerMensch
und doch wie grimmig konnte er drein
schauen.«
Frau von Siredlen hatte den Vor
aana aufmerksam beobachtet und dabei
Dadlonfs Gesicht mit einem ironischen
Lächeln arstreist, ohne damit dessen
Gleichmuth zu erschüttern.
Da die Lust milde war, und die
Sonne noch warm hernieder-schien äu
ßerte Maria den Wunsch dasz die Ge
sellschasi den Parl aufsuchen solle
Veraniiat pflichtete man ihr bei.
Der Doktor und Cdaar ainaen hin-·
unter« dort die Damen erwartend.
Als sie langsam vor dem Schlosse
aus und ab ptcmenirten. begann Ed
aart »Sie weilen erft kurze Zeit in
Marsbemr. Herr Dol.tor?«
»Seit seids Monaten, Herr Baron,
und das ist lanqe aenua, um den
Wunsch nach einem arößerenWiriunas
kreise recht lebhaft zu empfinden-«
»Beareislich bei einem Manne, wel
cher ein auteg Stück dieses Erdballes
Jsäben hat. Marsberge ist ein ödes
e .«
»Als ich micb hier niederließ, geschrh
es in der Hossnua, daß ich. nachdem
ich mehrere Jahre in unrudiaem Tha
tendrnna fremde Länder und Menschen
ausgesucht hatte, lsier in Ausübun;
meiner Kunst ein bedaalielieä Dasein
siihren würde. Doch es scheint ich
bin sür dieses stille Philister-leben nick, t
geschossen und sehne mich wieder in
die Welt«
»Dntf ich skaaen welchem deutschen
Brudekstcmm Sie angehören, Hm
Doltor?«
»Ich bin im Posenscben zu hause,
drch stammt meine Familie aus Med
lenbuta!'«
»Und welcher Zufall bat Sie ini
diesen abaeleaenen Etdenwinlel ge-l
kuhkt2« l
»Aus detReise nach dem Hochaebirge
lernte ich Frau von Sttehlen kennen»
ihr Wohlwollen veranlaßte mich, mich!
um die eben frei aelvokdene Stellunnf
biet zu bekunden Die brhe Obriqleit -
sfand meine Zeusnisse qenünend und ak
stattete mir die Ausiibuna der PrakiH.«
»Und Sie haben Fräulein Von
Strehlen von Beginn ihm Krankheit
an in Behandluna?«
» wurde, als sieh die ersten Löh
muna erscheinnnaen zeigten, sofort zu
Rathe aezonen."
»Und wo suchen Sie deren Ursache?«
»Der Sitz der Krankheit ist in
einem der Nervencentken. Ich ver
muthe, dass ans eine Pattie des hient
oder des Rückenmartes ein Druck aus
aeiibt wird. nur daß sich bis jetzt nicht
feststellen liest, wo und durch was.«
»Und welche Hoffnung haben Sie
für die ZukunstN »
»Ich hoffe, da bei der Jugend nnd
Lebenskraft der atientin die Natur
selbst den Heilungtprozep vollziehen
wied. Die Lähmung hat m den leiten
Wochen keine Fortschritte gemacht
mhl aber ängstiat mich der Zustand
des Herzens« let-Hürde Dypertrophie.«
»O —- das trinke —« und Edgae et
Eis-M - »- M D »k
« r , a or a w
Wink »wi- mau mik«minheicie, un
sen-s en. ,
»Sie M en mit zu viel Ohne, ich
im mitsa- an Wer-Me- interesse-,
have drei Semester tu verbarg halb
verburnmelt. bald der Satan-h meinem
Liedlingzstudium aetvidmet Das iit
alles. Halten Sie die Gesahst daß
das Herz hypertropdisch wird, siir’
dringend?« —
»Die ietzt noch nicht. Doch schließe
ich aus seinen Zustand nur nach oder
sldjchlichen Erscheinungen, da das
Fräulein verweigert sich eingehend
untersuchen zu lassen.'
Edaars Auge streifte seinen Beatri
ter. Doktor Dahlow tvar ein« stattlicher
Mann von vielleicht zweiunddreißi bis
vierunddreiszig Jahren, mit inter an
tem Kopfe, von aristvollem Ausdrucke, T
aber Edaar war Menschentenner ge- z
nua, um den launischen Zug, der um »
die starken Lippen des Mannes spielte. I
zu gewahren « ·
Er beariss, daß die iungsriinlichen
Jnstinlte Marias sich argen eine Un
tersuchung von Diesem Manne aus
lidnten Das Gesicht Dahloickg hatte
durch das Gemisch von hoher Intelli
aenz und sinnlichen Neigunaen etwas
Ltbstoszendes siir den jungen Edelmann.
ob er sich gleich iiber die Ursache seines
Widerwillens im Augenblick nicht klar
ward.
Das Thema anderm-, warf er leicht
bin: »Sie, sind verheirathet, Herr
Doktor?«
Mach nicht. herr Baron,« erwiderte
der Geiraate mit einem leichten Lä
cheln, »ich muß erst einenBoden finden,
in dem ich wurzeln kann, ehe ich eine
Ehe schließe. Hier bade ich diesen Bo
den nicht aesunden.«
In ihrem von Trbias arschodenen
Rollstndle erschien« Maria von Streb
len vor dem Schlosse. bekleidet von den
beiden Damen, und dies endete die
Unterreduna.
»Komm. alter Tobias,« sagteEdaar.
,iLk;erlaß knir das Amt, Fräulein Ma
ria zu fahren, und sei mir nicht böse,
wenn ich Dich von Deinem Ehrenposten
bade-änan
»Ist schon in auter Hand,« schmuns
zelte der alte Weißbart und trat zu
rück. während Edaar hinter den Roll
stuhl trat, in welchem Marias ichlanle
Gestalt in anmritbiqer Laae ruhte.
»Wie aut Du bist. Edgar,« sagte sie,
und ihr schönes Auge ruhte mit dem
Ausdruck herzinniaer Freundlichkeit
aus seinem Gesicht.
«Jch über nur Brudertiebe, Liebste
-—— und das damit verbundene Recht
des Beschützers aus.« und das Fahr:
zeug in Bewegung- setzend. stredte er
dem schattigen Laubenaanae zu, der
sich unter altersarauen Bäumen öst
nete.
St s- »·-k ,k k»
Frau VOLI Ollclliksh Eus( lUIU Ucl
Dotter gingen nach —- Tobias folgte
in einiger Entfernuna.
Edaar schob den leichten Stuhl.
in welchem das schöne bleiche Mädchen
mit einein glückseliaen Antlitz lag. mit
starkem Arm vor sich der und bog bald
ncch rechts ein« als sich ein Weg zeigte·
Die kelaubten Aefte, welche sich iiixer
den Pfad beunten. hüllten ihn in ein
traulichcs balbdunleL
Edgar kannte die verfchlungencn
Gänge des Parted von Juaend auf gut
genug, und als er noch einian ihrer
Windiingen gefolgt war, fuhr er lang
samer; er wußte sich ietzt allein mit
Maria.
»Wie fühlst Du Dich. Schwester
lein?« fragte er dann.
»Oh, obl, Cdaanckvie seit langer
Zeit nich, mir ich fr« leicht uin’5 Herz
und Sinn, —-— ich bin alüctlich.'«
Sie sah mit einem Lächeln so kind
licher Freudigkeit zu ihm auf, das-. es
ihn tief rührte. »Wie freut es mich,
mein Lieblinin
»Du mußt bei mir bleiben, Edaar,"
fuhr sie leise sprechend fort. »ich din so
schwach-s—so hilflos « ich bedarf
Deines starken Schutzes.«
»Wie?« fragte et betroffen, »in-it
Du zu tlagen —- fekzli es Dir an aus
meitsamer Pfleae?« —
.,O, nein, nein,' —- saate sie eifrig,
»Meian und die gute Lisa sind» die
Atgopferung selbst. aber ich furchte
mi vor dein —- Doktor.«
.Wie?« fuhr er fort.
.Er i sicher ein qewissenhafter.
wohl ais sehr geschickter Arzt-aber,
ein Schauder des Widerwillen-s til-er
läust mich, wenn et in meine Nähe
kommt —- es mag undantdar erschei
nen, doch es ist so,« und sie bedte de
« merkbar, während sie so sprach.
- Ader mein liebes Kind. so schicke
i doch Fort und lasse Dir andere·
rzte w -en.·
«Mama M to tevr von min einge
nommen unt-ist der festen Ueber
eugung, nur er allein könne mich bei
n, ich wage es nicht.'« Sie streckte Ihm
ihre schmale zarte band entgegen,
»Wenn Du mir vie Gesundheit wieoet
geben könntest.«
Trautig entgegnete et: »Leide: bin
ich kein Arzt."
»Ah, schon Deine Nähe. Edgar, iibt
wohlthätigen Einfluß auf mich aus«
mich diinlt, daß Du mit händeaufles
gen mich heilen isnntelt.«
»Ach, wenn ich diese Macht besage
Kind — wie glücklich wäre ich. och
age »mi: einiges von DeinemZultande,
ema.«
« tagel«
»Hu Du oft Kopiichmerzen an ei
ner e timmt zu begrenzenoen Stelle
des Kopfes?«
»Nein, nur matt-mal bemächtigt es
lächbzmnet gleich einer dumpfen Be
u ng.«
»Und fühlst Du hier nnd da starkes
Ortssle und zugleich Beängftiguns
«Ja, mitnnter. O, wie aut Du inei
nen Zustand kennst.«
«U d Du
Musen lenkte-P Dein Here nicht nn
p— s—s--s-- ,
—
R »Noch Doktor Deshwa sitqte er
nzu.
«Retn,« sagte sie hastig —- »sein,
von ihm nicht —- nie." «
»Aber hättest Du etwas dagegen,
ryenrk Doktor Bertram Deine Zerzthik
ttgtett belauschte?« Doktor extra-n
nzar der andere der in Marsberge an
fasstqen Aetztr.
« nein," entgegnete sie lächelnd,
»Dort-It Bertram ist mein lieber, alter ;
reund —- er taten sein Hörrohr an- ;
ehen.«'
»Gut, morgen soll es «««1eschel)en.« ·
s »Edgar —- dte Mama —-« ;
I »Sollte sie etwas dagegen haban« - l
»O, es tpird thr —'« «
. ,«.Kann«1hr nur angenehm fein, Ma- F
tra. Willst Du Dich eine-: örztlichen
Oberleitung unterwerfen-P
·,.Ja, gerne —«
»Und mich handeln lassen?««
»Nu- darsst Du Mama nicht ver
lese-U
»Gewiß nicht. Vor Allem muß der
Patient zu seinem Arzt Vertrauen ha
ben; dringst Du dieses Doktor Ber
tram entgegen?«
»O, gen-iß.«
»Nun, so tzolett wir ihn morgen.«
»Aber Doktor Dablow«s«
»Ihr-n kann es nur erwünscht korn
tnen, ieine-Beobachtunqen mit i-enen
des erfahrenen älteren Kollean ver
gleichen zu dürfen. Ich wund-re mich,
dasz er ihn nicht zur Kvniultation her
beigeruer hat.« ,
»Er hat wiederholt davon gespro
chen und den Wunsch ausgedrückt,
Dottor Beitram«g Ansicht zu verneh
men, aber Mama ließ lieber zwei he
rühmte Professoren lommen. sie hat
gar lein Vertrauen zu Bertranr. seit
er Papa nicht zu retten vermachte.«
»Er ist ein in langen, menschen
freundlichen Diensten arau geworde
ner Diaanostiter, und wir werden ihn
hören. Doch siir je t aenua, Maria«
von DeinemGesund itszuftande, diese
alten Baumriesen haben so oft von
unserem lindlichenJuhel wiedergehallt,
daß sie solche Dinge aar nicht hören
sollten. Ich hege die Zuversicht, daß,
wenn wir auch nicht mehr in wildern
Toben durch die Gänge iaaen, sie doch
noch den Ton des Glückes und tiesin
nerer Zufriedenheit vernehmen wer
den.«
»Edgar, was warst Du siir ein wil
der Bursche —'t
»Na, Fräulein Schweiter.« sagte er
neelend, »viel fehlte nicht. daß Du mich
erreichtest, ich tann mich noch einiger
Streiche entsinnen ——"
»Willst Du still sein« Böser!«
Er lachte und sie stimmte heiter, trie
in ihrer sröhlichsten Juaendieit, nxit
ein. Der Ton war selten aetcorden un
ter den Bäumen des Bartes von Berg
heim. "
»Welch ein Gliäch Edaar. daß Du
endlich zurHeimaih zurückaetehrt bist-«
Nach einer Weile« itillen Nachden
tens siiqte sie wehmuthsvoll hinzu:
»O. dasz der Großvater es nicht er
lebt hat, den Sohn seines Herzens
wiederzuseheer
»Auch mir, Maria, ist es leidvoll,
seiner würdigen Gestalt im Leben nicht
mehr zu beacgnen.«
»Ich weiß es, Edaar. O er schied so
rasch von hinnen und lief-. mich cglg die
Erbin all seines Reichthums iusiiit —
tvenn er doch lesztwilliae Bestimmun
gen getroffen hätte und noch andere
als mich bedacht.« -
Erstaunt sagte er: »Ein Testament
war da, das weiß ich. Fand sich teinez
rot? Es war bei dem Notar Klein in
Mareherae hinterleat."
»Der alte here starb aleichzeitia mit
dem Großvater, und sein Archiv
brannte bald daran ah. Beim Gericht
war tein Testament devonirt.«
«Sonderhar —«'
»Gewiß war auch Deiner in seinem
letzten Willen gedachi.'«
»Nein.« sagte er lächelnd. «meiner
nicht. das hatte er mir vorher ange
zeigt, ich hohe das. was mir von der·
Großmuth meines edlen Pilegevaters
bestimmt war, mit Pareck voraus ein
ksangem Aber trohdern Du ia»l«lnivek
sCickoill ch", Wllllvckl kb llilcy Doch
daß lein Testament. wenn auch nur ein
Duplitat, vorgefunden wurde, mag
das Original auch immerhin ber
brannt sein.'«
»Wie es auch sei, das Fehlen eines
Testaments, in welchem gewiß clise,
die Diener und wohl auch noch andere
Personen bedacht waren. hat tiefen
Eindruck auf mich gemacht. Damit
nicht Hülslose zurückbleiben wenn ich
von Gott abberusen werde -— habe
ich vor einigen Tagen letztwiltig ver
sügt.«
»Maria!«
»Wundert Tich das« Edaar? Als
meine geheimnißvolle Krankheit auf
trat und langsam Fortschritte machte,
mußte ich natürlich an das lehte Ende
denken. Was würde aus Mama und s
Elise, aus den treuen Menschen wer- -
den« die dem Großvater ein ganzes
Menschenleben hindurch gedient haben,
wenn nicht so sitt sie gesorgt würde?
Auch du bist nicht darin vergessen,
Edgar,« sagte sie mit einem Blick so
tief-: ··kmchreu, daß ihm das he-i
wegte erz höher schlug.
Er er riss ihre hand und küßte sie. ;
»Mein lebes, liebes Schwesterlein, Du J
wirft genesen und im frischen Leben »
fiir die sorgen, deren Du in Deinem j
Testament liebevoll gedachtestX
»Mit-re ed sein, to e Du et sagst.«
»Wie gut Du warst, in solche-after
Weise Dich unser anzunehmen, ich be
wundere Dich, Maria.«
»Wie sagt hamlet: »Komm ei nicht
heute. so kommt es doch morgen, in
Bereitschast ein, das ist alles.«
mußte doch e Zukunft der guten L a -
stehen« und ich fühlte . t os
ben, als ich es gewaan sch geh
»Das oollithitinliche Sprichwort
faat denen, welche ihr Testament ge
macht haben, langes Leben u,« sagte
er, nnd um seinen Mund pielte ein
; Lächeln, während feine Augen feucht
tout-den«
»Du siehst, ich füge mich geduldig
dem, was ver Himmel schickt, Und
glücklich bin ich, wenn ich andere
glücklich machen man-Doch wir sind
so ernst geworden, Ebgar, und ich fühle
»sich so unbeschreiblich wohl — laß
uns der Gegenwart freuen-horch, da
kommen die Andern,« man hörteStim
men durch die Büsche klingen, ,,fahre
mich ihnen entgegen. Bitte, sei recht
freundlich gegen Lifa, sie ist empfind
lich nnd wähnt häufig sich zurückge
setzt und jetzt wohl auch, wennDn Dich
nur mit mir beschäftigft.«
Er nickte nnd schob den Stuhl den
Kommenden entgegen.
»Ah, da sind Sie ja,« sagte Frau
von Strehlen. »Ihr habt gewiß die
Tummelptiitze Eurer Jugend Aufge
sucht, Maria«
»Nein, Diama, wie haben nur von
der Vergangenheit geplaudert.«
Da sie Tobias bemerkte, rief sie ihm
Fug »Komm, Alterchen, und fahre
mich, ich etmüde Dich nur« Eda0k—«
Bereitwilli tiberließ er dem Diener
den Sessel. "« ngsam, mit den Uebri
gen einhersrhreitend, befand er sich bald
an Liscks Seite und bildete mit ihr
den Rachtrab. Eingedent des Wiittes,
den ihm Maria gegeben hatte, sa te er
mit viel » reundlichteit: » gosse,
Fräulein isa hat sich des wilden Ge
spielen· wenn sie überhaupt in diesen
Jahren seiner gedachte, mit Nachsicht
und Wohlwollen erinnert.«
»O ia,« entgegnete sie leise, verle
aen und dasselbe verrätherische Roth,
welches sich zeigte, als sie bei Tische
saßen, erschien wieder in ihren Wan
gen.
»Ich war überrascht· und ersreut,
die beiden tleinen Mädchen, die ich ver
ließ, als so anmuthige Damen wieder
zufinden. Wie ich auch in der Ferne
meiner Freunde aus Bergheim nicht
vergaß, wird der Inhalt meiner Kos
fer beweisen. Fräulein Lisa wird mir
hoffentlich aus alter Freundschaft ge
statten, ihr ein Errnnerungszeichen
an meine Reisen zu überreichen.«
»O. Sie sind sehr gütig, Herr Va
ron.« Ihr Gesicht war mit einein ro
sigen Schimmer überhaucht, der ihm
sast den Anschein blühender Gesundheit
verlieb, und ihre Augen strahlten
Freude wieder. Sie überwand ihre
Schiichternheit und suhr satt: »Es
wiirde nicht zu verwundern sein,
wenn Sie unser in jener sremden und
so viel großartigeren Welt nicht ver
gessen, oder doch nur selten gedacht
hätten.«·
«Sie haben nicht ganz unrecht,
Fräulein Lisa, der Zauber, welchen
die Tropennatur ausübt, umstrickt die
Seele: wenn ich aber einsam in inei
ner Hütte oder unter Gottes sreietn
Himmel an meinem Feuer saß, wan
delte mein Geist stets zur lieben Hei
math, die doch schöner ist, als alles aus
der Welt, und zu den Lieben, die serne
von mir weilten.«
»Und ost- habe ich gebetet, daß Gott
Sie vor Gefahren beschützen möge,«
sagte sie innig und setzte dann rasch
hinzu -—-— »Maria und ich ---—«
»Wie gut und freundlich Sie sind,
Lisa, der unruhige Weltenstiirmer
hatte es taum verdient, daß Sie seiner
mit so herzlicher Liebe gedachten«
Er sagte das achtlos, denn der Ton.
in welchem das verioachsene, lriintliche
Mädchen gesprochen hatte, bewegte
ihn; da er vor sich lnnbliette, gewahrte
er nicht« wie eine heiße Nöthe in ihrem
Gesicht ausstieg. Jhre Lippen hauchten
nur leise: »Herr Baron —«
»Aber warum nennen Sie mich ni
Edaar wie seither, Lisa? Wollen Sie
mich nöthigen, Sie gnädiges Fräulein
zu nenneni«»
»O -—," zogernv nur kam es heraus-,
obwohl ihr Herz freudig pochte —
«sollte nicht die Zeit —-?«
»Uns, die wir doch als Kinder
miteinander gespielt haben, zu konven
tionellen Hoflichteiten zwingen? Aus
dem Kinde ist eine junge Dame gewor
den. das übersehe ich nicht s-— aber das
Herz dürfte doch dasselbe geblieben sein
-— meins schlägt noch wie sriiher für
meine Jugendgespielin. Lassen Sie
mich tein Fremder fiir Sie sein, Lisa,
und halten wir auch in Zulunft treue
Kameradschaft.«
Er streckte ihr mit herzlicher Gebärde
die Hand ent egen, die sie zögernd er
griff, und leise sagte fie: »O gewiß.«
Dann schritt sie stumm neben ihm
her. Frau von Strehlen wandte sich
um und sah in das so mädchenhaft
schüchtern und doch in Freude strah
lende, rosig angehauchte Gesicht ihrer
Tochter-, und ein scharfer Schmerz zog
durch ihre Seele. Das waren ver
rätherische Zeichen. —- Daö arme Kind
—- wie tief bewe t ging sie neben dem
Flltanne —- der o gleichrnlithig drein
ah
Lisa ahnte nicht, was sie dem sor
fchenden Auge der Mutter verrieth,««
noch weniger, was sich tief im Grunde ·
ihres jungen herzens regte. Auch
wußte sie nicht, wie deutlich ihr Antlis
die Empfindung holden Glückes rote
der-spiegelte.
Maria, welche, als sich Frau von
» Strehlen zu den Nachkommenden
j wandte,» in Gesellschaft des Doktors
; zurückblieb, rief na Liset, nnd eilig
» bewegte sich die Gern ene zu ihr
s Mortsesnna folgt)