Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, May 19, 1899, Sonntags-Blatt., Image 9

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    Sonntags - Blatt
beilage aes ,,Ilnzeiger uncl bewirkt
ki. B Wittdolph, Herausgeber , Graun Jalaiiiy Nebe» den W. Mai 1899 Jahrgang 19. Na37
Mitt. willenan m
Gewerbe.
Das Cheteben der Thiere.
Von Wilhelm Busch-.
Es erscheint gewiß sonderbar, das ;
Wort »Ehe« auf die Thiere anzuwen- «
den. Jst denn nun die Ehe ein Er ut
des Menschen vom Tage seiner ri
stenz an? Oder hat er sie erst erworben,
wie er das Meiste erst erwerben mußte,
was wir heute Cultur nennen? Oder
greift am Ende das«WZrichen Ehe doch
in das tiefere organische Leben, also
auch in das Leben des Thieres überk«
Thier und Thier ist freilich noch ein
rechter Unterschied. Eine Auster ist ein
Thier und ein Pferd oder ein Papagisi
sind Thiere. Wir müssen zufrieden
sein, wenn wir ganz oben in der Rang
stuse berThierwelt etwas »Eheartige3«
finden. Es scheint, daß gewissermaßen
als Vorstufe der Ehe im Thierreich zu
erst noch etwas angebahnt sein mußte.
Die Sorge der Eltern für das Kind
mußte sich entwickeln. Es ist erstaun
lich, wie ties in das Thierreich hinab
diese Sorge eht. Das Weibchen des
Seesternö, al o eines Geschöpfes, das
der Laie im Aquarium meistens gar
nicht sür ein Thier hält, sitzt mit ge
krümmten Armen über seiner Brut
und schützt sie, wie eine treue Bonne.
Die Spinne, die uns vielsach als Sym
bol des widerwärtigsten Thieres gilt,
weicht nicht von dem Gespinnst, das
ihre werdenden Jungen umschließt,
vertheidigt es wie eine Rasende und
unterliegt schließlich der Wintertältc,
während die Eier bis zum Frühling
aus-dauern. Allerdings sehen wir in
manchen Fällen auch das Gegentheil
Bei einer Sorte kleiner, niedlicher
Fischchem denStichlingen, ist dieStich
lingmutter eine Rabenmutter. Dnsiir
ist der gute Stichlingvater voll aus
opferndster seelischer Regungen siir
seine Nachkommenschaft Bei höher
entwickelten Thieren aber theilen sich
Vater und Mutter um die Sorge für
die Jungen. Das ist das Band, das
einerseits ihr Zusammensein verlän
geri, andererseits diesem Zusammen
leben einen Inhalt giebt, über den Mo
ment des Liebeörausches hinaus. Beim
Vogel sehen wir diese Arbeitseinthei
lang zwischen Vater und Mutter. ;
Durchweg betheiligen sich Beide am
Bau des Restes meist so, daß das ;
Weiblein baut und das Männlein den l
Stoff herantriigt. Sitzt die Mutter!
dann brütend aus dem Nest, so sorgt T
der Vater siir Nahrung und Schus. »
hier ist reicher Boden sitr eine wirlli e
Ehe. Und thatsächlich: die Mehrzahl »
der Vögel zeigt uns die Ehe in echtester
nndertennbarer Form. Ehe in der Ge
stalt, daß Mann und Weib sich auf
Lebenszeit zu einander thun, Freud
und Leid, Arbeit und Rast in dauern
derbarrnonie theilen, bis zumtllbschlusz
ihrer Bahn. Bei der Mehrzahl der
Säugethiere jedoch zeigt sich eine ent
schieden losere, eine nnbolltommenere
Form der Ehe. Es sind meist »Seit
ehen«, die da geschlossen werden, in
Liebeszeilem die periodisch roter-erleb
ren. Wilde Kämpje Inden datun das
gewählte Weibchen statt. Wüthende
Eifersucht beseelt den aus ,,3eit« ver
miihlten· Gatten. Nichts lustiger, als
zu lesen, wie sich der brave Maulwurf
iies im Erd-reich in solcher Situation
benimmt. Hat er seine Eheliebste »ne
iunden, so gräbt er besondere Nöhren
tief im dunilen Erdreirh. Da wird sie
hineingesperrt — und wehe demNeben
buhler, der sie verleiten möchte! Aus
Tod und Leben tämbsen die Herren
Maulwiirse mit einander. Kehrt der
Sieger heim, so geschieht es ihm wohl,
daß seine Schöne inzwischen eigene
Gänge aus ihrem Gesängniß heraus
gegraben hat und erst selber wieder
eingeholt werden will. Dann setzt es
auch Zank und Beißerei zwischen Frau
und Mann. Aber das Alles hindert
nicht« daß auch hier bald die rührendsie
Kinderpslege anhebt, in die Vater
Maulwurf und Mutter Maulwuri sich
redlich theilen. Doch es giebt noch et
was anderes als Bestehen, es giebt in
der Mittwelt etwas wie Erinnerung
an seltge Stunden.
So wird es von den Seebaren, einer
Akt Seehunden, berichtet. Um die
Mitte des April erfcheinen an der
Lufte der St. Paulginfel im Bed
ringsmeer Schnaren alter Seebiir
nannshen und befetzen die Plätze: es
naht ihre EheFeiti Zwei Monate spä
tee beginnt de Zuzug der Weiber, die
bis dahin allein im Ocean Fasten
Seltsam genug ift bei diesen Oeethie
ten die Zeitehe eingerichtet Sie bat
doppelten Zweck. Zuerst den« einer
wirklichen heirath. Aber damit ver
knüpft ist die aekneinfame Pflege der
Jungen vom Vorigen ahr aus der
Frsarjiihri en Sein-he enn die Trag
zeii der . unaen währt gerade fo lange
don- damals bis jetzt --—— und kaum da
den die Seebärfchönen sich einen neuen
Gema l erkoren, fo befchenlen sie ilm
Ztznä mit den Kindern feines Vor
gstlgers, die er aber unbelilmniert, als
lesen et feine eigenen, fiir die Dauer
seiner eiaeaeu Zeiten« ietzt beschüye Es
IXWI ZU diesen drolligen Umständen
IICAUL dsß etade in die ern x alle nnd
vcn den See rweiblein ber efeet ist:
fie schauen sich bei der Ankunft am
Strande alle wartenden Männer prü
fend an, locken und harren einiek Zeit,
« sob sich der ftii re Mann aus er vo
stäen Ehe n« melde. Noch weiter
sei e find gewi e Antilapenaeten Sie
sollen es schon bis zu einer festen Ehe,
zu einer Dauerehe gebracht haben."Et
was Aehnliches vermuthet man auch
beim Rhinoceros. — Der Mensch also
ist es nicht, der die Ehe »erfunden«
hat. Und dennoch! »Mag man das
Thier dem Menschen noch so nahe
bringen: der Mensch triumphirt
schließlich doch. Er ift die Blüthe, die
Krone, die concentrirte Kraft ———·und
» so auch in der Ehe«.
si- e- «
ES sind jetzt rund 3 Jahre bergan
gen, seit Gustave Le Bon in Paris
großes Aussehen mit einer Entdeckung
machte, die er als »schwar es Licht«
bezeichnete Es handelte si in- der
Hauptsache um die Erscheinung, daß
Metallplatten, die nur auf der einen
Seite einer Lichtguelle ausgesetzt wer
den, auf der anderen, unbelichteten
Seite Strahlen aussenden, die auf die
photographi che Platte wirken und
noch andere, vom Licht verschiedene Ei
genschaften besitzen. Le Bon hatte mit
seinem »Schwarzlicht« bei den Fachge
nossen lein rechtes Glück, trotzdem ei
nige Kreise der Pariser Atadernie der
Wissenschaften für ihn eintraten, er
wurde etwas von oben- herab behan
delt und auch mehrmals ,,widerlegt«.
Wahrscheinlich war an der Entdeckung
mehr, als man damals zugeben wollte.
aber ihre Veröffentlichung war etwas
; vorzeitig und hatte unter der durch die
; Roentgeri’sche Entdeckung geschaffenen
; Crregung zu leiden. Mittlerweiie hat
sie Bonjeine Versuche fortgesetzt und »
ist dabei zu Ergebnissen gelangt, die «
T vielleicht noch erstaunlicher sind alk
seine früheren Behauptungen, aber um
vieles tlarer und glaubwitrdiger, zu
mal handelt es sich um Experimente,
die beinahe feder, der sich im Besitze ei
nes photographischen Apparates besin
Pet, ohne viele Umstände nachmachen
ann.
Das Wesentliche an dieser neuen
Entdeckung läßt sich in wenigen Worten
sagen: Die meisten Stoffe behalten,
wenn sie siir weni e Secunden dem
Tageslichte ausge etzt gewesen sind,
aus eine geraume Zeit hinaus die Fä
higkeit, in völliger Duntelheit aus die
photographische Platte zu wirten. Die
Beschreibung eini er ganz einfacher
Versuche wird den Yorgang völlig tlar
stelle-n Man nimmt einen mit Gips
iibertiinchten Schirm, setzt ihn auf ei
nige Secunden dem Ta estichte aus
und bringt ihn dann- in Eine vomi.ihte
völlig abgesperrte Dunkeltannner. wc
.er 24 Stunden in einer Schrantschuov
lade belassen wird. Nimmt man ihn
dann wieder hervor, so ist er für da;
Auge vollkommen dunkel. Legt man
ihn aber auf ein photographischez Cli
che, unter dem sich eine photographische «
Platte befindet, so entsteht auf let-irrer
ein Bild, und zwar ein sehr träftigez
innerhalb 2 Stunden. wenn «t Tage
seit der Belichtung des Gipssehirmes
vergangen sind, in 12 Stunden nach l:')
Tagen, in 30 Stunden nach 25 Tagen,
in 40 Stunden nach Verlan von is
Monaten. Nach 1 "1s2 « ahke nach der
Beliehtnng des Gipss irineH erhält
man —— freilich sehr schwache s— Spu
ren eines Bildes nach einer Erpossition
von 60 Tagen. Daraus schließt ite
Bon, daß das in 2 Sekunden in den
Gipsschirm eingedrungene Tageslicht
etwa 1 1s2 Jahre braucht, urn sich wie
der daraus zu zerstreuen. Dieser Zeit
T raum ist übrigens fast derselbe, in dem
gewisse dielectrische Körper (Paraffin,
Schwesel u. a.) eine electrische Ladung
an die Umgebung ab eben. Le Von hat
auch eine mit Gips-; irnis überzo ene
Statue der Venus von Milo, nach ern
sie einige Seennden lang belichtet wor
den war, nach its-s Tagen in völliger
Dunkelheit mittels einer vorher ein e
stellten Porträtlinse photographirt. ei
diesen und noch einigen weiteren Ver
suchen stellte Le Bon se ,daß var »un
sichtbare Leuchten« in ezug aus dieBe
rechnung sind Polarisation der Strah
len genau denselben Gesetzen folgt wie
das gewöhnliche Licht. Danach miß
man annehmen, daß jene unsichtbar-e
Lichtguelle nichts anderes ist, als ein in
der Substanz ausge peicherter, siir das
menschliche Auge un chtbar gemraen«r
Vorrath an Lichtstrahlen.
Der Löweniapf.
Ein Erlebniß aus inietindien. Von
f I
. i. ,
Wir find eine kleine, aber gewählte
Gesellschaft Bord der »Vaiavia«.
die von dem aim, deren Namen ice
irägt, nach Sinqapote unterwegs ist
Wie wir fo nach dem Dinin au Decl
uns behaglich in unseren lanen obr
stiihlen dehnen. läßt unser Fünfgliedi
tmer Kreis an Jniernationalität
nichts zu wüni n übrig. Da ist dex
Kapiiiin John . Campbellsans Bel
iüii.« deer buschige Augenbrauen den
einzigen Haut-wuchs auf feinem im
Uebrigen absolut kahlen Schädel bil
den. Ueber ihm fixi, oder liegt viel
lYthe Wilhelm Boe , ein dicker Hol- .
in as Minssjifjfiükma«1"iiixäiiiiiipvliäx (
Sonne-Admiral McNaik, der äl
teste Graduirte der Marine - Akade
mn auf der Liste der noch Aktiven und
Superintendent derselben hat kürzlich
unter entsprechenden Feierlichterten
den ersten Spatenstich fiir die dort
projectirten Gebäude gethan.
Zuerst wird der Bau des Arerals.
des Boothauseg und Maschinenhauses
in Angriff genommen. Im. Höchsten
Jahre werden die großen Leb-räume
und die Trophäenhalle an die Reihe
iomrnern
- ....«.,
Dann wird mit dem Bau einer Ca
pelle begonnen werden, welche dem An
denken der Maine geweiht sein wird.
Unser Bild zeigt dieselbe nach Ent
würfen des Architecten Ernest Fla g.
Ueber dem Haupteingang dieser La
pelle wird sich eine Gedenktafel befin
den tnit den Worten:
Zum Ruhme Gottes
Jm Angedenken an J
die verunglückte Mannschast des Ber.
St. Kriegsschiffes ,,Maine«.
Zerstört im Hasen von Havanna arn
15. Februar 1898.
länder. Aus ihn folge ich, Karl M
ckus Bremen, seit 5 Jahren ohne Un
terbrechung in Banatot ansässig, mo
iszentan auf einer dringend nothwendi
gen Erholungsreise nach Hause begrif-:
sen. Mein Nebenrnann ist Gaston Jo
liset »de Paris-'s wie er stets hinzu
setzt, damit nicht ein-a Jemand denken
könnte, Gaston Jolifet könne irgend
wo anders wohnen, als im Mitteki
Punkt der Welt. Zwischen dem Fran
zosen und dem Kapitän streckt Inans
son seine unendlich langen Beine aus-,
ein Schotte, wie er im Buche steht:
haaer und sehnig, mit tnochigem Ge
sicht; ein glühender Verehrer von
Whisty mit wenig Wasser.
Wir sind alle weit in der Welt
berumgetomnien. Das betvegteste Le
ben hat aber unstreitig der Schotte
. hinter sich, den« nur seine natürliche
Schweiasamteit hindert, seine Erled
» nisse zum Besten zu qeben. HeuteAbend
; ckek hat » sich fleißig mit der Fiasche
beschäftigt, und wir wissen, daß jetzt
s schon ein kleiner Anstoß genügt,- un
ihn zum Erzählen zu bewegen.
Der Kapitiin hat von seinen Fahr
ten an der hinterindischen Küste berich
tet rnd seiner Ansicht Ausdruck gear
ten. daß dort siir einen cidilisirten
Evropäer nichts zu holen sei.
»Was wissen Sie denn von dem
Leben im Innern?« fragt plö lich de:
lange Fergussom indem er ich dnH
große Glas, das vor ihm steht, zu
einem Drittel mit Whisjy füllt und
das Betdunnen mit Wann ganz ver
gißt. »Ihr Seepferde seht ja doch
nichts, als die Küste und ihre arm
selige Mischbevölletungl Von den
Geheimntssen des Jitnenlandes, rcn
den Schätzen, die da zu holen sind,
von den Verbrechen, die dort fiir ein
paar bunte Steinchen begangen mes
s den, habt ihr ja leine Ahnung!« -
»Seht mal, der kommt auch daher!««
i sagt er nach einer Pause und dreht
ieinen breiten goldenen Ring, den wie
für seinen Trauring gehalten haben,
hall· auf dem Finger herum. Der
» dicke Boet pfeift leise und richtet sich
halb aus:
,,Gottverdainn1e, das ist ein Stein
chen.«
’ Keiner von uns kann einen Ausruf
des Staunens zurückhalten. Auf dem
-Rina sitzt ein dreieckiger, flachgeschlii
sener Rubin von herrlichstem Feuer
und jener an frisches Traubenblut er
innernden Farbe, die nur den besten
und kostbarsten Steinen eigen ist.
Der kleine Jolifet springt ganz ers
regt auf. »Warum tragen Sie den
Stein denn nicht sichtbar-? —- Wie
kann man sso etwas verstecken!« —
Det Franzo e versteht nicht, daß tnan
einen kostbaren Schmuck nicht auch
zum Schmücken benutzt. -
j « »Weil ich nicht Lust habe, mir von
irgend einem Malahen oder Chinesen,
- der etwa auch Geschmack an rothen
Steinen findet, Löcher in den Leib
bohren zu lassen,« lacht Fergusson
»Wo haben Sie den Stein her?«
»Ja, das ist eine lange Geschichte,«
sagt der lange Schotte und greift nach
dem Glase.
,,(Frzählen! —- Erzählen!« —
,,Na, meinetwegen!« —- Er leert dass
Glas mit einem Zug, und sein braun
gebranntes, hageres Gesicht röthet sich;
-—— der Schimmer der Abendsonne
kann eH nicht sein, denn die ist unter
gegangen.
»Ich war so erzählt er -—— nor
zehn Jahren, oder so etwas, in Se
langor, --—-« da oben, in der Mitte zwi
schen Burma und dem Aeguator. —
Reizendes Ländchen, wissen Sie, mit
einem sogenannten Sultan an der T
Spitze, der Whigty trank wie ein
Magen - -- - wag ich fiir sehr schön ;
lich halte -— - —«-- für einen Nigger. Jch
tam mit deerv alten Knaben wenig in ;
Berührung Jchs stand zwar in seinen
Diensten, um die Wegebauten in sei
nem Urwaldkiinigreich zu beaufsichti
gen, für die er ab und zu mal ein
paar tausend Nupien hergeben mußte.
Jm allgemeinen hatte ich wenig zu
thun und trieb mich cst ganze Tage
im Dschunsel herum, um zu schießen,
was mir vor die Büchse lam, vom mit-—
den Büssel bis zum Tiger. Es war
eine ziemlich anstrengende und gefahr
liche, aber lohnende Jagd.
Eines Tages —-—eg war etwa zwei
Stunden vor Mittag, in der ärgsten
Hitze -——— stießen wir, ich und mein in
discher Diener Pertal Singh, bei der
Verfolgung eines angeschossenen, jun
gen Leoparden, auf eine Lichtung im
Dschungel, in deren Mittelpunkt, ganz
von Schlinggewächsen überwuchert, ein
uralter, verfallener brahminischcr
Tempel stand.
Auf dem freien Platz vor dem Tem
pel lag unser Leopard verendet.
Ich überließ dem Diener die Sorge
für unsere ocagdbeute und schritt mit
einem gewissen Gefühl der Befangen
heit, das mir sonst nicht gerade eigen
ist« über die von hohem Grase verdeckte
Schwelle Im Innern hatte die tro- -
pische Wildniß noch nicht Eingang ge
sunden. Die mächtigen Säulen, die
die glatte Decke stützten, standen noch «
unversehrt. Zwischen ihnen hatten
riesige, schwarze Spinnen ihre Netze
ausgebreitet, und beim Weiterschreiten
kennte ich noch gerade rechtzeitig Kn
rückspringen, als eine lange, grün ich
schillernde Schlange, durch meine An
naherung aus ihrem Mittagsschlas
aufgestört, dicht vor mir in einer
Spalte zwischen den« grauen Quadern
verschwand. Die weite Halle, in der ;
mein Tritt aus den Steinplatten des
Fußbodens ein unheimlich dröhnendes !
Echo weckte, gab miir ein solches Geåülil i
der Einsamkeit und des Verla en
sein5, daß ich meine Jnipettion schnell s
beendete und erleichtert ausathrnete,
als ich wieder blauen Himmel und
blendende Sonne über mir hatte.
Ich fragte den« Diener aus, der in
zwischen der erlegten Bestie das Fell
abgezogen hatte, ob er den Tempel
kenne, und wie lange er schon verlas
sen sei. -
»Wenn der Herr auf Pertab Singh
hört, hütet er sich vor dem Tempel.
Er fteeltvoll von Schlangen, und drei
Leute aus dem Dorf am Fluß sind
hineingegangen und nicht wieder her
ausgelommen.«
Es fiel mir auf, daß der Inder
beim Sprechen seine Augen nicht erhob
nnkd überhaupt nur zögernd Auskunft
c«a .
Warum suchten die Etngeborenen,
die doch sonst die größte Angst vor
Schlangen und Scorpionen haben,
einen alten und verlassenen Tempel
auf, dessen kühle Räume ein bevor
zugter Tummelplatz für allerlei krie
chendes Gethier sein mußten.
Mit Mühe brachte ich endlich das
Geheimniß heraus.
»Der große Hanuman, der Gott mit
dem Affenkopf, wohnt in dem Tempel,
nnd seine Schätze sind dort begraben«
Jetzt wußte ich, was die Eingebore
nen suchten. Aber: ,,Wo sind die Prie
ster des Hanuman?«
»Alle gestorben, Sahib! —— Nur
einer lebt noch im Dorf am Fluß —
ein alter Mann.«
Mehr wußte der Jnder nicht zu
sagen-.
Auf dem Rückweg tamen wir durch
das Dorf, das, kaum tausend Schritt
von meinem Bungalow entfernt, sich
an derselben Seite des Flusses aus«
dehnte·
Bei einer kleinen, etwas abseits ge
legenen Hütte winkte mir mein Beglei
ter: Hier wohnt der Hanumau
priester.«
Jch konnte der Neugier nicht wider
stehen und trat durch die niedrige
Thüröfsnung in das Innere der elen
den Behausung. Jn einer dunklen
Ecke des scheinbar verlassenen Rauner
lag auf einem mit Baststriclen bezoge
nen Bambusgeftell, wie es die Einge
borenen dort allgemein als Ruhelager
benutzen, ein steinalter Mann mit lan
gem» silbernen Bart, der magere,
braune Körper unbedeckt. Um seit-n
Hals hing eine Schnur mit einer
Hornlapsel daran.
Den Greis störte mein Eintritt
nicht. Unbeweglich, mit geschlossenen
Augen, lag die hagere Figur da.
Jch grüßte ihn laut mit dem den
indischen Brahminen geläufigen Gruß.
Er rührte sich nicht. Jch trat näher,
erfaßte die herabhängende Hand und
fühlte, daß aus dem armseligen Kör
per vor mir das Leben schon seit meh
reren Stunden entflohen sein mußte.
Eine unbezwingliche Neugierde hielt
niich zurück, meinen Diener herein
zurufen Ich beugte mich über den
Todten und öffnete die auf seinerBrust
ruhende Kapsel. Mit großer Vorsicht
zog ich daraus ein zwei Mal zusam
mengefaltetes Stiicl eines getrockneten
Palmenblattes hervor und trat damit
an die Thür. Zu meiner Ueberrasch
nng sah ich darauf, mit rother Farbe
gemalt, das Bild des vor wenigen
Stunden verlassenen Tempels, darun
ter in deutlichem Umriß den Kopf—
eines Löwen, weiter nichts.
Enttäuscht saltete ich das Blatt
wieder zusammen und legte es in die ;
Kapsel zurück. Dann trat ich hinaus I
und schickte meinen Diener zum Dorf- ;
ältesten, um für die Bestattung des J
Brahminen zu sorgen. .
Jn den folgenden Tagen konnte lit,
die Zeichnung, deren Geheitnniß dcr »
Alte mit ins Grab genommen hatte.
nicht aus dem Kopf bekommen. Immer
tanzte vor meinen Augen der öler
tops Woher kam er, und was bedeu
tete er? Auf dermalahischen Halb
insel giebt es, wie Sie wissen, gar
keine Löwen. Jn welcher Beziehung
stand dieser Kopf zu dem Tempel? —
Urne Woche spater swar ich truh
Morgens ausgebrochen, um die Arbei
ten an der neuen Straße zu inspiziren
und ritt gegen Mittag wieder nach
Hause, gefrlgt von Pertab Singh, der
meine Büchse trug.
Plötzlich bemerkte ich zu meiner
Rechten eine enge Oeffnung in dem
hier besonders dichten Gebüsch, schein
bar der Anfang eines Fußpfades, wie
ihn die Eingeborenen zur Verbindung
zwischen ihren Dörfem durch das
Dickicht brechen. Aber nach jener Seite
hin lag meines Wissens kein Dorf. Jch
stieg ab, befahl dem Inder, auf mich
zu warten, und drang, die Büchse über
der Schulter. durch die schmale Lücke
in das Dschungel ein. «
Der Pfad war offenbar selten be
treten, aber doch unschwer zu verfol
aen. Er führte schnurgerade, ohne
Biegung, durch das Gebüsch. Nach
etwa zehn Minuten wurde es vor mir
bell, und höchst erstaunt trat ich heraus
auf dte wohlbekannte Lichtung. Vor
mir lag, von blendender Sonne be
strahlt, die altersgraue Ruine, der
Tempel des Hartumam
s Meine Neugier«"««t3ä7 von Teuern
ter El vertrauägk die ichHtsiew
liI schlangensicher halten durfte, trat
« ich durch die steinernsPsny in »die
hohe, sensterlese hell-. Eise wohl
thueiide Kühle ließ mir den Aufent
halt darin heute weniger unheimlich
erscheinen, als bei dem ersten BeM
Ein Rundblick überzeugte mich, «
alles unverändert war. Eben-man te
tch mich zum Gehen, als meins E ck
auf dem Fußboden haften blieb. Durch
eine der Luftöffnun en an der Decke
fiel ein Sonnenstra l in die Dur-stel
heit und malte dicht neben mir auf
den Boden einen grellleuchtenden,
scharsumrissenen Fleck. Erregt trat
ich näher. Die Sonne zeichnete aus.
der grauen Platte deutlich und under
kennbar den Kopf eines Löwen.
Jch warf die Büchse von mir und
"tniete vor der Platte nieder. Mit vor
Erwartung zitternden Händen wischte
ich Staub und Sand bei Seite und
sah, ohne davon noch überrascht zu
werden, dieselbe Zeichnung mit feinen
Strichen- in den Stein eingeritzt.
Mit Hilfe meines Jagdmessers ge
lang es mir in wenigen Minuten, die
nicht sehr schwere Platte zu lockern und
an einer Seite zu heben, dann umzu
drehen und zu stürzen. Mit der brei
ten Klinge grub ich in fieberhaster
Hast den Sand heraus, und nach kur
zer Zeit stieß meine Hand auf Wider
stand. Vorsichtig grub ich weiter, und
bald lag vor mir ein silbernes Käst
chen, so groß wie meine Faust.
Jch sprengte den Deckel aus und
wäre beinahe von staunendemEntzücken
überwältigt hingesunlen.
Meine Augen ruhten auf demSchatz
des Hanuman Leuchtend und glitzernd
im Sonnenlichte lagen vor mir große
und kleine Rubine, Saphire und
Smaragden, meist ungeschliffen, aber
schon in dieser Form von unermeßli
chem Werth. Mit gieriger Hast wühlte
ich ins diesem Juwelenberg, die schön
sten Steine heraussuchend, um sie be
wundernd zu betrachten und in der
Sonne funkeln zu lassen.
Ein- breiter Schatten verdunkelt die
Halle. Jch blicke auf und lasse vor
Entsetzen das Kästchen in die Grube
zurücksallen. Jm Eingang zum Tem
pel steht hochaufgerichtet ein mächtiger
Tiger, wiithend mit dem Schweif die
Flanken peitschend, die grünlichen
Augen funkelnd wie die Smaragden
vor mir: Der Wächter des Tempels-.
Gebannt, wie der Vogel durch die
Schlange, knie ich regungslos-, meine
Blicke einbohrend in die wie Phrssphrsr
leuchtenden Augen des Feindes-. Jetzt
duckt sich der geschineidige Körper zum
Sprunge Jm selben Augenblick ist
der Bann gelöst; ich reißc die Büchse
an mich und ohne anzulegen schieße ich
beide Läufe gleichzeitig ab.
Es ist zu spät. Das im Sprunge
tödtlich getroffene Thier reißt mich mit
sich nieder, und von der ungeheueren
Masse begraben, sinke ich bewußtlos zu
Boden-. —
Alg ich wieder zu mir kam, stand
die Sonne schon tief am Himmel. Mit
schmerzendem Kopf und zerschlagenen
Gliedern wälzte ich mich unter der
todten Bestie hervor. Mein erster Ge
danke war das Kästchen-. Jn der Grube
tand ich eg nicht; mit seinem kostbaren
Inhalt war es verschwunden. Jch fiel
von Neuem in Ohnmacht
Jn völliger Dunkelheit wachte ich
anf. Miihsani schleppte ich mich zum
Ausgang. Da stand vor dem Tempel
an dem Stamme einer Palme gebun
den mein Pferd. Von Pertab Singh
war nichts zu sehen« --.. .«» — ·
Der Schotte gon mit unsicherer
Hand den Rest aus der Flasche in
sein Glas.
»Ist der lterl nicht gefangen wor
den?« fragte der kleine Joliset
.,.,Se1ne Leiche wurde zwei Wochen
spalten mit einem Messerftich in der
Seite, vor einem chinesischen Gasihaus
in Singadore gesunden.«
»Und die Steine?«
»Berschwunden! Den Rubin
fand ich in meiner Tasche.« -——
—--- — -—-.—.
Reliquie-n der Maine.
Unsere Nillustration zeigt denkwii!
dige Rel?;-nie11, welche nunmehr dem
Nationnlmuseum in Washington ein
verleiht worden sind.
Es find Ueberreste der unglückliche-r
Maine - Affaire. Darunter befindet
sich in erster Linie das Steuerrad des
Kriegsschiffes, oder richtiger gesagt,
die übrig gebliebenen Theile desselben.
Daneben erblickt man Compaß und
; Compaßl)äugchen. Die abgebildete
Suppenterrine sowie die Schüsseln
J sind von gediegenem Silber und wur
den der Maine von den Bürgern des
s Staates. wonach sie benannt ist, ver
ehrt. Der Liebesbechet ist ein Geschenk
; der Stadt New «Orleans.
«-«---—.-—s-—-—
Die Zerstreuung derFilivinos schüßt
« unsere Soldaten geaen Lanqeweile.
. il· s- se
Eine merkwürdige Beaebenheii trug
T sich in Georgia zu: Ein « atbiger
; wurde dort auf gefeslichem « ege ge-»
l hängi! ,