Hieb-ein« tin-Ihn Uns den Papier-en eines alten Militärs nachetzahtt von H a n s H a g e n. Da war i wieder einmal auf der ,.Nichtenburg.« Das war nämlich das Stammschloß der Bernaus, das heißt, eigentlich nur der reichen Linie, ich ge höre ja zur armen. Wir nannten das gernüthliche alte Rittergut mit dem tie en, dunkelblauen See, in dem dieVerge sich zitternd spiegelten, das von mach tigen Eichentväidern usinrauscht wurde, nicht umsonst die »Nichtenburg.« Grade die arme Linie der Bernaus war immer mit einer überaus großen Zahl von Töchtern gesegnet. Da es nun gewöhn lich nicht zureichte, die heranwachsenden Fräuleins in tbeure Pensionen zu schicken, Leute von Stand aber eben ihre Tochter doch einmal auf ein Jahr von hause sortthun müssen, war ge wöhnlich der jeweilige Inhaber der »Nichtenburg« gut, die Verwandten auf seinem Besisthum auf unehnien. So hatte Onielö Gut einen förmlichen Ruf bekommn durch die Bernauschen Richten, und da sich in Folge dessen dort ein sehr antegendes· Leben entwi ckelte, zogen es oft auch die reichen Ber nauschen Fräuleins vor, im Sommer, statt in irgend welcher vornehmen, langweiligen Pension, ein paar Monate aus der iteren, lustigen »Nichten—burg« zu verbr ngen. Da nun die Bernauschen Richten, die armen wie die reichen, fast durchweg bitt-hübsche Mädchen waren, darf es wohl nicht als ein Wunder be zeichnet werden, daß besonders zu Fe rienzeiten auch die Bernauschen Neffen recht zahlreich ans der ,,Nichtenburg« zu finden warme. Es war auch herrlich hier! Wie viele Jahre waren vergangen, daß ich nicht da gewesen! Das liebe Pfingstsest hatte-. mich wieder hergeführt. Am erstn Feier taa, einem töstlichen, lenzdustenden Maientag, waren wir allesammt, die Bernauischen Nichten nnd Neffen, On ieln und Tauten, früh Morgean hin ausgewandert in Gottes freie Natur. Erst gings ein Stück mit dem Kahn über den See und dann hinauf aus die Berge, höher und immer hoher, bis end lich die ganze, lichischimmernde Lenzes welt wie ein Gemälde, von Gottes lin geln gemalt, zu unsern Füßen lag. Dann ein Heimweg unter dem Lachen und Tollen der übermüthigen Jugend, dann daheim mit einem Riesenapdetit air ein Mittagbrod und auf der »Nichtenburg« gab’5 eine Küche, die war bald noch schöner als ioie die Nich ten s— und nach dem Essen flog das junge Volk hinaus— in den Part, die Alten zogen sich zuriiii. dieser legte sich ein Stündchen a.:s"5 Vett, jener hielt seine Siesta in dekn Trinmrhsinhl, in dein japanischen Zelt am Fasinenzmiiz get und ich hatte mir noch ein seine-J Nüdesheinierchen isnd ein paar »Amt« bei Seite gebracht und mich damit nach der Veranda am Parl gefliichtet Hier saß ich nun befcktanlicts versteckt hinter der mächtigen, oorgezoaenen Segelikiits wand, auf die oie Srnnc, durch das mich überragend-e Bliitterdach durchlu end, allerhand Figuren und Arabes en malte. Es war so eine ruhiae, feierliche Sonntagnachmittagestiminicng! Alles war still, Allei- ruhte! Die Berge schliefen, der blaue See schlief nnd selbst die im Sonnenlichte darüber schwebende, schillernde Seit-eile schien in der Lenzluft zu schlafen Jch unterhielt mich mit meiner Cigarre, deren blauer Rauch in die Luft hinaus schlängelte, mit meinem Weinchen, mit dessen goldenem Spiegel ein kecker Sonnenstrahl toleiiirte, tser hinter dem Segeltuch durchgehuicht war, und ich unterhielt mich mit der Erinnerung. mit der lieben, lieben Erinnerung Jch war grade Hauptmann gewor den. Wohl fiinlzchn Jahre osder noch länger hatte ich die ,,Nichtenburg« nicht besucht, deren tollster, ansaelassenster Beri:au-Junge ich einst alg Schüler, aliz Fiihnrich gewesen. Es war mir eine dummeSache passirt aus der »Nich: tenburg«. Nichte Unrechtecz aber was atales, was Lächerlicheg, nnd das ist chlirniiier. An der Sache war eigent - lich nur das seltsame Benehmen mei nes anels, des damaligen Seniors der Familie und Inhabers der »Nich tenburgks schuld, das seltsame Beneh men des sonst so strengen Herrn, das mir unerlliirlich war und mich schließ lich Heu den weitgehendsten Folgerungen trie . Es war auch im Mai gewesen, zur Psingslzeit, als ich als schneidiger, ganz nenboclenerSekonde hierher kam. Meine überzörlliche Mutter-, liebende Tanten und andere gefährliche Spiegel hatten mir so osl versichert, was für ein hüb scher Lieulenant ich wäre, so daß ich chon mit einem sehr bedenllichen Selbstbewußtsein nach der Nächten burg« zog, nnd als ich nun dort auf meine blendend schöne Cousine Leonore, wohl due- schweiste Goldfischchen der reichen Bernarnrz sichtlich etwa-«- Ein druck nickt-te, war ich donz außer dem äuechen nor Glück, Lust und Jugend Fligleiti Jn diesem llebermuih halte ch es gewagt, meiner schönen Cousine einen Kusz zu runden unsd war dabei vpn meinem —inel, Leoncre’5 Vor mund, erlappt w:rden. Aus derselben Veranda aus der ich sent als Haupt mann wfeder saß, stand der gefiirchtele Senior der Familie, holte die Lein wand zurück eschlagen und unser Fluß rnanöver beo thut Jch erwartete eine fürchterliche-Stand ule, eine Verlobung vor einen Fami , Jrerrrath oder sonst was. Aber nichts Un alledem! Mekn Onkel lächelte, wie Imir schlen, fass wehmiilhig, murnceller etwas in den Bari und ging von dan nen. s Nun erkläre mir einer den Onkel! »Daß sich seine Nichfen und Neffen aus Iputem llebetmutbe hier auf seinem Gute Fee-am küßten, kennte er doch Iunmö ich dulden. Also was dachte et nur? ulheißen konnte er den Kuß doch Inur "in dem bestimmten Glauben, daß es sich um einen Verlobunagkuß gehan Idelt habe. Aber daran hatte er doch lnicht im Entferntesten gedacht. Leo !n»re heirathen, ernstlich um die Hand der reichen Erbin werden, der schönen, Ivon Grafen und hohen Militärs um lschwärmten Edeldame, das wäre mir Hals etwas ganz Ungeheuerliches erschie nen. Aber trotzdem, der Onkel mußte es fiir -.nöglich ha'ten, er mußte es gut heißen, er mußte sogar demnächst meine zlcrllärmg erm.1rten, sonst hätte er mir sivenigstens einen scharfen Verweiss er stheä!t. So glaubte ich damals, und nur w schien mir Onlels Verhalten erklärlich. Der Gedanle wurde zur sfixen Idee. Gern hatte mich Leonore sentfchieden Wir waren zwar gleich ’alterig, sie sogar vielleicht ein paar sMonate älter als ich, und ich erst seit ssechs Wochen Lieutenant. Aber was Ithut das Alles, wenn die Liebe da ist, »die Liebe, nnd was noch viel wichtiger, "die Einwilligung des gestrengen Fami ilienoberdcupteå Also ich warf mich in Gala, ließ mich hochofsiriell bei mei nem Qntel melden und hielt, zwar klo lpsendenHerzenT aber stramm und sicher bei ihm um die Hand Leosnore's an. i Der Ontel hörte mich mit eisiger Ruhe an, dann schaute et mir mit zu lsammengezogenen Brauen in’S Gesicht. t»Du biftjoohl verrücki?'« sagte er ärger slichsund verließ kopfschüttelnd das-Zim nier. Wie ich daaestanden haben mag! Mein Gliickz daß mich Niemand pho ltograplzirt bat! Ich suchte schleunigst feinen Vormund der mich sofort noch ;-neiiier Garnisen zuriiclrief nnd die !,.Nichtenvurg blieb fiir mich das ver Ilorene Paradies viele, viele Jahre. I Onkel nnd Tante waren inzwischeni iaestorben und wohl Niemand hattet Fniebr Kenntnis-, rion meiner einstigenl sBlamaar. Da endlich leistete ich der itsinladuna meines-«- Vettem des nach smaligen Inhabers-« der »Nichtenbura«, Folge. Wie Alles wieder vor mir stand ans ssener Zeit, alt- ich dasaß ans der Veraner s Weshalb hatte ich eigentlich die Leo nrsre damals aeliifitk Was hatte mir ten Muth zu dieser Keclheit geaebent Ja, der Mai war schuld daran gewe sen. In der Natur war Mai, in unfe rein Herzen war Mai und im Mai da darf man doch küssen. Mir wass- foi eigen damals ergangen. Auf derSchule dies-, ich immer »der eilte Vertrau« und die »l)iii)eren Töchter«, die wir aus dem tsife nnd sonst wo trafen, mochten nie jriel von mir wissen, und auch ich fand Jsie lankitoeitia ilnd sit-J Avantageur »und Fähnrich ainiz mir’H nicht besser. ISo bieli ich mich kenn stolz zurück von sden lichernden Schönen, liebte meinen JTeIeth meine llniform nnd meine ;gioße, schöne Doaar. s Da war ich nxsn zum ersten Male salå Lientenant nach der »Nichtenbura« aetomnien. aerioe an solch einein herr lichen Psinaftmaientaa wie heute. Und grade wie heute hatten wir den Tag verbracht. Früh eine Gandelsahrt, ein iAusstieg auf die Berge, eine übermit »tkli«ae, tolle Riicltcbr, dann ein Mittag »brod mit etwa-:- viel Wein für die sun gen stopfe, nur daß ich mich damals nicht lsinter die Segeln-di Wände der iLteranka zuriiilzoa, sondern mit der kJuaerid hinausschwärmte in den Part. Bald fanden irir unsere eigenen Wege, zLeonore und ich. Wir waren immer Fzsisainmen gewesen, den aanzen Mor saen schon. Erst hatte sie mich zwar quneckh aber anders, liebenswürdigen jnicht oerletzend Dann ichs in den Bergen, dasz mir die Gelegenheit gebo ten wnrde, einein etwas iidermiithig gewordenen Oechslein gegenüber zum Schotte unserer Damen einen siir mich elirrnoolten Beweis meiner Entschloss -s(·nk)eit und damals sehr beträchtlichen Rorpertraft abzulegen. Als ich zu mei ner Dame zurückkehrte, reichte sie mir sihr feine-. blaser Händchen »Ich gra itulirr. mein starker Ritter«, sagte sie; und lachte so herzlich, und ihre Augen sahen mich an, wie ein paar Vergiß ineinnicht, die in einer Maiennacht erblüht sind und nun am Morgen staunend die aufgehende Sonne betrach teten. Jch faßte die Hand, ich drückte zwei brennende Küsse darauf. Wie ein eleltrischer Strom zuckte mir’ö durch den Körper· So schritt ich neben thr» her und sah sie immer verstohlen an, aber ganz anders wie sonst. Auch sie war anders-· Wir sprachen ja, aber nicht mehr so hartnlos wie sonst. Eg« war uns ganz gleich, was wir sprachen, irir unterhielten uns nur« um recht nahe neben einander hergehen zu tön nen, fo gina’g den ganzen Vormittag bei Tisch, nach Tisch! -—-- Da tamen wir an eine große Blume an der Veranda. Leonore beugte sich nieder und trug etwas ganz Gleichgültiges sbcziialich der Blume. Jch nahm mich eifrig der Frage an und wollte mich auch niedetbiiaen, aber da war mirs-z trie Blei in den Gliedern. Es zog mich vor ihr nieder auf ein Knie und ich aßte ihre Hände. Zitternty glühend kale ich zu ihr anf, da tauchten ihre Augen bis tief hinunter auf den Grund meiner Seele, ihr heißer, beraulchender Athein wehte mir in berückender Nähe. Da sprang i auf, von elementaren Gewalten getr eben, mit den unt-Meg boren Armen, der ungestümen Jugend .riß ich sie an mich- und da- lag das hkkkiiche, Imszische Weib an meine-« Brust. «’ Mir war s heiß geworden bei der Erinnerung! Jch stand auf, gina an die entgegengesetzte Seite der Veranda. und schlug tie Leinwand zurück. Da s-« auf demselben Flecke wie damals isiyk stand mein Neffe ,-,-ritz, der übermii- s thige, lustige Corpsstudent und meine Nichte Elly Er hatte den kleinen, aller « liebsten Jrnvisch iun die Taille gefaßt und drückte ihr einen herzhaften Kuß« auf »die chwellenden Lippen. — Die ausgeschlagene Segeituch- Lein-« wand mochte in der Sonne geblendet haben. »Der Onkel«, rief Ellv entsetzt und lief von dannen, und auch Freund Frih tersuchte, nach der anderen Richtung, mir außer Sehtreite zu kommen. »Wie einst im Mai«, murmelte ich unwillkürlich vor mich hin. Und web nciithia lächelnd, still und ohne Jemand etwas zu sagen, lehrte ich zurück zu meinem Rädeåbeimer. meiner Havana und meinen Erinnerungen. W Süßigkeiten Von Dr.W.Noeldechen. Zur Einleitung oder als erste Hälfte bringen wir eine kleine, lehrreiche Fa milien - Geschichte aus dem ungereim ten oder, sagen wir hoffentlich zutref fender, reimlosen Strwwelpeter für Erwachsene. Dr. Hebestreit war Arzt und hatte außer seiner Praxis und einer Familie von insgesammt zwei Köpfen noch eine Schwiegermutter, Lina Jochem, geb. Meer-tas· Sie konnte nicht dafür, daß ihr Name nicht schöner war, Hebestreit t,atte auch bei seiner vormaligen Bewer bung um die Tochter teinen Werth auf lden doch verschwindenden Namen ge cat. Der Arzt ist auåivärts,——hofsen wir lohnend, —— beschäftigt. Die Hausfrau stopft oder strickt, näht oder stickt, er weist sich jedenfalls für das Wohl ihres Sprößlingg thätig, als dieser, der tteine sechs-jährige Hans-, dessen rathe Backen von der glücklichen Ueberwin dung eine-«- Geburthags - Magen Fiatarth rühmlichee Zeugnifz ablegen, in die Stube stürmt mit den nicht miß verstandlicben Worten: »Mutterchen, nrch eine Stulle!« ——— Eben schlägt es fünf Uhr, der Vater hat zwar ganz be stimmt und öfters nur ein bestimmter-, zur sesten Stunde zu verabsolgendes Butterbrod vorgeschrieben, aber wird Frau Einma, die iibergütige Mutter, ten Hamtet mit seinem fatalen: ,,Schwachljseit, Dein Name ist Weib!« gründlich lügen strafen? Leider nein! Häuschen ist ihrEinziger, Liebling oder Abgott Sie sagt: ,,Eiaentlich solltest Du nach Vater-:- Willcn jetzt genug ha len, aber« — — Der Hans kümmert sich nicht wesentlich um den Nachsatz, son dern läuft der Mama in die Speisetam met voran-D wd die Extrastulle geiei stet wird. Ei, — -— zwei Sünden in einein Athenizuge, Frau Einma- Nichtachtung der Worte des Gatten, und gar vor dec- Kindes Ohren! Kaum ist die uner laubie Stalle der erlaubten gefolgt und einverleibt, Mutter und Kind sind wic der in der Stube, da tlingelt und pocht ce-, Frau Lan Jochem gebotene Meer tatz tritt ein. Ehe ein Wort der Begrü siung fallen tann, sind Hängcheng Au gen auf den mit Phantasieblumen ge stictten Sammetbeutel, der am Arme dr Eingetretenen verhcisiuggvoll baumelt, mit Sicherheit gefallen, und er fragt: »Hast Du mir ’wa5 mitgebracht, Groß-. niama?« ,,Ei freilich, mein Goldiunge!« lfine tüchtige Papierdüte entwickelt sich. Gleichzeitig regt sich Frau Enimckg so genanntes Gewissen »Aber Mama! Du weifzt doch, daß Franz ein Feind aller Siiszigteiten ist und Düten verboten hat! Erinnert Dich nur an Hänscheng Geburtstag!« ,,Liebes Kind, hältst Du denn Deine alte Mutter für gar zu thö richt? Neulich hatte ja Dein Franz in gewissem Sinne recht, das waren aber auch Macronen, Marzipanstücke und PralineH. Aber bitte, überzeuge Dich selbst! Dies sind Gesundheits - Cakes und Säuglings : Bizciiitg; die alte Ge heime Sanitätsratlk Bollinger bringt ihren Enleltindern stets von diesen Nummern etwas mit, ich habe mir aus« drücklich Hänschens wegen die Adresse verschesst.« »Nun denn, -- - meinetwegen s aber bitte, Titania, qieb ihm nicht die ganze Väte; nur ein oder zwei Liiffeittuds chen.« »Hier mein Jiinge!« Der Hang bekommt dennoch von der Großmutter den ganzen Papierfaet, mii der feierlichen Vermahnung, nicht alles auf einmal zu essen und später ver Spieltaineraderi zu gedenken: Frau Lan Jochem belehrt ibre Tochter: »Wie cft habe ich Dir gesagt, meine gute Einma, daß mein bei der Kindererzie lning auch an Selbftzucnt, an Entwick lung der freien Enthaltung und Ent: saaung denken mitfe? —— — Die Frau Doktor läßt den Hang niii ver Diiie entwischen. dritte Sünde! Als ihr Gotte niiide heiinlebrt, erwähnt sie von den fraglichen Geschichten des Tages teiiie Silbe, nur: ,,- a, ja, die Fania war aus einen Augenblick den«-— Vierte Sünde. Beim Adendbrod wird der Hans, der natürlich die großniiitterliche Gabe bis aui die letzten Krünimeln allein vertilgt bat, leichenblaß, wird hinausgsefiibrt und ins Bett gesteckt; nach wenigen Minuten ineldet das Kindermädchem daß er sich übergeben habe. Nun fol en am Tische Expectorationen anderer rt, eine Offenbarung jagt die andere, das Lampenlicht bringt alles an den Ta . den Schluß macht eine mägig Bemes ,reiche, getrennt verlebte A nde. , c Lina Jochem sitzt daheim im Großmut ter - AM, im wohlverdienten Lehn sessel und fühlt sich in Folge von Pflichterfüllun glücklich, jederZoll eine Normal - Gro mutter! Aber ihre Sü ßigkeiten haben Bitterheit geschaffen. Frau Emma sitzt mit vermeinten Augen an Hänsiisens Bett nnd reicht ihm Sel terivasserz Franz Hebeftreit, der sich mit der wissenschaftlich begründeten Aus sicht auf des Sohnes baldige Besserung trösten kann, liest in seinem Arbeits zimmer einen Essay über Diätetit der Seele. Jn dem Aussatz wird auch gar zu vielen Süßigkeiten gewarnt. Wir können hier unseren Struwwe1 peter schließen und nehmen geduldig den Vorwurf in Kauf, daß wir uns das Zwiegespräch der Gatten Hebestreit zur weiteren Ausarbeitung haben entgehen lassen. Zum Trost nur noch den Nach trag, daß Hans der Welt erhalten bleibt und noch manchem mit der großmütter lichen Herzens-gute zusammenhängen den Magen - Katarrh entgegensieyt. — — ——- College Hebeftreit ist nun, was das ganze Kapitel der Süßigkeiten an gebt, mit mir bis- aufs Tiipfelchenl über dem i einer Meinung, ----— eine bei« zwei Ilerzten überaus rate Erscheinung — und ich tann füglich an feiner Stelle das Wort nehmen, damit Frau tknmm und Mutter fürder ans dem Spiele. bleiben. Jch weiß sehr wohl, dasz nicht alles süße Krani- und Naschwerk auf einer und ver nämlichen Stufe der Schädlich-t ieit und Verdammniß steht; von deini geradezu giftigen, mit gekriiinelteins iRueker gefrillten Lutfchbeutel der Akt tmen, welchen die Mutter, wenn sie aufs fArbeit gehen muß, dem unzufriedenen Säugling zurückläßt, von dieseniMordsi und Marter - Instrument bis zu einein; jharmlosen,· altbackenen Anisvlätzchew ,das ein sechsjähriges iKnd verspeist, ist ein weiter Weg. Auch wird ein Stückchen Kindern dei guter Aufsicht dann und wann einge tnommem kaum esheklichen Schaden an Irichteik Aber da man nicht mit Kalen der uiio Uhr in der Hand jedesmal ne ben dem Rinde stehen kann, da iein iSterblicher alle Gelieich und Bonbvii-» ;Marken kennen und beschreiben tann, fr Fsage ich lieber von vornherein: »Foils "init aller Diitchenkränierei!« Mier der ABC-Schutze durchaqu etwa-«- ge schenkt bekommen, damit er auf Uni wegen Geschmack an der Wissenschaft findet, fv gebt ihm fiir den alten Pserdestall einen neuen HolzgauL der auch nicht theiirer ist und nach bald ab gebrocheiien Beinen noch im Ofen nun-« lich wird. Hartgesottene Ostereier in beliebiger Anzahl beschweren auch den Kinderniagem ich halt-.- sie aber nicht für schädlichen als das buntdemalte Zeug, das der Osterhafe in den Contri torladeii gelegt hat. Vor allein: Lasseti den Kindern die Jugendpoesie des Ei erfuchen5, aber lasset ihnen nicht detr ganzen Vorrath deg gefundenen Schatzes-! Bei der kurzen Schilderung der süß . lichen Schädigungeii will ich mich zu vörderft an die Aefthetit der Schenker und Schenterinnen wenden, an Onkel nnd Tanten und andere Verwandte Eie einziae Düte Bobons hat sehr viel einzelne klebrige Stücke-. Wird dein klei: nen Empfänger nicht alle Minuten der Mund gewaschen, Gesicht und Hände gefäubert, so entsteht eine solchen Mild deligkeit an Lippen und Pfötchen, daß fiir die zweite Tante das Patschhänd then- und siußgeben schon zu einein recht zweifelhaften Genuß wird. l Auf der Grenzseheide zwischen ver letzter Aesthetit und beginnender Pa ihologje stehen die Zähne. »WelchWort entfloh dem Zaun Deiner Zähne?« lau tet oft genug die Frage im alten Homer. Dieser Zaun ist in unserer Zeit meist eht arg durchlöchert, oft lange ehe dass Tabatraueben beginnt; nnd wenn aiich die Eolleaen Dentisten Grofiartiaeg iml lrrsatz leisten, so ist die Natur bestiinint billiger und dibei sowohl angenehmert c: lz hübscher Natürlich sollen die schad liaften Zähne nachher nur von der Me: riiin herstamnrem von den E sentropfen bei Blutarmuth, von den häßlichent kcauren u. f. w s s i i i ! ! Daß die siifze Rindheitglnabberei mit sSchuld trägt, daß der ewig verdorbene Magen, der dann die ärztlichen Verord nungen nothwendig machte, die Blut Iarmuth herbeigeführt haben dürfte, da svon will vie ersahrene Mutter nicht gern hören Der Zahnsdiinerz ioird in sehlimmerer Weise vom Bonbontnu Ispern angegriffen, als wenn einmal eine iirdiinnte Siiure schnell iiber Lippen, » Zähne und Zunge gleitet. Diese That siche darf niir jedweder glauben, wenn ieh mich auch hier über das mechanisch cheinisehe Wie nicht weiter aus-lassen taiir s Welchen unglaublichen Einwendun Tgen gutiniithiger Tanten begegnet iiian alcs Arth »Die Milchzahne bleiben dochl lnicht, Herr Doctor, und später hören j-.1t die Ditten von selbst aus« Nein und ja! Ganz recht, Tante RosamunbeL Beim Himmel die Zähne wechseln. Aber auf schlechte Milch-Zähne pflegt leider Gottes gewöhnlich eine gleich schlechte zweite Serie zu folgen! s Wir verlassen nun die tJJtiin«ohöl«-le,( denn die durch Näschereien übertriebene Speicheldriisen : Arbeit können wir gleich beim nächsten Organ mit erwäh nen und abthnn. Der Magen! Der alte Bursche ist ein ebenso ehrliches und braves Ding, als meinetwegen das-I Herz, welches allerdings von vielens Leuten unendlich poetischer gehaltenl wird. Frilich bricht der Magen leichter cis das Herz, —- in gewissem Sinne. Man lese nur im Coriolan die lustige Fabel vom Ma en, die der alte Mem nius A rippa en aufgeregten Blei-e jern austischtl Ja, der Magen ist der wahre Sammelpuntt für alle Kraft, das Reservoir, politisch gesagt der Fi nanzminister, — aber hier beiden Sil ßigteiten haben wir wie nörgelnde Volksverireter nur zu warnen, daß nicht zu viel ihm gesteuert werde. Jm echten. alten Struwwelpeter hat oer felige College Hoffmann nur den widerspenstigen Suppentafpar einge führt, der sich durch Trotz ein frühes Grab .(schon am fünften Tage bei z Loth Gewicht) selbst fchaufelt. Ein Schleckermaul, eine Sußschnute tritt nicht auf, obgleich diese Art wohl häufi ger zur Beobachtung kommt. Jch bin, obgleich ein Kenner und Verehrer des Struwwelpeter, im ganzen betreffs der so oft gerühmten Erziehung-H - Resul tate dieses Buches etwas ungläubig; die bunten Bilder und Reime unterhalten und ergötzen die Kinder, damit mag es genug und Hosfmann’s Ruhm wahrlich nicht geschmälert sein. Wenn mit ab schreckenden Geschichten in guten und schlechten Versen etwa-, zu leisten wäre, könnte ich nur auf des alten Göckingl. ----- Gott hat ihn 1H28 zu sich genommen und ihm hoffentlich feine Verbrechen an der Muse verziehen, —- lehrreiches Gedicht ,,Fritz der Näscher« oertoeisen. Hier nur einige Proben davon, —- auch zum Naschenl »Frit; war ein herzengguter Junge, Und lernen war ihm nur ein Spiel, Doch auf den Wohlfchmack seiner Zunge Hielt leider Fritzchen gar zu viel· —- — Die Speisetammer zu bemausen, Stieg er ins Fenster einst hinein; Da, dacht’ er, giebt eH ’was zu schmau sen, Da wird gewiß noch Torte sein. Doch diesmal fand der gute Schlucker Sich sehr betrogen: wie er fah, Stand nichts alH nur ein wenig Zucker an einem ird’nen Näpfchen da. — — Vergebeng wars um Hülfe flehen, SeinNaschen bracht ihn mörd risch um;·. Was er für Zucker angesehen, f War größtentheils stlrsenicun1.« Traurigeg Los, so zu sterben und so befnngen zu werden! Arsenil richtet in der That mit einiger Schnelligkeit im Magen merkliche Verwüstungen an. So schlimm wird es ja nun nicht immer gleich werden, selten hat die Mutter in offenen Näpfen arsenige Säure stehen. Aber Gift langsam wirkndes Gift find die unnützen Zuckersachen immerhini ebensallg. Wie die betreffenden Mundhöhlen krüfen den Speichel absondern, so pro dueiren zahllose, in die Magenschleim hant eingebettete DriiHchen den ver danenden Magenfaft eine aus Schleim Pepfin und freier Salzsäure wesentlich zusammengesetzte Flüssigkeit, die nun den Speisebrei Halt, halt! Nur lkier keine Kleininalerei. keine ausführ liche Magen Physiologiel Was fiir chemische Produkte Pepfin und Salzsiiure auH allen Einfuhren in den Magen, ans den Schleckereien Zu cter, Mandeln nnd Eiweiß herstellen können, in welcher Weise die Magen-; schleimhaut und ihre Absonderungenl don den lleberbürdungen niit Süßig teiten beeinflußt werden« « das ge hört in Lehrbiicher, aber nicht an diese Stätte Gegen meine Gewohnheit, die nienialg auf Worte irgend eineg Mei- l sterg schwört, bitte ich hier im Interesse der guten Sache, der Kürze und der Aesthetil um einigen AutoritätsssGlauis ben. Wosu sollen wir hier Dextirin, Traubemucler und andere Kohlen-« hhdrate ausmarschiren, wozu Fette und Eiweiße zerfallen lassen? Das Eine wird ani schlichtesten einleuchten: Die Speichel und Magendriisen werden durch die süßen Liebes-gaben unnütz zur Arbeit veranlaßt und angestrengt und kxxbett ir. Folge dessen die Neigung, sich unnöihiger Weise auszuruhen, wenn es nicht am Platze ist. Dann folgen Stö-» rungen, Arbeitgstoctungen, dann Ber schleiuiungen und mehr, wag dann den giinstigsten, jetzt so beliebten Näher den siir allerlei Bacillen und Vibrionen schafft, oder sagen wir altinedicinisch die Ursache zuMagenerirantungen aller Art abgiebt: Auf Süßigkeiten folgen Bitterkeiten, oder auch Säuerlichteiten, Magensäure Dreierlei ist schädlich an jeder Zucker diite, gespendet von Tantes Herzens giite: Zuerst der Inhalt überhaupt, die Substanz, die nach cheinischer und phy fitalischer Beschaffenheit fiir den Kin dermagen meist nicht taugt. Zwei tens die Dosis, die Portion, denn die ganze Diite wird fast immer tvergteiche Hänschen He bestreit in der Einleitungh dem Kinde in die Hände gestopft. Drittens die Zeit der Schentung, eg wird nie berücksichtigt, ob und wie viel das Be schenkte schon vorher zu sich genom inen hat. Grosnuiitten Tauten« auch Ihr, junggeselligen Oheime! —— denn Jhk letzteren greift am ehesten nach der bequem zu tausenden Zuckerdiite, meidet alle Sitssigteiten für Eure Lieb tinge! Schenket ihnen lieber, wenn ein mal durchaus etwas- mitgebracht sein musi, —-- W ---- nein, dreimal nein! Schentet ihnen gar nichts! Das sind gcsrstige Gören, denen immer erst mit Brnbons oder anderen Gaben dieZunge zu cineni freundlichen Gruße im Kin demiunde gelöst werden muß. Es gab eine Zeit, wo zum neuen Jahre teineApotheter-Real)nung bezahlt wurde, ohne daß der dienstbare Geist, welcher die Jahres Receptur beglich, mit einer ansehnlich-en Last von Räu cherpulver- und -Essenz, Realisse (Alt lheepaste, — Huftenleder) und Magen Morsellen bepackt, in’s« Haus der Herr schaft heimkehrte Eine ganz hübsche Speculationl Hand und Gretchen — viksmsi ist nicht des jun deinen gemeint, —- verdarben si so ort wie der den Magen, und das Geschäft konnte von neuem beginnen. Die Un sitte ist wohl durchweg abgeschafft, und man darf sich zu dem Bruch des Brau ches freuen, sowohl wegen der fortfah lenden Süßigkeiten, wie wegen des Räucherwerkes. Ein offenes Fenster uid frische Luft sind mir aus dieDaUer lieber, als alle Wishlaeriiche Arabiensz gar der vom Räucherpulver, das man in die Ofenröhren gestreui hat, aufstei gende Dunst hat für mich einfach etwas Undeiircliches. Anders als beim Apotheker teht die Sache beim Colonialwaaren - ändler, Materialisten, Drogisten oder wie sonst die Leute, welche den Haus-halt versor gen, benamset weiden. Da empfängt das artige Kind, das unter dem Schutze des Dienstmädchens in die ersten Ge heimnisse des Harshalts- und Küchen handels eingeweiht nsird, von dem Ver läufer immer noch das Stengelchen Gerstenzncker, ein Dutzend Pfeffer mijnzplätzchem die herrliche Lakritze und wie immer die bekannten Herr lichkeiten heißen. Beim Ein- und Auf treten der folgenden kindlichen Magen vcrstimmnng schwört natürlich die Caroline bei ihrer Seele Seligkeit, daß sie stets ans das liebe Engelchen Obacht gegeben hat, und daß nichts Unrechtes iiber seine Lippen gekommen ist. Man ntufz, —- auch als praktische Haus-— frau, ——— nicht zu viel Verschiedenarti ch mit einander bei sich selbst und ebensowenig bei der Dienerschafi ver binden wollen. Denn sehr weise sagt der weise Könia Salt-mo: »Alles hat seine Zeitl« Kaffee- und Zuckereintäufe und Kinder-Beaufsichtiauna, —- alles hat seine Zeit. —- Wie in Rußland die Interessen der christlichen Kirche polizeilich ge wahrt werden, davon kann das Stadt tbeater zu Riga, wie der »Allgem.8tg.« gemeldet wird, manch ergötzliches Stöcklein erzählen. Daß ein »Pro phet« über die Bühne geht, ist wider die Religion, »Die Belagerung von Gent« dagegen muthet harmlos an. Auch das Evangelium paßt nicht in’s Theater, darum wußte sich dieser Tage der Oper nur nach seinem bürgerlichen Nan en »Mathia5 Freudhofer« nen-" nen. Schon von altergzher konnte übri gens die Rossinifche Oper »Wilheln: Tell« nur unter dem Pseudonym »Karl der Kübne« iiber die Bretter ge ben, während der Schillerfche Revolu tionär sein-en Namen nicht verleugnen braucht, um bübnenfiibig zu werden. Ein Zar darf nicht aufs Theater, da rnn werden aus dem »Zar und Zim mermann« ,,Flandrifche Abenteuer«. So schützt man in Ruszland den Staat nnd die Religion mit den bewährten Mitteln der Polizei. ——- Ueber den Ursprung der Elec trirität in der Atmosphäre yat der Pariser Gelehrte Pellet der französi schen Phyficalifchen Gesellschaft eine wichtige Liliitthseilung gemacht. Man hatte schon vor einiger Zeit beobachtet, las-. dser Wasserdarnpf, der infolge der Verduustung dein Er’d-boden·entfteigt, der Atmosphäre eine ziemlich bedeu tende Menge von Electricität zuführt. Indessen war diese Wahrnehmung biss l)er noch in Unsicherheit geblieben, da es nicht gelang, einen Beweis durch das Experiment zu liefern. Das ist jetzt dem Physiker Pellat gelungen. Er liat zwei flache Schalen aus Messing benutzt, deren Metall er mit E«lectrici tät luo und isolirtex die Electricitäts ikieuge jedes dieser Gefäße konnte durch un krieriraineler nanoig gemessen mer nen. Das eine dieser Geräthe wurde mit Wasser gestillt, dac- antdere blieb leer, und so winden beide lz Stun den lang bei geweihnlicker Tempera tur in Ruhe gelassen. Am Ende die ses Zeitraumes stellte sich heraus, basz die mit Wasser gefüllte Schale den grössten Theil ihrer elektrischen Ladung verloren hatte, während die andere ihre Electricitiit biLJ auf eine kaum merk bare Einbuße behalten hatte. Diese Thatsache kann nicht anders erklärt werden. als durcli die Annahme, daß der Wusserdainps, der aufs der gefüll ten Schale verdunstete, die Electricität mit sich nahm. Dadurch wird der Schluß niihiegelegt, daß auch der von der lfrdobersliichc aufsteigende Wasser dunpf sich der dein Erdlsörper anhaf tenden Electricität bemächtigt und sie der Atmosphäre mittheilt. Ein weite rer Beweis fiir die Richtigkeit dieses Satze-, ist darin zu sehen, »daß der elec trische Zustand der Erde währen-b der tnärmsten Stunden des Tages- am schwächsten ist, weil dann eben die Verdunstung der in der Erbe enthalte nen Feuchtigkeit am stärksten ist. Da— der Ursprung der atmosphärischen Clectricität seit Jahren eine der meist umstrittenen physikalischen und meteo rologischen Fragen bildet, so ist der von Pellat geliefeite Beitrag von be sonderer Wichtigkeit Uebrigens machte der Gelehrte noch daraus aufmerksam. daß ber aus Schtrnsteinen in die Luft cntsandte Rauch ebenfalls ein ansehn icher Electricitiirgträger ist« und zwar ist der Rauch gewöhnlich mit negativet Electricität geladen. —- .-----.-.--—— —— Jn einein Reise-darein ,D;«xf ich Sie einen Augenblick sinrents icon mis giebt keine Antwort-) Reh-its ich wohl hier eine tilridktmst i:1 EIN-degra heit eines Rundrrsitbslleis »I;a:nn'e« —- ,,Ja, zum Teufel, können Sie kenn nicht lesen, was oriufzstn stel:t, daß jede wird?!« J Auskunft mir Beet-rügen ertheilt