genuger Von Omb. Diana von Flairg ist in Sinnen ver toten. Bequem ruht sie in einem weiten, epolsterien Lehnstuhl Den Kopf hat te nach hinten zurückgeworsen und ftiitzt ihn ge n lose Rosengewinbe. —--— Ganz ohne ewegung liegt sie da; die großen, immer traurigenAugen in dein exquisiten und Mniiithigen Gesicht starren in’s Leere, sie scheinen an der Decke nach der Lösung eines schweren Rätlysels zu suchen. Wie beunrubigend sir send, tsiese rohen, trautinen Aug-us Die schmale Lippe ist ganz wenia ge össnet. Ihr Kleid ist mit exotischen Blumen bestickt -— und so schimmert es in einem fremdartigen, nnbesinitirbaren Glanz. —- Sie selber ers int ioie eine groß-» sarbenprächtiae B unie, bei bereit An blick nnheilbare Sehnsucht überfällt Jn der schön gebanten Hand hält sie ein Telegrannm und die ivinziq llei nen Füße zappeln vor Ungeduld ans dem malvensarbenen Schenkel. Das Telegramm lantett »Ich werde heute Morgen um 11 Uhr 30 ankommen. Jn ergebenersslzrer bietung A n se l m.« So wird er also kommen « roch einmal wiederkommen! Mein (:tott, wie sie seiner satt ist! Er lam schon so viele Male, er kam seit je, dieser arme Anselm! Diana erinnert sich, ibn immer gesehen zu ha ben, soweit sie überhaupt inriickdenlen kann. An der Decke Fiel-en an ihren großen, itauriqen Augen Scenen, Bruchsliiele von früheren Scenen vorüber, gleich le-« senden Bildern. Sie befinden sich im Wir:h fehaftsbrsf —-- rund herum ein Kranz von Apfelbaumen mit ihren röthlich weiß schimmernden Blüthen. Er sitzt rittlinas auf einem Schenkel Sie will auch hinaufsteigen, darüber gerathen sie in Streit: aber ohne wei teres, skgleich überläßt er ihr seinen angefeindeten Sitz, er, schon ein gro ßer, sehr langer, 10-jiihriqer Junge; sie, wunderbar zart. ein schwache5, Hei i.eø siebenjiihriaeö Mädchen. Das war ihre erste Begegnung und zugleich ihr erster Sieg. Seither hat er das fortgesetzt und je der ihrer Launen nachgesehen Sie erinnert sich keines einzigen Mo rientes in ihrem Leben, wo der gute Ilonde Riese nicht auch dabei gewesen rare. Sie hatte sieh mit 17 Jahren mit· dem Marquis von Ftairs verheirathet! Sie war gewartet-, was sie verspro-( chen, ein exauisites, kaltes und thron nisches Wesen. Der lange blaride Riese war damals in Wien; er hatte die Diplamaiithe Laufbahn eingeschlaaen ----- ihm brach schier daf- Herz vcr Kummer über dieses Heirath. l Als er sie sechs Monate später wie-; Verfah, war er überrascht und erleich-? tert zu sehen, daß sie ihrem Gemahl mit] völliger Gleichgiiltigteit beqeanete. — Sie seyte ihre Herrschaft riber diesen Menschen fort, nrch borhmiit hiqu ae worden Durch die ungeheure Anbetiing, die ihr zu Theil wurde. Er träumte erst alle Nächte von ihr in Wien. dann in Berlin und dann in all seinen Stellungen durch acnz Eu roya. Sie wunte das aueg sehr gut nes wußte, daß er ihr gehörte, elende und lrant vor Liebe —- dafx sie mit ihm i machen konnte, was fee wollte — allng ja nach der Laune ihrer kleinen wetter t wendischen Seele. Sie wußte das alles-»und daß sie fein» Herz in ihrer Hand hielt, so wie eins Kind eine Blume hält. ( »Jn ergebener Ehrerbietuna,« saqie das Tele kamm, --—- oh ja! allerdinqsi ergebener. — Seine unbegreifliche lin terwiirsigteit widerstand allem: Sie hatte ihn vernachlässigt, qedehmiikhiqt, verrathen; sie hatte ihn zuweilen ne seltert, um zu sehen, -——- wie das Kin- 1 der mit Uhren thun -- — wag im Innern« war, aber er war immer der gleiche ae blieben. Er lonnte sich nicht von ihr lösenmons diesem unnatürlichen und unklar-us Geschöpf mit dem langen schlanke-II Hals, auf dem der reizvolle Kopf eines-«l dämonisehen Engels gar hoch oben saß. Dieses allzu seine, phantostische, köstliche Wesen, das zu ihm einen ganz ieltsarnen Kontrast bildete, hatte es ihm unwiderstehlich anqethan Er aber langweilte ite. Wohl wußte sie, daß er unter aller-» Unter den Hat-Hosen die sie Init ihrem» wunderbaren und eigenartigen zarten Reiz beherrschte, der sicherste, der Ins verlässinste, der beste war und zuglein K:,mlcher see am meisten von allen an i e. Aber er lanatreite sie. i Sie wußte. daß alle Hjtiidehm wenn er aui der Straße vorbeiging, sur- nacfs ihm nmiriknhten und daß aueh die ehrbaren Frauen mischen den Wien peri: hindurch unter ihrem Schleier ihm heimlich Vliele zun«arsen. Denn er sals dielversprechend ans. er war einer Jener nachts-sittlichen und feu then Kbpse, n:it großen mehret-frohs x en ugen unt eins-In zarten Frauen i. A ächeln. Aber er langweilte sie. Wurde sie ihn heirathen ? Seit drei Palmen, seitdem sie Wittwe war, bat er re mit nie ermüdender Geduld darum. Bisweclen schmeichelte ihrem inner-i seen Herzen d ein wenig diese sanaii Fische, unbegrei liche, aber vollständigei Untern-ersann des schönen Mannes. Aber er langer-eilte sie. Ost reiste er. uen sie eine Stunde lang sehen zu können, ganze Nächte lang. denn er war zugleich sehr gewis senhast und seine Vorgesetzten lot-ten seine Genauigleit. Sie enipsing ihn ohne Enthusias mus ohne besonderes-« Vergnügen, aber aueb ohne besondere Langeweile, ganz und gar gleichgültig Und dennoch ließ sie ihn kommen, unerllärlicheriveise gerührt, wie sie war, wies sie ihn nie mals ab, schaute aber zufolge ihrer gei stigen Ueberlegenheit borhniiithig ans ihn her-Ein Aeuszerst seiniiihlig und begabt. nur etwas nachliisiig, verstand sie alles wunderbar. Die Künste ließen. ver mittelt durelk il.re Augen oder ihre Obs ren, its ihrer Seele einen selliarnen Rausch fniriiet den ihr nicht-«- ander-L lgeben tunnie cie besaß ein-. selten irascne Auffassung gabe und einen un triigliclien Geschtnaet,d1r mit de m ge Itrolnlirhen Frauengefchmaci wenig ge r. ein hatte: ile sie hatte niemals die ·nnc«rtrögliche Geschmacklosigte it beqan lgen, sieh selber mit irgend einer Kunst zu beflissen, diilen unangenehmen slieutzutage so bökifigen Hang, der mir Ausnahme ireniaer bevorzugter Ta ;lente die Menschen so lächerlich macht. , Was ihr un Anselm ganz besonders xmisiiiel kae war seine völlige Ver istiindnislosigleit in Knustangelegenlkei ten und sein dumit Hcsnd in Hand ge hender barmler Geschmack .. Aber heute Morgen war sie et wis iniide. Sie dachte daß ein Tag toismien iriirde, ein sehr naher Tag, wo sie alt sein triiirde -—« er aber ioiirde ihre Runzeln rieinals sehen —- er Mir de sie immer lirbsn »Und am Linde, warum denn nicht .’« dachte sie. .... lfr trat ein. Er erschien ihr sehr schön, sein feuri aeH unt- ncchdentliches Wefin und seine entziictenden Augen mit dem Sehn sitelitsnlict Sie rijlirte sich gar nicht —- sie fentte bloß ihre großen, traurigen Augen, Dann streckte fie ibsn eine ihrer zarten Hände entgegen, deren bloße Brei-h runa iin schon närrisch machte. Sie dachte: »Nun meinetwegen ja! so werde ich ihn heirathen« Das Friihstiick war vorüber. Sie geruhte zu sprechen: sie sprach gut, gebrauchte sehr gesuchte, fremde Adjek tive, seltene tchmiickende Beiwörter,-— mit einer klaren, eigenartigen und net-en Art. Sie war strahlend, unbegreiflich, schrecklich. —- Er betrachtete sie ganz in ihrem Bann. satt nichts von ihren Worten ver-stehend, aber aanz außer sich und gelähmt vor Bewunderung Vom Tisch aufsiedend, erklärte sie: »Ich werde Ihnen Das Champ de Mars zeigen« Um diese Zeit gab’«5 nichts- anderes-« zu thun. Die Jahreszeit war sehr vorgerückt und Jedermann außer itnn hatte diese Angstellung schon besticht . . . . Sie erschien nach dreiviertel Stunden wieder. Sie brauchte ftersz sehr viel Zeit zu dem Antleiden, daer waren aber ihre Toiletten wahre Mei sterwertr. »Ein wirtlicheg Genie«, hatte eine Zbrer Freundinnen von ihr gesagt, auf ihre Art sich zu lleioen lyinweiieno. Sie trug ein graues Kleid voncirepe be Chine, das um ihre Fiiize Falten wart a la Burne Diones-, sie fah aus-, als wäre sie von eintr blassen Staubwolte uinhiillt --— und usn ih ren Hals, utn ihren langen, scltlnnlen bei-is strahlte das Kleid von glitzernden iamntxtew -—— Aus dein flüssiqu tvoltigenTiill heraus ragten zwei weiße Psauensedern aus ihren Haaren em por, auf- ihren goldgestreistenMärchem hoc-ren. »Wie schönSie doch sind!« murmelte e. Sie lächelte wohlwollend und reichte ihm ihre Fingerspitzen,—bie er zärt lich lüßlr. Da zum ersten Mal, zum erstenmal in ihrem Leben schüttelte sie etwas wie ein leichter Schauer. Sie schaute ihn nun beinahe zärtlich , an. Er wurde ganz blaß. Ein unendli thes, unerwartetes Freudenqefiilkl tam iiber it;n. Er wagte es, sie etwas äußerst be scheiden, aber mit einem leidenschaftli chen Entzücken in seiner Stimme, in seiner tlangvollen, ernsten Stimme zu fragen - k· -» L »Zukkscll VII llllc ullus We Ismuur erweisen, uber rnem Leben zu beschlie ßen?« Sie antwortete mit einem Hauch von Zärtlichteit: »Ja, sehr bald werde ich mit Almen darüber reden, --« und vielleicht tseate noch." »L- Diana!'« Vor Freude atl)emlas, brachte er gar keinen andern Laut hervor-. »Na-innen Sie jetzt!« unterbrach sie ihn munter, wir wallen uns die Ges mälde befehent« Ie- - i Sie itieqen die Treppe zum Champ de Mars- hervor. Bei dem im Saale herrschenden un aewissen, blassen Dänsmerlickit gingen sie an der Pendelntr varlsei. wo die in genialer Art überall vertretenen Ent wiirie Und Stizzen in Vrcsnze und entzückenden eingelegten Arbeiten auf gelegt waren. Sie pries den rassinirten, feinen und tilnftleriichen Geschmack biefes Menschen, der aber auch alles zu ma chen verstand: Verfe, Uhren und alle goritche Sei-tönte Dann durchschrit ten sie rasch die Säle, denn sie wollte ihn gleich vor die Bilder führen, die sie liebte. Sie ging ein wenig voraus, schlank nnd lang und unnatiirlich in ihrem blossen Schlepplleid Er folgte ihr, über seinem Arm eine dufiige weiße Schärp e. Von Zeit zu Zeit aber blieb er ste hen, mit einer geradezu entseleichen Urgeschicllichieit in der Weibl, gerade ver den schlechtesten Gemalt-en deren blödsinniges und banales Sujet ihm gefiel. Sie ging rascher, sehr nervös, nichts davor- bemerlen wollend, denn sie war ihm soeben noch so gut gesinnt gewesen! Sie beeilte sich, an’s Ziel zu koni men. Die geheixnnißvolle Zauber-last je ner Gemälde würde ganz gewiß auch iljn packen und seinen Geschmack zwin gen. Sie stand still: Zur Rechten stand eine Wunder-volle alte Frau aufrecht in einer Ecke der Leinwand; den Kopf trug sie empor gerichtet mit einem herrlichen Adel in der Haltung, einer etwa-Z hochmiithi gen und traurigen Würde: diese Frau hatte gelitten und gesiegt. Jhr düstres Gewand hod sich deutlich ab Von den blassen Mauer-. des Hirn mer-H —— nichts als die Linien der Wände —— blasse Linien auf der blas-— sen Mauer und dazu die blasirn Linien der Thüre. sku ihren mästen ein Schatten, der schmäler un) schmä ler wurde. Ganz einzig aber, ergreifend nnd rinvergeßlich wirkt das Bild zur Lin len: Ein Weib bewegt sich aus dem Ge mälde heraus, eH ist schon ganz am Rande, am äußersten Rande der Lein wand bevor es l;eraui5trttt, derive-res den Kon zurück, einen entziicleirdem leitensvollen Kopf. Und es ist blaß, das sehr selt same Weib mit seinen wunderbar kr tben Haaren, die seine ganze Gestalt iibersluthen. Es ist lang und schmiegsaun das wundervolle Weib in Grün. O, das abgezehrte und farblole Grun, das einzige Griin dieses Klei des. Es ist entsetzlich blaß und zum Weinen schön, blaß von nicht zu nen nenden Dingen, die es gesehen, blaß rom Mysterium, aus dem es entsprun gen tlm seinen Mund, um den blassen siir alle Ewigkeit geschlossenen M und giebts sein Lächeln Es hat Dinges aeselxen, von denen Niemand weiß, i Tinae, über die ein ewigesi Schweigen sich breitet. Man fühlt eiJ: sein Schritt ist der Schritt der Schat-? ten. Jetzt ist alles an ihm unbeweglich; nur in seinen Augen, in den uner-: tliirlichen, unruhigen Augen scheint Les-» ben zu glimmen. Jbr grüner Blick ist nicht nur traurig, er ist viel schti m mer als das· Er durchdringt dich wie die entsetzliche Gewißkxit von auf im mer verborgen gehaltenen, entscheiden den Wittlichleiten van uneesetzlichen Verlusten. Und sie suchen dieo doch immer wiederum auf, iie verfolgen( dich überall, diese von den genehmig vollen, schlaslosen Nächten geworde ten Augen, diese schrecklichen Gespen steraugenl Es ist schön, das wundervolle Weib in Griinl Und hinter ihm, rund bernm. nichts als die einförmige Eintönigteit der blossen Mauern mit den blasseri Pfo ten der Thüre. Es ist unnatürlich,nyantast1:sch aber bestimmt trie die Erzählungen; von Poe. s s Zwischen diesen beiden Gestalten, je ner alten Frau und diesem junan Weibe erblictst du ein Kind —-— ein schreckliche-T kleines Mädchen; talter Schauder überfällt dich beim Anblicke dieses abgerebrten Kindes. Sein Kleid schimmert in blossem, schattenhastem Gelb. Du siehst nur seine Augen —- die ungeheuren, schreck lichen Augen. —— Viel, unendlich viel steht in diesen allzu großen Augen ge schrieben schlimme, vererbte Träu me —- ganz wie in den geritttetenttlw gen des Weibes in Grim. Die Ver wandtschast dieser beiden Wesen Ist unbestreitbar, der eiitsetiliche Sctiars bliet von jenseits des Grabes. Tit ses Mädchen kann leinen Schlaf fin Zins All der irijlekiie Schrecken von ent setzlichen Visionen laaert sich in diese «.)liiaen: sie haben nicht Zu verstehen de Dinge verstanden-— ssie schreien, diese Auqu, mit il,rer durchdringenden blauen Stimme: »Wie-ret- Inore, net-et more!« lind dieses seltsame Mädchen itelit aufrecht in der Mitte der Leinwand, hinter ihm und neben ihm »ein unend licbes Nichts — Die absichtliche Erhaben heit dieser blossen Leere s- nur sein Schatten zeichnet sich aus derErde, via lett und unheilverliinkcnd auf dem blossen Getöser . . . » «- « «- s Diana von Flairs schaute starr dar-T auf hin, ganz vernichtet und aufgelöst; vor Frei-de, ihre schmale Lippe ein loc-! nia ausgeworfen l Sie hatte ganz vergessen, daß An-; selin neben ihr stand. ’ Plötzlich nnterbeach er das Schweisl gen mit seiner langsamen und deutli chen Stimme. ,,Dieser Maler ist verrückt!« rief er nun aus« »Nein! diese Frauen in der Ecke der Leinwand! Jst das ko il« Und er brach in ein Lachen aus« sgteein aufrichtiges und zufrieden-es La-? n. » Sie schaute ihn an ganz niederge schmettert. Eine ungeheure Verach tung, vermischt mit Abscheu, stieg in ihr empor »Sie sind aber ein Kunstlennert taö sind Meisterwerte!« war allez, was sie hervorbrachte. « Er begriff aber sofort, das-, er sie beleidigt hatte. Er suchte nach einer Phrase der Entschuldigung. Sie zuckte die Achseln und lehrte ihm dann den; Rücken. s Sie ging sehr rasch, abe: ganz stumm. Von Zeit zu Zeit schaute sie ihn; zornig von der Seite an. « Sie fand, daß er ihre Schiirne ganz ungeschickt trug. »Eiannmkopf!« dachte fie. »Nichts als ein Dummtops.« Auf dem Heimweg gab sie ifzm Be scheid: »Ich habe Ihnen heute doch eine Antwort versprochen: nun also, sie lautet Nein.« In letzter Stunde. Eine Erzählung aus dem Künstlerleben ! vonMaqundttr. i I Ein tiiibseliger Märztag neigte sich Idem Ende zu. Der Himmel sah aus-D Hals ivoltte er sich mitBleischtvere auf die iErde berniederlegen. Däinniriger, jseuchter Nebel erfullte die Luft. Welt und Himmel —- alles ein Meer von Grau in Grau. So, nun war es zu Ende! Nun war es doch gekommen, vor dem er gezittert hatte sechs- Jahre hindurch. Was er nie im Leben fiit moglich gehalten hät te -—— diese Entbehrungen, diese Leiden diese Erniedrigungen « aller-, alles hatte er auskosten müssen, und alles, alles war umsonst gewesen! Nun brach das schreckliche Ende über ihn herein. ohne Obdach, reinen Pfennig in der-Ca fche, nichts in, nichts auf dem Leibe, troftlos alles wie der fchauerlicheMärz tag. Aber für die Erde kam nach die »sen Märztagen der Frühling, — für iihn war’s vorbei! orbei für immer und alle Zeit. Von hier ging’s nzmt mebr weiter, das fühlte er, und er fühl te auch, wie es brennend in seine Augen emporftieg. Untergehen, untergehen, jetzt, so dicht vorm Ziel! schrie es in ihm auf. Aber er lächelte nur bitter dazu Nicht mehr lange, nur weniae Stunden noch, bis die Nacht angedro chen war, dann würde auch diese eStim- l nie schweigen, und dann — war alles vorbei! f Sigwardt Thorsen lehnte sich miide an eine der uralten Rüstern, die diel Landstraße einfaßten. Hinter ihm stie gen die bewaldeten Höhen steil empor; vor ihm in bedenklicher Tiefe brodelten die trüben Wasser des Flusses. Wen-is zu seiner Rechten ein Windstoß einmal! für kurze Augenblicke die wallendenNe bel zertheilte, konnte man die Thürine und die ehletzten Häuser der Stadt erken nen Da hinten lagen alle seine Hoff-— · nungen begraben, und alle seine Leiden und Erniedrigungen ( Ein herzes, hartes Auflachen, dannl schauerte er fröstelnd zufammen, zog den fchabiaen Mantel, der ehemals grau gewesen sein mochte, fester um die lan ge, ausgemergelte Gestalt und schwank te weiter. llnd als wüßten die Gedanken, daß es heute zu Ende gebi, zanberten sie demI müden, fast Vierzigsührigen Manne mit dem ungepflegten pechschwarzen Voll-J bart und dem gelblichbleichcn, hager-n Gesicht noch einmal die ganze Began genheii vcr die Seele In seiner norwegischen Heii:i:i.·) fäih er sich als fröhliches Kind, l..s den Stolz und die Hoffnung feiner til ern,’ einer alten Bauernfamilie von altem Schrot und Korn. Und die prachtigen,« köstlichenStndienjahre tauchten vor Linn anf, als Schüler des Geigennseistirs Joachim in Berlin, als Zöglina des» Konservatoriunis in Leipzig. M e la i? damals die Welt fo sonnengkkinzend vor ihm! Die Gunst seiner Lehrer und« das Große, was man von ihm c»in-ar-» tete, weitete seine Brust, — die Schatte und Glückseligkeiten der crde legen vor seinen Füßen! i Dann kamen die Jahre der ersten Triumphe und seine Anstellung atg «:: ster Geiger itn Orchester Der Oeernn luihne eines ntitteldentfchen Indiens Wie da alles zufaimnenströnite, um ihn fast zu erdrücken mit all-m, was-: Das Leben Schönes zu bieten nat! Z-: den Glück, das ihnt die hehre Kunst gtwckln s» te. zu den sonnigen H?utunftgtrei«tnen gesellt- sich die Selig eit einer Mut-n reinen, tyaufrifchen Jugendliebe welc qentlich einer Aunzertreife nach Berlin satt er sie wieder, rein zufällig, ot- Si-’ grid tkritsoin Wie gron und ft »r: nno schön die kleine Sigrid gewordru mai-, die er in seiner Vaterstadt Fsrederjtsxf halt oft genug gegen Die wilden Stauden vertlseidigt hatte — die Joealgeftalt ei-. ner Wagner’schen Wnlliirel lan sitt--" gen, singen konnte fie — ! Ihre Aus-I bianug als dratnalifcile Sinne-tin war in Berlin nahezu vollendes, und Sig tvardt Thorsen war gliici.ufs, ilsr Lie; Wege ebnen zu können; er sent- ess! durch, daß sie von »seiner« Bü«):-..- sen-« gagiekt wurde. Er halte es nich zu be reuen; Sigrid Erilfon war bald erste-r Stern an ver Residenzoper und enttvi-j clelte sich in kurzer Frist zu wahrhaft tiinstlerischer Höhe. j Dei fiel der erste Reif in diese Früh lingshetrlichteit. Jn seinem Herzen be-? gannen die Eifersucht und norwegischer. Trotz einen erbitterten Ke-:npf. Sjgrids wurde umschwärmt und am meistens verhätschelt vom Jntendanten, einem reichen, wohltonservirten Witwer von altem Adel. hni schien es, als sei sie nicht empfind ich gegen die Aufmerk samkeiten des einflußreichen Mannes. Er zog sich grollend zuriick und wurde kurz und abstoßend. Von seiner leiden schaftlichen Liebe hätte er jetzt schon gar nicht mehr-gesprochen; und Sigrid — nun, die schien anfänglich nichts zu merken, dann aber erwachte auch ihr Stolz; die beiden Herzen entfremdeten sich immer mehr, bis der Geigenliinstler endlich. Gleichgiltigleit und Kälte heu chelnd, wo er sich in rasender Gluth sast verzehrte, auf und davon ging. Thorsen stand still und fuhr sich mit den abgemagerten Fingern über Stirn und Augen· Wieder lehnte er sich er schöpft an einen Baum. Der frische Abendwind vom Flusse-her ließ die zer franzten, abgeschabten Kleider urn den hageren Körper schlottern. Vor Er schöpsung schloß er die Augen Wenn jemand hier entlang gekommen wäre und ihn genau betrachtet hätte, der hätte wohl gern einen weiten Umweg um die se mehr als fragwürdige Gestalt ge macht. Aber ob er auch ermüdet inne hielt auf seiner trostlosen Wanderung --— die Gedanken machten nicht Rast bei jener Zeit. Die Bilder zogen weiter an ihm vorüber, die furchtbaren Bilder all mählichen SinkenH, die in ununterbro chener Kette einander folgten und deren letztes jetzt —- das Letzte war! » Er war auf Konzertreisen hinausge gangen in die Welt, hungrig nach künst lerischen Erfolgen. Da fand seineLauf bahn ein jähe-J Ende; es trat eine Seh nenentziindung des linken Ringsingersx ein, und lies; eine nicht unbedeutende Lähmung diese-H siir Geigenspieler un- » entbehrlichen Gliedes zurück. Damit war seine Laufbahn als Biolinist zu» Ende. Jetzt regte sich in ihm die lange mühsam zurückgedrängte Schaffens-« lust, und in der nun folgenden Zeit der Ruhe und Muße entstand seine erste Oper. Aber man hatte seinen Namen unterdes; Vergessen und die Arbeit wan derte aus einer FDirektion in die andere. Da kam der große Schlag zu Hause. Ein leichtsinniger Bruder, Kon lurs Bettelstab, freiwilliger Tod — dass waren die Hiosbsposten, die ihn aus der Heimath trafen. Rastlos be gann er an seiner zweiten Oper zu ar beiten. Um sein Leben fristen zu tön nen, mußte er Stunden geben; um wel che zu erhalten« mußte er die Konkur renz unterbieten; eH war zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel Nach und nach wanderte feine bessere Garderobel zum Trödler; er vermocht e nicht mehr wie so oft Von ihm gefordert wurde, loie G-: sellschaftsabende der Eltern sei ner Schüler durch musikalische Darbie tunq zu verschönern. Sein äußerer Mensch verlor immer mehr an E. eganz, denn an Neuerwerbungen konnte er nicht denken, und so ging es rapide ab wärts mit ihm Ein Zögling nach dem anderen blieb aus; man genierte sich wegen seiner Armuth und Schädig-? krit, und schließlich war ihm auch die letzte Unterrichtsftunde verloren. Auch die zweite Oper war fertig, ein harm loses Wert voll iutimer Reize das ihm die Herzen derer gewonnen hätte, dies ihm willig entgegenkamen. das aber nicht im Stande war, die Geister in sei nen Bann zu zwingen. Auch dieses trat seine ermüdende, aussichtlose Wanze rung durch die Theaterarchive an. Mit glühendem Eifer warf er sich auf eine dritte Arbeit, in der er sein Größteg und Besteg bot. Fachmänner, die aus Erbarmen seine Entwurfe und An fätze und Skizzirungen priiften, waren voll des aufrichtigsten Lobeg — ein grandioser Stoff, eine wuchtige, pa ckende Musik von künstlerischer Vollen dung. Einer der hervorragendsten Opernimpresarien der modernen Mu sikgeschichte gewann durch Fürsprache Interesse für das Wert. »Wenn es hält, was es verspricht, dann führe ich eH nächsten Herbst auf,« schrieb er. Aber die Lilrbeit in Linde bringen! Ja, das war ex; Wies Die entsetzlichsie Zeit seines Leben brach an. Alles Ent behrliche hatte er bereits versetzt oder verkauft, sogar von seiner geliebten Geiqks hatte er sich trennen müssen. Die Wirthssleuth bei denen er wohnte, quäl-s ten und drängten ihn um Zahlung. Man schalt und höhnte den Tagedieb, der nichts arbeitete, man ließ seinZim mer in Schmutz starren, nahm nichts die geringste Rücksicht aus ihn, verwei gerte ihm das bescheidene Mittagessen,s das er sonst in der tinderreichen Fami lie mit genossen, dachte nicht mehr dar-s an, ihm den Ofen zu heizen, siir Be leuchtung zu sorgen. Und Thorsen wars schon glücklich, daß man ihn nicht aufs die Straße setzte. Wochenlang war die trockene Frühstückvsemmel seine einziges Nahrung den ganzen Tag über, so daß man ihn einmal zusannnengebrachenl nach Hause transportirte Und dies Wirihin schalt, er wäre am Ende gar» betrunken! Jetst hatte auch dag ein Ende. Gei stern Morgen hatte man ihm erklärt, dag Zimmer sei anderweitig Vermietth ja die Leute hatten auch nichts iibrigzs aber das war bitter. Den ganzen Tags war er bei Kollegen und Bekannten um« hergelaufen; sein Stolz - wo war er geblieben! Aber überall ——- schöne Worte, Achselzucken, verschlossene Ta schen! Man suchte den heruntergetom inenen Menschen möglichst schnell los zu werden. Und dann kam die Nacht, wäh - rend der er sich miide und verzweifelt durch die Anlagen schleppte und zuwei len auf einer Bank rastete, bis ihn der feuchte Frost wieder ausjagte. Am näch- i sten Tage dasselbe Bild. Nirgends Hilfe, nirgends Rettung! Nun war sein Widerstand gebrochen, dicht vorm Ziel! Er wußte, daß diese Nacht die letzte seines Leben sein würde. DasS its al hatte zu viel von ihm verlangt, est war seine Kraft dahin. Wie ein Trsuntener schwankte er da hin. Kaum noch spiirte er die entsen liche Müdigkeit, den nagenden Hnn er. Es war fast finster geworden; Sie Chaussee, die weitewbinaus nach dem fürstlichen Lustschlvsse führte, machte eine scharfe Biegung. Eine einsame Petroleumlaterne brannte an dieser Stelle. Thosrsen stolperte über den ge fchotterten Fahrdamm. Er sah es nicht, daß eine Equipage in scharfem Trade von oben her in der Richtung ncch der Stadt heransauste. Kurz vor der Erqui page tanmelte er und fielschwer zu Bo den. Ein silberhelles, aber gedieieri sches Halt tönte aus dem Jnnern dei Wagens. Die schnaufenden Thiere standen. Thorsen hatte sich mit Auibietung sei ner ganzen Kraft wieder erhoben. Aus der Kutsche, die auf dem-Schlage das fürstliche Wappen trug, beugte sich ein blonder Frauenkopf. »Haben Sie Schaden genommen? . . Um Gotteswillen . . . Sigwardt . . .!« Der Musiker lehnte sich gegen den Laternenpfahl, um nicht anf’5 neue umznsinken. »Sigrid . . . DA?« flüsterten die blutlosen Lippen. Siarid Eritson war ausgestiegen. »Ja, was treibst Dn denn? Wie siehst Du denn aus-? Jst Dir nicht wohl? Komm, steig in meinen Wagen. Ich bring Dich nach der Stadt zurück und unterwegs erzählst Du rnir . . . .« Thorsen sah mit bitterem Lächeln an sich hernieder. »Es ist zu spät, Sigridz mit mir ist’: zu Ende. Laß mich!« sagte er. Die Sängerin war dicht an ihn her angetreten. »Nech einmal laß ich Dich nicht« Sigwardt thorsen Komm mit, wenn Du nsich noch ein wenig lieb hast!'« Er sah sie tnit großen, brennenden Augen an. ,,Du sagst Du, Du . . .. zu mir's« »Gott, sei doch nicht thöricht, Sig toardt! Du weißt ja — in UnserenHer-s zen hat die Lüge nicht Raum. Ich habe Dich immer geliebt und auf Dich ge tvartet!« »Auch damals?"« »Auch damals!« saate sie einfach und drückte seine Hand. Fast willenlos folgte er ihrem Zuge und nahm im Wagen Platz. Bald hat ten ihre theilnehmenden Fragen seine ganzeLeidensgefchichte aus ihm heraus gelockt. Oh«, sagte sie dann Und klatschte froh in die Hände, »nun hat es ja keine Noth! Ich habe heut Nachmittag vor dem Hofe im Lustschloß gesungen. Der Fürst ist entzückt und wiinfcht mich hier zu fesseln. Und nun werde ich bleiben, unter der Bedingung, daß man Dir die Opernkapellineisterstelle überträgt, die in wenigen Tagen vatant wird. Ah, was soll das für ein schönes Leben wer den! Und wenn Du dann Deine letzte Oper vollendet hast . . . Aber nicht doch! Dieb hab’ ich, Sigmardt, Dich, und alles- das andere — es ist ja auch schön. aber dab ich Dich wieder habe, das ist doch das Bestei« Eine lustige Komödie der Jrruw gen svielte sich auf einer Pariser Polizei wache ab. Man schreibt darüber: Jn einem der größeren Polizeidureaug be finden sich die eigentlichen Bureau räume im zweiten Stock, während das Parierre und die erste Etage die Loka litäten fijr die Executivbeamten, Arrest zellen u. s. to. enthalten. Eigenthüm likb ist ess- dabei, daß die Beamten dieses Revierz sich nicht alle kennen. An einem Nachmittag nun wurde dem Polizei tomnnssär, der seinen » lag im zweiten Stock hat, ein baarhäuptiger, herunter getomnicner Mann borgeführt, welcher eines geringen Vergehens wegen ver haftet worden war. Der Kommissar be fahl, den Mann aus der Haft zu ent lassen, änderte jedoch plötzlich seinen Entschluß und aab die Ordre, den Ent lassenen zuriirtzubolm Ein Polizei mann begab sich sofort nach dem Erdge schoß, fragte den vor der Thiir pa tronillirenden Schutzinann, ov er nicht den barhäuptigen Bettler habe das Haus verlassen sehen. Der Schutzmann verneinie eg, und der Polizist setzte die Nachforschungen fort. Schließlich mach te sich auch der Kommissar selbst ohne Mütze auf die Suche-. tilnch er gelangte zum Posten vor der Thür. Bevor er je doch noch eine Frage thun konnte, er klärte der Wackere ihn fiir den gesuch ten Betiler. Auf den energischen Protest Leg Kommissars eilte ein Polizist ans dem ersten Stock herbei, ergriff den Kommissar beiin Kragen nnd versuchte, ihn etwas nnsanft nach dem zweiten Stett zu befördern. Der Lärni loclte einen anderen Beamten herbei, der den stonntiissar lannte. Als er ihn aber in so eigenthiiinliitier Lage sah, lebhaft gr: siilnlirend n. nm sicii schlagend, hielt er ihn siir verrückt Er wechselte daher mit dem Polizisten, der den Kommissar ain Kragen gepackt hatte, einen Blick des Eiiiverfiiiiidnisseg, trat zum Kommissar heran nnd bat ihn, doch schnell nach ,,oben« zn kommen. Frohlockeno, daß der Spitzt-ums so schnell in die Falle ge gangen war, folgte der Polizist, wäh rend de-: andere Beamte mit Blicken des Bedauerns feinen Vorgesetzten beglei tete! —- Erst ini Bnrean des Kommis sars löste sich die koniische Wem-ethisc lung in allgemeine Heiterkeit aus. ——- Stoßseufzer Junge-: Porträt maler« »Ich habe den Herrn Baron auf dem bestellten Bilde so gut getroffen ——— doch wenn ich jetzt mein Honorar haben will, ist« er —- nie zu treffen!«