Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, June 02, 1899, Sonntags-Blatt., Image 14

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    Unter schwerkdi
---IJkrdacht.
Erzählung Von k. Hknefech
U FortsetzungJ
Sie lachte pfiffig. »Ich sagte ihm,
darum brauche er sich nicht den Kon
zu zerbrechen Das Testament des
Herrn- sei schon fertig, die Tochter sei
aufs Pslichttheil gesetzt. Nächster Tage
werde es unterschrieben und bei Ge
richt hinterlegt, der Herr warte nur
aus die Rückkehr seines Freundes Ju
stizfrath Vogelsdors von der Bade
rei e.«
Wäre Oswald durch diese Mitthei-:
lang nicht selbst allzu sehr betroffen
worden, so würde er ihr gewiß sein
Befremden über diese ganz eigene Art
des Heiinleuchtens ausgesprochen ba
hen, ietzt dachte er jedoch nicht daran,
sondern rief sehr lebhaft:
»Ist das wahr, Frau Bennewitz?
Warum haben Sie mir denn davon
gar nichts gesagt?«
»Na, buchstiiblich wahr ist’s ja nicht
gerade, Herr Assessrr. aber so Viel steht
fest, mehr. als sie absolut haben muß,
kriegt Fräulein era Von dem väter
lichen Vermögen nicht: es ist schon als
les mit Justizrath Vogelgdorf bespro
chen und er mag das Testament wohl
auch schon ausgeseyt haben.«
»Aber Sie wissen gewiß, daß es noch
nicht vollzogen ist?« fragte Oswald in
großer Spannung.
»Keine Jdee,« lachte die Haushaltes
rin. die sich ietzt sehr wichtig dortoissv
inen mußte. »Man hat doch auch
seine Ursachen, sich darum zu beküm
mern,« sente sie ziniperlich hinzu und
blickte vor sich nieder.
Der Assessor schwieg, er wollte sie
herankommen lassen, und sie begann
nach kurzem Zögern denn auch wieder:
»Herr Assefsor, wir sollten gute
Freunde und Bundesgenossen sein«
»Sind wir denn das nicht, liebe
Frau BennewitzV fragte der Assessor
mit aut gespielter Unbefangenheit
»Ja, gewiß,« sagte sie und rückte
näher an ihn heran. »Ich meine nur.
here Aessessor, das Vermögen des
Herrn Harms ist groß genug, Sie und
Fräulein era. . . man bat ja auch
· Augen und weise, was vorgebt.«
»Sie-via ist meine Cousine,« sagte der
Assessor ausweichend
»Ganz recht, aber sie gefällt Ihnen
auch sonst,« lachte sie überlegen. »Mit
der leeren Hand möchten Sie aber das
Mädchen nicht heirathen und darum
wollen Sie beim Herrn gern durch
sehen. daß er die Tochter zu Gnaden
annimmt. Sie sangen es aber verkehrt
an und machen ihn rabiat.«
»Sie irren, Frau Berinewitz,« OE
wald sprach es in sehr gemessenemTon
und rückte an das andere Ende der
Bank, wie um auch räumlich den Ah
stand, der ihn Vor ihr trennte, bemerk
bar zu machen. »Weder era noch
mir ist es um dag Geld ihres Vaters
zu thun: es macht das gute Kind nur
so unglücklich, daß er sie nie sehen,
nichts von ihr wissen will«
Frau Bennewitz lächelte überlegen,
was ihrem nicht eben geistreichen Ge
sichte einen recht drolligen Ausdruck
gab, und erwiderte in einem Tone,
durch welchen etwas wie gütiges Nach
gehen klang: »Ja doch, Herr Assessni,
aber wie es nun sein mag, ich sage
Ihnen. Sie sangen die Sache verkehrt
an.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie dürfen nicht immer so gerade
aiis in ihn hineinreden, das macht ihn
erst recht aussässig, man müßte ihm
von einer ganz anderen Seite beitocn
men."
»Seht gern« könnten Sie mir nur
fis-In- von welcher, liebe Frau Bennes
»Wenn ich in einem andern Verhält
nisåtzuhiäm stigndef heflüstegx sie uxish
ru ei wie ernä r. » rrA -
sor, Sie tvissen!« ss
» Sie stieß einen tiefen Seufzer aus;
uher Oswald’3 Gesicht zuckte es listig
und er antwortete zuversichtlich:
»Das kommt noch, liebe Frau Ben
mir-B«
« einen Sie wirklich?« fragte sie
kIpWsltkd. »Wie war ers »vie
Vst neuen mich! Wodurch habe eine
Mche Nichtachtung verdient? O! das
schgetzt seht tief,«
Sie leate Die Hand aus die Stelle,
an welcher sie das Herz vermuthete,
und schluq die Auan anklagend zum
Himmel emvcm
.·Lassen Sie sich dass nicht ansechien,«
tröstete Oswald, »das war meine
Schuld. Ich habe ihm die Laune ver
dorben, das haben Sie ja soeben selbst
gesant·«
Sie nicktr. »So ist er nun; alles
läßt er tm mir aus.«
»Das thun die bösen Männer im
mer an denen, die ihnen die liebsten
sind,« antwortete der Assessor mit ganz
rubiaem Gesicht. -
»Und Sie meinen wirklich, das wäre
ichs« skötete sie und sah ihn an, als
wolle sie ihm die Worte von den Lip
pen lesen.
»Aber welche Frage?« entgegnete er.
M empfehle mich Ihrer Gnade, Frau
Sonnewix Sie werden eines schönen
Tages meine Leute«
Ist das Ihr Ernst?« Sie legte ihre
W tte nd auf seinen Atm.
’ tFtaueu soll Zaun sich nicht Un
s II RU»
I III-II ZWMYF WEI
’Mf« W sie weise-lieh
.Jch gebe mik. sp vier- th, ihm l
alles behaglich zu machen: jedeanmich
lese ich ihm vor- den Augen av. Er
ican es bei keiner Andern so gut krie
aem wie bei mit.«
»Das sieht er auch ein,« redete ihr
der Assessot zu. ,,Haben Sie mit Ge
duld. Ein Mann. der so traurige Et
fahttmaen in seiner ersten Eise gemacht
hat, wie der Onkel, entschließt sich sehe
schwer zur zweiten.«
»Er könnte doch lanae wissen, daß
et fo etwas mit mir nicht zu befürch
ten hat!' seufzte Frau Bennewitz. »Die
Zeit vergeht; ich habe schon ein paar
ganz aute Anträge gehabt, Beamte mit
Titeln, Männer mit Vermögen, ich
habe aber immer nein acfaqt. Wenn’s
mir mit dem Warten aber doch gar zu
lcnae wird W« i
Sie blickte Ostvald an, sichtlich in
der Erwartung, dieser werde ihr einen
Rath geben. Als er nun die Achseln
guckte. rückte sie wieder ganz dicht an
ihn heran. »Könnte man nicht doch
lieber etwas nachbelfen, herrAssessor ?"
· »Sie meinen, ich solle einmal mit
ihm sprechen, Frau Rennen-ist Wenn
ich Ihnen da nur nicht einen schlechten
Dienst erweise. Sie wissen ja, er ist
aeaen mich ausaebraclpt.«
»Das meinte ich nun nicht gerade,«
«« antwortete sie, gegen ihre Gewohnheit
nach Worten suchend, «warum ich Sie
aber eigentlich aebeten habe, hierher zu
trmmen —«
»Aber so schießen Sie doch losl« er
munterte sie der Assessor, da sie wieder
stockte. »Was in meiner Kraft steht,
soll ja aern geschehen«
»Und es sollte wahrhaftig IMM
den nicht sein.·« fiel sie lebhaft ein. »Ich
würde nicht ruhen und rasten. bis ich
di( Versöhnung vZwischen ihm und der
Todter Zuweae gebracht hätte; also
helfen Sie mir nur."
.Gern, gern,« betbeuerte er; »so-ten
Sie mir n:rr. trie.«
»Den Assessor, haben Sie ganz ver
gessen? Sie boten rnir einmal ein Mit
tel an,« itarnrnelte sie mit niederge
schlagenen Augen. »Da-mais wollte ich
nichts davon hören, wenn ich’s aber
ietzt bekommen lönnte2«
Einen Augenblick schaute Oswald sie
ganz verduht an, dann blitzte es ver
ständniszvoll in seinen Augen aus. Er
leg-te wie nachsinnend die Hand über
das Gesicht. um ihr sein Mienenspiel
zu verbergen, und sagte ernst und be
denklich: —
»Ach, Frau Bennewitz. Sie wollen
mich beim Wort nehmen!«
»Sie erinnern sich also?« fragte sie
eifrig.
,.Jch habe anen von dem Tröntchen
erzählt. das mein Freund, der innge
arabische Priester Abdallab ben Eisin
sich mir geschenlt bat?'
»Ja, ja, so war der Name.« nickte
Frau Bennewitz. »Haben Sie ihn
archi«
Der Assessor schien zu überlegen.
«Einen Theil davon besitze ich noch, er
dürfte ausreichen.« sagte er dann zö
gernd und wie mit sich selbst sprechend
»«’5iir Ferdinand genugte eine kleine
Dosis.«
»Sie haben ihn schon prodirt?«
fraate sie mit funlelnden Armen
»Ja, sür einen Freund. der sich vers
arblich um ein junges Mädchen bei
warb,« erwiderte er beiläufig.
»Und?« fragte sie schnell, da er
schreien
»Sie sind jetzt ein glückliches Paar.
Dennoch —«
»O, herr Assessor!" unterbrach sie
ihn flehend und mit ausgeht-benean
den. »Wenn Sie mir davon geben
tönntent«
»Ich weiß doch nicht »s« entaegnete
er bedenklich. »Herr Harms ist mein
Onkel. es will mir doch scheinen. als
ichicke ei sich nicht siir mithi«
»Es würde ihm doch nicht schaden?«
erkundigte sie sich nun auch besorgt.
»Im Gegentheil,« antwortete er
lachend, »dem Trank wohnt soaar auch
eine veriitnaende Kraft bei, eben aus
diesem Grunde.«
»Herr Ilssessort Lassen Sie sich er
brtten. Geben Sie mir den Trantl
Sie können nachher von mir verlangen,
was Sie wollen!« Sie ergriff seine
baden härtre und drückte sie.
»Ich that- hneu ja gern den Ge
fallen. Frau witz, seinem lieber
alt Ihnen. mir —«
»Sie haben ihn nicht rnii hiek!« fiel
sie ihm ins Wort, »das thut nichts. ich
fahre mit Ihnen nach der Residenz und
lwle rnir ihn, ein Vorwand wird sich
schon finden.«
»Das wäre nun grade nicht nöthig,«
lächelte er; ernst und feierlich setzte er
hinzu: »Können Sie wirklich anneh
men, daß ich mich von einein Mittel
trennen werde, das zwar unschädlich
für die Gesundheit ist. aber doch in
anderer Weise verhänankßvoll werden
kann? Ich lasse es nie in meiner
Wohnung zurück, sondern trage es
stets bei mir.«
»O, so geben Sie es mir doch!« sie
·streckte die Hand aus.
»Das geht nicht so leichi,« erwiderte
er abwehrend. »Es sind allerlei z or
rnalitiiten dabei zu beobaclnem un ich
ihr-riß nicht, ob Sie das können wer
en.«
»Alleö, alles, was Sie wollen! Sa
gen Sie mir nur« was ich thun soll,«
gelobte die hausballerim deren Be
gehrlichleit durch Osrvalds Zögern im
mer stärker gereizt ward.
Nachher-stich, die Stirn in Falten
geleert, schaute er vor sich nieder, dann
erhob er sich von der Bank. als ob er
eine-n Entschluß gefaßt habe- «
»Ah-bleich es sei, aber hören Sie
mich genau an: Soll der Trank wirken,
se dars er nicht von einer Hand in die
andere nnd nW bei Tageslicht M
sen werden. Um Mitternacht
· . » v»;t
stillsehveiqend nnd ohne daß der, wel
cher ihn betont-ist« eine Ilnm davon
hat. müssen Sie ihn einem etränl
beimischem das er am Morgen zuerst
qenießt.«
»Das kann ich ja alles sehr ut ein
richten, Herr Assessor. Wenn ie mir
heute Abend das Fläschchen wohin
legen wollten —«
»Ich thue nicht recht daran,« sagte
Oswald, wie nochmals von Bedenken
erfaßt, »aber es sei darum. Gehen
Sie heute Nacht hier in den Part,
unter der großen alten Eiche werden
Sie aus einem Blatt weißes Papier
das Fläschchen finden. Richten Sie es
sc ein. daß Sie es aufnehmen, wäh
rend die Uhr zwölf schlägt, und daß
Sie von niemand gesehen werden«
«Nichts leichter als das-, um die Zeit
schläft das nat-spie Haus.«
»Sie nihssen das Fläschchen an
Ihrem Körper verborqu bei sich tra-:
gen, bis Sie seinen Inhalt verbrau
chen,« fuhr Oiwold fort.
..Moraen früh gieße« ich es Herrn
Horn-is in den Thee.«
»Bitte, meine liebe Frau Bennennn
einen Taa länger werden Sie sich doch
aedulden müssen,« lachte Oswald
»Morgen theile ich noch das Früistiirt
des Onlels und es könnte zu sehr un
liebsamen Verwickelungen« führen,
trsenn auch ich von dem Wundertrank
schlürfte.«
Sie leate verschämt die Hand über
die Auaen. »O, Herr Assetsor, Sie
sind ein S- ".Iker.«
»Zuwei!e : ietzt dandeli es sich aber
um eine sehr ernsthaste Sache: nnd
noch eins-, Frau Rennen-W sich werde s
Ihnen ein- ganz genau adgemessene «
Periion geben; Sie diirien leinen
Troper in der Flasche lassen sind l
müssen sie, nachdem sie geleert ist, so
gleich in fließendes Wasser werfen.'«
.Verlassen Sie sich daraus, Herr
Assessor, es geschieht alles, wie Sie es
beieblen,« versicherte sie.
»Nun aut: heute Nacht lege ich Ih
nen das Fläschchen unter die Eiche,
morgen Vormittaa fahre ich wieder
nach Berlin, übermorgen trintt der
Onkel seinen Idee mit der Beimisrlis
ung, und spätestens in der nächsten
Woche bekommen wir die Ball-hunge
kritten.«
»Ach, Herr Alsessor!« seufzte sie und
wollte sich in Dankesbetheuerungen ers
neben. da ertönte aber vorn Hause der
eine Stimme, die ihren Namen rief.
»Ja, sa, ich komme schon!' rief sie
daaegen und lief schnell iort.
Langsamer folgte ibr Oswald Er
beaab sich auf sein Zimmer kleidete
ich zum Auge-eben an und verließ bald
daraus das Haus
Z. K a v i te l.
»Haben Sie es auch schon gehört ?'«
»Was denn?«
»Der Fabritbeiiner Haemå aus dem
»Dam« itt heute Morgen plötzlich ge
sterben«
.Benno Hat-as ? ! Nicht möglich!
Ich habe ihn gestern Abend noch auf
dem Badndoi aeseben Er aad seinem
nach Berlin sahrenden Neffen das
Geleit.«
»Hätten ilm heute Morgen auch noch
im besten Wohlsein finden können. Er
soll kurz nach dem Genuß des Früh
stiieis plötzlich umqetallen und aus dcr
Stelle todt geblieben sein«
Solche and ähnliche Reden wurden
am Tage nach der Abreise des Assessorz
hornig unter den Bewohnern der rei
chen Fabritstadt unzählige Male aus
aetauscht, denn die Kunde von dem
schnellen Tode des reichen Tuchsabri
lenten rief allaernein Staunen und Ve
sremden hervor.
Hatrns hatte das Leben eines ein
siedlerischen Sonderlingz gesitdrt und
einen anderen als geschäftlichen Ver
tedr lediglich mit seinemJugendsrennd,
dein Justizratb Bogelsdors gehabt
er war aber trotzdem eine stadtbetannte
Persönlichteit gewesen Er stand noch
in den besten Jahren. man wußte daß «
er die ante- Dinae dieser Welt durch- (
aus nicht verschmiihe und das sein s
Tisch wie sein Weinkeller stets aufs .
beste be tmr. Er machte den Ein
druck Mantu- niit eiserner Ge
sundheik und hatte lich stets gerithint
Mittel-let noch Ertiiltunnen
könnt-I ihm etwas anhaben: er sei
noch nie in seinem Leben trank gewesen
--W Vater dein ersten Krani
liest-anstatt der ihn heimgesucht Most
til-nen·
Jn der Wohnung, Wie im Geschäfts
lrial des so jäh Verstorbenen herrschte
eine arenzentose Verwirruna. DieArp
gestellten aus Kontor und Fabrik. so
wie die Dienstboten liefen raihlosz
durcheinander Kaum dasz einer unter
ihnen so viel Geistesgegenwari beses
sen hätte, um nach einem Arzte zu
schicken. (
Bei seiner robustenGesundheit hatte
Bei-no Hat-us einen eigentlichenhaiis
arzt nicht besessen, es war daher der
zunächst wohnende Dr. Wilh-ca ein
noch iunaer und seit tukzem in der
Stadt ansassrger Mann, herbeigerufen
werden. Er war zu Hause gewesen
und dem Beten soaleich aeiotgt, hatte
aber den Fabrikanten nicht mehr le
bend anqeirossm Trotzdem er von
der Ersoiaiosigieii vollkommen über
zeuat war, hatte er Belebunqsversuche
angestellt. Eben als er seine Bemü
hunan als vergeblich ausgegeben und
den Tod in Folge Schlagansall konsta
tirt hatte, war der erst Abends zuvor
von seiner Reise zuriickgekehrte Justiz
rath Bogelidors im Sterbehanse ange
kommen.
Wie niedergebonneri stand er an der
Leiche seines Freundes und drang in
den Urst, immer neue Vers-Oe tu
I
weisse-« usw tin M zukam
ruini. Mv is M
— Mystik-. IIIka EIN-I »icka
»Ich rann S trink assenk sagte er
endlich. den Dottor itberg in ein
Nebenzimrner ziehend, »daß ein Mann,
den iet- gestern Abend heiter und guter
Dinge verlassen habe sent als Leiche
vor mir liegen soll «
»Ah Sie haben Herrn Banns noch
gesprochen?«
»Gewiß. Er hat seinen Ressen, den
Assessok Harnis, der bei ihm zu Besuch
gewesen war, nach dem Bahnhos be
aleitet und war nach dessen Abreise
draußen geblieben, um mich zu erwar
ten, da er wußte, daß ich mit einem
späteren Zuge anlommen würde,« er
widerte der Justizroth.
’ »Und wie fanden Sie ihui·
«Gesund wie einen Fisch im Wasser.
Er erzählte mir, er habe, um sich die
Zeit zu vertreiben, im Bahnisofsrestaus
rant zu Abend gegessen, und schnalzte
noch mit der Zunge in Erinnerung an
die vortrefflichen Odertrebse und den
töstlichen Raucnthaler, weiche man ihm
vorgefeyt Wir fuhren gemeinschaft
lich in meinem Wagen zur Stadt und
ich setzte ihn ier an seinem hause ab «
berichtete dersustizrattz und Dr. Wil
bera erkundigte sich angetegentliche
»Sie bemerlten gar nicht«-s Aufsälli
ges an ihm?' »
»Nichts-, rein gar nichts-· Er war
auiaeeäumt und gesprächig und er- -
zählte mir allerlei, was während de- j
Besuch-s seines Neffen zwischen diesen: t
und ihm umgefallen war und worüber
er meine Meinung hören wollte. Ietzt
möchte ich aber doch zu erfahren su en,
was nach seiner Heirnlebr sich mit ihm
zugetragen hat. Wo ift denn eigentlich
die Benneioitz?« l
Der Justizratb besann sich erst jetzi,
daß er die Frau noch nicht zu Gesicht
bekommen hatte, und ging nach der
Thür, sie zu rasen.
Dr. Wilberg hieit ibn zurück,
.Wenn Sie die Hausbiilterin meinen,
die babe ich zu Bett geschickt,« sagte er.
»Sie laq in Schreiträmpsen, nnd ich
schasste sie fort, da sie bier nur ithege
war.«
«Siebt dem albernen Weibe ganz
äbnlich, habe nie beareisen können, wie
harms sie um sich dulden tvnnie,"
brummte dee Justizrath. »Ihr-n Sie
mir ten Gefallen und bleiben Sie hier.
here Doktor« bis ich die anderen
Dienstboten befragt habe; es ist mit
unglaublich, daß Harmz eines natiir
lichen Todes qestorben sein soll."
»Aber Herr Justizratb, was mit-b
maseen Sie?'· sragte sebk erschrocken
der Arzt.
Vogelsdors guckte die Achseln. «Da·s
tann ich anen nicht sagen. Aber Sie
müssen doch selbst gestehen, wenn ein
terngesunder Mensch blönlich run
iiillt —-«
»Kann ibn doch ein Schlagansall ge
trossen habe-U siel der Arzt ein, »und
das ist biet geschehen«
»Das lebet der Augenschein; aber
aus welcher Veranlassung?«
«Dariiber könnte nur eine Midni
tion der Leiche Aufschiusz geben. Sind
wir ermächtigt, eine solche vorzuneh
men? Haben Sie irgend einen Ver
dacht?«
»Nein!« rief mit dem Fuße stam
pfend der Justizraih, »und ich möchte
auch nichts laut werden lassen. was ein
Einschreiten des Gerichts herbeiführen
könnte; es wird ohnedies ohne eine
Menge unliebsamer Austritte und Er
örterungen nicht abgehen. Die Ber
wandten müssen telegrapbisch benach
richtigt werden, vorher muß ich aber
wissen, was sich gestern mit Hering zu
aetragen hat und wie es bei seinem
Tode zugegangen ist. Thun Sie mir
den Gefallen und bleiben Sie dabei
zugegen.«
Dr. Will-ers ertliirte sich dazu be
reit, die beiden beeren erfuhren jedoch
nicht viel Neues.
Harms hatte den vorhergehenden l
Taa ganz in gewohnier Negelmäßig
leit, theils im Geschäft, theils in seiner
Wohnuna verbracht, mit seinem Neier
die Mahl-reiten eingenommen und die
sen gegen Abend zum Bahnhof be
gleitet. Von dort zurückgekehrt, war j
er zur gewohnten Stunde zur Ruhe ge- l
aanaen und ebenso arn Morgen ausar
irandem hatte geschelli und das Früh
stück verlangt.
»Hai er das derzehri?« fragte Dol
tor Wilberg das junge, aufgeweckie
Stubenmädchen, durch welches ihm
nnd dem Justizrath der Bericht erstat
tet ward.
»Ich glaube wohl, denn auf dem
Teller laaen die Eierschalen und von
den Brödchen war nur noch ein Rest
vorhanden, aber ganz wiß lann ich
es nicht sagen. Der rr Justizrailz
werden ja wohl willen, daß Frau Ben
newiß alles, was der herr genoß, im
mer eigenhändig zubereitet und ihm
auch aufgetragen hat«
Die Erklärung war von einem
Lächeln begleitet, dessen Sinn Vogels
dorf nur zu gui u deuten verstand.
Das beinahe zur sier Idee gewordene
Bestreben der haus älter1n, vorn
hausherrn Iheiralhei zu werden, war
ihm ebenso kannt, wie allen An e-—
liellieu in der Fabrik, wie den e
dienlesien irn hause und leinemIreuw
de leibli. Er hatte diesem wiederholt
z redei, die unangenehrne Person zu
en lasen, hat-nd halte jedoch steil e
lachi und geantwortet, er habe l e
Veranlassung dazu. Frau Benaco-is
kocht ausgezeichnet und lese ihm jeden
Wunsch von den Augen ad, ean er
Mr ihre Wünsche und Uns langen
s
« kein serstsndnis Setz-ej Un VII
aber alte u drink lt
bade er fes-any se ne Urt, sietn
Schranken zu verweilen.
Während dem Fusttzrath dieseun Ge
danken blitzschnell urch den Kodfg in
gen, hatte Doktor Wilberg an das
Studenmädchen die weitere Frage ge
richtet:
»Was hat Oerr Harms außer Eiern
und Weißbrod noch zum Frühstück ge
nommen?"
»Heute hat er Chotolade getrunken,«
war die Antwort, welche den Arzt ver
wundert aufblicken ließ, während sie
dem mit den Gewohnheiten seines
Freundes der-trauten Justizrath ein
flüchtiges Lächeln abnöthigte.
»Er liebte es, abwechselnd Rats-.
Thee oder Chotolade zum ersten Früh
ftück zu trinken, dazu Weißbrod mit
Butter und zwei weicheEierz das zweite
Frühstück, so gegen zwölf Unr, bestand
- immer aus einem Kaldsfchnitzei. einem
Beefsteat oder dergleichen und einem
Glase Poetwein,« demerlte et.
»Nun, dabei lann man bestehen,"
lächelte der Dotter, während das
Studenmädchen zustinimend undfm
dem weinerlichen Ton, der ihr der
Sachlage angemessen scheinen mochte,
mate: »Ja der etliche liegt das schone
Stück Rindslendr. das zum heutigen
zweiten Frühstück bestimmt war und
das er nun nicht mehr essen wird, und
mit dem ersten Friihftiia ists auch, wie
der here Justizrath sagen. Herr
harrt-s legte jeden Abend einen Zettel
heraus, was er am Morgen trtnlen
wollte. Frau Bennervitz meinte, als fie
heute den Zettel fah, sie hätte es sich
aleich gedacht, daß er Chololade be
stimmen toiirde, denn der Herr hatte
die Zeit vorher, dent Herrn Assesfor n
Gefcllen immer Thee getrunken; te
lachte sie ihm dann augund goß see in
die arofze vergoldete eckeltasfe, aus
welche der Herr so viel hielt,'« erzählte
mit aroszer Zungengeläusigleit das
Mädchen weiter, das in ferner Rolle
als Berichterstatterin sich fehr wichtig
vortoennien mochte.
»Herr Hornes hat die Chololade ge
trunken?·« fragte der Justizrath.
»Das muß wohl sein, denn Frau
Benutin machte sech, als sie mit dem
Geschirr aus dein Zimmer in die Küche
lam, sogleich ari- das Reinigen der
Taffe,« antwortete das Mädchen.
.Warutn that sie dast« fragte schnell
und rnit einem scharfen Blick aus Dr.
Wilbera der Justizrath, fenlte aber fo
aleieh wie beschämt den Kopf, als er die
Erlliiruna erhielt:
»Das überließ sie teineen andern,
aus Furcht, die Taffe, die dem Herrn
so lied war, könnte zerbrochen werden«
und nun hat sie es doch selbst gethan.«
«Wiefo7«
» a, Frau Bennewi hatte die Tasse
eben gespitlt und hielt te zum Abtroeb
nen in der Hand, da llingelte der Herr
nnd riß die Thür aus« wir rten einen
Schrei und einen schweren fall, vor
Schreck ließ sie die Tasse fallen und sie
lieat nun in Scherben da. Wie der
arme herr,« feste sie mit einent etwas
gewogten, aber doch nicht ganz unpas
fenden Vergleich hinzu.
»Und was geschah dann?«
»Nun, wir stürzten alle nach dem
Soeisezimtner, an dessen Schwelle der
here leblos mit dein Gesicht auf dem
Boden lag, und ehe der Kutscher und
der Diener aus der Tal-rit, die herbei-—
gelaufen lamen, i n noch ausrichten
konnten, wars sich Frau Bennetvin
iiber ihn. nannte ihn lieder Benno und
Du und fchrie, er solle und rntisse aus
machen· denn nun werde ja das glück
liehe Leben site sie Beide erst angehen.
Kunze, was der Fabrildiener ist, gab
ibr einen Stoß, daß sie bei Seite swa,
und fehrie fie an, sie solle den Mund
halten« sie habe dem Herrn mit ihrer
Sudelttiiche wahrscheinlich den Magen
rutntr .«
KOCH ist nicht der Fall, sie kochte
sehr gut und sorgsältig," konnte der
Justizraih sich hier nicht enthalten ein
zuschnlten
»Ja, has that sie.« betriistigte das
Mädchen, »und es war auch nur die
reine Bosheit von Kanze, der immer
Frau Bennewik eine auswisehen muss
te· wo er nur onnke. Sie guts- ihm
sonst verl- wieder, aber heute gerieth sie
ganz aus Rand und Bank-, bekan-.
Schreitriinipse, schlug um sieh, wir
wußten nicht, ob wir zuerst nach ihr,
oder nach dein armen herrn greifen
sc-l1ten. Herr Doktor haben sie ja selbst
; gesehen.«
»Die Frau scheint mir im höchsten
Grade hysterisch,« sa te Dr. Will-erg,
»ich habe ihr ein zietn ich starkes narkos
tisehes Mittel gegeben, theilweise, wie
ich eingestehen well, um uns hier aus
einige Stunden Ruhe zu verschaffen.
Sie wird seht schlafen.«
«Ja, das thut sie, ich habe nach ihr
gesehen,« verseßte has Mädchen.
. »Ich hoffe, sie wird beruhi tee erwa
chen,« erklärte her Arzt, und « ustizrath
Boaeljbors sit te hinzu:
«Dalt wüns ich lebhaft, denn wir
werden« noch ehe der Abend herein
brieht, das hauj voll Gäste haben, für
deren Unterbriu ung Sorge getragen
werden muß. J werde an die Ver
wandten tetegrap tren und da sie in
Berlin wohnen, können e mit dein
nächsten Zug am Abend hier sein. s eh
bitte Sie, herr Doktor, dann ach w e
der zu kommen und mir betzu ehen,
wenn ich die interbliebenen zu bestim
men suche, e Einwilligung zur Let
ehenösfnung zu eben.«
»Damit s ht uns Aerzten im
mer ein ro r Dienst, ich werde mit
dein Ins lleu des Tobtenscheins so
vnatürlichen Tod vesFreundes glaubet E«
» hatte ihn auch beauftragt, seinem be«
lawseharth entgegnete Dr. Mk . ;
nnd entfernte sich mit dein Verspre« - ;
im Lonse des Tages noch ein pao sis
mit herankommen Fu wollen. » i
Justizrath Ver gdors setzte ein .
legramm aus, durch welches er i- . -.
Assessor Horms von dem plötzlichs
Tode seines Onkels unterrichtete ·un
ihn schleunig hetbeiries. Ein zweit e
ein wenig vorsichtiger gehaltene-s Tss
nramm ging an die oerwittwete Je
Professor Wen-eher in der Mag-i
strasze in Berlin ab, eine Cousine vo
ero Darmk- Mutter, dei der Je »
nach dem Tode der letzteren lebte.
Der Justizrath mochte nicht an einie . J
Aber wer konnte sich von seinem To
Vertheil versprechen?
Harmg hatte ihm gestern aus »
Fahrt vorn Bohnbos in die Stadt v Fj
den wiederholten Bemühungen Ost-s is
ioalds ersählt, eine Annäherung z· « I
seinen ihm nnd seiner Tochter herbeizii E
fifty-rein sowie von deniWirerstand, des «««
er geleistet, und daß es darüber ei Eis
pac.rini.rl zu recht lebhaften und sas
unersreuliciyen Austritten zwischen ihrs "
und dem Neffen gekommen sei. Ez«
cl
reitg errichteten Testament noch ein-ji
Kodizill hinzuzufügen, das Oswald
des ilim ailegesetzten Legatrs für ver-sc
lustig erlliirte, falls er era Hatms," ;
txeiiatlien würde, und es war zwische « s
den Freunden wegen Dieser vom Jtt .
stizrnth als hart und ungerecht besi«
zeichnete-i Bestimmung sogar zu einer-i z
Wortwechsel gekommen, aber davosz «3
wußte aus-er Hat-ins und ihm Nie-?
mond. Es mußte überhaupt Niemand F
nennt-, ob oder wie Horai-Z tesiirt hatte,
Niemand. ob dessen Tod ersprießlich
oder nachtheilig siir einen seiner mutd ,
masslichen Erben sein würde.
i
Hätte er aber felbfi era oder Os
toJld eine fo niederträchtige Handlung
iutrauen wollen, wozu beide ihm teine
Veranlassung gegeben hatten, wie
hätten sie den Mord ausführen follenf
Irma hatte das Vaterhaus noch niex .
betreten, ngald war am vergangenen «
Nachmittag abgereift, undharmii hatte
sich nach feiner Entfernung noch viele
Stunden irn beften Wohlfein befunden.
War fein Tod wirtlich durch Gift her
beigeführt worden« fo mußte es ein
starkes, von furchtbarer Wirkung gewe
fen fein. Dazu hätte der Mörder sich
einer anderen Hand bedienen miiffen,
und zwar gab es nur eine einzige, die
der Frau Bennewitz.
Der Verdacht, der durch die Schilde
rung des Verhaltens der Haushiilteri ’
schon in Vogelsdorf rege geworden
; war, erwachte wieder in ihm und wur
j de wieder verworfen. Wenn irgend
s Jemand ein Interesse an Harms Leben
hatte, fo war sie es. hatte sie sich doch
. in den Kopf geletzt, seine Frau zu wer
den« und glaubte sich von diefem Ziele
nicht mehr fern.
»Sollte er nicht das Opfer eines
Berbrechens, fondern eines unglückli
chen Jrrthums geworden seini« fra te
sich klingetsdorf nnd rief mit Entschu
denlieit: »Die Obduttion muß Licht
schaffen. Noch heute muß sie vorge ,
nonnnen werden. Sobald era ers
trifft, muß sie die Erlaubniß dazuge
ben.«
Ein wehmüthiges Lächeln umfpielte
den Mund des Justizrathes, als er
diefe Worte sprach. rma, die den
Vater im Leben nie ge ehen hatte, be
saß nun doch die Macht· iider feine
Leiche zu bestimmen Was wiirde
Harms sagen, wenn er dies wüßte!
Hornes und feine Frau halten sich«.
heil-, und leidenschaftlich geliebt nnd )
erst nach langen Kämpfen vereining
tönnen, denn von hüben und driiben
waren ihnen von ihren Familien hin
derniffe in den Weg gelegt worden. Sie
hatten sie besiegt, und dennoch war i
durch sie der Keim zurückgeblieben ani
welchem Mißverftandnisse, Zertolirfi «
niiie, Entfremdung nnd endlich ein un
heilbarer Zwiespalt hervorwuchs. We
nige Jahre später, und die, welche fo
fehniiichtig ihre Vereint ung erstrebt, «
verlangten mit Ungetüm die Tren
nung. harms hatte sieh in feinem
Jähzorn zu einer Mißhandlung der
Gattin hinreisen lassen. Mit i rein
tletnen Töchterchen floh sie ans feinem
haufe, und beide hatte er nie wieder
qefehen. Unverföhnt mit ihm war sie
aesiorben. «
»Und dennoch hat er sie geliebt bit
zu feinem lebten Athen-zqu Se«i
Groll war nichts Anderes als unt -« «
fchlagene Liebe!« feufzte der Justiz-— »
rath. Kleiner Freund, niemand hats
Dich gelannt tote ich, niemand gewu if
welcht weiches herz Deine rauhe u- T
ßenfeite barg. Und auch nach Deinem "
Tode werden sie murrend an Deiner
Bahre stehen«
——.- it
F
4··siapitel. X
Dukch das vom grünen Weiman
umranlle Fenster der hintersten-h in
welcher spaka Leiche nach immer auf
dem Divan lag, fielen die legten
Strahlen der glulrolh zutRüste ge en
den Sonne, zeichneten ein buntes Git-:
lerwerl auf den Fußboden und umso-)
ben wie mit einem Glorienschein da
aoldblondehaar eines ganz schwarz g .
lleideten schlanlen jungen Mädcher -,
welches neben dem Lager des Tok- ,
knlele und sich tief ans dessen w -
bleiche Hand hetabgebeugl hatte. E
war ganz still in dem Gemach, nur M
seen drang durch die eingequ Mk
Sttnzmengewirh ohne inde? me all
das außete phe des ganz n ver
sunkenen Madcheni zu erreichen
Wleeuua May