Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, May 05, 1899, Sonntags-Blatt., Image 16

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    Meine drei cetåröche
Träumereien eines Junggesellen von
KarlSchwerin
»Jrin, de schweres hoc-z und dieLack
siedet steck in de Sadeltasch und bring’
mi den’n brunen Wallach in 'ne Stunn
Ist de Dör und hal den«-r Gurt ack
gdsd un, Du Esel« ———· hier grinst"Fris,
denn wenn ich ihn »Esel'« nenne, bin
ich bei guter Laune —- ,,und irst leg’ rni
den’n Liwrock rut und denn mal’, da:
Du mgkümmst." s »
Fritz nimmt seinen Abgang mit so
viel Unmuth, wie nur bei einel reinge-»
züchteten Mecklenburger Stallknecht
möglich, während ich noch schnell dies
letzte Hand anlege, um mich für heute
Abend gesellschastssähig zu machen.
So, jetzt die Bartbinde herunter. die
Zierde des Mannes mit Brillantine ge
salbt und sertig wären wir!
Ja, ja, solch Junggeselle hat es gut;
er kann wegreiten, wann er will, und?
kann wiederkommen, wann und wie er
will, und nichts stört ihn, wenn er träu
men will.
Und jetit will ich träumen.
Es träumt sich schön, wenn ver-Nord
wind über den Hof pfeift und mir den
Thüren schlägt und die alte Weist-H
fashne knarrend im Kreise jagt und dies
welken Blätter zu wildem Tanz durchs
die Luft segt. s
Andere träumen in lauen Sommer-:
nächten bei Mondschein und Nachtigal-;
lenschlag Dann kann ich nicht triiurcerkll
dann rollt mir das Blut zu schnell und»
heiß durch die Adern, dann muß ich
reiten· »
Hei, ihr wilden Ritte, wenn das Jicszf
sich unter mir hob, dein Schenkel ist«-or
chendztvennniir der Nachtwinnd · die
Schlafe umspieire und es wie r1«end
ins Weite gi durch raunenaen Wald
und duftende aide!
Wer sich das Glück erreiten könnte!
Schlank müßte es sein und ein Paar
lange kldnde Zöpfe tragen; bei den
Zöpsen wollt’ ichs fassen und bös es
aufs Roß und küßte es —- irug es
heim in meinen Armen, und mein Haus
würde hell, und wenn mir in lauen
Sommernächien das Blut in den-Scha
sen hämmette, dann sollte sie mir tue
weiße, kühle Hand auf die Stirn legen,
und ich küßte ihr die Augen. —
m braunen Kachelofen knistetn und
wi ern und rasseln und prasseln die
brennenden Buchenscheite und dieFlami
men züngeln und schießen Heiles-abhi
lichier durch die im Dämmerlicht Use-—
gende behagliche Höhle, uber die Reso
kronen an den Wänden und den Ge
wehrschrank und die lieben, tollen
Junggesellenbilder.
Jch strecke mich behaglich auf dem
versessenen Roßhaarsofm vor stcix sieht
eine Flasche alten Rheinwein-:- und der
grüne Römer, der einen guten Jäger
irunk faßt.
Jch bin sonst nicht geizig; als-er den
besten Wein trinke ich und die beste
Ziqarre tauche ich, wenn ich allen bin.
Und ich trinke —- nicht hastig, aber
lange und tief, wie es sich bei alte-n
Rheinwein ziemt, und zriifze mit dem
Römer die guten Redkronen und den
starken Zwölfender, den ich irn letzten
Herbst auf die Decke legte mitten aus
seinem Brunsischrei heraus.
Und Dich grüßi vor Allem mein
Glas, Du Starker, Gewaltige:, ier
aus eichengeschnitztem Raume-! auf mich
herabschaut
Wer nach einmal dies trotzige, stolze,
ireueMannesauge leuchten sehen könnte,
das Alldeuischland beherrschte, noch
einmal die Hand drücken könnte, die
Alldeutschland mit wuchtigen Schlägen
zusammenschweißtr.
Etsiändesi Du uns noch einmal, Du
gewaltiger, deutscher Mann, Du eiser
ner Kanzler!
Es trinkt und träumt sich gut unter
Deinen Augen, wenn der Nordwind
iiber den Hof pfeift und im Ofen die
brennenden Buchenfcheite rasseln und
prasseln. —
Und euch grüßi mein Glas, ihr tun
ten, wilden Junggesellenbilrsen und
euch, in deren Läusen sich der zuckenden
Flammen Schein spiegelt, euch treue
Büchsen und Flintem seid bedankt für
die schönen Stunden, die ich mit euch
im stillen Walde verlebte auf herulichcr
Birsch, oder wenn ich auf Der Schmo
fensuche durch den frühlingsariznienden
Forst strich.
Wer nennt euch alle. euch Weid
rnannsfreudenZ Schdn ist es, wenn
durch die herbstlichen Buchen die Klap
petn rasseln und Flintentnall unser Den
- hoben Wipfeln widerhallt, wenn rasche
Weideaesellen sich beim frohen Treiben
grüßen mit klarem Aug’ und feste-:
band; schön ist eg, Durch herbstlichc
baide rnit dem treuen Hund das finis
tige Hahn zu suchen und II mit nich
hingeworfenem Schuß hetunreczuiwien
aus sonnendurchgliihter, von silbernen
Fäden durchzogen-er Luft
Ein Hortioo dir, du gereizies Weide
werkerri Du nmchfi herz und Kopf frei
nnd die Hand sicher und die Glieder Je
schmeidigz es trinkt sich Ihn auf du«
wenn derNotdswind pfeift und vie bren
nenden Buchenscheite knistern und unz
rn.
Und wieder flackert es liell auf im
Ofen; eine rothe Lohe zuckt Lb:r drei
schwarze Gesellen hin, die schloirrig
Eber den Stuhllehnen hängen.
Es sind drei Leibröcke, die Fritz der
Mc ver-sorglich zur Auswahl bereit
MAX-I ßiixi ihr mich, ihr langweili
« ich von meinem
änåw träan und m frohen Ta
mrv end Herde Ihr paßt
W de- MERMITHE-IRS
i «
est-urber der Tät-i
s riisten Deutschen dachte beim alten
äheinweinF
s Und wieder blitzt derFlammenschein
über die Schwarzen hin und in mir
murrt eine Stimme.
Lästere sie nicht die drei—-träume.
Und ich träume.
Der erste Gang, den wir gemeinsam
thaten, mein erster Frsck und ich, war
ein schlimmer Gang. Ueber tnarrende
Treppen, durch hallende Korridore
schritten wir ernste, schwarz getleidei:
Knaben
Wie ein armer Sünder aus dem
Wege zum Schaffot sein Leben noch
einmal durchlebt, so zogen auch an
mir die letzten zehn Jahre vorüber ans
dem Marsch von der Prima zur Anla.
Jch würdiger Abiturient sehnte mich
zurück zu den frohen Tagen, die noch
im Zeichen des Pustrohrs standen: ich
dachte wehmüthig der grimmen Fehdan
mit den verachteten »Knasten«, denj
Bürgerschiilernx die Tanzstnndenireu
den und der erste Kuß, heimlich durch
tneipte Nächte und urze, peinlicheVer
höre und lange Karzersitzungen zogen:
wie Schattenbilder an mir vorüber ;
Und in diesen heitern Reinen son
niger Juqenverinnerungen mischten sich
furchtbar dräuende schwarze Schemen
Männer voll göttlicher Weiskeit nit
schlecht sit-enden Beinlleidern und aol
denen Brillen tauchten vcr meinen Au
gen aus und schwenkten in der Rechten
rotb angestrichene Exerzitien und un
aelöste Ausgaben und tonsiskirte
Eselsbrücien. Jch schauderte.——.f·)eute
war ja der Tag des jüngsten Gerich
tes, an dem ich Rechenschaft ablegen
sollte über diese zehn Jahre und ein
ahnunasvolles Grauen sagte mir, das-,
ich schlimmer Knabe zur Linken bei
der Böcken stehen würde.
Es kamen vier saure Stunden: ich
wurde nach Vielem gefragt, aber nur
spärlich und bescheiden fixierte die
Weisheit von meinen zagenden Lip
pen Jch sah manch Schwein des
Kopfes und viel Stirnrunzeln bei den
würdigen Herren.
Und ich kam zu den Böcken!
Der Weg von der Auia zur Prian
der mir norkin ein Dornenmea däuchte,
schien jetzt mir armem Böcklein eine
gar lurztrseilige Straße. (
Eilenden Schritts legte ich ihn zu-!
tück, durchs Alassensensier aus den
Schulhos herab flogen meine Bücher
undideste, von einem sromrnenSvriich-l
lein aeleitet aus der lustigen Reise; ich
aber sprang die Treppen hinunter undl
wars das Schulihor irachend hinterl
mir ins Schloß. daß es dröhnend durch
die alte Dornschule dalltr. l
Vor mir lag dieWelt irn Frühlings-T
glanz, iiber mir blaute der Himmel
und strahlte die Sonne und um die
irrt-spenden Bäume schossen die ersten
Schwalben
Und ich sprang mit beiden Füßen
hinein in den Lenz. ins lachende Le
ben! Aus den Hüften sasz mir der
Frau glatt, aber die Brust war srei
und das war gut, denn sonst hätten
ihn die tot-enden Frühlingsgeister da
drinnen aesprenai.
: Wie Geigenilingen und Rosenduft
izieht es durchs Zimmer; ich sehe
klenchtende Augen und rathe Lippen
kund weihe Schultern und Arme und
Pich hör Kichern und Raunen und seli
Iges Jauchzen.
!..Dir bring· ich dies Glas, du schnell
«rerbrauste, du wilde, schäumende Ju
gend!« —
Jrn Dämmerlicht erkenne ich noch
Jeben den rothen Fleck aus deinem
kSchooß, der nach süns vollen Jahren
deinem Dasein ein närrisches Ende be
;reitete, du erster Frau.
« Wir saßen u Dritt in der »Wotss
schlucht« und srühsiiickten —- seit sechs
TStundetn Der Raum war so recht zu
einem tiefen, starken Männertrunt ge
schaffen. An den Wänden slacternde
chvsnchteiy dazwischen schimmernde
Hellebaroen unk- Streiitolben und als
lerhand Seegethier, das die alten Hun
sen vor Zeiten heimgebracht Ueber
dem eiclkcnen Tisch hing an einer eiser
nen Kette ein ausgesiopftes Revis-til
Das Thier, das schon den alten
Aegnplern heilig, wurde von nng trink
baten Germaneniiinglingen in hohen
Ehren gehalten, denn in seinem Schup
penpanzet wohnten gar wundersame
Kräfte. In göttlicher Ruhe hing es
ist-er uns, wenn mir ihm Tranlopser
brachten; doch hatten wir die Opfer
schalen schon häufig geleert, dann setzte
es sich in leise schautean Bewegungen,
als schwämnie es ciuf dem heiligen Nil.
Und also deutete uns der Medizin
mann, dessen Narben wie Pueporrosen
glühten, den Willen der Gottheit: »Der
erhabene Sohn deLNil dautt Euch, mei
ne Brüder; Eure Trennt-: und Rauch
opfer haben Gnade vor seinen Augen
gefunden kehret lkeirn und pilqert Eure
Straße, nno del-Starke soll dem-Schwa
chen ein Leiter und Helfer sein-«
Und die Wackern gingen, aber die
Wackeksten blieben.
Und hatten wir dem erleuchteten
Schuppenträqer weiter gehuldigt, dann
wurdeoor unseren Augen aus seinen
schwebenden Bewegungen ein Freuden
tanz und nach des Auguren Deutung
hieß et uns — zur Heimteht nach Wa
gen zu heischen.
Wir opferten also zu Dritt dein Kro
to«di1, du dröhnten in unsern heimlichen
Winseln Hinein von der Marienkirche 6
Sch age. .
IS fuhr vom Stuhl.
. chin, mein Schöner, sahstDu un
sern heiligen schon Metean brummte
der dicke Medizin-neun
IF Wis- Du Sen
im e , immer.«
äst- ich visit-.
Und wieder schloß ei m Them
dal sprang ich aus und ries: »Er wa
cke t.«
»So bleibe, bis er tanzt-«
»Lrs.s;t mich. ich muß zum Ball.«
Der Dicke reckte drohend dir Faust.
,,llnseliger, Dich treibt die Liebe zum
irdischen Weibe aus unserer Mitte.'·
»Und außerdem bist Du voll wie eine
,Stkandtanone, Du fällst im Ballsaal
ab«, warnte der Dritte prosaisch, in
dem er seine Opferschale leerte.
Jch legte mich aus s Bitten.
»Lieber, auter Dotiersmann ker
schreib’ mir was, was mich nüchtern
n-.acht.'«
«Trinte Dich niichtern", ornlelte
Jener.
»Dauert zu lange."
Und der Dottersmann ließ sich er
weichen
,,Kaus Dir Salqsäu e nnd nimm
zur Zeit zehn Tropfenk
»Und zum Dämmerschpvpen erwar
ten wir Dich früh um die dritte
Stunde«. klang es lachend hinter mir,
als ich eilends entwich.
Jch nah-m Salzsäuee und tauchte
den Kopf in kaltes Wasser. bis mir der
Athem vers:gte, und dann stand ich im
Saal an einer Säule und atllimatis
sirte mich. Ich wurde entsetzlich nüch
tern, obgleich mir das Blut in der.
Schlösen hämmerte.
Die Musil schien mir ein elelhafter
Lärm und das Springen und Oijpsen
lind Knixen schal.
Dann stand ich vor ihr, um deren
willen ich die Wolsischlucht fleh. Sie
trug einen Maidlumentranz im bunt
len Haar und hatte blaue Augen und
einen rothen Mund und sie war gut
und klug und Hatte mich tollen Gesel
len lied; ich ahnte es schon lange und
:l:eute sah ich eg. Jch beobachtete, als
gälie e: einem Dritten, wie sie erro
»tl)eie, wenn ich mit ihr sprach, wie ihr
JAuae mir verstohlen folgte, wo ich auch
»wu.
heute Abend im Kotilldn hatte ich
ihr zrifliistern wollen« ob ich sie Braut
nennen diirse und heute Abend war ich
gerade so abscheulich niichtem
Ich tanzte ganz vernünftig und
sprach annz vernünftig vorn Wetter
und dem Theater nnd dim lenken Ball
und Dem nächsten Ball; ich war so der
nunstia, daß der alt: setige Kam seine
Freude an mir gehabt hätte. —- Und sie
wurde immer underniinstiaer. Erst
war sie erstaunt, dann trampshasi bei
ter, dann mild und dann traurig; ihr
Auae bekam einen feuchten Schimmer.
nnd als wir tanzten, hörte ich durch
den Valllärni txindnrch ein leises
Schluchzen Das irae siir meine fünf
Stunden alte, rnii Salzsiiure ardßges
zogene Vernuan zu viel, denn ist« hatte
das Mädchen lieb.
Noch einmal slo en wir durch den
Saal, ich zog sie se an mich; dann
saßen wir wieder cus unseren Plätzen
und sahen uns ties in die Auan
i Da geschah etwas Entsetzliches, ich
Isiidlte daß ich zwar nicht aus Nadeln
aber aus Salzsäure saß!
i Als siirsichtiger Knabe hatte ich mir
das Fläschchen mit den erniichternden
Tropfen in die Fracktasche gesteckt und
jetzt lxsarte ich es zersessen. Vielleicht
sieaie in dem Tenselstrant ein Kobold;
als er sah, daß er von innen nicht mehr
wirien konnte, versuchte er es von
fußen mit dem Erniichtem
Vorbei war es mit meinem Liedes
sehnenx all’ mein Wünschen richtete sich
daraus, dasz der Schlus-, des Balles die
ser peinlichen »Sitzung« ein Ende berei
ten wäge.
Und irgend ein guter Geist erhörte
mein Flehen, Klarinetten und Geigen
verstummten -—-—— ich war erlöst·
GI- trieb mich von binnen von dem
zOrL allwo ich aus Salzsäure saß; noch
einmal an der Strand-Lin sinzi ich einen
klaaenden Blick aus den blauen Augen
aus. aber flüchtigen Fußes eilte ich zur
Wolfe-schlacht, wo meine beiden Genos
2sen meiner warteten.
l
s Als ich selbigen Tages taterbehastlet
sein-achte, da lag vor meinem Bett mein
sFiack todttvund aus rein Fußboden, die
:Salzsäure hatte ihm die Sctsöße roth
gebrannt.
Armee, toller Fraets
Wie gut hätten wir es ohne Salz
Isäuee haben tönnen. Nun warst du
sverbeancht nnd ich war unverlvbt.
Nach Jahr und Tag sah ich sie wie
der. Sie ging mit ihrem Mann und
iihrem Fii nde auf rein Wall Sie waren
clle drei sehr modern; der Junge trug
einen »in-schen Kittel mit Spitzenkra
gen und gelbe Schulie nnd sie hielt sich
seine Lorgnette vor die blauen Augen
.und auf den dunkelbraunen Haaren its
statt des- Maiblumentranzes ein dun
kter Federl):it. Jch grüßte und segnete
Idie Salzsöurr.
Ich will teine Frau mit Lorgnette
ans dem Wall spazieren führen, ich will
ssie auf einen stillen Hof tragen in ein
lindenbesä,attetes, alte-«- Hsiis und will
Iilse Fseldblumen in e loie Haar stecken
kund will sie tiiss·n, bis ihre Seele annz
mein ist. Und wenn der Nordwind
Iiiber den Hof pfeift und die brennen
ten Buchenscheite ini Ofen rasseln nnd
prasseln, dann will ich sie ans mein
Knie ziehen nnd sie soll meine Sorgen
und Freuden theilen und wir wollen
träumen vcn allein Sckönen und allem
Großen« und wenn mir in lauen-« c»mi
inernächten das Blut in den Schlöer
klapst dann soll sie mit ihre kühle,
weiße Hand aus die Stirn legen und
ich will ihr die Anaen küssen.
Und unser Bube soll keine gelben
Schuhe nnd seine Spiyentra aen tragen.
Ein ichniucklvfez Wams llich ihm
anziehen nnd derbe Stiefel, und der
Wind und die Sinne sollen ihn-V
Gesicht bräunen und die Augen klar
nnd scharf machen. Ich will ihn rei
ten nnd jagen Wen, und jede schrie
Isvll er zusprechen könne-n mein blon
des Gltzck aber wird ihm ein Stück
Sonnenschein irre Setz tacht-» paß.
es hell und warm dleiht sein Leben
Ang.
Groß und start und wild soll er wet
ten -·——- und aut und wahr! .. ..
, Die Flammen werfen zuckende Lich
ter auf den zweiten Frack;«der hat set
sdene Aufschläge und sieht vornehmer
sund selbstbewußtee aus, als sein win
Idiger Vorgängen
s Jch trinke und träume.
»Am erften Tag, da ich dich trug,
und am lehren warst duZeuge der rein
sten Freude und des tiefsten Schmerzes z
und dazwischen liegt viel Sturm und:
viel Sonnenschein j
Es war der Hochzeitstage meinerz
Schwester. Sie trug ein weißes Kleid
und Myrthen im Haar; wir hörten ei
nen Waan kommen. in dem ihr Bräu
tigam sie zur Trauung holte, nnd sie
lag an meiner Brust und neyte den
Fracl mit Thriinen feliaster Freude.
Und nach fünf Jahren lag sie wieder
an meiner Brust und trug ein schwar
zes Kleid und den Witwenschleier im
Haar und heilige Thränen des tiefsten
Schmerzes feuchteten mir den Frac.
Wir hörten einen Wagen kommen,
der sollte einen stillen Mann zur letzten
Ruhe führen ----- ihren Mann. :
Beet-erklang und Frauenliebe nnd
Weidmannsglüch die mir fünf Jahre
brachten, reichten nicht heran an dieer
einzigen Tag reinstee Freude nnd was
auch an Staub und Schlaelen unge
zügelte Leidenschaften rnir in dieser
Zeit auf die Seele legten, der Schmerz
des einen Tages hat mir die Seele
wieder reingefegL
i Und wieder höre ich Geigen und
Brummbaß zum Tanz ausspielen. »
I Es ist ein echter, rechter Landball in
einer Kreisstavt mit iadellosen Weinen
und behähigen Gutsbesitzern in beein
grauen Beintleidern, mit Ballmiittern
im abgelebten Hochzeitsgewand und
niedlichen weißgewaschenen Landmäd
chen.
Es herrscht eine fröhlichere Stim
mung, als auf einem großstädtischen
Ball, die Sprache der Männer ist lau-»
ter, die Gesichtskarbe der Damen ge
sunder und die Hände sind weniger ge
pflegt. · ·
Der dicke Amtmann tanzt mit einer
hochschultrigen Qberiehrerirau ein
Pas de beut-, und im »tonträren Ge
gentheil,« wie Bräsig sagen wurde, hat
mich sein sittsame-T biondes Töchter I
chen die ganze Quadrille hindurch daw»
von unterhalten, wie man im besten
Gänse mästet.
Zu Lebzeiten meines eriten Fraetg
hätte ich die proiaische Tochter und its-»
ren cancanirenden Vater mit gutem
Humor ertragen, denn die Kleine hatte
einen hübschen Mund mit tadellosen
kZähnen und der Alte sah aus wie ein
toll gewordener Nußtnacker. Seit ich
ldas Gewand mit den seidenen-Aufschlä
Igen trug, war ich weniger empfänglich
lund anfvruchsvoller
Der Most gährte nicht mehr. aber
das Feuer war beimlicher geworden
Fund heißer.
s War eine Wittwe im Saal, die sich
sbei Verwandten auf einem benachbar
ten Gut aufhielt, die war schön uno
ireiehsi und die Männer drängten sich
um i.e
o
s Jch hatte mich abseits von ihr gehal
-ten; was Alle thun, rvill ich nicht thun,
kund wenn der Mensch einmal ein Heer:
trenthier ist, so will ich wenigstens eine
heerde iiir mich bilden.
i Jetzt pirschte ich mich langsam an sie
heran und forderte sie zum Tanz auf.
Wir ivalzten einmal heruni und dann
siivrte ich sie in eine Erle, tvv hinter ein
pcar Oleanderbäunien ein heimlich-ev
Bläschen war.
i Sie war begehrenswerth; aus einer
Iheben vollendet schonen Gestalt, die
einfacher arauer Sammet knapp um
schloß, saß ein blendet Titustovf mit
tttrzer, geradet Nase; in ihren grauen
Augen lag verhalten-: Gluth und uin
toie vollen Lippen ein Zug von Lebens
durst.
Und ich war teck und dasBlut wallte
Jmir heiß durch die Adern.
Unsere Lippen führten noch ein sein
säuberliches Ballgespriich, aber von
Auge zu Auge züngelte es schon.
I Aus dem Ballgetöie urn uns löste es
sich ab.-Erst war’s ein seiner, singender
Ton und nur wir Beide hörten ihn.
und er wurde itiirler und voller und es
brauste iiber uns bin und in uns hin
ein eine gewaltige TannhäuseriMelois
die und rüttelte unsere Sinne und füll
te unsere Herzerh und an den erbärm
lichen Oleanderbiiumen rantten wilde,
dustende Rosen hinauf.-—
; Aus Winter wurde Frühling, aus
Frühling Sommer-—
Es trabt sich schön durch die laue
-Juninacht in den erwachenden Morgen
hinein. f
. Der Gaul prunet und mmumt m
,die sinnt-are und wirst mit die weißen
Schaumflocken auf die ReitstiefeL und
die Vuchen und Eichen im beim-neigen
Wald flüsteen von heißen heimlicher
Minne
O Die Stute braucht die Sporen nicht.
im Flug gleiten Bäume und Sträu
cher vorüber; streicht mit der Morgen
wind flatternd entgegen und weht mit
aus den Augen das selige Träumen
k Jch kecke mich im Bügel und lege
die Schenkel fester an.
l Und wie der Fall-e die Dinterband
verschiebt und sich hebt und den Kon
wirft und in die Zügel drängt, do
wallt es mir heiß und voll vom Herzen
zum Him, sttasst mit die Sehnen und
wöle mir die Brust und ich mischte
ans wiegendem Samt in die träu
mende Welt hineinjauchzen vor herr
fcherluft und Mannesiraft
Und ich fliege durch Busch und Holz
und nedelwallende Wiesen-—- von fern
her meckeri ein Füchsleim
»Wart’ nur. du Spitzbub.« lacht es
in mir, »iehi ifl es noch Zeit zu heim
lichen Streichen, aber wenn dir der
Herbst den Balg roth färbi und die
erfte Neue gefallen ifi, dann will ich
dich fpiiren und jagen-«
Und wie die erste Neue qefallen war
zwischen Nacht und Morgen, da fährs
iete Jemand in feinem Revier einen
Edelrnarder von besonderer Art, der
hatte Sporenstiefel getragen und die
Födrie lief zu einer ariinen Esche, da
hatte Rosseshuf den Boden zeriretern
Da ballten nach zwei Tagen Schüsie
durch den winterlichen Wald und den
schlimmen, verrätherifchen Schnee
färbten ein paar rathe Tropfen.
Jetzt hatte der Falbe Ruhe, denn
sein Herr lag mit angefchossenem Bein
im Bett und dachte nach iider der Liebe
Lust nnd Leid. -—— —- —
,,Es lebe die Freiheii!«
Wir stießen die vollen Gläser anein
ander und aossen den Selt herunter
daf, uns die Schaumverlen in den
lkinden Schnurrtärien hängen blieben.
Wir tranken nicht auf die delläugiae
fiablgepanzerie Freiheit« um die sich ru
qende, fchwerttraaende Männer schan
ren zu Trutz und Kampf, auch nicht
auf jenes flammeniinaige Weib mit der
Jalodinerrnüize auf den dunklen Los
cken nnd dem Feuerbrand in der Rech
ten, deren Gefolge blutdiirsiige Maa
ren und witthheulende Ratten.
untere Gattin war anderer Urt; ne
war hochgeschiirzt und winkte mit
schäumendern Kelch ihren Verein-ern
den tollenden, freien Junggesellen
Der Wind pfiff draußen ein wildes
Liedlein und feate über die schneeigen
Felder und froitstarren Wälder.
Uns focht’s nicht an.
Saßen zu Dreien in Fract und trei
ßer Binde urn reichbes:« n Tisch und
freuten uns der goldenen Freiheit nnd
des sefsellosen, unbeweibten Leben-L
An den Wänden hingen Pferdem
des nnd Jagdstiicke, auf langen Barte-n
standen Renngewinne nnd zwischen
uns duichte ein allerliebstes, häudchens
geschniiicktes Stubenmiidel hin nan her.
Der Wein tvar gut und die Auen-n
brannten uns: es währte eine kleine
Weile. bis wir am Spieliisch saßen.
aber manche Stunde verrann, bis wir
aufstanden
Eine fmnnarnacht ist lang, sie ift to
lang, das-, man in ihr ein armer Mann
werden iannk
Die anderen beiden Herren schiiesen
schon den Schlaf der Gerechten; ich fast
nnd rechnete tnit einein Bleistiit aut«
einem aniaerissenen Brieiunischlnkzx ich
zählte zusammen und zog ab und
machte einen Strich drunter nnd
schrieb eine Null. »Hallali,« sagte ich
halblaut und iteelte mir eine frische BI
aarre an.
lind dann inli ich wieder die Rult
nnd schließlich blinle ich in den gegen
iiber hängenden Spiegel.
Das Bild war nicht schön; Miste
Haare, Binde nnd Kragen nicht mehr
frisch und quer iiber die Stirn laufend
bis zur Rasenwurzel eine schiiinine
Falte.
Jch legte Holz in den Aar-tin und
sing an nachzudenken über die Falte
und iiber die Null Und die vergeudeten
Jahre.
Dabei ginq ich rauchend auf und ab
und der Sturm riittelte an den Fen
ftirladen. Es war eine fchlinnne Nacht
cker es war eine gute Nacht.
Je mehr ich nachdachte, desto heller
wurde es in mir; es wuchs aus all dem
«Wuft etwas heraus wie lachender Trotz
»und frifcher Leben-much Als ich drei
Zigarren laua gegriibelt hatte, da
araute der Tag draußen und wie ich
»in ten Spiegel fah, fchien die böse
Falte verschwunden.
H Der durchaefallene Abiturient warf
damals die Bücher zum Fenster hinaus
»und sprang hinein in den lachenden
ZLenz, jetzt schleuderte ich den Zettel mit
Ider Null in’s flackernde Kaminfeuer
Fund trat hinaus in den rauhen Win
tertaa.
« Der Nord warf mir die Schneeflocken
in’s Gesicht und sauste mir Bart und
Haar und lüftete mir da- hirn und
»den Frack und sang von Sturm und
ENoth und Kampf.
I Und auf den rauhen Wintertag folg
Iten rauhe Wochen und Monate und
Jahre ......
; Und wenn die Falte wiederkam in
’all dem Drang, so dachte ich drei Zi
garren lana nach, dann war der liede.
»lachende Lebenstrotr wieder da.
Es tainen harte Jahre und der Fracl
shing verftaubt imSchrant, aber es wa
Hren gute Jahre voll ehrlicherArbeit und
festen Wollens. -—- Es träumt sich aut
von Noth und Sturm und lacheudein
Trotz, wenn der Wind über den Hof
Ipfeift und im Ofen die brennenden
Buchenscheite rasseln und prasseln. —
Und nun zum dritten Frackt
Der hat noch teine Vergangenheit,
sich will ihn heute zum ersten Mal tra
gen. .
Als ich ihn anprobte, stellte· metn
Schneider feft, dafz ich noch dieselbe
Taille habe, wie vor fiinf Jahren, nur
in den Schultern fei ich breiter gewor
den.
Deß freute ich mich, denn ich halte
einen Spiybauch für ein törperliches
«Gebrechen. Und das Schneiderlein
eilelte den Kragen und zapfte die
Schöne unr- sprang behende um mich
herum. und als er Alles zurecht ne
ruckt und gezuckt hatte, da rieb er sich
isdie Ende voll-Künstlerftolz.
»Ja dem Israel muß der Derr heira
then, das ift der richti e Dochzeitsfrach
im dritten mufz man eck- trauen lassen,
im zweiten ist man noch zu dumm«
sier dachte ich dankbar der Satzsiiukk
— »und im vierten ift man schon zu
tlua.«
Jch trinte auf.veine Lutunfi das
letzte Glas, du dochzeitli Gewand-»
und träume. s- Weiß Eine die ich lieb
hab’, und heute Abend reite ich zu ihr!
Vor acht Wochen fah ich fie zuerst.
Ich war zur Brrrnft gefahren nnd
hatte einen braven Hirsch gefirecktz
dann hatten wir wieder einmal geta
felt, mein Jaadfreund und ich hatten
uns der alten stunnrrprobten z mind
fchaft gefreut und mancher f n nnd
mancher schlimmen Stunde gedacht
die wir zufammen durchlebt. Der Jifrts
war mit Eichenlaub beten-, nnd ich
trug im Knoproch den Bruch: durch
die geöffneten Fenster flutlpexu Herbst
fonne und Waldes-haft in das Holz-:
geweihaefchmüctte Zimmer. und wir
hatten die Herzen voll Jäaerfreude ian
die Lungen voll Tannenluft.
Durch mondbefchienene Wäher und
Felber rafte der Zug mit mir heim
wärts, an stillen Dötfern Vorüber,
vorüber an fchilfumrnlnnten. silber
blintenden Seen in den schönen Otto
berabend hinein.
Im Kopf spukte mir noch der Ab
fchiedstrunt, die Glieder waren non
Lebenskraft acftrafft und die Brust
schwellte mir die Sehnsucht nach dem
Glück.
Wenn es setzt käme, ich wollt-! es
vacten!
Und es lam und hatte blonde Haare
und blaue Auan und war gewachsen
so schlank und biegsam und sest, wie
eine silbersarbene Esche im deutschen
Wald. .
Jn alten Tagen traf wohl der strei
scnde Weidaesell das slachshaarige
liebliche Glück aus mondbeschienener
Haide und grisfs mit sester Faust und
trug es hinein in seinen Forst —-- beuer
wird es behutsam von Schwager nnd
Schwester geleitet, und der Weidgesell
wird dargestellt, wenn er zufällia ein
entsetnter Nachbar des Schwagerz ist,
und muß Rede und Antwort stehen
und muß die heißen, scharfen Jäger
auaen hüten.
Als das Nötbigste gesagt war, lnillte
das Ehepaar sich glücklicherweise m
Schweigen und enthob mich damit der
Notbwendigteit des Sprechens-, wo ich
nur sehen wollte.
Sie sasz mir gegenüber. ihr Blick
war von dem leuchtendenBild da dran
seen gebannt. Alles war licht an ihr
JH Haar, das Ange, das helle Kleid
nnd über sie hin sluthete der schim
mernde Mondschein.
Ich drückte mich in den Schatten
und meine ganze Seele lag im Auge.
Wie lange wir so saßen, weiß ich
nicht: aus einmal wandte sie daehaupt
und einen Gedanken lan trasen sich
unsere Blicke; ein seines oth stieg ils-.
in die Wangen, als meine Augen die
ihren ließen und mir brauste das Blut
in den Ohren.
Her schlimme Mond hatte es uns
Beiden angetdam wir sprachen närri
sche Dinge und dämpsten dieStimmen,
als ob wir etwas Unsichtbare-s zu ver
scheuchen fürchteten.
Sie hatte drei Rosen in der Hand,
drei·elende,·wellende Rosen, und ibre
Hallo Mk schlank UND Wcls Ullll incl
chelte die Rosen mit ienen stillen, glei
tenden Bewegungen, die nur liebreiche
Hände haben.
Legte sie mir einmal diese kühlenden
Finger auf die heiße Stirn, es wiirde
still nnd hell in mir
’ Unaufhaltsam jagte der Zug mit
uns in’5 Weite, jede Naddrehnng
brachte die Trennung näher; ein An
denten sollte das Glück mir lassen, bis
wir uns wiedersehen würden.
Schon wirkten die Brernsen.
»Sei-knien Sie mir die Rosen.«
, »Ich hab’ sie lieb-«
; »Darum schenken Sie sie mir.«
i Noch einmal trasen sich unsere Blicke
mit stummerFrage, noch einmal hielten
meine Augen die ihren fest, noch ein-s
mal stieg ihr das Blut in die Wangen,
lnoch einmal strich ihk hand liebtos
send über die Rosen-— dann hielt der
Zug-—
I Ich war allein mit meinem Sehnen,
vor mir aus dem Polster lagen drei
lRosen. das Pfand des Glücks-.
I Du hast teine Vergangenheit, du
dritter Frach aber von deiner Zukunft
swill ich träumen!
s Ich sehe eine alte, ehrwürdige Dorf
lirche; durch die bunten Scheiben fal
len die Strahlen der Frühlingssonne
und haschen über dein schwarzes Tuch
und malen Muster auf ein Biauttleid
und spielen über Mucthentranz nnd
blondee Haar nnd spiegeln sieh in lich
ten Augen.
Durch die still-» liebe Kirche tiingt
ein leises »Ja« und an diesem »Ja«
hängt meine Seligkeit!
Ach habe ausaetriiumi.
Ueber den Hof hallt Huischlag ieizt
hälW vor der Thiir und ans dens.
altmäßiaen trab, trab wird ein wildes
Getravvei.
z Der Wolle-eh wartet nicht gern.
· Um mich ist’s finster geworden das
Feuer ist ausgebranntz schnell Licht ge
macht, hinein in den Kamtnaarnenen,
den Reitrock drüber, schon hab’ ich den
Fus-, im Bügel.
Last
« Fritz springt zur Seite und der
Beamte macht eine mächtige Flucht in
den dämmernden Dezember-abend hin
ein —
Oortidb, mein Gltiel ist eine blonde
Dirn!