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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (June 16, 1899)
» schlecht tempertrt Slizze von Klaus Rittland. « So — und nun, meine Gnädigste,l« muß ich mich empfehlen. Schönen Gruß , an den Herrn Gemahl. Der Oberregie-I rnngsrath von Schmettau erhob sich » und küßte der Frau seines Kollegen und Jugendsreundes die kleine, dicke « Hand, wobei er sich riher die abge U stampften, viel zu kurzen Fingerniigel · entsetzte· Gott sei Dank, daß er geht, dachte sie» erleichtert ausathmend, die Auguste kriegt ia die Schmorbratensauce abso-l« lut nicht allein zu Stande. s Gott sei Dank, daß die zehn Mino-· , ten abgesessen sind, dachte der Besucheri i und trat aus den Korridor hinaus. — Kein lebendes Wesen zum Ueberzieher-l halten? Natürlich nicht! Aha, jetzt « erscholl hinter der Scene der scheltende Rus: Auguste, Auguste! Schnell, aber so eilen Sie sich doch! i Bei seinem Weg durch den Korridor wars der Oberregierungs - Rath einen Blick in den Spiegel. Schöne Lilien-i schen blicken nie an einem beanem bän-! genden Spiegel vorbei. Und Fritz· Schmettau war immer noch ein schöner Mann, tro der sünfundvicrxig. Zu-; E frieden musterte er die impofante, nur f ein klein wenig zu sehr aukzqepolsterte — Figur, das regelmäßige Gesicht mit den großen kühlen blauen Armen und die edle Kopfsorm, die so vrachtvoll deut lich hervortrat unter der fashionablens Sttäslings - Frisur. Jetzt stürzte Au-; guste herbei mit lüchenrothem Gesicht; " und naßlalten Händen. Als sie dem« Oberregierungsrath seinen Ueber-sicher entzog, war es, als ob ihm ein Frosch iiber den Nacken lröchr. Das Schau spiel hatte auch ein Publikum. Aus der einen Thiir guckte das Kinderrnäd chen mit einem lleinen Schreihals auf E dem Arme hervor, aus einer anderen Y» auollen drei slachslöpxige Jungen her anz, die den Besucher rechvergniigt an rinsten.,. Ossenbor erwarteten sie ein Freundlich schäterndes Onkelwort Aber Fritz Schmettau war keine Onlelnatur. Er brachte nur ein ungeschickt gnädiges »Na, ihr Jungens-I« hervor und ver lies; dann das unvotnebrne Haus. Brrr, - gräßlich! So ein Nest voll Kinder! Und die abgetatelte Einrichtung Und - die verstmpelte Frau in der altmodi sehen, zusammengestovpelten Toilette. « ertinand, ihr Mann, war auch ni t viel anders. Armee, bescheidener Sorgenlrüppel Er rauchte eine Fünf Pfennig - Cigarrel Und was war et s· früher für ein slotter Kerl gewesen, da mals, in der schönen Jugendzeit, bei dem Heidelberger Evens-! Aber das frühe Heirathen aus Liebe, Motiv: Ein Herz, und eine Hütte —- puht Da hatte Fritz Schmettau doch das bessere Theil erwählt. Ein Krösus trat er ja auch nicht, aber sein Gehalt und die Zinsen eines ·lleines Kapitals erlaubten ihm doch ein leidlich anstän diges Auftreten. Er bewohnte das ideallste Garconlogis, batte einen laut lcsen, distinguirten Diener, eine amo se Haushiilterim einen auserlesenen Weinleller und lief-, bei ersten Schnei dern arbeiten. Fünfzehntausend Mart reichen weit, wenn man nur siir sein eigens liebes Jch zu sorgen hat. — So eine gute Hausfrau und Mutter tropst doch gerade von Trivivalitat, dachte er, langsam die Straße hinun terschrejtentz und daf; nicht mal die hübsche Berliner Nichte 3r- Hase war! Quand on parle du lon ——- da latn etwas angeradelt, etwas sehr FescheT Niedlicheö. Achtung, Herr von Schinettaul — Sonst übersahre ich Sie! Er wollte grüßend weitergehen. Sie aber hielt un und sprang vom Rade- Ein rei zuides Persönchen Der actheilte Rock sah bei ihr gar nicht lsurschilos aug. Und irie gut die dunkelblaue Woll miisze dein frischen, brünetten jungen Gesicht stand! Kommen Sie von uns, Herr von Schmettauh2 sraate sie zutraulich Ja? Schade, daß ich nicht da war. Jch hät te so gern meinen Streit iiber Nielri Lhyne mit Jhnen fortgesetzt der neu lich aus dem Ball so schnöde unterbro chen wurde; es ist ja aar nicht möglich, daß Sie das Buch nicht lieben, eins-kein schmecker wie Sie. Er lächelte. Rennen Sie mich denn schon so enau, nädiqes Fräulein? Sie n clte. .ch beurtheile alle aus den ersten Blick und habe immer Recht. rnmer. Aber nun muß ich eilen. Ich in schon lange sort. Tante wird sich än«stigen· . st Ihre Tante so besorat um Sie? Sie zuckte die Achseln und-lachte. Um mich ist immer irgend jemand be ser t, weil ich ein Taugenichtg bin, wi en Sie. Man traut mir nicht über den Weg. Ergötzt blickte er in die dunklen Schelmenaugen. Obo! dann dars man wohl gar nicht fragen, wo Sie eben ge wesen sind? Aber natürlich. Sie wandte, kaum merklich erröthend, den Kopf zur Seite. Beim Augenarzt war ich. H« , O, was sehlt Jhnen denn? Hi j« - Conjunttioitis. - Idee ansehen thut man den Aeuglein c. die Krankheit sitzt eben zu ties. Sie wars i m einen drolliq - schmach tenden Bl u und schwang sich dann wieder aus its Rad. —- Adieu, here von Schmeticu. —- Aus Wiederseherh Ein Backen sagte ee vor sich bin und schaute ihr bewundernd nach. Schon neulich aus dein Essino - Ball war sie ihm aus e allen die kleine pitante Pet choin A es an the war so apart und Mach-vix Auch daß sie Rath hieß, . et geschmeckt-sc » i « « Lä. h t Einth, Ruth, wie doch gleich wei er — Ein simpler bürgerlicher Name war es geivesrn.i Ueberhaupt, we sie nur ihren Weltschliss her hatte, diese sichere Grazie, diese Schla sertmkett und vor nehme Anmuqth « hr Vater war ein pensionirter ajor·in sehr beschränk ten erhältnissen, wie Freund Judi nand neulich erzählt»hatte, der konnte te do sicher nicht In glänzende Ge selliglet dringen? Aber manchen ist eben der Chic angeboren. Wie sie ihn soeben angebinzelt hatte, dieser Kobold. hasts aus mich abgesehen, Ruthchens Willst gnädige Frau werden? Nein. nein, mein Engel, giebt Dir keine Mü he! Um Gottes willen, ich und häus liche Misere: sparen, Kinder equäle, klefine Fettsinger an den Po stermö e.n. . . . Er schüttelte sich vor Grauen, kehrte in seine vornehme stille Klause heim und nahm mit feierlicher Aussiihrlich leit in dem cichengetäsklten, gobelinae schmückte-n Eßzimmerchen seinMittags mahl ein· Vortrefflich. Das Filet in Madeirasauce konnte man im feinsten Restaurant nicht besser essen! Dann streckte er sich aus der verstellbaren Chaise - Longue, einem Unicum von Bequemlichkeit, aus, zündete sich eine importirte Habannah an und durch blätterte eine Mappe mit Radirungen, die ihm der Kunsthändler zur Ansicht geschickt hatte, denn Schmettau war ein Genußmensch höherer Sorte, nicht nur materielle gute Dinge, nein, Kunst, Literatur, Reisen , wissenschaftliche Sammlungen, alles mußte beitragen zu seinem vornehmen Behagen. Ja, wenn man nur zu leben weißt Zwei Tage später war ein großes Diner bei Commercienrath Wustow, dem Reichsten der Reichen, einem jener bevorzugten Häuser, wo Fritz Schmet tcu nie Einladungen ans-schlug. Sonst war er sehr häusig »leider schon ver sagt.« Aeußerst wählerisch. Ein Haus, wo der Wein schlecht tem perirt aus den Tisch kommt und wo Mayonnaisen von Büchsenbummer ins die Erscheinung treten, hat sitt Sie« ungefähr die«Gemiithlichleit eines Cho lera - Hospitals,« hatte neulich seine sSeelensreundim Frau von Stach, be-» bauptet s Ganz recht, meine Gnädigste hattes er geantwortet veimGenuß eines schlecht iteniperirten edlen Weins habe ich eine ähnliche Empfindung wie beim Anblick eines bezaubernden Weibes das-todt sterbensverliebt ist in einen andern. — Was nützt mir all der süße Reiz? Jch habe ja doch nichts davon. Und Frau von Stach hatte vielsa gend dazu gelächelt. Sie war dast ster einer Seelenireundin siir bequeme Junggesellen, hübsch, lebhaft, amii sant und gerade so unverstanden halb gliicklich verheirathet, wie es für eine kleine nette Herzensbeziehung obne hef tige Austegungen vortheilhast ist. Frü her hatte Schmettau 1unge Wittwen be ;vorzugt. Je tzt sand et sie zu freiheits gefährli ch. Die Stach war aerade sein Gener. Und doch als sie ihm heute Abend in dem blendend hellen Wussow schen Barocksalon entgegenrauschte, da kamen ihm die Krähensiiszchen unter ih ren Augen ganz merkwürdig vertiest vor. Ihre von goldbraunem Brocat stoss umspannte Biiste war doch auch ziemlich massig. Oder erschien das heute nur so, weil dicht linter der schö nen Frau eine leichte,ae1tenschlanieGe stalt austauchte, in flimmerndes Weis-, actleidet, wie eine thaubesprengte Li lie. —- — ——.—.———-—.——. A— Ah, Herr von Schmettau. Siei ariiijte ihn mit graziöiem Kopfneigeni nnd setzte dann ihr Gespräch mit einein l langen, jungen Menschen fort. i Wer ist der junge Mensch? fragte? Gibmettau seine Seelensreundin. i Doktor Berti-old, ein junger Arth der sich seit Kurzem hier niedergelassen! dat, auch einer von den zahllosen, nachi Praxis schmachtend-m halb verhirnger-i ten Specialisten Ohr, Nase oder es? kann auch was andere-J sein. . . i So, Dotter Berthold2 Sehr schien-? terige Glieder hatte er und einen mi-; semble sitzenden Frack· Dagegen dieJ kleine Ruth! Charmant. Wie sie zu stehen verstand, ganz frei, ohne FächerI in der Hand, mit herabhängenden Ar-" men, auch·eine Kunst, die nicht jedes junge Mädchen versteht. ; Man ging zu Tische, undSchmettau, der Frau Stach zu führen hatte, war angenehm überrascht, an seiner andern Seite Fräulein Rath zu finden. Jhrz eigentlicher Nachbar war natürlich einj Lieutenant, der sofort mit einer netien,’ unwiderlegbar richtigen Bemerkung iiber das Wetter zur Gesprächsattacke blies, aber von der kleinen kapriciiisen Dame nur sehr zerstreuke Antworten bekam. Jhre Augen schweiften mit kindlichem Entzücken iiber die zauber haft geschrniickke Tafel mit ihren leuch tenden Farben - Effekten, bunte elek trische Lämpchen in Blumengestali, e fchlifsene Kryftalle, mattes und bi n kendes Silber, malerische Fruchtlörbe, ibizarre Orchideen - Arrangement-T ) An solcher Tafel schmeckt das Eisen, ibemertte sie zu ihrem rechten Nachbar gewandt, und zog die feinen Schulter .ck,en in die Höhe wie in wohligem Be hagen sich dehnend. Man trug die Au istern auf. Und Schniettau beobachtete iinit Vergnügen, wie zierlich Ruth die kleinen salzigen See - Ungeheuer aus iihrer Schale löste und mit welch’ augen fcheinlichem Verständniß sie diese höch ste Crdenwonne des Vollblutgourmets genoß. s Sehen Sie mal dort, bemerkte sie se t, mit einer K fbewegung auf den ’ eilg e eniibet nden schlotteri en nagen arm mit m seh echtsisen n Frack weisend, Doktor Berthold ißt leine Austern! Barbar! Schmettau zuckte verächt lich die Achseln. Gott sei Dant, daß wir Kulturmen schen sind, Sie und ich, meinte sie mit einem lleinen spöttisch-en Lächeln und erzählte ihm dann, daß Tante verhin dert gewesen wäre, mit zum Diner zu kommen wegen Erkrankung der klei nen Miegr. Miene ist nämlich das Bahn aben Sie neulich bei Ihrem Besuch vielleicht das Babh gesehen? a, ich glaube, von weitem. sts nicht ein Engeliind? —- So müssen die Modelle von Rafaels Put ten ausgesehen haben. So? Ja, ich muß Ihnen leider ge stehen, Fräulein Ruth, daß ich das Ge chöpf gar nicht angesehen habe Mietze nicht angesehen? Nein aber — jetzt sind Sie der Barbar! Na, gnädiges Fräulein, seien Sie mal ganz offen, gemiithlicher wäre doch auch für Sie der Besuch bei Onkel und Tante ohne die kleine Bonde Aber das wollte sie nicht worthaben. Ohne Mietze sicherlich nicht Da wäre der Hauptreiz dahin. Wenn das Ding einen so groß und freundlich anguckt mit den klaren, dummen, süßen Kin deraugen, so ein Seelchen, was noch halb schläft, was noch vom Himmel träumt, es ist ja erst so kurze Zeit her, daß es auf diese kalte prosaische Erde herabgestiegen ist. —- · Hm, sa, na, Ich weiß ooch nicht. — Schmettau’s Ansichten über lleine Kin derz waren etwas weniger poetisch, aber es tlang doch niedlich, wie sie das sag te; sie war doch ganz Weib, die Kleine, trotz der Koboldaugen. « So hingenom men lauschte er ihren Erzählungen über Babhs wundervolle, reizende Eigen thümlichkeiten, daß er am Schlusse des; Ganges nicht einmal wußte, ob er« Hammel- oder Reh-rücken gegessen hat te. —- — Jnnocenzia, sagte er leise vor sich hin. Irgend etwas in ihrem Gesichts ausdruck erinnerte ihn an die keusche Gestalt mit dem Lilienstengel von Mei ster Stucl. Aber der Ausdruck hielt nicht lange an. Beim Fischgang kamen sie aus die neuere Literatur zu sprechen; und das offenbarte Fräulein Rath eine. geradezu schaudererregende Kenntnißi all jener Dramen und Roma , die nicht für höhere Töchter ges rieben sind· Sodom’s- Ende, Strindberg, Sudermanns Katzenstea — mit einer Unbefangenheit urtheilte sie über all diese mehr oder mindr helleeni Stoffe, daß Schmettau sich einmal über das andere fragte: Jst das nun moralische Starkgeistigteit oderNichtabnen2 Weiß sie alles und spielt mit Dynarnit, oder weiß sie nichts und tanzt mit leichten Kinderfüßchen über unbekannte Ab gründe hin? Viel mach ich mir übri gens aus der ganzen modernenSchrist-; stellerei nicht, gestand sie ihm schließlich und versuchte, blasirt auszuseben Die Leute schreiben mir alle zu viel von der Liebe. Und das interessirt Sie nicht? » O doch sehr, erst recht. Aber es ge-» nügt mir alles nicht, wenigstens, was» sie über die Liebe des- Weibes schreiben. Die Männer können das nicht, und die» Frauen könnten eg wohl, aber sie ge niren sieh, sie sagen nie, nie die volle Wahrheit über sich selber. So? Fragend blictte Fritz Schmet-T tau auf seine Nachbarin, die sich in die sem Moment sehr tief über ihren Tel ler herabbeugte. Meinen Sie nicht, daß ein echter Dichter wohl ahnen kann, trac; in der Seele des Weibes vorgeht? Nein, wir sind Zu grundverschieden· Mit aller Phantasie kann man sich nim merinetsr in das Tiefste, Geheimste des andern Geschlechts versehen. Oder glauben Sie vielleicht, die Frauen zu !enncn, Herr von Schmettaws Jch dacht es eigentlich. . . aber . . . Schweigsam nnd nachdenklich wid dete er sich für die nächsten zehn Minu ten der Straßburger Gänseleberpastete Auch Ruth war stumm geworden. Mit weichem, träumerischem Ausdruck sah sie vor sich hin. Jhr Nachbar studirte sie von der Seite, und je mehr er sich in das süße Gesicht oertieste, desto kla rer wurde er sich darüber: sie war nicht das sorglos überniiithiae Kind, für das er sie Anfangs gehalten. Nicht mehr. Jn diesem reizendenGeschöpf war schon das Weib erwacht. Nicht svielende Worte nur waren es, mit denen sie über die Liebe urtheilte. Jetzt hob sie die Augen zu ihm auf, diesen warmen, see lenvollen Blick, und ein angenehmes Schreckgefiihl durchschauerte die sonst so gletscherkiihle Seele des alten Jung gesellen. Sollte er es sein? —- —— ach, Thorheiti Weshalb denn eigentlich nicht? Erst vor einem halben Jahre hatte sich eine blonde, bleichsiichtige, zwanzigjährige Generalstochter so hef tig in ihn verliebt, dass man sie aufs Land in Pension eschickt hatte, weil sie durch die unglücklgiche Liebe ganz elend geworden war. Weshalb sollte die sü ße lleine Nuth ihn denn nicht ebenso heiß lieben wie die bleichsiichtige Gene ralstochter? Der Gedanke verwirrte ihn so, daß er gar keinen Gespräches antniipfepuntt mehr finden konnte. — Frau von Stach war Gott sei Danks durch ihren Nachbar rechts, einen be-l rühmten Professor, vollständig in An-; sprach genommen. Sie bemerkte dies Ferstreutheit ihresHaussreundes kaum-: Lndlich wandte dieser sich wieder nach! links mit der trivalen Frage, ob Frau-i lein Ruth eine große Freundin des’ Radsports sei. a, riesige. Leider gings in den let en Tagen nicht mehr. Er erlaubt-zl nicht . . . s Wer-? l Dort —- Dottor Berihold. Der Con junktivitis wegen. · Und dann s neits ja heute auch wie toll. Wissen ie schon, daß morgen eine große Schlittenpartie ist? Nem? Aber all Jhre Bekannten sind dabei, Altnranns, Bredows Präsidents — und sie nannte noch eine lange Reihe! Namen. Schmettau hörte sie kaum. Nie in seinem Leben war er ein soJ schlechter Unterhalter gewesen wie heu te. Ueberhaupt, daß so etwas nochj über einen kommen kann, über unser einen. Lächerlich, dieses weiche, warme Ge-; fühl, was da unter der tadellosen, tief« ausgeschnittenen Frackweste so fremd und sonderbar pulsirte. I Wenn es doch noch einmal anklopsen wollte, so spät, das echte, reine Her zensgliick, ob er ihm nicht aufthun wür de? War das denn wirklich gar so theuer bezahlt mit Hingabe der kleinen, selbstischen Lebensreise die er so ge hegt und gepflegt hatte diese vielen langen einsamen Jahre hindurch? — Sollte es gar so schwer sein, etwas zu opfern ron dieser ungestörten Behäbig: krit? Plötzlich kam ihm der verabscheu te Gedanke einer Häuslichkeit mit klei nen schreienden Kindern gar nicht mehr so grauenerregend vor, wenn ein la chendes, schwarzäugiges Weib so einen kleinen Störenfried an die warme jun ge Brust drückte und ihn demVater hin reichte. Sie, amiro into, Wutiow mochte Jhnen zutrinken, mahnte Frau v.Stach ihren oerträumten Nachbar. Gehor sam erhob er sein Glas und nickte dem Hausherrn zu. Wo tc Sie nur auf die Marle auf merksam machen, Verehrtester, rief der Kommercienrath mit seinem schnarren den« aus den Gardeton gestimmten Or gan, das ist der 78er Lasitte, von dem ich Ihnen neulich sprach. Ah so, Schmettau führte sein Glas mit sinniger Kennermine an die Lip pen, vorzüglich wirklich, ganz superb! Was, jetzt kamen schon die Poular den? So nah am Ende? Schmettau fürchtete sich geradezu vor dem Augen blick, wo das oerhiingnißvolle Stuhl riicken beginnen würde, ihm war, als ob damit etwas Kostbares, Unwider bringliches siir ihn verloren ginge. — thend etwas mußte heute noch ge schehen; nichts Entscheidendes, Gott be hüte, nur irgend eine leise, ahnendeVer ständigung Beim Ueberreichen einer Krmpotschiissel berührten seine Finger die schmale seine "Hand. Sie zog die Hand nicht zurück. Groß und fragend richteten sich ihre dunkelflammenden Augen aus ihn. Dann neigte sie sich etwas näher zu ihm hin und sagte: Ich habe einen großen Wunsch-, Herr von Schmettau. Den ich erfüllen kann? Welches Glück! a. Nehmen Sie morgen an der S littenpartie iheil und fordern Sie mich aus« mit in Jhrem Schlitten zu fahren. Wollen Sie? Sieh mal an, die lleine Person hat Initiative, dachteSchmettau, von heller Wonne ergriffen. Aber natürlich will ich. Mit tau send Freuden! Wie nett von Ihnen. Sehen Sie, ich habe gleich vom ersten Moment an ein so sabelhastes Vertrauen zu Jhnen gehabt. Sie sind so . . . Jhnen könnt ich alles sagen. Und deshalb toill ich Jhnen auch anvertrauen: ich sollte ei gentlich nicht mit auf die Schlittenpar tie; es ist da -— ein spitzbiibisches Lä cheln umspielte ihre Lippen und sie dämpste die Stimme —, es ist da ein bete noire, vor dem Onkel und Tantc mich hiiten wollen, die alte Geschichte, Sie können sichs denken: er hat nichts und sie hat nichts und doch können beide von einander. Sie blickte auf und ihre Augen be gegneten einem anderen Augenpaar paar drrt schräg gegenüber in still ver-« schtoiegener Leidenschaft Der schlot ierige Jüngling mit dem miserablen Frack und schlecht gebiigelten Vorhemd, der ? . . . Ja, sehen Si, und wenn er mitt) ausforderte, toiirde ein energisches Veto folgen. So aber, mit Ihnen, i nicht war . . . da macht sich's so nett und harmlos? Und wieder lachte fiei ihr link-lich iiberniiithiaessioboldlachen Eie ihnte nicht, wie grausam sie war. Schmettau bis sich aus die Lippen: — Nett und harmlos, so. . . Mit raschem Zuge leerte er sein gold akränderteg Rothweinalas. Sie machen ja so ein sinsteres Ge sicht, lieber Freund, tönte die helle, hohe Stimme der Frau von Stach an fein Thr, wetten wir, daß ich den Grund Jhres Schmerzes rathe. Der Lafitte ist um einen Grad zu kalt, nicht wahr? Ganz recht, verehrte Freundin und Gönner-in, schaessichtia, wie immer. Der Lasitte ist schlecht teniperirt. Frühling Sitz-e von A. Sei-Herd So weit das Auge reicht, dustiae Frühlings - Pracht, blühende Bäume und lachendes Himmelsblau! Jni Wie sengrunde eilt ein kleiner Fluß dahin, der im Sonnenlicht tvie ein silber dutchtvirttes Band erglänzt. Aus Doktor Arniin Götte’s Zügen ist langsam das Unbehagen aewichen, das jetzt ein fast ständiger Gast dort zu sein scheint. Mit trunlenem Blick schaut er in die weißrasige Landschast hinaus. Die Obstplantaae umfaßt vie le Mrrgen Land, und erst in weiter Ferne grüßt ein schlanter Kirchthurnu dahinter streben die tannengriinenBer ge des Harzes empor. Das Oefsnen der Thür ließ den Doktor neevös zusammenfuhr-en »Hier sind ich Dich, Armin?« zürnte die junge Dame, welche ein wenig ges räuschvoll eingetreten war. »Die Auf merksamkeit meines Verlobten läßt nichts zu wünschen übrig, wahrhaftig! Seit einer Stunde warte ich in voller Toilette auf Dich — was sollen Direk tors von uns denken?« »Verzeih’, elma, ich vergaß die Einladung! ber —- weshalb wollen wir auch heute, bei unserem letzten Zu sammensein, zu fremden Leuten ge hen? Bitte, laß uns mit Deiner lie ben Mutter zusammen hier oben den Kaffee nehmen! . · . Nun, nun, respek tire doch auch einmal andre Wünsche, als die Deinigen! Morgen um diese Zeit befinde ich mich schon in der Re sidenz,irso mich statt dieses herzerfreuem den Frühlings - Bildes hohe, häßliche Mauern umgeben.« Die junge Dame hatte es mehrmals versucht, ihren Verlobten zu unterbre chen, jetzt umspielte ein spöttisches Lä cheln ihre frischen Lippen: »Was Du nur so Besonderes an die ser Aussicht findest? Mir ist, offen gesagt, ein geschmaclvcll arrangirter Kaffeetisch mit einer gut gerathenen Torte darauf lieber!« Die Worte klangen unnatürlich aus diesem Munde, denn Helma war eine anmuthige Erscheinung, die in ihrer thaufrischen Schönheit den lnospenden Frühling dort draußen zu verlörpern so viel Liebreiz gefesselt worden. An Helmas Reichthum dachte er kaum, aber ihre blumenfrifche Schönheit be zauberte den schlichten Gelehrten ganz und gar. Er bot dem von Verehrerii umschwärmten Mädchen seine Hand u. wurde nicht abgewiesen. " Langsam war es ihm dann zum Be wußtsein gekommen, daß hinter derk klaren Stirn seiner Braut keine G -«; denken lebten, daß die«stolze, berau-s schende Schönheit das Beste entbehrte: Die Seele! Recht schmerzlich hatte ihn diese Er kenntniß getroffen. Aber als ein Mensch von hohem Pflichtberoußtsein suchte er Vorsichtig gut zu machen, was eine Eber-zärtliche Mutter verfehlt hat te. — Helma war ja noch so junq und sicher noch bildungsfähig. Freilich war sein Bestreben, den oberfläehlichen Sinn des jungen Mädchens zu bertiefen Und zu veredeln, schon oft ermattet. Was ihm aber Anlaß zu immer neuer Hoffnungs bot, das war Helmas Fleiß, das feine; Krsnstverständniß, mit dem sie wunder hiibsche Handarbeiten anfertigte. Ein Weib, welches mit so liebevollemi Eifer für die Geburtstaasfreuden ihrer! Lieben sorgt, kann nicht herzlos sein.’ Auf dem Grunde ihrer Seele ruht sicher ein Edelstein» der, wenn er sorgfältig von den ihn umgebenden Schlacken be freit wird, hellen Glanz ausstrahlen muß. Auch heute zog Armin die leicht Wi derstrebende liebevoll an sich heran. »Nun, mein liebes Herz, wir bleiben in den lxeimischen Penaten, nicht wahr? bemerkte er scherzend.« »Zudem er scheint mirDeine Toilette ein wenig jen. Auch Doktor Götte war einst durchl —- em wenig extravaaanr —" »Ich gehe!« sloq es herab von ihren Lippen. »Von Deinem Talent zum Stubenhocker hättest Du mich vor nn serer Verlobung unterrichten sollen, denn träte wohl Manches anders ge-» kommen!« " »Helma!« warnte er zürnend. ’ »Ach, ich habe dieses ewige Wider sprechen, diese Maßregelunqen münd lich satt! Jch habe mich doch nicht ver lobt. um einen Hosnceister zu erhal ten.« — Da licsz er sie jäh ans feinem Arm gleiten: »Willst Du Deine Freiheit zurück haben, Helrna?« ,,Ja!« rief sie leidenschaftlich »Ja, aied mich frei! Wir gehören nicht zu einander! Glaube mir, es ist am Be sten so!« Und dann in weichem, fast dcmiitbiaem Ton: ,.Vcrzeih mir Alles» was ich Dir gethan!« i Finster wandte Arn-in sich ab. Die-« ses Ende hatte er denn doch nicht er wartet und auch nicht gewünscht Hel ma besaß in ihrerSchönheit einen mäch tigeanndengnossen, zudem liebte und verehrte der Doktor die Eltern des Mädchens in hohem Maße. Aber schon war sie hinansqestürmt, und er aewann es über sich, ihr bittend nachzneilen . . . Es schien ihm ietzt, als» schwebten düstere Schleier iiber detnt sonnigen Landschastsbilde· Ein eisigerj Reis war aus seinen Liebesirühlina ge fallen —- Armin glaubte, diese trostlo se Stunde niemals vergessen zu kön-« nen —- — Der nächste Taa fand den Gelehrteni in Berlin. Er hatte die Absicht, sich biet als Prinaidocent niederzulassen -—j Sogleich nach seiner Ankunft am frii hen Morgen beqab er sicb ans die Wob nnngssnche, um nur all’ den schmerz lichm :orniaen Gedanken zu entflie ben, die imncer wieder auf ihn eindran-. « Nach einigen Stunden befand er sich in einem Zimmer, das recht aeriiumiq und vrm Sonnenschein dur.:lslutyt incr. Die Augstattunq bestand au-; schlichtem ein toeniq altväterlichenis Hausrath, aber Alles war so traulichl und anheimelnd, das; der Doktor so gleich beschloß, hier zu bleiben Eine Aufwärterin hatte ihn gebeten, ein Weilchen zu warten i Er trat an das Fenster, aus dem ein Strauß mit Schlüsselblumen stand — Draußen befanden sich mehrere sorg-; saltig abqetheilte Beete, die wohl im Verein mit dem blühenden Hollander einen kleinen Garten bilden sollten. Vor einem der Beete hockten zwei Knaben im Alter von 10 bis 12 JakH ren Sie hatten die Köpfe tief hinab gebeugt, um mit liebevollem Interesse die verschieden gesormtenk ivin igen Blättchen zu betrachten, die der n nenfchein gerausgelockt hatte. Jent wurden die Kinder gerufen. Veider Blicke richteten sich in freudigem Staunen auf das Fenster« dann’grriß ten sie mit ihren hellen Stimmen freundlich hinauf . Arnim wußte nicht, was ihm ge schah. Es iibrrtam ihn ein Frieden in dieser Umgebung, wie er ihn seit Lan gein nicht mehr gefühlt hatte. Er sah empor. esber nur ein kleines Stückchen blauer Hinnnel zeigte sich ihm, von al len Seiten tiersperrten rauchgefck)wiirz te Mauern die Aussicht, und doch web te der Friibling auf diesem Fleckchen Erde, der echte, herzerquickende Früh linak Lsriiben auf des-n Balton eines Hin terbauses stand ein stattlicher Die-an derbaum, eine junge Frau im schleifen gefctsimiiettisn Häubchest oegoß ibn soe ben, um dann jedes weite Blättchen sorgfältig zu entfernen Und im ,,G.11:ten« des Nebenbofes war ein thlxdrrn, der sab so adrett aus wie ein Kind im SonntagsstaaU Freilich hingen hier nnd dort bor den Fenstern auch- einige Stiicke Babywiische, aber selbst dieser Anblick störte den Doctor nicht. Gab das- Mles nicht Zeugnisz von dem Fleiß und der Regsamkeit der Benubner ringthim2 Wie ein Extrom neuen Lebens durch flutlfete es den stellen Beobachter! Si clker mußten all’ diese Menschen, die eine Nachbarn wurden, mehr oder minder bart um das Dasein kämpfen! Und disslsalb Hochachtung ibnen Allen, ob vorm-bin oder gering! Aber auch er, Toetrsr Götte, wollte um die Palme rinaenZ Er war nicht gewillt, am Fu ße des Thrones der Wissenschaft sieben zu bleiben, vielmehr gedachte er Schritt fiir Scbritt cufwäite zu streben, um dereinst den Platz dort oben zu errei cljien! «Jlsr Jungens könnt später Guten t«·.a sagen,« gebot eine inelodisckkestiim me im Neben-Zimmer, und gleich darauf stand Fräulein Marthe Böhmer, die chsitzerin der Wohnung, Vor ihm. Die Miitbsbedingungen waren setnell erledigt, und, als de: Doktor dann mit nnoerbiilltem Staunen in ihr junge-s, liebes Gesicht sah, erklärte sie mit einer leisen Welnnuth im Ton: »Die Mutter haben wir schon lange verloren. Vor Zirei Jahren sta:b mein Vater. Meine beiden unmiindigcn Brüder betten auf der weiten Gottes welt nur mich! Was blieb mir da üb rig. als tücktig zu schaffen, damit der Lebenssritlxsling der Kinder niebt ver tiinxmere! Dureb Anfertigung von Haut-arbeiten fiir bernebme Damen, die weder Zeit, noch Luft zu solcher Be sctaftiaung haben, aber gern Süde reien rerscbenten, erwerbe ich das- Noth tuendige, itnd,« fügte sie errötbeno hin zu, »wenn das Zimmer vermietbet ist, braucbe icb mich nicht acir so set-r anzu strengen. Hoffen wir, daß es anen bei uns arsalltt Wir wollen unser TUiöalictsstekki tljan, um es Ihnen hei niisw Zu 111exeben!« Und eg gefiel ihm über Alles Erwar ten Eine innere Stimme sagte Ihm daf-, die Stürme überstanden seien, daß er run erst den Frühling seines Her zens erwarten dürfe, den echten Früh lina mit all seiner Harmonie und fei nen tausenufiiltigen Wonnen! Aber niemals hat er erfahren, daß die gsfchnriclrrollen Handarbeiten, die Oelma so gern verschenkte, in der Resi den-, (ng·ferligt worden waren, von Elllartbas flinken und geschickten Hän den. Martha verschwieg diese Thatsaehe aqu echt loeillichem Za taifühL und es war das cirzigc Giheinnifz, das sie Vor Terrris.nigeri hatte, dessen Uattin sie nach Jahr und Tag wurde. Kön g ichc Rache. Herr Ferdinand M» der Leiter eines Pariser Bl atte5, das iich durch le ftige Angriffe auf das belgische Congo- -Re gime auszeichnen brfind sich kürzlich in Briissel, als er von e nem Bekann ten die Aufforderung erhielt, das-« kö nigliche Schlan Laeken zu be sinnigem Der Einladnni waren zwei Eirilalear ten beigefügt, und M beschlon der Aufforderung in Gesellschaft einer rnii ihm »befreunoeten« Briisseler Schau spielerin nachzukommen Während Beide im Parke von Laeken lustwan delten, stand plötzlich vor ihnen König Leopold, der ihren Gruß leutselig er widerte und sich mit M in ein Gefpräch einließ und dein Pariser Journalisten seine Meinung in derfoongofrage zum Betten gan. Schließlich wurden die Beiden Veradfd,iedet, M. fuhr nach Pa ris zurück, und Taer darauf erschien in seinem Journal ein Artikel, der deutlich bewies, daf-, ein stolzer Sohn der Repnblit sieh durch die Leutselig keit eines Herrschers nicht bestecben läßt; denn er floß über von Gel)äfsig keir gegen die Velgische Regierung — Nach zwei Tagen saß Herr M. im Ar beitszimmer feiner Privatwol)nlmg, als plötzlich laut weinend seine Gat tin eintrat, in der einen Hand einen Blutnenkord, in der andern einenBrief, den sie drin erstaunten Gemahl über reichte. Das Staunen des Herrn M. wuchs, als er las: ,.Madan1e! Zum Andenlen an das kurze Beisammen sein mit Jhnen und Ihrem Gatten im Schloßparl von Laeken sendet Ihnen diese Blumen Leopold der Zweite, Kö nig der Belgier.« —- Gefährliche Kahnfahrt. Aeltli che Kolette: »Nun, Herr Max, wollen Sie sich nicht auch morgen an derKahrk partie, die Ich nnt meinen Schwetern unternehme, betheiligen?« — erk: » —- aber nur unter der Bedingung, daß Sie nicht in’ö Wasser fallen!