Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, April 07, 1899, Sonntags-Blatt., Image 10

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    Ver Yetzte vom Yegxment Gengdarmrg
——-——:'::--—-—...
GG
MTFJTHYPII Cäsar Wagnuki
(3. Fortieyung.)
«Saa’ ihm. daß ich so bald wie
möglich mit Dir nach Stettin trill, Zu
Pferde oder zu Weinen Etzähk Ihm,
aber kurz. wie es mit unseren Pferden
genanan ist. Er soll mir neue Pierde
schaffen. Zur Noth aeniiat auch eins,
für mich. Nur gut must es sein. Jch
zahle ihm jeden Preis, hörst Du, jeten
Preis-. Sprich allein mit Eu:):a1ni und
saae sonst zu keinem Menschen ein
" rt; unser Fortkommen bangt da
ran. Jst der alte Evbraim nicht zu
Hause, so saa’ dem Veitel oder der gea,
daß sie ihn suchen. Findenfsie ihn nicht,
oder ist er verreist, so schick mir einen
von beiden her. den Veitel oder vie
Lea. Von unserer Absicht sagst Du
aber den beiden nicht-« Hast Du ver
standen?«
»Ganz genau, Euer Gnaden« sagte
Wilhelm Roeple. —- »Der Ephraini
wirW schon machen,« setzte er mit
ksissiqem Gesicht hinzu. dann machte
er sich eiliq auf den Wea nach der Do
wiheensiadt.
tf i- Of
Ganz am Ende der Dorotbeen
adt, dicht an der Stadtmauer, stand
as Haus Ascher Evbraims. Et- war,
wie die meisten seiner Umaebung, nied
ZP einstöckia. mit höl.iernem Dach.
; us den Dachlulen konnte man über
die Mauer hinweg weit hinaus sehen
bis zur Jungfernbeidr. Bei schönem
Wetter sah mandann vor dcr dunklen
Masse des Waldes ein zierliches Tem
pelchen sich erheben mit anschließendcn
lustian Säulenaänaen.
Das war der Gesundbrunnen, zur
Sommerszeit«der seliebteste Sammel
punlt der vornehmen Gesellschaft von
BerlinSchon vrn weitem kennzeichnen
sich prrairns Haus als die Wohnung
eines Händlers.
«Vor der Thiir und vor ten Fenstern
hinan neue und alte Ober- und Un
terkleider, getragene Monturen der
Garde-Truppen; in den Fenstern lag
gehaustzur Schau eine Unmenge von
Gegenständen jeden Gebrauche-: Uhren,
Schmuetsachen, Tabakspfeier und die
neumodischen Tabaisröbrlein die nian
mit einem ausländischen Wort Cigarto
benannte. Daneben Bilder. Wäsche,
Suchen auch Eßwaaren aller Art. Jm i
» lur an der Decke binaen dicht ge
ranat zahllose Stiefel. mit der Sohle l
aach»unten, neben einander aufgereibn .
Fur gewöhnlich lehnte in der Thür
der iunae·Veitel und lauerte auf arqs
cose Voruberaehende, urn sie in den
Laden hineinzulockern Heut saß er im
Hinterzrmrnen mit seiner Schwester irn
sflu teruden Gespräch
ieses Hinterzirnmer hatte der alte
Gärakm nachdem er das Haus- erwor
ben, rn den düstern« enaen Hof hinein
bauen lassen. Es war ziemlich groß,
salalartig aber niedria und dumpf.
Hier wurde dünne-H Bier ausgeschenkt, l
Bittrer Wein und hauptsächlichBrannt
n.
. «Oditel Hätte den Ellenboaen aus den
Hzilzernen Tisch gesternmt. den Kopf in i
ge Hand gelegt und sah Lea forschend i
LUnd Du glaubst, daß sie kommen?«
E er zweifelnd.
M lachte.
»Ob sie kommen! Denkst Du, ih
Habe umsonst gesehn-unt eine halbe
Stunde mit dem Briaadier? Jetzt sind
sie alle angetreten und der Wachtrneii
ster aiebt ihnen die Löbnuna. Wenn ;
sticht bleibt zum wenigstens zwei Drit- »
fel von ihrer Löhnuna in dieser Stube
—- an mir soll’ö nicht lieaen.«
Männertritte und der Ton lauter
Stimmen wurden draußen hörbar.
Schnell nnd leise wie eine Katze
sprang Lea vor den kleinen blinden
, Spiegel, der neben dem Schenktisch
hina. Eilig strich sie mit der Hand
iiber das prachvolle schwarze Haar,
erariss eine dunketrotbe Maloe, die
sie aus dem Tisch bereit aeleat hatte,
und steckte sie hinter das Obr. Dann
drehte sie sich kurz auf den Harten um,
iund tarn gerade noch zurecht, um den
eintretenden Vriaadier mit einem zier
iichen Knix zu empsanaen.
«Der Briaadier, ein träftiqer, unter
Ie er Mann mit starlern. schwarzem
— · nurrbarh faßte sie fest um die Hiifs
ten und hob sie empor.
»Du uten Tag, kleine Zigeuner-ins
»Jang er lachend. Le! faßte mit ihrer
seinen braunen Hand in seinen
Schnur-thut
»Loslassen!« ief sie und fah ihm
mit ihren wun ervollen aelbbraunen
Augen neckend incH Gesicht ,,Logtassen,
ober· ich reiß' den Bart sagt'
Der Briqadier wollte sie an sich
sieben und küssen aber et hatte die
Kraft untecschäßi. die in diesem ge
Weit-ian Mädchentörpee steckte Mit
Rad qraziöser Biea ma legte sie ben
ktörper und den Kopf zurück und
während· sie so den Kuß versagte, sah
Bin n mit Augen, die mehr als hundert
Kommsme Dann qab sie ihm
einen derben lupvs in’s Gesicht und
»Ist-it ebenso efchickter als energischer
sprang sie aus seinen Ar
«- ««ii.«»ss
mnM hexe!« rief der Bri:
meb verfolgte mit leuchtenden -
zierliche Mit. wie sie zum
Aruns-: eilte.
Die Unterhaltung zwischen den Bei
den gingousgezerchned obgleich sie sich
gegenseitig nicht verstanden. Lea konnte
nur ein paar Worte sranzösisch,- der
Briaadier tein Wort deutsch. Aber das
schadete Nichts. Junae Leute verstehen
sich auch ohne "- iorte manchmal ganz
vorzuglich
· Inzwischen war ein Hause französi
scher»-Soldaten in das Zimmer hinein
aedranat, Grenadiere. Voltigeurs,
EhasseurH, alles bunt durcheinander.
Alle larmten und schrieen. schlugen
aus den Tisch und verlanaten Wein
und Tabat.
Beitel und Lea hatten alle Hände
voll zu thun, um die Gäste zu be
dienen
Bald wurde die Scene noch bunter.
Es kamen noch mehr Soldaten herein,
die ein paar Fraueniimmer aufgegriss
sen hatte-. Die Mädchen. zuerst blöde,
und sehr ängstlich, wurden bald dreist,
als sie sahen, daß ihnen nichts geschah.
Lachend und schweigend ainaen sie her
um, saßen bald neben dem· bald neben
jenem, tranken aus allen Gläsern und
sangen mit im Chor dieSoldatenlieder,
von deren Text sie teine Ahnung
hatten.
Aus einmal entstand ein Tumult an
der Thür. ,,Collette ist hier! Collette!
Platz für Colette!" "
Und durch die dichten Reihen der
Grenadiere, zwischenTischen und Bän
ken hindurch wand sich die zierliche Ge:
stalt einer sraszösischen Marletens
derin.
Als sie eine Ecke am hinteren Ende «
des Zimmer-?- erreicht hatte war sics
mit einem Saß mitten aus einem Tisch
zwischen allI den Gläsern und Flaschen
und machte den Soldaten einen totets
ten Knir, indem sie die Hand zu mili
tärischem Gruß an die Mütze legte.
« »Bitte Colette!" rief ein Chasseur
im Hintergrunde, und als ob sie aus
dieses Zeichen nur aewartet hätten,
schlugen alle applaudirend in dich-Linde
und wiederholten jubelnd den Ruf:
»Vive Colette!«
Die Martetenderin sah sich lächelnd
im Kreise um. Sie trua die grüne,
reich mit Gold derschnürte Jacke der
Garde : Voltiaeurs, dazu einen auits
knappste bemessenen rothen Rock und
hohe Husarensriesel mit aoldenen Qui-.
sten. Die Soldatenmiitze hatte sie schies
aus den blonden Lockenlovs gedrückt.
Aus ihr blondes Haar war iie ganz be
sonders stolz; sie wußte, wie sehr die
Soldaten diese Farbe als eine Selten
heit schätzten. , f
»Sin»aen!" rieten die Soldaten is irr.
»Ein Lied, Colette. ein Lied!«
»Also aut. Hört zu. Und des Kehr
reim singt ihr mit.' Mit dünner, gel
lender Stimme besann Colett::
»Marlborough s’en va - t - en
ouerre . . . .«
Wohl niemals wieder ist ein Gas
senhauer so populär aewesen, wi die
ses lonaweiliqe Lied um die vergangene
Wende des Jahrhundert-T Unzählige
Male, wohl täglich aus dein Marsch
und im Bin-at hattet diese Leute den
edlen Helden Marlborouah zu hören
bekommt-»und doch sanaen sie hegt i«it
derselben Ausdauer und anru.1st trie
immer den sinnlosen Restaim
»Mironton ton ton
Mirontaine
Es wurde schnell duntel in dem
ohnehin stets diisteren Raume. Veiiel
und Lea benutzten die Zeit. in der die
Soldaten sangen, um einiae Talglich
ter anzuziinden
Ein Paar sire Cbasseurå waren
gleich dabei,Lea zu helfen und die dun
nen Lichter in den aroben eisernen
Leuchtern zu besestiaen. Es reichte
nicht so weit, um aus jedes Tisch ein
Licht stellen zu können. und. so entstand
eine phantastische Beleuchtung die ans
den tiesenSchatten einzelne Punkte um
so greller heraustreten ließ
Bald blitzte ein Knopf. eine Treffe.
eine bunte Rnbatta aus. dann trat ous
« einen Augenblick das martialische, wet
tergebriiunte Gesicht eines Sergeanti
Majois in den hellen Lichtlrei3,uni so
sort wieder zu verschwinden.
Und wie in einer Laterna inagica
wechselten mit den schorsaeschnittcnen
Zügen der Soldaten die alatten, ge
meinen Gesichter der aesehmintten
Frauenzimmer und die lecke, suche
tarve der lustiaen Marletenderin.
Dichter Tabalönelsel damdste aus den
kurzen Thonpseisen und stieq wie eine
Wolle nach der niedrian Decke.
Colettenö Lied, so harmloo es gewe
sen war, zatte im Verein mit dem ge
nossenen etränt die Geister entfesselt.
Tische und Stühle wurden bei Seite
gerückt, und nach dem Klana der Zieh
Harmonita, die ein»Gren-:idier spielte,
Begann set Lanz, mer uuu uu um«-—
brachen von dem aellenden Gesang der
Markeienderin, vie mit fortschreitender
Stimmung die Poinien ihrer Lieder
erheblich steigerte. Brüllendes Geläch
iek und tobender Beifall folgten ihren
gewaaien Anspielunan.
Der Briaadier hatte schon mehrfach
den Versuch gemacht. mit Lea zum
Tanz einzutreten, aber sie hatte sich ihm
immer entzogen. hier und dort Wein
aussetend und die Teller mit frischem
Tal-at iüllend, schlürfte sie gewandt
Fittich die Reihen der liitmenden Sol
a en.
Jedem gab sie ein ireundlichezWort.
fiir jeden hatte sie einen viel verheißen
den Blick. und doch laa etwas in ihrer
Haltung, was allzu plumpe Huldigun
gen nicht aufkommen liefe.
I Der Brigadier sah das aleichmäßig
i freundliche Wesen Leas. das Rieman
( besonders auszeichnete. mit Miß
s fallen. Zum Teufel. wenn er, Gaston
»Legrand. ein Mädchen auszeichnete,
dann wollte er sich doch ausbittem daß
sie sich der Ehre bewußt wäre, die er
ihr damit erwies.
War er denn so ein Hungerleiden
wie die meisten anderen, die der Werbe
trommel nachaelausen waren, weil sie
zu Hause nichts zu fressen hatten?
Nein, er war ein reicher Mann, still
Vater besaß drei Hufen Land in der
Beauce und hatte drei Pferde tm
Stall. Und nun mußte er sehen, wie
dieses hübsche Mädchen dort drüben
am Fensteriisch scherzte mit dem
Fourier vom S. leichten Reaiment
Was war der Kerl von zu Haus?
Zimmeraeselle. Und nicht ’mal del-:
ritt.
Aber ihm, dem Briqadier, hatte der
Kaiser nach dem Taae von Austerliy
selbst das Kreuz der Ehrenlegion an
die Brust geheftet
f Daß Lea das alles nicht wissen
konnte, und daß die Zuneiauna der
Mädchen sich aern an andere Vorzüge
. bannt als an die, deren Gast-an Le
arand im Siillen sich rühmte, das fiel
L dem Briaadier nicht ein. Er zoa sich
mürrisch in eine Ecke zuriict und beo
bachtete den Fourier mit eiiersüchtiaen
; Blicken.
Lea ahnte nicht« was sie anaerichtet
hatte, sanft wäre es ibr ein leichte-S
, gewesen« den arollenden Gaiton mit
ein Paar Rättlichkeiten wieder nut in
- machen. Eben war sie zum Schenis
tisch aeeilt. um neuen Mein iu holen
da fab sie durch die offene Tbiir die
wohlbekannte Gestalt Wilhelm Roepi
leg im Flur sieben.
»Was-, auf. VeiteL wo was ne
braucht wird!« tief sie baftia dem
Bruder iu, und schnell, wie ein vor
beiflieaender Schatten war sie zur
Tliir binausaeatitten und batte den
Reitlnecht mit sich aetoaen in’s Durst-l
wo man sie dan« Zimmer aus nicht
beobachten konnte.
»Was aiebt es denn? Schickt Fi
zum Nater der anädiae Herr von Was «
aenfeld?« !
Lea sprach leite, aber beftia erreat. !
Sie fühlte, wie ihr das ber; bis Xitm
Hals hinauf schlim. Dieses Miiddvn
bei dem alle-. Geicksift war. alles Ve
rechnuna bstte eine eintiae SchwEickeJ
das war ibre Schwärmerei fiir Geb
lxard Waaenfeld «
Das war ibt Märckfndrinr.
Gebbard hatte sie einmal mit ihre-n
Vater neselJen rnd kannte sie in to
weit, daß er wußte. wer sie war. Und
wenn er seltener eWise ihr einmal be
aeanete. dann nickte er in seiner fri
schen, unbekanaenen Art ihr freundlich »
zu. Dann satt sie aar nicht den beer
lickien, vrachttsall aeiäumten Vraunen »
auf dem er varüberritt, sah kaum die i
glänzende. silberstarrende llni"farm.
Das ionnia heitere Gesicht hielt sie
im Bann. das Leuchten der arofzen
braunen Armee-. Was bätte sie darum
gerieben. wenn er einmal zu ihr gespro
chen hätte, nur ein einziges Wort:
Aber das aeschah niemals.
Er nickte freundlich, er lächelte;
allenfalls winite er einmal mit der
Hand. und dann war er vorüber. Und
Lea stand hockiertötbend, mit can-ten
den Auan und klar-senden Pulfen und
blickte ihm nach, sa lange sie ihn sehen
bunte.
So oft Roeple mit einem Austrage
Waaenfelds beim alten Ephraimers
schien —- und das war mit der Zeit
immer fette-er geworden — hatte Lea
versucht, die Ausführuna zu überneh
men: immer in der Hoffnung, daf; sie
dadurch versinlich mit Gebhard zusam
ntntommen würde, aber diese hoff
mna hatte sich niemals erfüllt.
Kaum hatte sie heut Abend den
Reittnecht in der Thüröffnuna erblickt,
als sie auch Alles steht und liegen lief-,
und hinan-teilte, um zu erfahren, wag
es gebe.
»Schickt Sie zum Vater der gnädiae
Herr von Waarnietd2« fragte sie
aufeme
,Wo if der -Vater?« fragte Roepte
daaeaen.
»Er ist ausgeganuen in Geschäften;
er maß aber bald sein zutiick.«
An dem hell "beleuchteten Pfosten
der Thürfiilluna zeigte sich fest eine
eiaestdiimliche Silhouetta Der vor
aesdpbene lange hals, das schwarze
Profit ließ sich nicht verkennen. Die
Haltuna des Schatten-'s drückte ge
spannte Aufmerksamkeit aus.
»Wenn Du uns willst gehorchen.
I Bett-el, mußt Das anfangen etwas
tliiaer und Dich nicht gerade stellen
l hat's Licht«, saate Lea laut und mit
t scharfer Betonung.
Der Schatten am Thiirpfosten ver
schwand blitzschnell
Lea lachte.
»Der Bocher braucht nicht zu wittert,
wag ist lus. Kommen Sie mit nach
vi-rn, Herr Roeple."
Sie ergriff den Neittnecht bei der
Hand und zog ihn iiber den dunllen
Flur in ein kleines Zimmer zur Linien,
in dem allerlei Trödel zum Verlauf
aufgestapelt war.
Veitel lab durch die Spalte an der
ThürangeL nie die beiden verschwan
den. Er war von Natur neugieriq,
und es brannte ihn auf der Seele,
wenn er etwas nicht wußte, was an
dern bekannt war. hier aber lani
noch etwas anderes dazu. Mit richti
aern Instinkt witterte er ein Geschäft
Und er hätte aar zu gern ein Geschäft
auf eigene Hund gemacht Der alte
Epdraiin bielt ibn höllisch kurz und be
nuste ihn nur zu Handlungerdiensten,
die schöne Lea behandelte ihn wie einen
Jungen.
· Das ärgerte den Veitel. denn er war
ein anschlaaiaer Kopf, und so schlau
der Alte war. an Geriebenbeit war der
Spriißlina ihm liber. Es arbeitete
etwas in dem blossen, bageren « ungen,
und wenn er den brennenden unsch
batte, selbstständig zu sein« so trieb ihn
nicht nur die Gier nach Geld und Gel
deswertb, sondern mehr noch ein trank
haster Ehrgeiz. eine Sucht, zu zeigen,
was der Veitel kann, wenn er arbeitet
allein nach seinem Kopfe.
Hastia sah er sich um, ob man ihn
brauche, oder ob er aus kurze Zeit
abkommen könne. Der Augenblick
schien günstig Der Tag war unter
brochen worden. Jn der Mitte des
Zinsmers standen der Vrigadier voi.
den Grenadieren und der Foutier von
den Voltiaeurg einander aeaeniiber.
Sie sprachen laut und heftia.
Dicht um fie herum dränaie sich der
Kreis der. Soldaten und Frauen
zimmer und verfolate sichtlich mit ne
svannter Aufmerksamkeit den Aug
cona der Sache.
Das Trinken hatten sie dariiber aanz
bemessen, und offenbar triirden sie en .
diese Beschäftiguna erft wieder weint
kebren, wenn der Streit der beiden Un- .
terosfiziere beendet.
Veitel eilte binaug, und so schnell,
das-, er im dunklen Flur mit einer !
menschlichen Gestalt bart zusammen
vrallte. Unwillliirlicb wollte er einer .
Ruf der Ueberraschung und dec
Schmerieg ausstoßen, da leate sichs
blitzschnell einc kleine Hand mit eisea
festem Griff ans seinen Mund, und
an seinem Ol r zischelte aanz leise die T
Stimme seiner zärtlichen Schwester »
Lea: ’
»Halt-J Maul! Drinnen in der
Stube ist der Alte mit dem Roepkr.
Er bat mich aeschidt raus, weih-, ist
eine heimliche und gefährliche Sache-«
Eben noch batte Lea versucht, allein
den Auftraa Noepke’s zu erfahren um
ibren Bruder von der Kenntniß befiel
; ben aus-zuschließen
Jetzt laa die Sache anders; jetzt kan
ek nur daraus an, daß tein unzeitiqer -
Lärm entstand. Lea mußte wissen
was Gedbard Waaenseld so aebeinmisz !
voll vom Alten wollte. Mochte es nun
meinetwequ der dumme Junge aud:
hören.
Und so siand denn das- Geschwister-:
paar in aibeniloser Spannung und
strenate das Gehör aufs öufzerfte an,
um kein Wort von dein zu verlieren
was hinter der niedrigen Thür leise
Verband-eh wurde.
Leicht wurde ihnen das Horch-en
nicht aemacht, denn der Tumult irn
Hinterzimmer schrie sich und über
iönte häufig das Gespräch in der Hei
nen, nach vorn heraus gelegen-n
Stube. Und iaunr hatten Beitr-. und
Lea so weit gehört, daß der Riitmei
ster von Waaenseld noch hear Abend
Bertii verlassen wolle, nnd daf; Eva
rairn ihm dazu die Pferde besorqen
müsse, da erhob sich ein gelleredes Ge«
schrei· der Weiber, fv durchdringend-,
daß die Geschwister einsahen, sie pur
den nun doch nichts mehr hören, und
zurück einen nach dem hinterzirnmer.
Sie saken zunächst nichts vor sich,"
als die Rücken vieler Soldaten, die
dicht gedrängt wie eines Maus- den
Eingang dIrch die Thür versperrien
Vergebens, daß Lea hier und da
- fragte, sie verstand die erregten Atti-·
warten der Leute nicht. Endlich ka
men zwei Frauenzimmer heran-, de
; nen es gefangen war. sich durchzu
dränqen, blaß, ängstlich, aufgeregt
»Was giebt’s da drin? Was ma
chen sie?« rief ihnen Lea entgegen.
»Ach Gott, da wollen sich zwei
duelliren!« heulte die eine von den
Weibern und zog das dunkle Uns
schlageiuch über den Kaps.
Lea fuhr aus.
»Bei uns-?- Hier in unser-m Haue?
Tag geht nicht. Das bringt- nns in
VerruL und nachher wird nieinonv
wollen kommen zu uns· Veitel, lauf.
spring zum Vater, er soll tommen
; hierher und schaffen Rahel«
Jrn nächsten Augenblick tmn Vcitel
Z zurück und sagte achselzudend:
»Der Vater ist wieder Lortgeznn
gen, mitsamt-It dem Rath
Dem Lärm, der eben noch in der
Stube herrschte, war plöylirh Todten
stille gefolgt. Lea hörte deutlich, wie
die Klingen weier Degen mit kurzem,
tlappendern » on sich aneinander leg
ten.
Mit Bitten und Gen-alt versuchte
sie durch die Reihen der var ihr stehen
det Soldaten hindurchztdringenx abe
bei dem g pannten sur-esse, mit dem
Alle den ampf ver olgten, gelang ee
ite, nur langsam ostwärts zu hin
men
Inzwischen hatte das Duell allen
Ernstes begonnen. Mitten in dem
Kreis der Zuschauer standen der Bri.
qudiek nnd der Foutiet mit blose-u
Dequ sich gegenüber-. Sie hatten den
Uniformeock und die Weste abgelegt,
Und ihre Obertökpet warm nur mit
dem Hemd bekleidet
Tet Brigadiek griff hitzia an. Er
war ein geweint-set Stoßfechter. und
die geschmeidige Klinge bog sich und
blitzte in feiner nervigen Hand.
Der Foukier, ein qtoßer Mann mit
ungesunder Gesichtsfokbe und spärli
chem, rothblonden Haar, war auf sei
net Hut. Er beschränkte sich vorerst
auf die Lketkheidigung und pakirte mit
Aufmerlsimskeii und großer Laubw
tigkeit.
Die Ruhe des Gegnets reiste den
Brigadiet noch mehr. Wüthend fiel
er aus zu einem Stuf-, der, wenn et
getrossen hätte, den gourier durch
bohrt hätte oon der ruft bis zum
Rücken. · «
Der Fourier hatte ausgepaszt. Mir
leichter, kräftiger Bewegung hob er
die Degenspihe des Gegneri in die
Zähr, dann siel er plö lich aus oik
. iee und rannte dein rigadier den
De en von unten in den Leib.
iese side Art, zu sechten, wer
damals ei den Soldaten s Schlage
reien so gebräuchlich, dasz es Keinem
einsiel, dagegen Protest zu erhebett .
Ebenso rührte xch Niemand, als nack. J
der gräßlichen
tämpse der Iourier gelassen herantrat.
um seinem stöhnenden Gegner den
Gar-aus zu machen.
in diesem Augenblick hatte Lea die
- itte solcher Soldatei«- ’
vor erste Reihe der Zuschauer erreicht ;
Mit einem Sprung stand sie neben
dem Gesallenen und hob drohend die
neballte Faust gegen den Sieger.
»Zurück« Du Schust! Willst Di:
ten wehrlosen Mann tödten?«
Wie sie so dastand mit stiegenoem
Athem und wogender Brust, den ge
i·chmeidig-treiftigen Leib hoch aufge
richtet, mit stammenden Augen und »
rlitzenden Zähnen, die kleinen Händ-:
fest geballt, da war sie nicht die Toch
ter des Volkes, das Jahrhunderte Zank-;
im Ghetto ein kümmerliche-? Dasein
Jesristet hatte.
Als irenn alle diese JahrhunTMe
nicht gewesen wären, als- icenn ihr Ltc
ter noch gewohnt hätte im Nomadens
zelt am Jordan, so sah sie aus in ih
rer schöne-, prachtvollen Wildlxeit und
straft, die echte Tochter der Wüste.
Die stumpfe Menge braucht immer
einen tesonderen Eindruck, der sie le:it:
und führt. Absonderlich entpfänitish
«iir solche Eindrücke sind die Franzo
ien. Und ift eS gar ein schönes-, jizn
—es Weib, das den Ton angiebt, denn
7chtiiat die Stimmung oft im Hand
iimdrehen um.
Der Fourier merkte sosort, wa
.«-orging. Ruhig trat er zuiiict, Zog
keinen Rock an, wischte kaltblntiq den
elutiaen Degen on einein Tischtuch -:b;
Dann segte er den Hut aus und orrticsi
ohne Ausenthalt, aber auch ohne sieht
bare Hast das Zimmer.
Es war die höchste Zeit gereizt-.
Laute Fläche, wilde Verwünschungen .
tönten hinter ihm her, und ein paar
Augenblicke später wäre er vielleicht
nicht mit dem Leben davon gekommen
t
Damit war nun aber auch das Ju
teresse der Soldaten an twi Vorgang
erschöpft. Solche Nausereieu rate-:
eine alltägiiche Erscheinung uns retten
nicht mehr den Reiz des Unaervöhns
lichem
Lea hatte, zumal sie sich durch Wort:
nicht verständlich machen konnte, die
größte Mühe. um die Soldaten zu be
wegen, daß sie ihres Kometen-, der
das Bewußtsein verkoren hatte, nach
feinem Quartier trugen, und daß eine.
von ihnen ging, ten Chirurgus zu ho
len.
Kaum war der leise röcheinde Bri
acdier hinausgetragm, noch iaa vie
Mutlache aus dem uns-Zauberin Fuß
baden und kroch laanam die Dielen
riße entiang, da rie en die Soldairn
stach neuern Wein, nach Taba: und
nach der tleinen Coiettc
.Colette! Sapristi! W- hast Du ge
steckt, kleine Maus? Raus den Tisch!
Hopja2«
Lea sah sich vergeban nach Veiiet
l
i
i
um, damit er ihr heise, der Seene ein I
Ente zu machen. Bei-U wa: ver
schwunderu
Ler aber graute es angesichts des
ariißlichen, dunklen Fleaes dort mitten !
in per Stube, der fortwährend seine
Umrisse änderte und langsam, ganz
langsam auf sie zuzutriechen schien.
Und sie wußte nicht einmal, das; der
arme« Briqavier sich sür ihre Ehre ne
s schlagen hat-tr.
Er war in seiner eisersüchtigen
Laune Lecks wegen mir- dem Fourier
Jusammenaerattzen und hatte. um sich
ein itarlereg Recht aus das Jliikdcten
zusprechen zu können, die Worte sal
len lassen, eH sei nicht möglich, das, er H
Lea heirathen werde.
Da hatte der Fourier geiacht. Sol
« che Mädchen keirathet man doch nn«.n.
Der Brigcrdier hatte hitzig gewinn-r
tet, daß er sür Lecks Ehre eintrete nnd
der Fonrier hatte dazu höhnisch Da
Maul verzogen.
Er sei schon gestern hier eixiqeriickt
als Qua-rtiermacher, nnd es sei ihm
nicht schwer geworden, sich der Gunst
des Mädchens zu erfreuen. Da hatte
ihm der Brigadier sein Glas mit Wen
in’"s Gesicht geworfen.
Lea gab sich use Mühe, die Solda
ten zutn Fortgehen zu veranlassen. Es
war vergebens; hie sie endlich ans den
Gedanken lam, die Frauenzimmer, mit
denen die Soldaten jetzt immer zert
licher wurden, durch allerlei Oct
sprechungen ans ihre Seite zu locken
So verschwand dakd eine Gruppe
nach der anderen, und ties ausathniend
verschloß Lea endlich hinter dem leyten
Soldaten das Haus. Zögernd blieb
sie an der Thiir stehen, die band am
Griff der Klinke. Eine innere Unruhe
trieb sie hinaus nach dem Wo enseld·
schen Hause in der Behrenstrage
Was sie hsjrchteth tvuskte sie selhit
nicht; noch weniger· was sie selbst
ettra würde thun oder hellen lönnen
Aber das unerwartete Verschwunden
Veiteks war ihr verdächtig, nnd es
litt sie ietzt nicht allein in dem verltssse
nen hause.
Sie hatte sonst oit hier allein geses
sen. denn Dienstboten hielt der alte
Ephraitn nicht« und naturaeniiiß fiel
meist ihr die Ausgabe su. das f us
Zu htttenz wenn der Vater in Gefäss
en ausatnq und den Bruder nxitnahm
l
l
oder verschiette. Ab und zu wurde
lerdings auch Lea in Geschafttkl Als
schickt. Einer von der Familie si
war jedenfalls immer zu hause;
So schwanlte denn Lea. ob ne
auch fortgehen dürfe und Alles
ohne jede Auf-sieht lieaen lassen. «
hatte eine große Scheu dor dein « -
obgleich er niemals hart »-iu ihr -
So versuchte sie, sich auf einein »« -
iin Flur niederzulassen und zu war
Aber sie hielt es nicht aus. «
entschlossen sprang sie wieder
löschte die Lichter, verschlofi for«
das Haus und eilte fo schnell als n
lich durch die völlig finsteren, un «
pflasterten Straßen den Linden
Ab und zu riefen ein paar letrun «
französisehe Soldaten sie an; sie ach
nicht daraus und lief nur noch »
ler, um nicht aufgehalten iu werde(
Ware eg« heller gewesen, fo hätte »
ate- iie die Linden trenne. ihren s
rer Veiiel sehen müssen Denn sie i,
nicht iceit an ihm vorüber.
Der Entlofzdriicke und überlegte f
hundertsten ;Utale, was er thun
Sowie er die Aufforderiiiia Roepl
an ten alten tfiitkiaiin gehört hatte-J IF
in ihin der Gedante aiifaetnsicht, e. .
eigene Hand ein Geschäft ; :·«.eichen
Aber wie-l Ter Jllte war wie
fortgegangen, ohne ihn initzuiiehm
Alfo brauchte er ihn nicht lieiinxlifer
handel. Wahrscheinliet hatte ei d
Sol-n zurückgelassen damit Lea ni
ganz allein wäre iiiit den vielen S
baten.
Das war dein Veitel aani glei
giltia. Mvchte sie sehen. ivie sie fe
iig wurde. Gefürehtet hatte sichiei«
Zel).vester auch noch niemals und r
Niemand· Schnell iind leife glitt Bei
tel aug- deni Haufe.
Draußen lehiite er sich gegen die
Mauer, verseiiite die linte Hand in d«
Hosentaselxe und strich mit der rechte
reife til-er die inarlichen luufen haark,
die den entstehen-den Kiniidart andeu
teten.
So stand er eine ganze Weile ui :
uberlegte, ehe er weiter aing Was«
war zu machen-? Ein Geixeiit machen
iiii offenen Gegensatz zum tllten, das
getraute ei sich nicht. Taz ging aitchki
uberhaupt nicht, denn er wußte ja :
garnicht, wo der Alte hingegangen
ioar und was er beabsichtigte.
Mißmuibia schüttelte Beitel den
Kopf.
»Gott ich wieder stehen dabei als
der dumme Junge und wichen, in«
der lAlte verdient schönes Geld u
giebt niir nichts? Und saat tnir nt
mal, was er dat gemacht tin-d wie ers
lzat gemacht? .
Wissen möcht ich, wie er wird fort
helfen dem Herrn Rittmeifter dort Wa
genfeld Der Herr von Wagenfeld
wird geben ein gutes Stiikt Geld für ;
die Pferde. die idm wird besorgen du«-«
Atte. Werden sich araern rnorgen iriih l
die Franzosen, wenn der Ttkreriß ilt ins (
nen entwischt’."
Der Gedanke. das-. iraend jemand
diipirt wurde, hatte tiir den jungen
Veitel immer etwas aant besonders
Ertieiterndes,. und so vertan sich a .»
jetzt sein Gesicht zu einem behaglich
Grinien· das ihn nicht aerade l «
schonte
Auf einmal ließen seine nerviii
Finger den schmächlichen Ziegenbart »
los und er fuhr sich mit der kaanzen «
Hand in die wnlliaen Haare. wankend
er die Augen dis. auf einen tleinen Ri
zulatnmentnitL
«Wenn der Pretiß itt ihnen ent
Discht,««wiedertplte er lanatam fiir tichJ
»Und was werden aeden die Franzos B
ten. wenn er nicht entlvischt?«
Veitel veriant in tiefer- Nachden
ten. Er wußte ganz aenau. daß er
tin gefährlicher- Sdiet spielte, wenns
er versuchte, die Flucht Wanentelts, dies
det Vater befördeete« tu verhinderka
Er fürchtete sich dor dein Allen a-,
genau so, wie er. lich als tleiner Junge
gefürchtet hatte. Ader der vielleicht he
be Gewinn lockte; und medr noch lockte
der Gedanke, ein Spiel tu spielen mit
efigenen Karten nnd rnit eiaenent Ri- «
ita.
Veitel war entschieden: oorsutpn
utnschauertd, damit er dem Alten nich
in die Arme Uese. die Stellen neunei
Lend, tvo ein beleuchtetes Fenster die
dunlte Gasse slitchtia erhellte, eilte er .
sort in der Richtuna ans das tijniglich,s«
Schloß.
Unterwegs überleate er weiter. « u-«
tvem sollte er gehen, um die realisi.1 «
ligte Flucht Gebt-arb- tu verrathexss
Er war aller mititärischen Verhält «
nisse völlig untundiq und hatte teinekF
Ahnung, an wen er sich soc-»den tnnssr.ts
Er dachte an die Wache
Ader er tonnte nicht französisch
sprechen. Und wenn man schon auss·
der Wache deutsch verstand. so nnhn s
man ihn vielleicht sest, zwang itzn viel
leicht· selbst Den Weg zum Hause Geltv »
hart-s zu zeigen, damit war sein Spiel «
ausgedectt nnd cb er etwas basin be
kommen würde· das war auch noch di
Frage. Nein« so ging's nicht.
Veitel war bis an die Schloßbeilije
gekommen, lehnte sich an die steinerne
Brüstung und satt hinüber nach dem
Schloß, dessen lange Fensterreilien he
erleuchtet waren. Der jttnntaslts
Gedanke lam ihm int- Gebirn, Dunst
see selbst seine Anzeiae zu machen H
iing an. lich in Grübeln tu vertreits
und lonnte zu teinem Entschluß tun
meet.
Der Mond« der ltinter dem Schlo
etnporstteg und sein Licht alitzernd ou -
das dunkle Wasser der Speee wars
schreckte ttm auf· Er durfte nicht me
zu viel Zeit verlieren. Wagense
wollte heut-wetz- Beelin verlassen, nn
ee wußte nicht, zu welcher Stunde.
Gent-tunc form