Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, March 24, 1899, Sonntags-Blatt., Image 13

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» Flu- ZLZetztc vom Zikgimmt Gcnsdnrtnr5.
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FJIZT"«."F"F.’E’!"I"J Cäsar Mängan
ll. Zeitschr-ins
Geblpakd versiiebte sich. Leise tijnte
eine sanfte Stimme ein ieiu Ohr:
»Still, Geliebten es ist doch Aslez
vergeoens3.«
Gebliard nickte seinem Weil-sc das
ihn mit ängstlichen Augen andlickte,
ruhig zu, tsnnn wandte er ii-..·- mit lcl -
tee Höflichkeit an den Fennxoieu
»Welchem Umstande seit mte im
diese Angzeictmnnak« Tel- Mc Tit-Die
lächelte
»Lediqlich dem einladeuden Jleiszern
Jlsres Hauses-. Ich werde isier send-Lin
meister Grasen Heesseld unt-schein
aen.
»Ein Deutscher?" entsuln -.-:- :«.:«.;oill
liielich Gebhaed s Lippen
»Ein Hessef iortiqirte del Fermate
mit leisem Lächeln »Sie werden,
sube er in aninaszendemTonc seist, »Al
les thun, um den Tiluienthalt Dezi Heim
Grasen in diesem Hause in anaenehm
als möglich zu gestalten Ich ziveisle
nicht, daß er sich hier sein« aliietlich
fühlen mit-UT
Den letzten Satz versuchte der Fia
pitän als ein Compliment an Char·
lolte zu richten. Zo unverschämt er
sonst aufgetreten mar. so unqeseijiett
sast lnabenlinst lain dieses Compli
ment bekam-« lslxiirlvtte sali ihn mit
ihren großen qeauen Almen stolz an,
als ol- sie seine Worte nicht endet oder
nicht verstanden hätte· Wieder kämpfte
der Franzose mit einer leichten Verle
get-heit, und wieder nalnn er seine Zu«
slucht zu dein brüsten Ton. den er als
Kapitiin der grosien Armee dem
Preußen gegenüber siir angeln-acht
hielt.
»Ehe ich dieses Haus verlasse,« sagte
er, «rnusz ich mir Auskunft daeiidee er
hellen« wie es lonimt, das-. Sie in der
llnisorm eines Preusiischen Ossiziers
biet aus freiem Fuße leben-"
»Ganz einfach. weil bis-net Niemand
haerhee gekommen ist. um nsie das zu
verwehren«
»Und warnni sind Eie nicht bei
der Armee Jlfres stönislss .«' Gebhard
wurde ringednldiq bei diesem Verbor.
»Ich bin lranl,« erwiderte er tun.
Kapiliin Violannes mai-. die kraft
volle Fiqur Gebliard'5 mit einein spot
tischem Blick.
»Sie scheinen mir nesund genug zn
sein. um der Armee deS Kaisers »in
schaden«
»Ich habe nicht Lust. mich mit Jst
i.err darüber zu streiteu," saateGebhard
trocken. ,,haben Sie in Betresf der
Einauartieruna noch besondere Hei-tin
ichs-«
«Nein·« erwiderte der Franzose ne
reizt. »Ich bade noch viel itl thun txt-its
Abend nnd leine .-leit. mich isiit der
Verhaftnnq einzelner preufiischer Offi
ziere ausznlmltem die aus« irgend wel
then Gründen der Armee ihres Königs
sernbleihen. Allerdiitq5,« setzte er hin
zu, »unter es sehr schwer sein« si.n non
diesem Haufe logznreifien.« -
Er starrte bei diesen Worten Char
latte mit so unverhoblener Bewunde
rung in's; Gesicht, dass ihr Sinn nicht
unzweifelhaft sein lonnte. Dabei klang
an- ihnen nicht die leiseste Spur Don
dem chnischen hohn, rnit dem er noch -
eben gesprochen hatte. Es war ganz er
sichtlich, daß er sich ehrliche Mühe gab,
einen freundlichen Blick von Charliitte
zu erhalten.
Die Mühe war verreden-» nnd er
lauschte sich darüber nicht.
»Ich werde den General Hulin anf
Sie ausmerlsani machen.« sagte er
turz.
Dann wandle er sich rnin Gewan
der Thür drehte er sich noch einmal
um und warf einen lanaen Blick ans
die abgewandte Gestalt Charlotte115.
Endlich schloß sich hinter ihrn die ’
Thür.
· Charlotte trat zu ihrem Manne nnd
leerte beide blinde aus seine Schultern
Bd sah ihm mit banaer Frage En·:»
»Was nun, Gebhard X«
»Das wollen wir nachher dedenten,"
sagte er gütig. »Jetzt wollen wir
freundlichen Gedanken Raum qeben
Wo ift henriette und Hans Jochen .-'«
Ein leises Zittern lief iiber tfbar
lottens Geftalt als Zeichen ihrer inne
ren Erreaung. Doch sie bei-onna sub;
sie kannte ihren Mann. Es war feine
Art, in großen, entscheidenden Augen
blicken feinen Entschluß nicht reifen
bliesen feinen Entschluß nicht zu liber
eilon, ibn still in sich reifen zu lassen,
während er mit voller Gelaffenheit der
Seele sich den einfachen Anforderun
gen des Taqu zuwandte.
Beftia konnte er sein« iält auffnlx
tend. Aber wie die Tiefe des Meer-g
nichts weiss von den Stürmen, die ans
der Oberfläche rasen. so blieb ihm der
Kern der Seele unverrückt und still.
So tout er wie die Verlörvernnq dek
Sdruches. der unter feinem Wappen
stand; »Gut-is tranouillus in undi-.-s’«
tRuhta im wilden Wogendrall). War
dann fein Entschluß gest-fu« so führte
er ihn durch fest und sicher. Mit die
fer ebernen Ruhe feiner Seele übte er
noch heute den · alten, bezwin enden
Einfluß auf»fem schönes Wei , der
einst das viel umworbene Mädchen
mit süßem Schauer zu feinen Füßen
gezogen harte.
Charlotte ging lliniiber in’.; Kinder
zimlner und kehrte bald anriirl mit
einer jungen Dame und einem etnsa
drein-ihrigen Knaben·
Es war ein liebliches Kind niit
aroszen blauen Anaen, aus denen Jn
aendlnst nnd Jugendlraft strahlten.
Vlu einer Schnur zog er zwei Pferd-—
cheu aus kleinen Rädchen hlvket sich
her, die andere Hand bielte eine
Peitsche
»Vapa!« rief er schon in.der Thür.
»Sieli’ mal, ich habe den alten Gaul
mit dem Fuchs- zusammengespaim.
Wie hübsch das aus-siebt.«
Dabei ,zriate er alle seine glänzend
tuciszen Ziinnmen zwischen den rothen
Lippen.
Nun ließ er Schnur und Peitsche
fallen, lief auf den Vater zu, schlang
die Arrinchen um seine Kniee nnd
sagte, bittend zu inm eniporseljend:
»Ich l)als’ ne1:t’ noch aar nichts vom
Wolf gehört«
Ein sonniges Lächeln zog iiber das
Gesicht des ernsten Manne-J.
,..iiomin, nxein lieber Zunge«
Damit hob er dass siind«anf, setzte
ec- auf feine Kniee, zoa sanst das
blonde Köpfchen an seine Brust nnd
bepunn lächelnd die alte Geschichte:
»Es war ’rnal eine alte Gai5, die
J hatte sieben tteine Kinder . . .
Mit großen, ernsthaften Anaenz
! harte Hans Jochen zu, während der
« Vater weiter erräbltn nnd die beiden
Frauen das Zinnner verlies4e11, nrn
das Haustoeseu zu versehen.
Und als- Gelsbard zu dem Schluß
aelommen war, als- der Wolf todt war
und die sieben Gaislein fröhlich um
den Brunnen l)eruintanzten, in dem
der alte böse Räuber lag, da war der
kleine Knabe im Arme des Vaters ein
aetchlaten.
I Leise erhob sich der junge Osfizier,
trua sein fchlafendes Kind hiniiber und
legte es sanft aus sein weißes Bettcheu.
Lange stand er und sah liebevoll herab
aus das tleine Menschenbild, dag spiel:
miide und lebengwarui mit rosigen
Gärtchen leise athuiete und noch itn
Schlummer lächelte. Dann empfahl er
das Kind der Sorge deg- Mädchens und
trat in das-«- tfszzrmmer, wo Charlotte
und Henriette den Thee bereitet hatten.
’ Nach dem einfachen Avendessen
wollte Henriette sich zuriietziehem aber
Gebhard bat sie freundlich zu bleiben.
,.Verlalsen Sie uns nicht« liebe Hen
riette,'· sagte er herzlich. »Sie wis
sen, wag wir trlxaemacht haben. Als
Sie sich zu unserer Freude entschlos
sen, die Aussicht iilier die Erziehung
unsere-I Kindes zu iibernehtnen, da
williate ich eit- unter der Bedinge-na,
das; Sie in LIllleru zu uns gehören soll
ten, das; die Freundschaft, die Sie seit
Kindertaaen mit Charlotte verbindet,
durch täglichen Vertehr in unseren;
Hause nur inniger und fester werden
sollte. Wir haben heut’ Ernstes zu
sprechen, und auch Ihren Rath möchte
ich nicht entbehren. Sie wissen doch,
was der Alt-unstet Goethe sagt, das-:
wir durch ein kluge-s Wort der Frauen
weit qefiilsrt werden«
Er saate das sauturiithig lächelnd,
und Henriette, leicht erröthend, sah
ihn danlbar an. Sie wußte, daß er
keinen Rath brauchte, und sie wußte,
dask auch diese Worte, wie schon so
viele, ihrn von dein feinen Takte seine-«
edlen Herzens einaegeben waren, um
das arme adeliae Fräuleins iiber die
Thatsache hinweazutiiuschem das-, sie
standesgemäß von der Güte fremder
Menschen lebte.
Henriette von Narren war etwa ein
Jahr iiinger als Charlotte, und wenn
auch nicht von so vollendeter Schön
heit, vermochte sie doch ihren Platz
neben der Herrin des Hauses zu bes
hauvten. Hoch gewachsen. von pracht
vollem Ebenrnaß, mit sein geglieder
ten händen und Füßen, mit den regel
mäßigen, fast strengen Linien ihres
reinen Prosilg. ließ sie die Tochter
eines vornehmen Hauses aus den er
sten Blick erkennen. Das duntle Haar
und die dunklere Auaen eontrastirten
wirtsan gegen die frischen Farben
ihres Gesichte und gegen den weißen
Hals· der leuchtend wie JJlartnor aus
den Falten des vlaszvlauen Gewande-«
sich enrvorliob.
Im Fianiin des Wolke-zismneri3 war
inzwischen ein flammendes holzfener
angezündet worden. Ein flackerndes,
röthliche-z Licht spielte mit wechselnden
Schatten über Decke nnd Wände
Gebhard fehle sich in einen Lelms
fessel, an die eine lscle des Katnins,
Henkielie saß ilnn aegeniibet, nnd
Charlotte rückte einen Schenkel neben
ihres Mit-ums Stuhl.
Eine Weile sahen Alle schweigend
in die rathe Gluth des Feuers, ani
det lnatleend und prasselnd die Fun
kengaeben ausstiegen und hinanfwirs
belnd in dem finsteeen Schlot zersto
ben.
»Was hast Du beschlossen, Geb
hatd?« itang endlich Charlotte leise.
Er sah ihr knhig in’ö Auge.
»Ich muß sort,« sagte er.
Sie zuckte nicht mit der Wimper.
. ,,Ja,« sagte sie, seinen Blick sest er
widernd, »Du mußt fort. und das
bald.«
Liebevoll legte Gebhard die Hand
Auf ihr schimmerndes blondee Haar,
beugte sich nieder und tüßte sie aus die
Stirn.
»Mein tapferes Weib,« sagte er
Iartlich »Hast Du leine Sorge fisr
Dich selbst« allein in der Stadt, in die
morgen ocr Feind einzieht; allein mit
den fremden, herrischen Diener eines
maßlog anspruchsvollen Eroberers,
der hier in diesem Hause wohnen
tolls«
»Ich fiirchte mich nicht, Gebhard,«
antwortete sic. »Ich bin eines Zol
daten Tochter, eines »«ldt ten Weib
und, wills Gott, auch eine: Solda
ten Ijliuttet Geh, laß mich allein,
icti werde wissen, unseren häusliche-n
lHerd zu schiitzen Du aber mußt
fort. Unverwnndet darf kein Mann
in Feinde-H Hände fallen; so darfst Du
in diesem Hause nicht aufgehoben und
triesigaesanaen werden«
»Und doch,« sagte Gebhard, »was-,
ich mir noch so lange Zeit gönnen, bis
ich fiir Dich aesorat habe, nnd ich
denke so viel Zeit habe ich noch.
Morgen während des großen Ein
zugeschwindelz wird der tiominan
dont schwerlich an einen einzelnen
preußischen Offizier denlen So tann
ich den Adjntanten des Kaisers hier
erwarten Er ist Deutscher, er ist
Edelmann Seiner Ehre will ich Dich
empfehlen, dann gehe ich ruhiger.«
»Und wohin willst Du gehen?«
»Nach Stettin zum König. Mein
Reainient will mich nicht haben; wer
weis; mich, ob ich nach Magdebura
durchlomnien würde· Aber beim Kö
niq will ich mich melden, ihm selbst
will ich mich zur Veriiiguna stellen,
und ich hosse, er wird mich brauchen
tönnen.«
Sie besprachen nun lange und ein
gehend die Einzelheiten seines Planes.
Henriette wies darauf hin, daß die
Begleitung seines klieitlnechtes ihm von
großem Werth sein könne, denn er
wollte zu Pferde nach Stettin. Geb
ltard bestimmte demnach, daß der Reit
tnecht, um Aussehen zu Vermeiden,
morgen in aller Frühe mit zwei Pfer
den durch das Königstbor Berlin ver
lassen solle und vrsr dem Stolzenirug
theilte Alexanderplatz) ilrn erwarten.
Gebhard wollte gegen Abend zu Fuß
dort eintreffen und sofort über Ebers
walde aus Stettin reiten. Es wurde
auch abgemacht, daß er bürgerliche
Kleidung anlegen solle-.
Die Lichter waren tief herabge
brannt, als endlich Alles geregelt und
besprochen war. Noch einmal beugte
sich Gebhard schweigend über das La
ger seines Kindes-, dann ging er zur
Ruhe --—-- zum letzten Male unter den-.
eigenen Dach
st I- III
Nur wenige Schaulustige hatten sich
am nächsten Morgen unter den Linden
eingefunden, um den Cinzug des Kai
sers mit anzusehen. Lautloå ließen
diese wenigen das bunte Gedränge an
sich vorüberziehen. Nur hier und da
ertönte von ein paar bezahlten Sub
jekten der Rus: »Vive l’Empereur!«»
Die Häuser unter den Linden waren
verschlossen, die Vorhänge an den Fen
stern herabgelassen An einem und
dem anderen Fenster erschien flüchtig
eine dunlle Frauengestnlt und starrte
wie unglaublich auf die fremde Truppc
herab, bis fie, die thrönenden Augen
mit dem Taschentuch bedeckend, nach
den-. Hintergrund des Zimmers ver
schwand. Das Alles aber hinderte
den »Moniteur« nicht zu berichten, das;
der Kaiser unter dem unermeßlichen
Jubel einer vieltausendtöpsigen Menge
seinen Einzug in Berlin gghalten habe.
Der Rittineister Graf Hergfeld
war irn Gefolge Napoleori’tz die Linden
entlanggeritten nnd vor dem Schloß
nach seinem Quartier entlassen worden.
Geführt von einer Ordonnanz der
ltcinmandantnr betrat er das Haue in
der Behre.lstraße, wohin die Diener
seine Pferde nnd sein Gepäck schon
torausqesehasst hatten.
Mit kurzem Kopfnieten folgte er den
beiden Lataien, die ihm nach seinen in
Erdenschoß liegenden Zimmer voran
ainaen
Rasch durchschritt er die Reihe der
Zimmer bis zum Schlasqeniach, dann
lacn er zurück, warf einen anfinertsa
wen Blick aus die seidenen Tapeten, die
kostbaren Kupferstiche an den Wänden
und ans den Tisch, der neben einer mit
Wein aesiillten Karaife einen großen
storh mit Prachtvollen Friichten irr-a.
,Bei wem ivolme im?« fragte er
tieri.
,.Rittnieiiter von Wagenseld voin L
Reaiment Genodarmes«, antworte-e !
einer der beiden Diener.
«Alter Herr vermuthlieh, mass Wohl
außer Dienst." »Der Herr Rittmei
ster hat aeioiinscht, dem Herrn Grasen
aemeldet »in werden, sobald-der Herr
Gras ihn empfanan taun.«
Leo Herr-few sprach mit der unge
bnndenen Manier eines jungen Man
nes, der gewöhnt ist, daß seine Wünsche
Befehl sind. Federhut, Degen und
Handschuhe hatte er achtlos hingetoor
sen, tvo er gerade stand.
»Im Uebrigen dante ich Euch siir
Eure Dienste. Mein Kammerdiener
wird iiir mich sorgen«
Die beiden Lataien verschwanden
Nach turzer Pause öffnete sich aber
mals die nach dein Korridor führende
Thiir und Gebhard Wagenseld trat ein.
Er trug tlniform und markiete diel
Lahmheit seines Beines, während er
sonst mit einer gewissen Eitelkeit sich
bemühte, diese Schwäche nach Kräften
zu verbergen.
Leo Hersfeld, der sich nachlässtg in
» einen Stuhl geworfen hatte, erhob sich,
’ als er den jungen Ossizier auf sich zu
i
» kommen sah.
»Sie sind so freundlich, mich auszu
nehmen,« sagte er. Es thut mir leid.
daß ich Sie derangire, um io mehr,
· als ich mir denken kann, daß meine
Anwesenheit diesem Hause keine Freude
bereitet-«
Er sprach in leichtem, aleichgültiqem
Ton, dem anzuhören war, daß er der-.
artige Redensarten schon öfter ges
brauclxt hatte. «
Dieser Ton misssiel Gebl)ard. Seine
ohnehin formliche Haltuna wurde noch
steifer.
»le erwünscht oder nicht er
Iviinscl)t,«' saate er, »Sie sind gen-rn
iviirtia der Gast dieses Hause-» und so
soll Ihnen jede Rücksicht werden, die
das Gastrecht gebietet, und die mein
Haus Von Alters her aeijbi hat«
Leo Hergseld verbeuate sich leicht nnd
schwim. Der Besuch lanatveilte il:ii.
Nach kurzer Pause sagte er leichtlnn·
»Sie sind verwundet, wie ich mit
Bedauern sehe-"
»Ich hatte das Unglück, sehr schwer
mit dem Pferde zu stürzen, tier kbk
mein Reaiment ausriictte Noch bin
ich nicht ausgeheilL und so bin ich ac
zninnaem hier nnthätia zu sitzen. wale
read die Armee SeinerClliajeitiit im
Felde stelit.«
»anwischen ist aber die aroße Ar
mee bisJ Berlin Voraedrnnaen, und da
mit sind Sie trieaeaefanaen.«
»Was-«- tann dem tiaiser an einem
einzelnen, iampsunsahigen Offizier
tieaen Z«
»Er hat die schärfsten Befehle gen-:
ben, jeden Mann se ftrunehniem der den
feindlichen Truppen Vorschub zu leii«e!
im Stande wäre. Jch persönlich will
mich mit dem Dienst der Gensdarmerie
nicht befassen. Aber ich warne Sie.
Lassen Sie sich in Uniforrn nicht auf
der Straße sehen.«
»Wenn es so steht, dann würde mich
auch die bürgerliche Kleidung m cht
schützen. Jhr Kaiser hat ja genugAgen
ten hier, die mich sehr bald ermitteln
und anzeigen werden. Wären Sie
dann in der Lage, zu meinen Gunsten
einzutreten?«
»Ich bedauer, nein.«
Gebhard trat einen Schritt näher
und feine Stimme nahm einen wärme
ren Ton an, als er sagte:
»So lann jeder Tag, jede Stunde
mich von Weib und Kind trennen. Ver
sprechen Sie mir, Herr Graf, daß ich
Beide unter Jhrern Schutze inmitten
der feindlichen Truppen ruhig zurück
lassen lann."
Leo Hersseld war befremdet non
Gebhard’s faft feierlicher Haltung.
»Ich stehe ein fiir die Sicherheit Ih
rer Geniuhlin,« sagte er etwas- unge:
duldig.
Langsam trat Gebhard Wagenfeld
auf ihn zu, faßte seine Hand, sah ilnn
e nst in L Auge und sagtc:
»Jet) danke Ihnen. Ich weiß, daßein
Edelmann die aegebene Zufaae niemals
Lricht.«
; Diese aanze Scene war hist- dahin
dem jungen Adiutanten unveauem ge
nesen und er hatte ihre Beendigung
. ksrinaend gewünscht Jetzt fühlte er
- rinter (Sjebbard’5 festem, ruhiqen Blidl
eine leichte Befanaenheit in fich aufftcii
« nen, wie sie den Mensche-r wohl über
tommt init dem Eindruck, daf-, er vor
einer iiberleaenerr Persönlichkeit steht.
In aänzlich ungewohnter, und da
rum doppelt peinlicher Verlegentzeit
suchte er mit Gewalt sein nnaenirtesz
Wesen festzuhalten ’
»Es würde mir lieb sein,« sagte er,s
»wenn ich der Dame präsentirt wiirde
,;u deren Retter ich ernannt bin, damit
ich bei versallender Gelegenheit weiß«
wen ich zu schützen babe.«
»So bitte ich, mir zu solaen,« saate
Gebhard Wagenseld und aing dein Ab
jutanten über die teppichbelegten Stu- j
sen voran in’s obere Steclwerl l)inaui. !
Leo Hersfeld folgte ihm lanasams
nnd musterte mit der Miene dei« dir-s
wöbnten Kennerg die aeschrnactvall s
mächtige Einrichtuan der weiten Rein
:ne.lleberraseyt blieb er aus dersebwellc
des Gemaches stel;en, in melaer einzu
treten eine Haiidbesoeai.na ttternardkj
itkn aufforderte.
Auf einem niedrigen Zufa, der Tbiir
aeaeniiber, saßen tsnarlotte Waaenfeld
und Oenriette Mauern mit einer leicttteu
» Vlrbeit beschäftigt. Beide trugen die
« nämlichen Gewänder wie gestern nu
liatte Cliarlottk ils-r iippiaees blonded
Haar uiit einein Brillantstern ai:
schmückt, während ein aoldener, dia
tseniartiaer Reif die dunklen Flecbten
.s«sriirietta’5 ziertr. Zu den Pfiiszen oer
Frauen laa das weiße Fell ein-g rieii
nen Eislsären Init weit geöffnetem Ra
eben. Jn diesem Augenblicke wäre ex;
schwer gewesen zu saaen. welche der
beiden Frauen die schönere sei.
Nun standen die Damen anf, und
Leo war keinen Augenblick im Zweifel,
in welcher er die Herrin be-; Hause-:- in
begrüßen habe.
»Der Rittnieister Straf Herz-sein«
stellte Gebliard vor, »diensttl)nender
Fliiqeladjutant Seiner Majestät dirs
Kaisers der Franzosen, der auf Befehl
des französischen Konunandanten in
diesem Hause Quartier nelnneu
wird.'«
Langsain trat libarlotte Wagenseld
bor. Wie eine Köniain stand sie vor
dem fremden Ossizier, die klaren,
grauen Augen ruhig forschend auf ihn
gerichtet. I
,,Unrvilllommen immer ist der Feinls
des Vaterlandes,« sagte sie dann mit
s ihrer tiefen, klangreichen Stimme.l
»Doch, Sie schützt gegenwärtig das
Dach des Hauses Wagenseld —- so
seien Sie willkommen-« · s
Damit neigte sie leicht geeen Ihn MS ’
schöne Haupt. v
Leo Hersfeld suchte vergebens nach
einer Passenden Erioiderung .
»Ich hofsc,« sagte er endlich, »,,dui), z
rneine Gegenwart hier weniger stokkndt
sein wird, als die eines- Franzosen.«»
Er hatte sofort selbst das Gesuhl,
daß er etwas Thörichtes gesagt hatte.
aber er fand keinen anderen Gedanken.
Die sonst so schnell bereiten Worte wa
ten alle fert, wie verschwunden Darf-,
er mit seiner Erwiderung wirklich nicht
taa Rechte getroffen, sollte ihm bald
deutlich werden.
Die strahlenden grauen Augen Vor
ilnn schienen dunkler Zu werden und
ksieStimme des herrlichen Weibes klang
links und hart, als- sie sagte:
»Den Franzosen sind wir gewöhnt
til-J Feind deutscher Art und deutschen
Wesens anzusehen seit Urväter Zeit.
Taf-, auch Deutsche Diesen neucsien
Resubzua der Gallier mitmachen selbs: -
in der unmittelbaren Gefolgschaft dei
torsischen Verwencm das ist bitter.« .
Eine slamniende Röthe schlug kein
«?ldj11ta11ten in’g Gesicht. ,,Madame.«
sagte er, »Sie urtheilen ljart und un
faererht über Menschen, die ihre Pflicht
thun, wie sie sie verstehen· Ich bin es
aelviihnt,« fuhr er nach einer lanaen
Pause fort, »daß meine Vewegariinde
Vertannt nnd mißachtet werden: eH ist
mir sehr schmerzlich, das-, das auch
hier geschieht Ich hoffe aber, die IN
men zu überzeugen, daf; sie in inir nicht
den Verräther-, sondern nur den ehrli- »
eben. offenen Feind sehen.«
Gebhard Wanenseld sah den Grase-i
erstaunt an. War denn das derselbe
Mauri, der noch vor wenigen Minuten
ilnn gegenüber einen Ton angeschlagen
hatte, dessen Jnsolens es- ihm schwer
machte, feine Ruhe zu bewahren? Was
bewog ihn aus einmal. Werth zu legen
auf die Ansicht, die die Bewohner desi
seindlichen Landes- oon ihm haben
l
mochten ?
Der Graf hatte seine letzten Worte,
einen warmen Blick Henriettens anf
fangend, an die junge Dame gerichtet
mit dem instinktiven Gefühl, daß das
der schwächere Feind sei. Da er gleich
zeitig eine fragende Bewegung gegen
giesHerrin des Hauses machte, so sagte
te e:
»Ach, ich vergaß: Demoiselle von
Narren, kneine Freundin«
Leo Hersfeld der-beugte sich· Er hatte
richtig gerechnet. Dieser Flügel des
Feindes fing offenbar bereits an, wan
telmiitbig zu werden.
Sind Sie vielleicht aeaen Ihren
Willen in diesen Krieg hineingezogen
. werden?« fragte Henriette Narren tlseil
» nehmend
,.Doch nicht « erwiderte der junge
Graf. »Ich bin freiwillig mitgeganaen
s— Indessen, « fiigte er zögernd nnd mit
einem fast scheuen Blick auf Charlotte
1 hinzu »ich weiß nicht welchen Wer-ti)
tiefe Damen auf meine Erklärung
les-en mögen«
»Dariiber können wir erst urtheilen,
wenn wir sie gehört l)aben,« sagte
Eharlotte nicht unfreundlich
Sie war nach ihrem Soiavlatz zu
rückgetebrt und bat den Vldjntanten
durch eine Oandbetregnng, sich ans
dein Sessel neben ibr niederzulassenJ
Lsenriette lfatte et-tnfallg ihren alten
Platz neben Charlotte wieder einae- »
nonimen nnd Gebhard lelnite mit ver
schränkten Armen in der Fensternische I
Mit lebhaftem Interesse beobachtete er !
den "’taitit, unter dessen Schutz er I
deute Abend Weib und Kind verlassen:
wollte
»Sie sprachen vorliin Madame, von ;
Du:tschland,« siegann Graf Hersfeld,
sich zu Lklsarlctten wendend »Ich
liinnte fragen: wag ist Deutschland? T
Verfolaen Sie die Geschichte dieses ·- (
wie soll ich sagen - geographischeni
Begriff-J durch die langen Jahrhun- !
Verte: ille Versuche, eine starke, cen f
trale Ultacht zu griinden. sind innner ;
wieder qefelseitert Sollte darin nicht
der Beweis liegen, daft es überhaupt T
nickt möglich ist, eine solche zu errich
ienk Sollte e:- damit nicht erwiesen ;
sein, das-, es eii verkehrtes Bestreben (
ist, vie Hase-» die Schwaan die l
Frantea die Ponsinern die Holften
und wie sie alle beißen. die doch alle
ilne eigene stolte Geschichte, ihre eigene .
selbstständige--- Daseinsberechtiaung ba- I
tren, unter einen einzigen Willen zu
binaenk lind wenn es nxsr noch ein
Wille wiirek
Zeit Köuia Friedrich haben wTr·
»;toei. Oie Oesterreiehi FJie Preußen!
so tobt der Streit, und welches Ende
hätte dag- eiutual nehmen niiissenZ
Nein, eine andere Entwickelung war
in)ihtver:dia. Die Rivalstät der bei
den lätwßuiächte ums-, niederqehalten
wert-en durch dac- Gewicht der kleineren
und leinsten Staaten. Deren Macht
nnd Ansehen muß gehoben werden·
Dann werden die deutschen Länder,
wenn die Ehrfucht aller durch alle im
staunt aehalteu wird. ein iriedlicheH
Dasein siihren, lind das aoldeue Zeit
alter wird iider Deutschland empor
steiaen.
Wie aber sollten die tleiueu Staa
ten »in solcher Machtfiille kommen?
Aug eiaener Macht vermochten sie ess
nicht« Da lam der aroske Mann, den
die Vorsehuna diese-u Jahrhundert
aeschielt hat, er warf die Uebermacht
der deutschen Großmächte nieder, und
sein Wort uua Wille schuf jenen
Bund der Kleiner-en der Oesterreich
und Preußen die Waae halten soll,
nnd dessen Dasein fiir alle Deutschen
ein Segen sein tvird.«
Leo Hersseld richtete seine Worte
fortgesetzt an Charlotte. und so
kennte Henriette kliauen ibn ungestört
betrachten. Er sprach lebhaft, warm,
und doch in der gehaltenen Weise
eines Mannes ans der großen Welt.
Die Züge seines vornehmen, blagen
Gesichtes belebten sich beim Spre en
in reizvoller Weise· Die feinen Na
senfliigel vibxirien leise. nnd unter
dem kleinen schwarzen Barte, der die
Oberlippe beschattete, blitzten die blen
dend weißen Zälsnc Der Blick der tief
ducitleii, fast schwarzen Anan machte
seine Worte besonders eindrucksvoll
Sitzt-I aber Hernietten vor allem ge
stel, das ioar der Eindruck verhalte
ixet FirafL der über seiner Erschei
rnnzi tru. Er saß oollommen kor
rclt in seinem Stuhl nnd doch war
in iciiier.l,)alt1si:a etwai- Von der wit
ten Grazie der acsehnxeioiqcn Ener
aie des Vaniler Henriette dachte
mit einem gewissen angenehmen
Schauer, die-set Mann müsse einer
nxiaebcunn Leidenschaft fähig sein.
»Im-i will nicht lenanen,« fuhr Graf
Her-Hielt) sc.-1t, »das; es zunächst die
Interessen wenig enaeren hessischen
Vaterlandesj waren, die mich das
Schwert qeaen rPeussen erareifen lie
f;en; sest überzeugt aber bin ich, daß
Dieser Krieg auch dazu beitragen
wird. für ganz Deutschland haltbare
Verhältnisse zu schaffen.«
Da er inne hielt nnd eine Antwort
»in erwarten schien, sagte Charlotte
Waaenfeldr
;;«5a) will und iann mit Ihnen da
riiber nicht streiten, denn ich bin des
aclehrten zumal org Pplitisrhen Dis-pu
tikensJ nngewohnt, und Sie könnten
leicht hundert Behauptungen vorbrin
aen,. auf die ich Jhnen nicht einmal
cine Antwcrt wüßte Und doch lebt ein
Gefühl in mir, das mir untrüqlich
saat: das ist kein quter Krieg, der zur
Erreichnna gleichviel welchen fwectes
den fremden Söldner herbeiru t, nnc
teutscheg Land zu Verwüsten.«
»Sie machen mir die Antwort leicht,
ll.liadaciie,« rief der Adjutant lebhaft.
»Was thaten die deutschenProtestan
ten im dreißigjährigen Kriege? Und
Sie sind doch unzweifelhaft eine Pro
« testantin? Sie riefen die schwedischen
« Söldner iu’s deutsche Land. Und das
, wird heute noch gebilligt und »ut ge
. heißen, noch heute wird der frem e Kö
nig wie ein nationalerHeld gefeiert und
verehrt.
Wenn nun wir Katholiten zur selben
Zeit den französischen Ludwig gerufen
hätten und uns heute einsallen lassen
wollten, zu seiner Ehre im deutschen
Lande alljährlich ein großes Fest zu
feiern? Seien Sie gerecht und messen
Sie nicht mit zweierlei Maß. Weil die
deutschen Protestanten die letzte Ret
tung dessen, was sie fiir Deutschlands
Zukunft hielten, in der Person Gustav
Adolf-: sahen, darum entschlossen sie
sich zu ihm zu halten.
» So stehen wir im deutschen Süd-en
und Westen heute zu Napoleon, denn
wir glauben, daß nur im engsten An
schluß an ihn Frieden zu erlangen ist,
Wohlfahrt und Selbstständigteit der
Einzelstaaten, ohne die der Kampf in
Deutschland niemalLs aufhören würde«
»Sie sind ein beredter Anwalt der
Sache-, die Sie zu der Ihrigen gemacht
hal«en,« sagte Charlotte.
»Auch auf diese Ausführungen kann
irh Ihnen zunächst keine andere Anti
wort geben, als die, daß die von hnen
berührten Verhältnisse im dreißigjäh
rigen Kriege doch wesentlich anders la
gen, als heute. Eine ausreichende Be
gründung wollen Sie von mir nicht auf
der Stelle verlangen. Ich habe mein
bischen Wissen und meine Worte nicht
so schnell bei der Hand. Wenn ich- aber
Zeit gehabt habe, so weiß ich, daß ich
Ihnen die Antwort nicht schuldig blei
ben werde.«
»Da sichs in diesen Worten die Aug
sicht für mich eröffnet, Jhnen gelegent
lich wieder einen Besuch- machen zu dür
fen, bin ich sehr erfreut iiber die Wen:
dung, die das Gespräch genommen hat.
Inzwischen bitte ich, überzeugt sein zu
toolleu, daß ich alles thun werde, um
diesem Hause meine erzwungene Anwe
senbeit so wenig als möglich fühlbar
zu machen.«
Die Frauen erhoben sich. Gebhard
Wageufeld aber trat auf den Adjutan
ten zu und sagte:
»Sie sprachen wie ein ehrlicher
Mann, Herr Graf, und das edle Hand
wert der Waffen lehrt uns, hoch zu den
ten von dein tapferen Feinde. Ueber
lassen wir den Streit ifber Deutsch
taud’5 Zukunft dem Spruch der Ge
schichte. Sie wird richten.«
»So sei’sI," sagte der Graf lebhaft.
«Tressen lvir uns draußen, so ent
saieidis dass Schwert zwischen uns-· Hier
alter-, in diesem Hause sei Friede. Und
seien Sie gewiss-, daß ich in der Lage
din, diesen Frieden auch vor äußerer
Bedeoliung zu schützen Das Haus« in
dein der Fliigeladjntant Seiner Mase
stiit wohnt, ist vor unerbetenem Besuch
französischer Soldaten sicher.«
Henriette Narren san mit Bedauern,
daß die Sene sich dein Abschied lnur-en
lute
Mit einein gewissen link-einigem von
dein sie sich teine Rechenschaft zugeben
wußte, hatte sie das sast ausschließlich
zwischen Elsarlotte und dem Adjutan
ten sich- abspielende Gespräch versotgL
Sie hätte so gern ein Wort hinein e
ivorsen, nui sich auels ihrerseits an -r
Unterhaltung zu betlseiligen, aber sie
hatte den rechten Augenblick nicht sin
den können.
Jetzt sagte sie, durch die letzten Worte
Lersselds veranlaßt:
»Wie kamen Sie aber in die Persön
liche Umgebung des Kaisers?«
Kaum gesprochen, bereute Henriette -
ihre Frage.
cFortsessung folgt.)