Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, June 23, 1899, Sonntags-Blatt., Image 16

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C. Z. Fortsetzunad
Wie Bei-no mit seinen zwei Villers
wieder nach Haufe gekangte und was
Vater und Mutter Timm sowie
Timm iuniot noch alles auf ihn einsie
redet hatten. das wußte et dann nicht
meist-. Nur ein paar Püffe und Kopf
nüsse, die ihm im Laufe dieses Tages
bis zum Abend here Queck noch ver
setzte fühlte er und auch diese ginqu
ziemlich eindruckslos an ihm vorüber.
In seinem Kopie herrschte eine gean
dir-se Aufgeregtheii und Vetwitrunzi
Der Wagen morgen früh wartete nur
auf ihn. Und irotzdsn schien es ihm
canzi itnmöqlich zu sein« der Verlockunn
Am Abend, als Herr und Frau
Quid sich auf den Marttplatz zur
Vorstelluna begaben, war es aanz
selbstveistiindlich daß Bruno zu Haufe
blieb.
»Wenn du gegessen hast, dann
nimmst du oben in der Kammer die
Platten aus dem Wasser und stellst
sie zum Trocknen hin. Aber saß sie an
den Rändern an und sei vorsichtia,«
faate Herr Queck zum Abschied
Es handelte sich um die Aufnahme
eines hohen Herrn. des Herrn Land-—
rath, den Herr Queck an diesem Tage
die Ehre gehabt hatte. zu photogra
phiren Man hear-ist« von welcher
Wichtigkeit für das künstlerische Re
nommee der Firma das Gelingen die
ser Aufnahme werden und wie die
Platten herrn Quecl am Herzen lie
gen mußten.
Mit seinem Abendessen war Bruno
sehr schnell fertig.
- Als er oben in die Dunkeltammer
trat, waren seine- Gedanken nach wie
vor nicht mit Herrn Queck, auch nicht
mit dem deren Landrath, sondern mit
der Familie Timm beschäftigt. Bruan
war zerstreut und so larn es, daß plötz
lich etwas klirrend aus die Erde fiel
und dort in Scherben ging. Es sparen
dies die beiden Platten ——— das Brust
stück und das Kniestück des Herkul-and
rath.
Bruno verbrachte eine schlaslose
Nacht. Er lag in seiner einsamen Kam
mer und als er die Hausthüre gehen
und dann Herrn und Frau Quect oic
Treppen herauskommen hörte, wir eH
nicht anders-, als wenn der Delinqurnt
in seiner Armensünderzelle die »Ja-eine
des Gevatter Scharfrichter vernimmt.
Morgen früh muß sein Verbrechen an
den Tag kommen. err und Frau
Dueck standen, weil ich in solcherFrühe
die Leute nicht photographiren lassen,
Erst ziemlich spät auf. Bruno hatte bis
dahin die Schautiisten vor die Thüre
u hängen und das Atelier auszufegen
uch an diesem Morgen hängte er die
Schaulästen aus, nur wunderte sich die
alte Dienstmagd, als er an der ofseien
We vorbeiging, da er heute seine s
Mühe aus dem Kopie hatte und ein
kleines Piiekchen in der Hand trug. !
« Der grüne Wagenjm Hase zum An- ’
(
ter, in dre Bruno unvemerri ouras erne
hintertbür bineinsab, war schon fort,
ker, in den Bruno unbemerkt
durch eine Hintertbijr hineinsab,
war schon sort, er war schon aus der
Landstraße nach Röbrsdors aber der
gute alte Schimmel ging einen so ge
rnöchlichen Paß, daß Bruiio gar nicht
hätte zu lausen brauchen. Timm Junior
saß ans dem Kutschbock und als er
Bruno erblickte, bielt er von selber an.
Weder von seinem Onkel noch von
rrn oder Frau Queck hatte Bruno
eitdern in der Folgezeit je wieder et
was vernommen
Bis in den Winter hinein, zog der
grüne Wagen von Dors zn Dorf, von
Stadt zu Stadt.
Für gewöhnliche Leute blieb es un
verständlich, dasz die Truppe Timrn,
wenn sie Vorstellungen gab, in ihren
Tritt-is nicht stor. Nur gegen Regen
war sie empfindlich, weil dann das
Zaun-ers naß wurde.
Für Bruno begann jetzt die Lehrzeit. »
Daß der Banlist seine Zöglinge «
beim Unterricht mißbandelte, wird in
der Neu-Zeit als ein bösartiges Märchen
berschrieen· Bruno selber aber er- .
kannte später, wenn er über die Technik
seiner Kunst nachdachte, daß er ohne »
die Mißbandlungen seines Lehrmei i
Her-? niemalzein sertiger Artist gewor- j
den wäre, so wenig wie es bei der Dres- T
« sur von manchen Thieren ohne Stock- s
schlägt abging Brutto brachte seine (
Menntnisse rnit, nur seblten ihm
M die Sauberkeit und Exaktheit der i
"-j § Musik und so mußte er noch einmal l
den Ansangsgriinden beginnen i
l
etc-sie was er lernte war e n
, ishr-r Pur elbaunt, dann kam
- dat, eine rt oonPurzelbaurn, .
W Lein der Körper im Schlußsprung «
W steter aus die Beine zu stehen
W, hierauf das regelt-echte hande- :
M die Courbette und den
— ww ausspricher den Sai
- Mitte dessen der
« ( Drei e eine roti
i Im die Lust macht,
to, wobei der
» mit beiden
Rade bei
sogenannten .
Ivjvvvvvw
»Schmeißeks« tritt nnd von diese-n ab
qeschleudeet wird. Jn kurzer Zeit
lernte Bruno auch den doppelten und
selbst den dreifachen Salso, der bei
Knaben feines Alter-.- als eine außer
ordentliche Leistung galt, weil die jun
gen Glieder dem heftigen Anprall sel
ten gewachsen sind nnd dieser leicht die
Kniee kunikt. Bei allen diesen Exce
citien blieb Brune, was ein Haupt
prinzip im Unterricht war, det Wei
sung eingedenk, niemals im Augenblick
der Ausführung auf das Kunststück,
dqu er machen sollte, an und für sich
seine Gedanken zu trauen, sondern
ausschließlich nur ans den Punkt des
Bodens-ums dem er landen sollte. Zum
erstenmale-erfuhr er nun auch endlich,
was Angst war. Das geschah, alxs er
das Trabez bestieg. Es war im ersten
Winter, Vater Timm hatte in der Hei
marh neben seinem Hause eine Scheu
ne, welche fiir Bruno die tägliche
Uebung-stät« bildete. Sein Lehrmei
ster hing über ihm an einem noch höhe
ren Trapez und er hielt ihn an einer
Leine fest. Die wenigen Meter unter
Bruno gähnten ihn wie ein Abgrund
an. Der Angstschweiß lief ihm an den
Händen entlang. »Allez!" rief oben
sein Lehrer und Bruno sprang. Der
Sprung war gegliickt. Es war das
erste und das letzte Mal gewesen, daß
Bruno Angst gehabt hatte.
Pferde außer dem alten Schimmel
hatte Vater Timm nicht. Der alte
Schimmel hieß Bucevhalus. Manch
mal führte ihn Vater Tirnm nach als
Schuldserd vor oder Timm junior ritt
Panneau aus ihm. Seine größten
Triumphe in den Vorstellungen aber
feierte Buceplmlus, wenn Vater Timm
ihm ein Bouquet zwischen die Zähne
steckte und ihm befahl, er solle dies
unter den verfarnmelten Damen der
jenigen überbringen, welche die schönste
wäre. Einen ganz besonderen Jubel
erntete dann Bucephalus jedesmal,
wenn er zufällig vor einer Dame stehen
blieb, die alt und häßlich war. Auf bem
alten Bucephalug lernte Bruno auch
reiten, speciell Joach- und stehend rei-·
ten, erst mit dem Panneau, dann unge
sattelt. Oben in der Decke derScheune,
genau in der Mitte, befand sich ein gro
ßer eiserner Ring. Aus diesem Ringe
hing rnit seinen beiden Enden die aus
startem Hans gedrebte Leine, die Longe
herab. Das eine Ende wurde Brune
um den Leib befestigt, das andere Ende
hielt fein Lehrmeister. Timm junior,
der senkrecht-unter dem Ringe stand, in
der Hand, so daß er, wenn Vruno von
Bucephalus, der in der Runde trabte,
herunterglitt, ihn in demselben Augen
blick an der Lange in die Höhe zog und
Bruno unbeschädigt blieb.
Von Natur aus war Bruno dasje
nige, ohne das einBantift nicht zu den
ien ist, angeboren — dasGleichgewicht,
das Cauilrbre. Die Peitsche, die Tini-n
iunior führte und die er Burephalus
beim Traben vor der Nase tanzen ließ,
um ihm damit das Tempo anzugeben s
fiel manchmal llatscltend aus Bruno 1
selbst. Jn drei Jahren war Bruno cis-.
iiuter Parterregymnastiter. ein guter
Hochturner und ein ebenso guter Jocken
geworden
Als wieder einmal Winter wurde,
starb Vater Timm. Es stellte sich her
aus, daß er ein hübsches kleines Ver
mögen hinterlassen hatte. Noch in
demselben Winter verlobte sich Atti-m
mit einer begüterten Gastwirtgtochter
aus der Stadt und Mutter Timnr
wurde in der Folgezeit noch liickliche
Großmarna· Das ziemlich to spielige
Tauwerl und sonstige Handwertszeug
wurde gut verkauft, Bucephalus zog
fortan, soweit es sein Kräfte zuließen,
nur noch Mehlsäcke, wurde in seinem
Stall infolge von Maisfiitterung dick
und fett und träumte manchmal noch
von grünen Wiesen undvon dunklen
höfen — und die Truppe Tirnm war,
weil die Erträgnisse der legten Jahre
ohnehin start zurückge angen waren,
ausgelöst. Wenn der rtist von einem
Circusunternehrnen spricht, so ge
braucht er dafür den Ausdruck »Ge
schäft.'« Mehr als ein Geschäft, ein Er
werb ist ihm sein Beruf auch meisten-.
nicht. Hat er, wenn nicht selber Unter-.
nehnier, in einem Lebensalter von vier
zigJahren genügend zusammengespart,
um von seinem Gelde leben zu lönuen,
so zieht er sich ewöhnlirh mit Freuden
zurück, am lie en lauft er sich dann
ein Haus. Zu diesen Naturen gehörte
auch Timm 1unior. Ohne Sentimen
talität und Wehmuth trennte er sich
sowohl von ginem Handwerlszeug als
auch von runo und- den beiden
andern Mitgliedern, die zu derTeuppe
noch gehörten. Noch viel weniger Zeit
hatte Mutter Tinirn zur Trauer kbrig,
seitdem sie sich, da ihre zuläustige
Schwiegertochter selbst teine Mutter
.besaß, um die Aucsiattuna zu beküm
mern hatte.
»Geh nach Rußland. Dort-giebt’z
floviges Geld. holland ist au gut,
aber Ausland ist besset,« sa te inun
iunior zu Bruno beim Abfcsied
Bruno konnte seit dieser Wendung
der Di ganz zufrieden sein- Er
war M Gleise »so-te- mrd hatte
N bei seiner Fu bist die Its-pp
zu diesem sahst-eitle , eine Dauer
von flini Jahren verpflichtet Vom
zweiten Jahre ab bezoa er ein kleines
aschengeld, im dritten Ja re iiiblte
er, daß er seinen Lehrmeister Iehr wohl
würde entbehren können und als selbst
ständier Artifi sich weit weil-Ubert
ten it: en würde. An diesem Punkte
ihrer Ausbildung anaelanat,. machten
es andere Eleven gewöhnlich so wie
Brunos Vorgängen sie lie en ilpren
Meistern fort. Bruno blieb , feiner
Pflicht treu bewußt. — Nun erst war
er frei.
An einem lalten . Wintertage fuhr
er, seinen lleinen Koffer in dem Netz
über sich, durch die ichneebedeckte Ebene
der fchlessiichen Hauptstadt iu, um sich
dort an eine Agentur zu wenden. Ein
tönig zog die Landschafi draußen,grcu
und weiß, a:: ihm vorüber. So ein
tönig waren auch die drei Jahre ver
flossen, die binter ihm laaen. Von den
bunten Träumen war nichts in Erfül
luna gegangen. Verhüllt lag aber
noch vor ihm die Zukunft Die Frem
de! Riißlandl Dort in dem Nebellanoe
mußten alle Träume. alles Sehnen
sxch berwirtlichen. Bruno ging erst
ins fechszebnte Jahr.
Brnno oon Barnfiorss hieß er schon
lange nicht met-r. Er fiaurirte mit
unter den Gebrüdern Zimm. Seinen
ntnen Namen »Mifter Webler« balte
er von dem Breslauer Aarnten erbot
ten. Deutsche, srcnzösiiche und italie
niiche Namen paßten besser iiir Gnm
nastiler ein Reiter führte sich aber
am geeignetsten unter enqlifchem Na
mtll All
Wenn jemand noch teinen Rus htt,
hält es beim Cirlus mit einem auterl
Enaaaement ebenso schwer wie beim
Theater-. Was Brutto von Timm iu
nior iiber Rusiland aebört hatte, hatte
er auch schon von den andern Kolle
aen gehört Was sriiher siir den
Sckxruspieler Amerika nur« das ist
und bleibt für den Banlisten Rußland.
Sein erstes selbständiges Engagemeni
trat Brunc in einem berühmten Cir
tus in Vetersbura an. Er ritt hier die
Quadrillen, Pantomirnen und andere
Cnsernbles mit, ohne sich in Einzel
leistungen bervcrthun zu tot-nen, und
Ver-richtete Vorrnittaas sowohl in der
Probe, wenn der Direltor dressirte.
als auch Abends in den Vorstellungen
Stallrneisterdienstr. Jedes Mitqlied ;
eines Cirtus ist zu diesen Diensten.
wenn es der Kontrast nicht ander-s »
vermertte. verpflichtet Alle seine !
Hilseleistunaen bei der Dressur oder I
Abends bei den eliroduttionem selbst
-—- wenn der Reiter die Maneae ber- s
laßt, -—-— das thxsreitren der Pistenthiir, I
das- Halten der Reisen und die Hands J
dabnna Jer sonstigen »Vineta« ver J
lanat Leute« die im Farbe selbst aeiibt ’
and sirrn sind. ,.Unisorm Hei-erst
rennt der Artist ker. abendiickien Stall
nseisierdiensi. An Gaae erhielt Vruno
damals monatlich dreihundert Franks
Der sranzösiscbe Franc ist in den mei
sten tsirluginstituten die Mitme, nach
der aerechnet wird. Als Gnsnnastiter
beberrschte Bruno bisher. wie er es
celernt hatte. nur dag »serieuse« Tisch.
das so im Geaensatz zum tomiscben,
demjeniaen desClowns bezeichnet wird.
In der Pantornime aber, an den socie
rscsnnten »Ct:arivaris«, wobei alles,
was Ghmnastiter ist, zu einem qroszen
Clrron-Ense:nble eintritt, hatte auch
Bruno theilzunebmen In einem lot
cksen Charivari. bei einein Nacken
ssxrunae, den Brutto dabei machte, tatn
er, weil ibm beim Absdruna ein stol
leae mit Einem Reauisit, einer »Chose«,
in den Wea aerieth, derart versehlt
aus den Nacken zu stürzen, das-, ex sich
sosrrt eine aroße harte Geschwulst zu
zoa. Verleyunaem die ihn nicht nn
mittelbar arbeitsunsäbia machen, ach
tet der Bantist nicht. Erst wenn die
Verletzuna eine derart ernste ist« sagt
er davon. er habe sich »wehaetban«.
Nrrb einiae Taae vorher hatte Bruno
aleiebsalls bei einem Sprunge eineSeb
nenzerruna aebolt, qeaen die er aus
Anratben der Kolleaen Massaae und
beiße Böder anwendete, toar aber mit
dem bandaairten Bein rubiq wieter ne
» sinnigem Der Arzt erklärte, Brun
« müsse sich einer Oberation unterziehen
s und die Folae dieser nicht aeiahrlosea
l Operation war. dass Brutto in der
; Klinit bleiben mußte, während der
I Cirlus die Stadt verließ. Sein En
» oaaeenent liet noeb zwei Monate, die
: Gaae das-it- betam er ausgezahlt
J Ja den einsamen Stunden. wo
Bruno aus seinem Laaer ruhte und
sein Sinn nach Beschäftiauna suchte,
spiirte er, wie sein Geist oernachliissiat
aeblieben war· So aina es den mei
sten seiner Kollegen. Dennoch batteer
bereits in seinem letzten Eunoe-erneut
rühmliche Ausnahmen aesunden. In
seiner Garderrbe. die er mit einem
I halben Dujend Kollegen getheilt hatte,
hatte es auch einen schweigsamen Eng
läuder, einen Janaleur aeaeben, der
innerer einen Band Sbatespeare bei sich
führte und — so sonderbar das bei
einem Bat-litten scheinen mochte »—- in
den Ztvi ebenbausem während er ne
t biiett a sein-er Kiste sali. das englische
s Oriainal aus einein Stück Papier ins
E Deutsche itbertrMbnliide arotette
F Beispiele eine- e taten Bildung
; den-act beobachtete stund spatee aoeh
; häufig. Ists seiner lemstatt Islte
; Braue vieles M; ein ante- Vuch bit
! bete fortan lett- ltettändtae statement-.
. Nach seiner Genesung führte Beuno
» bei einer Reihe von Truppen ein he
: kumziehendec Leben. Er lernte Ge
i fchiifte aller Gattung kennen, kleine
Jund große, gute und schlechte. Nacky
dem ee einmal auf ein Teleqtamm lei
ues Aaenien hin- in Gesellschaft eines
Kommen mii dem er sich zusammenge
than hatte, dreißig Eisenbahnsiunden
weit nach einer Stadt in Ungarn ge
reist war, un dort wieder ein neues
Engagemeni anzunehmen nnd in dem
J
verlotterten Sei-bist niåt einmal eine
Batoude, ein Sprungs-rett. zu sinden
gewesen war, ohne welches die von
ihnen beabsichtiate Nummer unmöglich
war, und beide noch in der Nacht heim
lich sich in das Cirtusoebtiude zur-sitt
begaben, um dort aus der Garderobe
ihre Kosser wieder zu holen und ans
der Stelle wieder abzureisen —seitdern
hatte Bruno die Chitanen rnit den we
niger renornmirten Geschäften satt. »
Sollten seine quaoernents auch nur »
bescheiden bleiben, so wollte er es fort-« »
on doch nur rnit Geschäften ersten Ran- l
ges versueden
Eines Abends, als sich Bruno in l
Gesellschost seiner Kollegen in der
Hinterstube eines Restnuronts. dem ge
wohnten Stammlotol. besond, wurde
ron ihnen wieder gespielt. Von dieser
dem Bantisten eiaenen Leidenschaft
hatt Bruno sich bisher sernaebalten.
Er vsleate nur immer ruinseden Die
Bontisten deutscher Nationalität spiel.
ten entweder »Sieh-Uhu und vier-« oder
,,tsinundztmnria«. «
Zum erstenmale, durch seine Kolle
aen aereizt, wollte auch Bruno sein
Glück dabei versuchen. Er verspielte
seine oanre Gaue. Er war über seine
? Lehre beinahe erfreut. »Ich will ein
! Schuri sein,« sprach er »in sich »
.,we!·n ich noch einmal eine Karte oder
einen Würiel anriihre." Selbst wenn
« ihn später ein Kolleae aeleaentlich vor
« dem Busset im Eirlusrestaurant da
rum anizina ein Glas Bier m:t ihm
i augenlnnbeln weigerte sich Brnno
" ohne Scheu und erllcirte lieber, an
; iraend einem Tische eine aanre Laae
! spendiren zu wollen« als auch nur über
ein einriaes Glas den Würsel entschei
i den zu lassen
Auch von allerlei anderen Erresiern
die er seine Kolleaen beaehen sah, hielt
er sich sern. Man sollte meinen· daß
ein Cirluåtiinstler, der an jedem Abend
alle seine Körperkräfte einer-seyen hat,
diese nach Möglichkeit schont Gar
: manche aber von Brunoä Kolleaen
- saßen am Kneivtisch bis in die Mor
aenstunde hinein oder sie eraaben sich
noch schädlicheren Ausschweifungen
Seit Bruno endlich in seiner Kunst
sozusaaen Ossizier geworden war und
nun als Jodevreiter austrat, sehlte
es ihm auch nicht, weil er ohnehin ein
tiibscher Mensch war und als solcher
Abends aui dem Pferde und in seinem
Kostiim noch hübscher aussah, an al
lerhand aalanten tleinen Brieiem die
er zuaeschiclt bekam. Die Briese ta
ner manchmal soaar von seinen und
vornehmen Damen und nicht selten
hielt an einem der hinteren Ausaänae
des Cirtusaebändess Abends, wenn die
Vorstelluna zu Ende war, ein Coupe
oder eine tsanivaar. die aui ihn war
tete. Aber auch diese Verloaunaen ließ
Bruno unbeachtet an sich vorüberaehen.
Die Liebe war wohl an ihn heranaes
treten. aber sie war iiir ihn etwas.
nsas er nicht verstand, was er der-halb
auch nicht beaehrte, wag ihmaleichti
iia blieb.
. Wenn es etwas in seiner nächsten
) Hulunst gab woran seine Gedanlen
s binan so war das ein Dina besonde
i
rer Art Seit Bruno Pferde besass
innere Thitre, die er immer in rot-ein
Zustande aetaust hatte und sie indem
, er sie erst an der Lonae an einen reael
rechten Trab gewohnte sich selber zu
ritt —- slösrte ihm die Dressur ein im
mer inehr sieh steiaerndesz Interesse ein.
Eine Zeitlana dachte er daran, sich
aane der hoben Schule zuzuwenden.
Was aber die hohe Schule leisten
konnte, wir von den arvßen Meister-r
schon erreicht, er hätte nur Nachahmer
bleiben lönnen. Bruno hatte sich mit
der Geschichte seiner Kunst aufs in
niqsle vertraut gemacht. Wie von den
arrsszen Kornphiiem so sollte sie auch
dereinst von ihm Ansierordentliches be
richten. Allmiiblich war in Bruno
die Idee zu einem Tric herangereist,
der, wenn er aelana. alles aus dem Ge
biete der eDressur bisher Daaewesene
in den Schatten stellen mußte. Es
handelte sich um ein Stück Freiheit
Dtessur. Freiheit-Dressur nennt der
Artist diesem e Art, bei welcher das
Pferd vom IV
rrsird sondern nur an der Longe und
mit hilse sonstiger Odieti dressirt
reisenr nicht besiiegenj
wird, ins tameßnaz auch diese entbehr
lich aemacht werden und das Thier
vor dein Publikum eben in vollständi
aer Freiheit vorgesiibrt wird. Wie der
Dichter über ein neues Drarna. der
Maler übe-.- ein neues Bild, so sann
Brur.o über seinen neuenIric nach.Der
Tric selbst in seiner sertiaen Gestalt
stand schon deutlich vor ihm. nur der
Weg zur Aussiibiuna war ihm noch
richt völlig klar. Es verstand sich von
selbst, das Brutto über seine Idee ges
gen alle seine Kameraden die tiesste
Verschwiegenbeit bewahrte. Erfindun
gen vie der Artrst aui leineni Gebiete
macht und die also ein Stück eistiges
Einentlimn vor- ibrn reprii entiren,
werden nicht wie andere Erfindungen
gesetzlich geschüst Geaen Nachahmun
pen ist er machtlos. Auch hätte man
seine Idee in ibrer awteslen Kii heil
sur die eines Wabnsrnniaen lten
nzrissen Erst wenn sie sertia ausge
fubrt war, wenn der Tete vollständig
»startd", dann erst wallte er damit an
tie Oessentlicheit treten. —
Eg war dunkel geworden«
Bruno sab ans seine Uhr. Es war
Zeit, da er gina.
Jm birtns angelangt. betrat er erst
das »Dtrettionsbureau, beut-übte dot
auf in der Garderobe elniae ian von
sritbecen aemernscbaltlithen En age
ment berbetaante Kollet-en und gab
sich dann in den Zuschauer-ratlos aus
die vor Parqnetbanb in Etrtus
bedeutet te e sank da e wie tm
Theater die u vieler e.
Sie dient site d Inaebsrtsen des
cause-, und nur wenn die llbrtgen
O
Male schon ausveelauft find, werden
Plähe davon an das Publikum abge
geben.
Attiveelakft war der Cietus heute
Abend nicht. Jm GegentbeiL et wen
ietnlich schlecht besetzt. Soviel hatte
kuno im Buteau von dem Gescholte
iühret bereits gehört daß die Einnah
men viel zu wünschen übt-i ließen
Die Theater unt- andeee qeo e Schmi
ltellungen suchten eine aefälitliche
- Konkurrenz. Man schadet-.- nach einer
äu kraft. Ein berühmter cnqlifeiier
s- lreitek, Mistet Janus Ehcster.
den die Direktion Mr ein enoemeöGelv
engagiet hatte —- Btuno war dem klei
nen» liagetem unanielinlichen Herrn
vorhin im Stallgon begegnet Mhatte
die "ossnnngen ai ,t erfüllt. Nur ei
nige avallekie-Oifi-iiete und Reiterei
leute lockte et jeden Abend in die Lo
gen. Das große Publikum. das nichts
von seiner Kunst verstand. blieb fern.
Die Vorstellung hatte schon begon
nen. Was Bein-« fab. war iiik ihn
nichts Neues, bis Mistet Edeltet auf
seinem Grad heieinaeeitten lam. Wie
ek feine qwßartiqen. von ihm selbst
lompoisitten Pot- und Trotz ritt, wie
er nach Art der altfeanzösischen Schule
wechtelweite den Trenteni nnd Kan
darenziigel bFeriietnatnn und nachlie ,
wie er obne reitfche sein Pferd nur m t
Sporen und Stimmen lenkte und wie·
seine Faust, seine Schenlel, sein ganzer
Körper kaum eine Bewegung dabei
verrietbem das alles erfüllte Bruno I
mir größter neidloser Bewunderung
Weit weniger daaeaen wollte ilim
ein fett gefallen, der aleirb nachMiftszr
Ebeter erschien. »Sennor Naman
wude er auf dem Zettel genannt. Er
ritt dasselbe Fach wie Bruno selbst.
Was Sennor Nordan leistete, ging
über die Ansprüche eines Mittelcirluä
kaum hinaus. Vielleicht hatte iljn vie
Direktion eben nur engaairt, weil sie
etwas besseres gerade nicht bekommen
konnte. Ohne Selbstiiberbebun sagte
sich Bruno, daß er Sennor arvaez
mit Leichtigkeit in den Schatten stellen
würde. Einen Kolleaen vorauåsi tlich
vom Platze verdrängen, tbat ihm chon
im Voraus leid. Aber es aing im Cir
kus nicht anders als in der übrigen
Welt zu, wo das freie Spiel der Krafte
waltetr.
Brnno lonnte es sich nicht versa en,
Mister Ebester noch nachtriialich au zu
srtchen, um ihm seinen Glückrvunsch ab
zustatten Er hatte nicht lange zu su
chen. Mister Cleier stand. bereits in
seinem hoben grauen Cvlinderbut und
seinem gelben Paletot. vor Allem aber
an seinem boblwangiaen, durchfurchten
Gesicht und seinem schon schneeweißen
Schnurrbart tenntlich, dicht an der
Stalltbiir. Er stand mit eine-n anderen
Herrn, von elegantem, svortatnänni
schemAeuszern zusammen im Gespräch,
der Brutw, nachdem er Miiter Chester
angrsprochen und sich idm als- neues
Mitglied dargestellt hatte. daraufhin
sofort in ein Gespräch vermittelte.
«Prerow«« sagte er, sich darstellend
End liiftete gegen Bruno leise seinen
ut.
Erst nachträglich hörte Braue-, daß
der Herr eigentlich von Prerow hieß,
Baron von Prerom
Baron von Prerow war ein bekann
ter Cirtusamateur, der mit den Künst
lern gern Verkehr unterhielt. Er galt
fiir lehr reich. gab seinen Freunden am
Eirtus gelegentlich svlendide kleine
Feste, wobei der Champa ner nicht ge
svart wurde und fehlte aft in leiner
Vorstellung.
Herr von Prerow legte, als er sich
mit Bruno unterhielt, eine ziemlich
umfanareiche Fachienntnisz an den
Tag, wodur er sich von anderenAma
teuren unter chied Als Brutto sich
von ihm verabschiedete, wobei ihm-Herr
von Prerotv arti die Band reichte,
hatte er einen eni chiedenen Eindruck
von ihm empfangen
Nur die Bekanntschaft seines neuen
Direktorö, des herrn Raps-, konnte
Brunv an di em Abend noch nicht
machen. Man a te Brutto im Bu
reau, ein altes ieblingsvferd von
ihm wäre lranl, er wache bei dem
Thiere Taa und Nacht und hätte lich
sogar ein Bett neben dem Patienten
aufschlagen lassen. Der Geschiftssiitp
rer gab Bruno den Rath, sich deshalb
J bianorqen zu gemildert
! Bruno hatte von den merkwürdigen
’ Eigenheiten seines neuen Chef- chon
gehört. Einsam ging er nach der or
itelluna in fein Hotel nriict.
l Es war eine schöne acht qeworden
Vom duntelbauen Himmel strahlten
’ die Sterne herab.
Bruno sah zu ihnen hinnqu Fest
und still schienen sie am Firmament zu
hängen. Sein eigenes Leben aber war
ohne Rast nnd ohne Ruhe. Er hatte
keine Heimath und trieb von Ort zu
»rt.
So trat er wieder in sein Zimmer
Geaeniiber, jenseits der Baumwipset
schimmerte ans einem Hause noch ein
einziges Licht. Deutlich sah Brune,
wie trog der tiihlen Witterung das
Fenster offen tand. Dann sing ein
leises sanftee lingen an, es schien aus
dem Fenster zu tommen und der Wind
trug aus seinen lügeln die Klänge
ist-er die Baumwi el zu ihm herüber.
Cz waren die Klänge eines Klaviers.
Eine Meisterhand mußte es sein, die sie
den Tasten entlockte. Es war Schu
manns Wiege-Flieh
Brand hatte in seinem Zimmer noch
tein Liebt gemacht.
Mit einemniale aber hielt er eine
Geige in der band und sanft in p
pelattoedem da es von seinen Seiten
tvie von einer gel klang, siel er in
die Töne ein.
Mitte Stri; unteknrddiebänbdestnaalteg
innen en ng g un
leer nnd die sieh nun vereinigendm
l
emonieen tanoebren pan in Wo
durch bie Nacht.
Die Töne Mit-en wurden tet er nnd
leiser, als hätte ihr imn ller
Meister den Genossen g ·tt nnd als
lauschte ee out ihn. S engen nbet,
obwohl nun wie aus fernsten Sp "«r«en,
fort, Cis wollen sie das Orient preich
nicht unterbrechen Endlich waren sie
verhaucht
Lange stand Qruno noch ans bunt
ten Fenster.
Er wartete, ob drüben der Spieter
noch ein«-ins beginnen würde. Aber
alles blieb still. Nur das Licht schim
cuute noch and dem Haufe. Am Fen
sterfliiqec tauchte etwas weißes auf
aber Bruno konnte ggt erkennen. ob
es ein Vorhang, ein « leier oder biet
letdst ein weit-liebes Gewand war.
dann vertoscb das Licht nnd Brutto sah
nur noch in des finitete Nichts.
—-.----.
6.
Auf demselben Bonnhof, auf wel
chem Bruno angekommen war, tief ei
» nige Stunden später ein Personenzng
» ein. Fried-lich tam er aus der Pto
. VIII
» unter den sparlichtten Bahnnetgs
: giistem die auf ihn warteten, besand
i sich auch ein junger Herr, der, die Ci
ocrrette in der Hand, zwischen dem
Stand des Zeitungshiindlers und dem
Treppenausgang allein für sich aus
und ab spazierte. Als er merkte, dass
seineCigarrelte ausgegangen war, hielt
tt es nicht ttst fiir werth, sie
von neuem anzuziinden und so ioars er
sie fort.
Seine Kleidung war modern und
elegant. Er hätte, was seine Erschei
nung betraf, noch siir sehr jugendlich
gelten können. Sein verlebtesz Ge echt
aber machte ihn älter. als er war. er
Ausdruck der Blasirtheit. der sich darin
ans-prägte, sprach von einem Leben
aussehn-leitender Genüsse. Aug den
Bahnsteig waren jest einiae O siziere
« getreten, der junge Mann. als er sie
s beim Vorbeigehen jetzt bemerkte, schien
: sie als Betannte zu erkennen und
s machte eine unsichere Bewertung, rnie
: um sie zu grüßen. Aber die Ossi iere
wandten sich in demselben Augen litt.
beinahe als wollten sie seinen Gruåabg
sichtlich vermeiden, einer anderen ich
tnng zu. lieber das ausgemergelte
Gesicht des jungenMannes zog ein sei
nes Noth. Er lentte seine Schritte
nazh dem dunkler-en Theile des Bahn
steigeg, wo ihn niemand bemerken
konnte und blieb dort lo lange stehen,
bis der Zug eingelauien war.
Die Ofsiiiere hatten Unter den Aus
steigenden den Erwarteten sogleich ge
sunden und schnell mit ihm den Bahn
steig verlassen. Auf diesen Moment
schien der junge Mann gewartet zu
haben. Jetzt erst trat er aus dem
; Dunkel wieder hervor. Er suchte die
Gaul-ro ab, bis er vor einein, das sich
durch seine breiten Golde-Inder schon
von weitem als eine ersterClajse termi
lich machte, stehen blieb.
i »Onlel Barnstorst" riei er hinein.
s Aus dem Coupe tlana undeutlich
eine schwache Stimme iurijet.
Endlich schob sich eine in Decken und
Pelze vermummte. kaum tenntliche
menschliche Gestalt heraus. Der junge
Mann streckte dem Aussteiaenden bei e
Arme entgegen, schwerliillin und mitb
sam nahen dieser die nebotene hilse an
und endlich, aus die Schultern deg
Jüngeren sich stühend aelong es Ihm,
ich ans die Füße im stellen.
»Deine Taste hat Recht ehabt,'
grgte der Ausgestieaene in s wachem
one —- ,.ich hätte mir einen Diener
mitnehmen sollen.' ·
»Du halt mich doch, Onkel, error
derte dienstbesli en der jun Mann
—- bis zur Deo chte und hotel
wird es wohl geben«
Er rief einen Ge "etreiter herbei.
der eilig heran s en tam nnd»lich
mit den Gepäelii en belud, nnd ach
zend lieg seh dann der Angetomrnene
von seinem Begleiter die Treppe hin
unter und in d e Droschle herein-schie
ben, in welcher dieser nun neben ihm
VII »Hm-«
-,-0« ' '
Cltlc halbe Stanke umle- page-r
beide Herren in einein lomsariadlen.
behaglich durcknvärrnien und hell
ducchleuchteten hatelzitnmer sich se
aenüder. ·
Ontel Barnstorfs hatte sich seiner
Decken und seines Pelzes entledigt nnd
vcll fiel vorn Krenlenchtek das Licht
auf ihn derad
Wohl niemand hätte in Onlel
Barnstorii. wenn er ihn zum letzten
male vor zwölf Jahren gesehen. densel
ben Mann von damals wieder ertannt.
Als er dazumal, an einem gewissen
Abend, die Hände aui dem Rücken. in
einem einsamen Fechtiaale wartend
aus und adqir.g, war sein Gana stolz
und elastisch gewesen. setzt lag er in
seinem Stuhle tvie ein ild des Jam
nsers da. Seine Gestalt war einaesab
ten und zusammengetriicnmt, sein Bart
und Kopsdaar war grau geworden,
sein Gesicht sadsahl undledern aus
und seine Augen, die einen kleinen
Jungen eintt so streng ange nntelt
halten« blickten trübe und er oschen.
Auch seine Kleidung wies nicht mehr
die vornehme Eleganz aus wie früh-en
Beauetn und abgetragen hing sie ihm
um den Leid. als leate ihr Tröster lei
nen Werth mehr aus tie. Onkel Baru
ltorfs sali aus« nicht als wären zwölf,
sondern als wären-dreißig Jahre iiber
ihn dahin egangen
liest-un lolaU
Die Ausdezakluna des Mol
des« von M an die Etsch seht
- vielleicht deshalb nickt TM von
siaiieih weil die Patripien nicht rasch
genug Leute aufs-treiben verns en,
welche die Rolle von Golde-ten spie n,