Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, May 05, 1899, Sonntags-Blatt., Image 10

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    s» Der Xetzte vom Yegiijtent ERST-Hex
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I «M7«« Um« Cäsar Klagan
, .
III sssssssss
t7. Iortiesun9.) I
Oebhard hielt öfters an und ftrengte s
sinnen und Dbren an. um etwas von l
dem Vorgehen der Mranzosen wahrzu- t
nehmen. Lange sab und hörte er l
nichts. Endlich tauchen arosze Feuer
aus. Rings um Henniasdors loderten
«die Biwaisteuer. Gebbard horchte.
Aber die Entsetnuna war wobl zu
groß, an tausend Schritt. und so war .
nichts zu hörest. Alles war still. Nur l
die Hunde im Dorfe bellten. Nach der -
Zahl der Feuer mußten stärkere Kräf- !
te dort biwatiren; Gebbard schätzte sie ;
auf 15 bis 20 Schwadronen Er mach- I
te» sich eine Bemertuna auf den Rand
seiner Karte und ritt weiter aus Ora- l
nienbnrg· Noch einmal sah er Feuer
drüben aus dem andern Ufer, weniger ’
wie das erste Mal. Sie brannten et- .
wa eine balbe’ Stunde vorwärts von
Hennigsdors Dann sab er nichts mehr.
Der Morgen graute. als tsjebbard
Wagenseld sich Oranienburg näherten «
Sei-wankend hatte der feine. durchsich
tige Nebel sich herausgezogen bis zu
dem Mond, der noch immer mit seinem
milden Licht am Himmel strahtir. .
Dann war er wie ein Schleier wieder T
gännderaesunlen Der Himmel im «
en erblich in einem talten Weis-» "
Matten blasser wurden die Sterne. j
Gelbe Strahlen sckossen aus über den «
rizont, ein rosiges Licht säumte den
and der leichten Federwoltew und
seht schien es, als solle die Königin les
Tages hervortreten in siegreicher !
Schönheit, da stieg plötzlich der Nebel -
wieder auf, aber nicht rnebr leicht und
glänzend wie in der Mondnacht, son- -
ern schwer, grau, ertiiltend und un
durchdringlich Wie eine dicke Wolte
verhüllt er alles und in der trüben
Dämmerung verschwanden undeutkich
die Umrisse der Dinge. !
Borstchtia, osi anhaltend und bor
chend, ritt Gebbard weiter. Da taucht
aus dem Nebel eine dunkle Masse aus:
Oranienburg. Gebbard schwanlte, ob
er heranreiten sollte. Dann cntijbloß
er sich, im Bogen die Stadt zu unmi
tenluno vor allem festzustellen ob die
Brücken über die Haoel und den Run
dtner Canal bereits vom Feinde besetzt
seien. ;
Jrn Schsitt ritt Gebbard vorwärts, .
Rpeple neben sich, beide die ges pannte
.Pistole in der hand. i
.,Ssi!« —- ,
Augenblieslich stehen beide PierDH
Sie kauen an den Gebissen. uno das
Mitten der Kinnkeiten klingt leise
durch die dunsrige. feuchte Luft.
uDort —- gerade aus ——- nein, et
was mehr rechts.«
!
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Gedhard flüsterte leise. Knie ans
Knie neben Roevkr.
Rothke duckt sich etwas. schiebt den
Kopf vor und macht seine quirnüthiqen
blauen Augen weit auf. So späht er
scharf vertus.
Vorwärts, im Nebel. erscheinen
anz nndeutlich die Umrisse von zwei .
eitem Jns Riesenbafie verqerrt’
durch den täuschenden Nebel, sehen
sie ans wie bonI-hohe Schattens-Ader
Sie scheinen fiill zu sieben.
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Gebhard Und Roepie balien Unbe- I
weglich Da kommt der Ton einer«
Menschenstimme durch die dicke ruft.
«.Vaste noch ’n Tropven drinne in -
de Pulle? Ei fängt an un wird ver
flucht kühl an de Poten.«
«Preußen!« jagt Gebhard Wagen
feld laut und reitet vorwärts.
Man hört drüben das Knacien ei
nes sahns und den Ruf: »Halt! —
Wertmi«
"«Zreußischer Offizier.«
Tiber ran!«
Zånvei husaren vom Reqiment
·rnmelpfennig halten zu Pferde
an einer Brücke.
«Dei is doch seen Offizier nich«,
sagt der eine von ihnen.
»Wer commendirt hier?« fragte
Oel-wri- lurz und bestimmt.
Die Husaren sehen einander un
ichlüssia an.
«L’keutenant von Jaaow«. sagte ei
ner zögernd.
»Führe Er mich sofort m ihm.«
Bot dem Tone dieses Befehlg und s
vor Gebhards qunzer Haltuna schwin- s
det der letzte Zweifel ver Husaren :
»An Bef: bl, Euer Gnadenj ’
Pserdegetrappel Klirren Don Was
sen ans der Rief-Luna von Hex innigs
dorf. Nun ganz nahe ein Unumwu
dcwort in französischer Sprache Wie
rnue Gespenster tuchen ein paar
« eiter aus.
«Feuer!« comnmndirt Gchako
Vier Schüsse blitzen auf. Drüben
hist-t- man einen Schrei und ein Dröh
nendes Stürzen
»Nun rasch Zurück und melden!«
Im selben Augenblick kommt drü
sen das Evens-nunm
«Marsch! Marsch!«
»Wie-e I’Empeteur!« schallt es durch
Nebel.
Die Preußen bczben die Pferde her
otsen und sagen zurück, was
. II Meile laufen können
Aue demle Masse taucht aus. Die
EIN-Maul von Jagdn
t im r
»Zu- nimmt- wsi ihm Gehoqu
entgegen. »Feindliche Cavallerie ge
radeaug vor un3!«
Der junge Ossizier reisit den Sä
bel aus der Scheide. »Gut-ehe aus!
Zur Attaaue Galopp —- Marschl —
MarschI Marsch! — burrah!«
»Wir-e l’Empereur!«
Jn wütbendem Anprall stoßen die
Reiter zusammen.
Jm nächsten Auaenblicl haben sie
gegenseitig ihre Reihen durchbrochen
und nun dreht sich alles in wildem
KnaiiueL Säbel klirren und dli en«
schmetternd fallen die Diebe, der ur- "
ze, scharse Knatl der Pistolen tönt da
zwischm »
Gebhard hat seine Pistolen abgesen
ert und einem seindlichen Hufarem der
neben ihm schwer aus dem Sattel
sinkt, den Säbel entrissen. Hoch aus
gerichstet tömpst er irn dichtesten Ge
dränge. Die Franzosen sind gehand
tc Stoßfechter. Zischend fährt ihre
leichte Klinqe den preußischen Neitern
in die Rippen. Aber auch Oel-dato ist
ein Meister im Führen der Wasse.
Mit kaltem Blut, klarem Auge und
eisensester Hand schläat er den Säbel
des Gegners zur Seite. dann ein tur
zes Aus-holen, ein haarscharse:, pfei
tender Hieb, und mit zerschmettertem
Schädel sinkt der Feind stöhnend vom
Pferde. Die Franzosen sind in der Ue
berzahi. Schwächer wird der Wider
stand der preußischen Husaren Schon
irren viele reiterlose Pferde aus dem
Felde herum, schnaubend und keuchend,
schon jagen auch vereinzelte Reiter
zurück. die sich aus dem Handgernenae
perettet haben.
Gebhard sieht sich kurz um. Die
Franzosen haben sich sest zusammen
aedrijngt um zwei kleine Gruppen, die
allein noch fechten. Hier ist es der
Lieutenant von Jan-Im mit zwei Un
tercssizieren. und hier steht er allein
mit seinem treuen Reittnecht Roeplc.
Rechts heran drängt sich ein feindli
cker Offizier und sallt aus in new-altj
aem Stoß. Nur im letzten Moment
und uin Haares Breite vermag Ged
bard aus-zuwenden An der Rippe
lanq gleitet die seinoliche Kling-, dasj
Fleisch date-bohrend Heißes, rothes
Blut strömt aus der Wunde iiber die
Kleider. Durch die Wucht des Sto
» E ist der Franzose im Sattel vorn
iiber gefallen. Gebbard schtögt ihm
das Deqcnqesiiß ins Gesicht. Mit
zerschmetterter Kinnlade, btuiiider
month tturzt der Geaner vom Pferde.
»Ach Gott. Euer Gnaden!" schreit
Nreptr. Er wirft sich dicht srn Geb
dard heran und deckt ihn mit feinem
Leibe. Ein Schuß blipt auf zur lin
ker. Hand· Schwer sinkt der treue
Mann geaen seinen Herrn, er fallt
auer vor ihm auf den Sattel, die
Zügel spannen sich unter dem Druck
des Körpers kurz und scharf. hoch auf
böuzgt sich Gebhard’s Gaul und un
ter dem doppelten Gewickt bricht er
nach rückwärts zufammen. im Ueber
schlagen auch Roepte’s Pferd mit sich
reißend.
So liean sie arn Boden, Brust an
Brust, der todte Reittnecht über sei
nem Herrin als wollte er auch im
Tode noch ihn vor den Hieben der
Feinde schützen.
Einen Augenblick blieb Gebiiarh
wie betäubt lieqen Dann zoa er
mühsam den Fuß unter der Last des
Pferde-Z hervor, das änattlich um sich
ichlua, schob die Leiche von seiner
Brust zur Erde und richtete sich auf.
Der Säbel war ihm im Sturz ent
fallen. Schon hatten ihn auch ein
paar feindliche Reiter gepackt.
»Schlaqt den Hund todt!« rief ei
ner, dem aus einer Stirnwunde das
Blut über die Augen lies.
Aufbauan rnnß man den Schule
tief ein anderer-. ein Brigadier mit
flattern. ichwariem Bart. »Das ist
ia gar tein Soldat. An diesen Land
leuten muß ein Exempel ftatuirt wer
den, wenn sie gegen des Kaisers Sol
daten-! fechten-J
»Im oen daum mu It1n13" schrie
arinsend ein gelber, blatternarbiqer
kleiner Kerl« dem die Haare unter der
Pelz-nütze mirr ins Gesicht hingen.
und- ftieß Gebhard mit der Faust Ins
Genick.
Gebkxard drehte sich tur um. J
Sprühenden Auge-«- bob er die neballte ;
Rechte und fchhm den Kerl ins Ge
sicht, das-. er heulend stürzte.
Jetzt hing sein Leben an einem
Faden. Im nächsten Augenblicke hät
ten die erbitterten Hufaren ihn nie
derqemach, da trat gerade sur rech
ten Zeit ein Osfizier dazwischen nnv
stellte sich vor Gebbatd hin
»Wie kommen Sie in dieses Ge
fecht?« fraqte er.
»Ich bin preußischer Offizier,«
antwortete Gebhard in französischer
Sprache. ·
» »Traan ins Preußen dieOfftziere
- keine Uniform?«
»Ich war wegen Krankheit beur
lcnbt und befand mich auf dem Weq
zu meinem Reoiment, als ich durch
Ins-all tn den Beginn- dieses Gerechtes
Bin-imm- Jch mußte kein Sen-at
sein, wenn ich hätte unthätiger Zu
schauer bleiben selten-«
»Glaubt-« Ske ihm doch nicht, mein
Tapitän.« ries der Bei adier dazwi
Biew »Das sind ja Zeche-n Der
ann ist sicherlich ein Spion«
«Durchsucht seine Taschen!« befahl
der Ossizier. .Ah!« ries er, alt rbm
I die Karte gereicht wurde, die Geblsard
aus seinen Weg mitgenommen hatte,
und aus der die Aufstellung Hobenlm
lpes und die der Franzosen eingezeich
- net war.
, Der Capitän war ein hübscher
» Mann mit langem ftrohblondem
F Scheuerbart und groszen dunkel
blauen Augen. Es lag etwas wie
- Mitleid in dem Blick, den er aus Geb
hard richtete.
»Sie sehen nicht aus wie ein Spion
von Prosession«, sa te er. Dann
sann er einen Augenb ick nach.
Die französischen Reiter hatten sich
wieder gesammelt. Sie standen. eine
Schwadron start, in Linie ausmar
schien Der Nebel war lichter gewor
den. Ein heller, blendender Glani
bezeichnete die Stelle· wo die Sonne
sich bemühte. seine Schleier ganz zu
durchbrechen Seitwärts der BrLicte
war eine Wassermiihle sichtbar gewor
den, von rotbem Weinlaub umranlt.
Jn dem kleinen Garten daneben blüh
ten die letzten Astern und Georginen.
,«.Duval!« ries der Caditiin
»Mein Capitän!" Ein großer,
ernster Mann ritt vor, das Gesicht
von einer tiefen Narbe durchsurchi. das
Kreuz der Ehrenleaion aus der Brust.
»Ich reite mit der Schwadron wei
ter. Du wirst mit zwei Husaren zu
rückbleiben und diesen Mann mit der
Karte« die wir bei ihm gesunden lia
ken, Seiner taisetlichen Hoheit dem
Großherzog von Berg abliefern.«
»Da kommt Seine Hoheit ielbst.«
Jtn langen Galopp tarn Mut-at
mit seinem-Stabe heran. Etwas wei
ter zurück folgte eine Schwadron Dra
goner. Der Capitiin trat an denWeg
vor und falutirte.
»Nun, was giebts?« fragte Mnrat.
»Warum hält die Schwadron? Vot
wärts, Capitän! Vorwärts, vor
wärts!«
»Ich habe biet ein ileines Gefecht
gehabt mit preußischen Husaren
und .....
»Ach! Also haben wir sie bereits!«
Ein Zug von Freude blitzte über
Mutat's schönes-. bronzefarbiges Ge
sicht. Er wandte sich lebhaft im
Sattel.
»General Grouchn!«
»Kaiserliche hobeit!«
»Laialle bleibt mit seinen usaken
im Vorgehen auf Zebdenick. sie fol
gen mit Ihrer Division. Ich weid
nxit Ihnen reiten. Die Cbaffenrs von
Milbaud geben in die rechte Flanie
auf Liebenwalde, General Teeilbnrd
wird die linie Flanle in der Richtung
aus Gransee decken. An Beuumant.
hautpoult und Lannes schicke ich Be
fehl auf Zebdenick zu folgenk
Diese Anordnungen kamen tnri
knapp nnd bestimmt bei-aus« doch lag
etwas Gemachtes, eine gewollte Frische
in dem Ton der Stimme.
Eselshaer nüchternem Blick wollte
es scheinen, als liege iiber der ganzen
zierlichen Erscheinung etwas Kolettes,
Theattalisches.
Die Mädchen sahen dar-« mit anderen
Augen. Wenn Murat einritt in die
Städte, auf seinem blendend weißen
Berberbenast, den ein Pantherer deck
te, die Unisorm leuchtend von Schir
lach und Gold. an der Bärenmiine den
Reiberbusch mit der funkelnden Dia
mar.ten - Aarafse, da klopfte manches
Herz schneller und stürmischer unter
dern tnavpen Wieder.
Und Mnrat trieb dann seinen-Hengst
an, daß er knirschend in die goldenen
Stangen des Gebisses schäumte, und
während er so mit dem Pferde tät-inf
te, flogen seine leuchtenden, sieaesaes
wissen Blicke nach den Fenstern recht-«
nnd linls nnd suchten nach der Schön
ien s
Der Dienst der Frauen batte ilnn
die Gewohnheit gerieben gefallen tu
wollen, und dieser Wunsch verließ ibn
auch Männern gegenüber nicht, auch im
Dienst nicht. So, wie er sent im
feuchten Octobermorgen auf der Lond
siraße hielt, Pferd und Reiter tadellos,
bätte er sofort zur Parade reiten kön
nen.
»Da hält ja dieser Capitän immer
noch!« tiefer jetzt mit spöttischem
Ton. »Sie könnten länast unterwegs
sein! Wo sind die feindlichen husaren
binaeritten?«
»Die wenigen, die entkommen sind
flohen in der Richtung auf Zehdenick.«
»Und sie kamen von . . . .?«
«Dariiber habe ich bisher keine Nach
richt, mein Prinz. Vielleicht kann sie
dieser Mann geben«
Mut-at sah gleichgiltig auf Gebbard
herunter. »Wer ist dieser Mensch?«
»Er war mitten unter den preußi
schen husarem Jm handgemenge
wurde er gefangen genommen· Diese
Karte bat man bei ihm gesund-ein«
Murat nahm die Karte. Ueber
rascht erhob er die Augen und sah
Gebhard prüfend an.
» «Jst diese Einzeichnung der Trup
z pen Hohenlohe’s richtig?« fragte er
« lebhaft.
»Sie ist falsch«, erwiderte Gebhard
bestimmt. »Ein unzuverliissiaer Aaent
hat uns getäuscht. Der Fürst steht be
deutend, weiter westlich.·«
Murat lächelte höhnisch.
»Wir wollen doch einstweilen anneh
men, dasz die Zeichnung richtig ist«
Also vorn-aris, meine herren, ans h
dentckl Sie. General Gedacht-, schicken
Diese satte durch einen Orden-tanz
Offi Seiner Majestiit dem Kaiser-«
wohl, mein Prinz. Und was
soll ans diesem Mann verdeut«
.Stest ihn n die Mauer und
fchiest ihm eine Kugel vor den Koopt«
Damit galoppirte der Reiterk nig
davon und folgte der Quoten-Schwa
dran, die soeben angetrabt war.
Gebbard stand nahe an der Mauer
der Miilslr. Jn dünnem Gerinfel sicterte
das Blut aus der Wunde in der rech
ten Seite und durchniißte feine Klei
dung. Der Blutverluft machte itsn
fchwinoelig, er begann äu frieren. Die
leiten Worte Murat’i urchschanerten
ihn. Vorhin im Getümmel des Kam
pfes hatte er dein Tode feft ins Auge
gesehen, jent wollte ihm vor diesem
Ende grauen. Mit wehe-n Schmerz
dachte er an Weils und Kind. Ein
Schleier legte sich ihm oor die Augen.
»Na, also vorwärts!" sagte einer
der Husarrw vie ihn noch immer hiel
ten.
Gebhard’s Schwäche war vorüber.
Der Rittnieister von Wagenfeld sollte
feines Namens würdig fterben. Stolz
hob er den Kopf. Mit Gewalt ver
bannte er alle anderen Gedanken, um
nur einein einzigen Raum zu lassen,
dem eisernen Willen, zu fallen wie ein
Mann.
»Ich weiß nicht, ob wir da richtig
liandeln«, sagte der General Groucha
zu feinem Adjutanten. »Halt’ ’mal,
Ihr da mit dem Gefangenen! Die
Sache ijt doch noch sehr unklar-. Un
ser großer Mut-at ist natürlich gleich
wieder fertig damit. Jhm ahnt wie
der ’mal so was von einem Triumph
zug· Eitler Narr! —- Jch meine, es
tönnte doch von großem Werth sein.
wenn man den Gefangenen eingehend
aikgfkagtr. Denn wenn diese Einreich
nuna der Truppen Hohenlolie’5 stimmt,
dann weiß er auch noch melir. Ich
habe nur ietit keine Fieit in einem Ver
hör: wir müssen weitet.«
»Wenn man den Mann nach Berlin
zurückfchiclte?« schlug der Adiutcnt
vor. »Es ist nicht weit zurück; er tann
dort ordentlich verhört werden, und ol
er biet oder dort erfchossen wird. ist
schließlich gleichgültig. Oder viel
mehr, es ist noch besser in Berlin- da
macht's mehr Eindruck.«
Grottchv nickte.
.Ob»erit Viardot!« rief er. »Lassen
Sie diesen Gefangenen durch ein Be
gleit - Commando Jhres Regiknents
an die Commandantur Berlin ablie
fern. Es ift ein Spion, bei dein ieie
Karte hier gefunden wurde. Da die
Nachrichten von Wichtigkeit sind, ist
Eile nöthig. Lnllen Sie als-) in Osa
nienburg einen Wagen requiriren. Und
nun reiten Sie in drei Teufels Na
men! Die husaren sind schon weit
voraus.«
Rasselnd. tlirrend setzten sich die
Schwadronen in Bewegung.
Wie eine ungeheure Schlange mit
ehernen Schuppen schob sich die Ko
lonne der gepqnzerten Reiter an dcn »
Windungen der Havel entlang; gängst
war ihr Kopf im Neuholländer For-it
verschwunden, als ihr Schwanz noch
weit über die Ebene in fehl leuchten-—
dein Schimmer sich hinzug.
q- s s
Am sriiben Morgen hatte der Ad
futant deo Kaisers sein Pferd bestellt
und war binauz geritten durch den
Thieraarkn in der Richtung aus
Spenden-.
Die frische, berbe Luft des Oktober
morgens that ihm wobls und wie der
Nebel langsam sank und sich theilte, so
wurde es auch in seinem Jnnern im
mer heller und klarer. Fa einer ruhi
aen Stimmung, wie er re schon lanae
; nicht gekannt hatte, kebrte er nach
Hause zurück.
Er batte kaum sein Pferd abgege
ben, als der Lieutenant Derodes, der
am Fuß der Treppe ihn erwartet hatte,
aus ibn zutrat.
»Mein Kapitän«, sagte der junoe
Offizier etwas befangen und unsicher
iiber die Aufnahme, die er finden wür
de« .ich komme im Austrage degr- Herrn
Commandanten von Berlin.«
Zu seinem Erstaunen blieb der Ad
futant, der sonst nicht gern belästiqt
wurde und immer gleich mit einer hef
tia abweisenden Antwort bei der hand
war, vollkommen freundlich.
»So« so; vom Comrnandanten. Jch
will suchen« seine Bedenllichleiten zu
beschwichtigen Bitte, treten Sie ein
bei mir und setzen Sie sich. Ach to!««
fügte hersseld lächelnd hinzu, als er
bemerkte, daß aus dem Sessel. den er
dem Lieutenant anbot, Dut, hand
schube und ein Paar Epaulettes lagen.
«Entschuldigen Sie nur« daß es et
was liiderlich hier aussieht, das ist bei
mir leider immer der Fall. So, bier
haben Sie einen anderen Sessel, der,
glaube ich, auch ganz bequem ist. Und
nun: was istll der herr Commandant
von mirs«
»Der Herr General bat meinen Be
richt iiber die Vorgänge von gestern
Abend sehr ungnadig ausgenommen.
Er meinte- ich hätte das Haus unter
allen Umständen durchsuchen iniissen.'·
Heräfeld lächelte, nnd der Linne
nant Derodes errötbete leicht·
»Der Herr General«, fuhr der junge
Ossizier fort, «ist aber nunmehr der
Meinung, daß eine Haussuchung am
Heutigen Tage keinen Zweck mehr lea
ben würde. Er wünsch indessen ii
alle Fälle einen dienstlichen Bericht
tiber den Vorgang bei den Alten zu ha
ben und bat von mir einen solchen Be
richt bereits eingesordert. Von « bnen,
mein Caritiim erbittet er ebensa z ei
nen kurzen Bericht über die-Axt und
die Gründe Jhrei Eingreggis am ge
striaen Abend. Es wäret auch sehe
erwünscht wenn Sie eine m« lt t ge
naue Monatssrschreibun i itts
W von Wagenseld Zins-sitzen
ksnnien.«.
.Schsn, mein Freund; das Alles
soll der rr Commandant bis heute
Abend ba n. Aber dann können Sie
hoffentlich auch - hre lan weilt en Po
sten bier vor die em Hause ent ernen.«
»Der Zur General bat mich ermäch
tigt, die often sofort einzuziehen.«
«So, das ist mir sehr angenehm;
dann nehmen Sie die Kerle nur gleich
mit· Und nun Gott befohlen. Be
dante mich fiir Jhren Befuch.«
·Höchst erstaunt über die ungewohnte
Liebenswürdigleit des Adjutcmkm W
der Lieutenant Derodes seine Posten
eknckund führte sie nach der Wache zu
ru .
» Leo hergseld war sehr erfreut, daß
sur Charlotte nunmehr alle äußeren
Unbeauemliebleiten beseitigt schienen.
Wie sebr mußte die Unruhe, die Sorge
sie bewegen über das Schicksal ihres
) Gemath von dem sie auch im günstig
; ften Falle sobald keine Nachricht erhal
; ten konnte. Und nun tam gewiß noch
; dazu eine reinliche Erwartung der
Maßregeln, die sie von der fran
zösischen Comtnandantur befürchten
mochte.
. Wenigstens von diesen önaftlichen
« Gedanken wollte Oersfeld sie sofort
befreien. Je größer das Gefühl der
Schuld war, das er heimlich aeqen
die schöne Frau empfand. um fo leb
bafter war fein Wunfch. nun aber
auch alles zu tlsun, um ibre fchwieräire
Laae zu erleichtern.
Er ließ sich durch feinen Kur-amer
diener melden und wurde in dasselbe
Zimmer geführt, in dem ihn Char
» lotte aeften eninfanaen hatte.
Aufs Neue bewunderte er den voll
endeten Geschmack. mit dein dieser
Raum au.aeltattet war.
’tieite, das-, erst das Oefinen und
Sein fein gebildetes Auge hatte
bald einen Staude Lorrain entdeckt,
in dessen Schönheiten er sich la ver
Schließen der Thiir ibn aus seinen
Betrachtungen heran-Inn
Er wandte sich urn sind begrüßte
Fräulein Henriette von Narren, die
ihm in leichter Verlegenheit entgegen
trat.
»Frau von Wagenield liiin lich ent
schuldiaen, Herr Gras«. saate sie mit
einein bübscisen Errötlzen, »sie leidet,
wol-il unter den Wir-drücken des gest
rigen Tages, an so beitiaen stopf
schknerzem daß sie Niemand empfan
gen kann. Wenn Sie aber vie Güte
baden wollen« mir Jbre Mitltieilnng
zu machen, so will ich sie gern an
Charlotte übern-rittean
Sie deutete dabei artia auf einen
Stuhl nnd setzte sich selbst «n eine
H Sabbaeete dem Grasen geaenuber.
»Ich kommen nur. mein Fröulein,«
sagte bersten-, »urn die Damen zu
beruhigen, falls sie sich änastliche Ge
danlen gemacht haben sollten Liber die
Maske-sein« die die Cominanoantur
etwa noch gegen dieies haus- ergrei
ietx tönnte. Ich dente. die Sache iit
erledigt. Die Posten sind bereits
entsernt und ich werde alles thun, inn
den Damen auch weiterhin jede Un
annebmlichleit zu ersparen.«
»Wir können Ihnen nicht danlbar
genug sein, herr Graf, iiir denSchuy, l
den Sie uns angedeihen lassen. Ohne
l
i
·
i
ler Darwischentreten bätten wir
wahrscheinlich gestern Abend eine
schlimme Stunde erlebet. Und Gott
weiß, daß die arme Charlotte ohne
dies genug zu tragen bat.'«
»Frau von Waaenield ist Jbre
Freundin?"
»Ja. Wir sind als Nachbarstim
der zusammen ausgewachsen.«
,.Und nun find Sie bier zum Be
such?«
»Ich lebe in diesem Hause· Geb- »
bard und Charlotte Waaenseld sind ;
mir Vater und Mutter geworden« i
»So jung schon haben Sie die El- H
tern verlieren :niissen!« J
»Der Vater siel bei Vaterh, als ich
noch ein Kind war. die Mutter starb H
bald darauf, und wie ich im Herzen ?
Charlottens Schwester gewesen war,
io wurde ich eö nun auch in der äu- «
treten Führung des Lebens-" H
Fast aus den ersten Blick hatte ge- J
stern Leo Dasseld einen tiefen Ein- ;
druck aus henriette gemacht. errier t
wieder batte sein Bild vor ihr gestan
dtm lo s «· und to voll männlichee
kraft. it leiser Beianaenheit war
ne ihm heute City entgegengetreten.
und satt anastl aß sie ihm im er
sten Auaenblicte aeaenüber.
Vor seiner ruhtan vornehmen Hal
tunq gewann sie rasch vie alte Sirt-T
heit wieder. Das Unaewöhnliche ih
rer Situation, sa allein mit dem Li
tizier der fremden Armee, verlor
durch sein tattvollez Auftreten alles
Peinlichr.
Ei fragte auch nicht nach Vertrieb
tens Lebensverhöltnissen in dem
leichten Ton einer müßiaen Nest-zier
Jhre schlichte, einfache und doch edle
haltuna berührte ihn sympathisch-.
Zunächst hatte er nur eine höfliche
kfragk gestellt, um das Gespräch nicht
lan abzubrechen· Der warme Tun
in Heneietteng Antwort hatte auch in
ihm eine wärmet-e Theilnahme erweckt.
Und Henriette sprach immer gern,
wenn Je das Gespräch auf Eharlotte
Wagenfeld brinaen konnte. Das Ge
fühl inniaer Dankbarkeit das sie
tief im Herzen trug, dränate sie um
so mehr zu einem äußeren Ausdruck,
als Charlotte selbst von solchen Aru
ßemnaen niemalB etwas wissen wollte.
Unwilltiirlich lam auch herstell
aui ei ene Lebensschicksale. auf Ju
aenhein rücke zu sprachen. und er
wurde nicht müde, die Schönheit sei
nes Bateelandes in immer neuen
Farben zu malen.
»Ich bin aus der Mart noch r« t
herantgelommen«, sagte Henriette l· -
ehean .und kenne die Schönheit des
deutschen Siidens und Weltens nicht.
ch habe noch niemals einen Der ge
ehen. Da ist ei schwer. enit J en
zu sprechen von der Schönheit meiner
heimath, die anen vielleicht crin und
teizlos erscheint.«
»Ich muß estehen,« iaate hersseld
lebhaft, »du lebuntertveas auf der-'
Markt-. diesen Eindruck .·o t schnitt
babe. Heut sriib bin ich nach Sys
dau zu geritten, und da war ich doch
ganz überrascht von dein allerdin i
etwas melancholischen Reiz der Lan -
ichaft, besonders an den bewaldeten
Ufern der Dattel-"
»Was Sie melancholiich nennen,
das möchte ich lieber mit dein Worte
friedlich bezeichnen. Und Sie thut
unserer Landschait doch unrecht, wenn
anen nur die Havelseen ariallen, dir
allerdings herrlich sind. Wir Mär
ler lieben den Boden. der uns nährt
und trägt, nicht nur deswegen, weil
er die Wieae unserer Eltern ist: wir
finden die Heimath auch schön; und
wir haben ein Recht dazu. Vielleicht,
das will ich Ihnen zuaeben, gehört
ein märtischeg Auge dazu, um den
ganzen Reiz der Landtchaft zu em
psinden.«
Das Bild, das sich den Augen bie
tet, tritt ja nicht aleicli cnit bezwin
aender Gewalt vor die Seele. Das
Auge muß sich erst bineinieden. Aber
wie schön ist es, wenn die alten toben
Föbrenstiimme im letzten Sonnen
strahl roth ausalühen und aus ten
mosigen Strobdächern am Waldtani
der diinne Rauch in den blaßblaxien
Abendhimmel emporsteiat. Das ist
nicht aroß, das ist nicht iibenoiiltis
aend, aber es ist ein iriedliches Bild
en atbmet Stille und Rude.«
Der Eintritt des leinen Hans Jo
chen unterbrach das Gespräch.
Das Kind kam aus feiner Stube
herüberaelausen und wollte mit der
Tante Henriette spielen. Dem srem
den Offizier gab es artia die Hand
und ließ sich nach seinem Namen unt
nach seinem Alter fraaen.
Henriette sprach unendlich liebevos
zu dem Kinde, brachte das lleins
Spielzeug in Ordnuna. das sich ver
wirkt hatte nnd erzählte nnterdesser
lachend und mit einem Anfqu vor
Schelmerei, der ihr entzückend stard
allerlei drolliqe Geschichtchen aus den
Leben des Knaben.
Ganz von selbst lamen Here-seit
und henriette aus einiae Kinde-ge
schichten aus dem eiaenen Lebe
der tleine Tanz Jochem lief spielend
zwischen i ten bin und her, bali
etwas bittend fiir sein Soielzeua, bali
fragend in seiner kindlich alttluger
Art, nnd dabei deraina die Zeit se
schnell. daf: Hersield einigermaßen
verleaen war, als endlich Henrietts
unter Hinweis auf ihre Sorge tin
das hauswesen um die Erlaubnif
bat, sich zuriickzieben zu dürfen.
Wenn Lea hersteld an feine Stint
muna am gestriqen Nachmittag zu
tiietdachte und sie oeralich mit den
leichten, freien Gefühl. das ihn heute
bewegte, dann war es ihm, als ol
ein gnädiaea Schicksal einen eherner
Reisen abgenommen bade. der ihn
die Stirn schmerzhaft umspannte unt
ihm den Blick trübte fiir die einfaches
uno reinen Freuden des Leben-. Be
friediaend hatte ibm noch kein
Stunde seines rastlos tortstüemeni
den Daseins gewöer denn er hatt
diese Befriediguna immer durch Liu
Fere Eindrücke aervinnen wollen; it
ich selbft hatte er sie nie aesucht.
Was hatte ihm der heutige Morgen
geboten? Eigentlich nichta. Und doch«
wie viel!
Wie lange hatte er nicht einem jun
gen Weibe unbefangen. harmloo ge
aeniiber gesessen. Der holde Zauber
eciner Mädchenbaftigtert, an dem er
se oft achtlos vorübergegan en. übte
nun endlich auch auf feine Veele seine
ganze bezwingende Macht.
War das wirklich der bochmiithiae,
tücksichtslose Adjutant des Kaisers,
der Don Juan von taufend Aben
teuezm der fest mit weichem Lächeln
aus feinem Fenster sum blauen him
mel aussabf ——————
Fünf Ubr Nachnittagä.
Guts-etwa folgt-)
—.—-—-—
Bier, Wein und Branntwein sinr
drei Elemente, die schon VDU lk h« III
Leben der Menschen eine große Rolle
gespielt haben. Sie bringen uns viele
frohe Stunden; namentlich wohnt-Um
edlen Rebensaft diese Eigenschaft iis
hohem Grade inne. Nicht minder ale
dein Wein wird dein Gerstensast Lob
gesungen, rot-gegen die poetische Litera
tur merlwiirdigeriveise wenig —-- iiiid
das wenige nur spöttisch über den
Branntwein zu sagen weiß. llno darl;
schmeckt der Branntwein; wie einst ein
deutscher tleinstaatlichee Potentat ves
hauptete, an dessen hof die Parole
,,morgen wieder liischtil" galt, nicht
nur »des Morgens gut, er schmeckt auch
zu Mitta S; wer Arendg einen nehmen
» thut, ist sarei von aller Plage, auch soll
der edle Branntwein um Mitternacht
.nicht schädlich sein«. Welches Getr.int
i wird nun in den vers iedenen Ländern
! am meisten genossen? - iese intrressante
; Frage hat erst lürzlich wieder ein Ska
’ tisiiler, und zwar der Schwede Gustav
i Sundbörg, behandelt, der eine .l«.·l)ers
ficht iiber den Verbrauch von Brannt
wein, Bier und Wein gibt. Die Dicken
sind nach dieser Aufstellung die tseks
torra endften Verehrer des get-rannten
Nonsens sowie des« Gerstensasieo.
Der Däne trinlt 14,4 Liter Bier pro
Jahr, der Deutsche 8,8 uni- dek ame
ritaner S. Für Wein steht Spanien
oben an mit 115 Liter, und ; kqpkkzkz
ir·i·it 107 Liter. Der Deuts trinkt
lud-UT noch 6 Liter, der Ameeilanet
iind Deine mir ie 1,5 Liter.