C r o u us. hetzliebstcr Schatz, ich lied’ dich so, Wie nichts auf Erden weiter. Mit träumte jüngst, es führte wo Zum Himmel eine Leiter; Ich stieg hinan zum Sonnenlicht, Und stand am Himmelseingang dicht. Ta schaut ich Stern an Stern jich drehn, Und drauf der Engel Neigen, Die einen hab’ ich tanzen sehn. l Die andern Fürs ich geigm See hielten ein und minnen mir, l Da fragt ich: Jst mein Schatz nich: hier? ( Sie hemmt-n draus den Ringen-ihn l Mit lädtelntsen Gebärden: Wir wissen nichts vom Schatze dein, Der isi wohl noch auf Erben! Da macht ich kehrt und tkollt: mich -- Was wär« der Himmel ohne dich? Anna Ftlir. Ein Winternoei. Stimniunqsbild drin Tor Hedber7 Wohlig und behaglich sah daz- tieinek Empfangs - Zimmer aus mit seinen« mächtigen alimodischen Möbelm seinen selbstgcivebten Läiisern iiber den bun ten Mustern des neuen Brüsseler Iev pichs, mit dem lustig flackernden dia ininfssuer und deni ruhigem traulichen Schimmer der Lampe in der Ecke beim Fenster. An den Wänden hingen ei iitge alte Patron-, voraeiieigt, als lqrinnten sie dann besier sehen, was in. Zimmer vor sich ging. Aug dem Dun- i tel, das sich oben an den Wänden bin-l getagert hatte, starrten unermüdlich große runde Augen mit lanaen Locken, mit giistavianiscben Nasen und mit Mundwinteln herab, ·rie zu einein alt inodisckken erzwiinaenen Lächeln ver zagen waren. Ihr Nachkomme. der di mit unregel snaßigcn Schritten, bald schneller, bald langsamen ji nachdem feine Gefühle stiegen oder fielen, iin Zimmer ans und ab ging, sich isber aus alter Gewohn beit doch auf den vorgezcichneteii Bab nen der Laufer hielt, ladielte ebenfalls Aber sein Lächeln war nieder ein alt modisches now ein geziruiiaeneH---—grof; und selig war es —— es beschränkte fin nicht nur auf den breiten Mund unas den startea, weißen Zähnen, sondern strahlte und ziickte uber das ganze Ge sicht. Bis-weilen brach es iri ein halb unterdrückte-Z vergnügtee Lachen aus« sodaß seine Schultern sich schüttelten, sind dann zog es sich wieder ganz zu rück, uin als glininiendc Kohlen in sei nen Augen zu liegen und zu leuchten. Es war ein ganzes Freudenseiier, das in ihm brannte und cbensoviel Flam iiieiischein über sein Gesicht warf, wie das Feuer da in dem gelbgriinen Zier-« nein. Die Hände hielt er auf dein Rü cken und tnivste bisweilen mit den Fin gern. Ein herr, der halb auf dein Sofa lag nnd eine Ciaarre tauchte folgte ihm mit den Augen und lächelte auch, F aber ein wenig ironisch und überlegen. Nur als der andere einmal seirienLach anfall bekam, wurde er so start davon angesteckt, daß die Ironie fast aus sei neni Lächeln verschwand. Er war ei nige dreißig alt, ziemlich korpulent, hatte aber ein Gesicht, desseiiBliisse und etwas schlaffe Züge auf lleberaristreri- ! gung deutenten. Es war kein besonss deres Beobachtungsverinögen erforder i lich. um in ihm einen Arzt zu erlensl l nen. - Plötzlich vern.:l·m enan ein tur3e5,l scharsestilopsen cn derTbiir zumFlur;i sie wurde geössnet, ohne daß das »Der I ein' abaeioarket wäre. und eine Posse,I bagete Frau von etn«a stinszia Jahren trat herein. Sie trug ein Tablett mit; Gläsern und Flaschen, das sie aus den Tisch om Fenster stellte. Wenn sie in Glas u. Rahmen gewesen wäre, hätte sie mitEhren unter die ebrkvürdigeVer I samtnluna an der Wand ausaenommen · werden können. Die Mundwinkel, die einen Zug nach unten hatten. brauchten nur ein bischen lsinausaedreot zu wer-« den; sonst war alles. wie es sein sollte: dieselben Auaen mit dem stillen, tun den Blick unter dichten Augenbrauen, dieLelbe gustavianiscbe Nase, dieselbe rrie rige Stirn mit dem arauqesprenil ielten Haar, das- über dieSchläsen her abgekiimmt .var, sodaß es ein qleichseis tiqu Dreieck bildete. Aber Tantethri stine hatte wohl noch teine Lust, sich so bald hinter Glas und Rahmen seyen zu lassen; mit qrossem leisen, nimm-! ziiisen Schritten wanderte sie von sriih! bis spät im hause umher. und das Rasseln von Schlüsseln ainq ihr vor-; aus und verkündete ibr Kommen. Dir-« galt es auszupassen und sich im richti aen Kurs zu halten, wenn man nicht iiberscaelt werden wollte: denn Tante sibristine hatte ihre eiaene, altmodische Seekartr. Aber die kleinen Boote biet ien sich qern in ilnemxkabrtvassm denk es kam nich: selten vor. dass das sltas seln der Schlüssel von der Speisekane nier herkam. und bielt man sich dann dran, so konnte man teisbt ein paarRo smen iider ein paar Pflaumen oder ans dere autcs Sachen aussischm Das soar Tradition im Hause. und Tante Chri siine hielt aisi Tradition. »No, Tat-te Christine, soie stehst decsn« ? Das Freuoenseuer erlosch für einen Augenblicks der Blick wurde fragend, unruhin »Ja, nun schlast sie.« »Sie schleifte Dis-: ist woh- qui e« »Ob taö gut ist! Du kannst ia den Doktor fragen, va ich ja wohl doch nichts davon verirebe,« kam es in halb lautem Brummen zurück. , Der Doktor richtete sich aus und ant wartete ganz kurz aus den steigenden Blick: »Gewiß ist das gutl« ,.«Jia, und er?« »Ja, er schläft auch!« Die Mundwintcl begannen sich wie der zu verziehen, und dann flammte das Freudenfeucr soieder lichterlch AM. — ,Wollen Sie vielleicht Ihre Anord nur«-gen fiir die Nacht treffeii,Heerot tor,« sagte Tante Chriinne unt sauer süßemLächeln, »damit ich teineDumm heiter-. mache?« »O, da ist keine Gesahr,« sagte der Dotter mit versöhnendcm Lächeln. »Ja, sehen Sie, Herr Doktor, ich weiß es nun nicht anders, als wie da mal, da Ostar zur Welt lam —— aber das paszt wohl nicht mehr für seinen Sohn, furchte ich!« Der Doktor strich sich den Mund, um ein Lächeln zu verbergen, und begann dann in leisem, berufsmäßigen Ton seine Verschriften zu geben« Tante Christine hörte zu mit einer Miene als wenn sie das Rezept zu ei ner Giitmischung erhielte. Als der Doktor zu Ende war, zählte sie an den« Fingern her: erstens das —- und dann das —— und dann das —- ja, ja! Und dann machte sie die Gebärde des Hein dewaschens und deutete an, daß »das Blut des unschuldigen Kindes uber sein Haupt kommen solle. Dann drehte sie sich um und be merkte, daß sie beide allein im Rim mer waren; die Thür zum Flur stand halb offen. ,,3ehen Sie, nun geht er hin und weckt sie mir auf! Na ja, ich sage ja »s-« Mit wenigen Schritten war sie aus dem Zimmer hinaus und schloß lautlos hinter sich die Thür. Es gehörte zu ihren Prinzipien, immer alle Thüren hinter sich zu schließen und niemals eine u öffnen, ehe sie erst angetlopst hatte zJian erzählte, diese Gewohnheit ware ihr so tief ins Blut gegangen, daß sie sogar an die Speisetammerthiir klopfte, ehe sie sie öffnete. Als der Doktor allein blieb, zog er den Pfropfen aus der einen Flasche und priifte riechend mit mißtraiiischer Miene den Inhalt. Aber der Ausdruck verwandelte sich schnell in einen froh überraschten, er goß sich von dem Sog nal ein und leerte das Glas auf einen Zug. Dann sah er nach der Uhr, setzte sich auf einen Schautelftuhl, der neben dein Tisch ftand, und gähnte laut. Eigentlich war es eine ganz unnütze Reise» die er da gemacht hatte. Vier Stunden Eisenbahnsahrt, zwei Stun den im Schlitten s- es ist geradezu lä cherlit, dachte er, sobald er sich auf der Reife befand; denn lag irgend eine Ge fahr vor, so tam er jsi doch zuspät Aber daggehörte nun einmal zu Rödingg Auffassung von Freundschaft, und so mußte er es denn wohl als eine kleine, wenn auch etwas kalte Erholungsreise betrachten. Endlich lam er denn auch an nnd wie er vermuthet hatte, stand alles so gut wie nur möglich. Zwei Stunden nach feiner Ankunft war sein Freund Vater eines lräftigen, kleinen Jungen und überhäuste ihn mit Dant sagungen, grade als wenn er ein Ver dienst daran gehabt hätte. Er hatte dann noch am felben Abend zurückei sen wollen, liefz sich aber durch Rod lings dringende Bitten schließlich doch bewegen, noch iiber Nacht daeubleiben Jetit bereute er es fast, um TanteChri ftinens willen, die offenbar seine An wesenheit als eine persönliche Beleidi gung ausfaßte. Tante Ehriftine, ja! Er hatte in frü heren Zeiten in besondere gutem Vei hältnifz zu ihr gestanden, als er und Ostar Schullameraden waren und er während der Sommerserien zu ihnen aus«- Land hinauskam. Da war sie ihre wohlwollende Gehilsin und Vertraute bei allen Spielen und Streichen gewe sen, an deren Erfindung Dölars Hirn grade so fruchtbar war, wie es sich eini Lernen widerwillig und träge zeigte. l Tante Christine hatte nun einmal die Auffassung, »Jun en sind Jungen", ein Sati, der in all feiner Kurze und Schlichtheit einen unerschöpflichen Fonds von Nachsicht, Verständnis und . ilfsbereitschaft enthielt. Viele Jahre waren nun seitdem vergan«en, und er hatte faft eine gewisse Freie e empfun den, wenn er daran dachte, da er sie« wiedersehn würde. Er hatte ie voll loinmen so wiedergefunden, wie er sich ihrer aus den Knabenfahren entsann. Aber der Empfang von ihrer Seite war ein eisia höflicher gewesen; all seine Versuche, sie weich zu stimmen, indemi er sie an alte Zeiten erinnerte, waret-( fruchtlos gewesen. Sie fühlte sich offen-« bar tief verletzt, dafz so ein »dummee eDenn e«, dem sie dereinst so inanchel Hang voll Rosinen zugefteckt und dessen, zerrissene Kleider und Schrammen siel so oft geheilt hatte, nun daherkoniment und sie alte Frau lehren sollte, wag sie schon lange wußte, ehe er noch ge-; voren war. z Die alten Zeiten, ja! Er lachte un « willkürlich bei all den Erinnerun em die sich ihn-i hier in dem alten, woh be « tannten Zimmer ausdriingten, wo alles noch qenau ebenso war wie vor fünf-« zehn Jahren. Dieselben Möbel standen. an denselben Plätzen, dieselben alten,l lustigen Gesichter blickten von denilltiin-»I den herab. Ja, Gott weiß, ob nicht die-s selben Bücher aus dein Tisch lagen. Die, dicke Postille da ertannte er wieder und. »Dutel Toms Hütte«, aus der ihnen Iante Christine bisweilen in ihrer un nachahmlich komischen Weise vorgelesen hatte Er stand aus und ging, einmal im Zimmer aus und ab. Der « rüsselerl Tep ich, ja, ber war neu, und er stiirtel ihn ast. Dann ginq er zum Fenster hin und sah hinaus-. Aber biet versagten seine Erinnerungen. Viel sah er wohl nicht in der Dunkelheit, aber was er sah, machte aus ihn einen fremden, un-« bekannten E-«ndruet. Er hatte die Aus-, ficht bei Regenwetter und bei Sonnen « schein gesehn, aber immer im Som mergrünz nun war alles weiß, weiß, so weit er sehn konnte. Ein funkelnder Sternenhimmel, ijber dein die Milchstraße ihr breites Band hinzog, während des Mondes schmale Siebel unten nur-Horizont stand und einige Wölkchen beleuchtete, die sich an ihn drängten, als wenn sie Wärme suchten. Ja, erfroren sahen sie aus, selbst der Mond sah erfroren aus, wie er da so schriig über dieser Schneewiiste hing, nnd obgleich die Sterne größer und strahlender als gewöhnlich erschienen, erhöhten sie doch nur den Eindruck der Kälte, den die ganze Landschaft hervorrief Schnee überall, auf den Feldern, auf den Bäu men, alles weiß. Man begriff, diese weiße Decke erstreckte sich überallhin, hinaus über den engen Horizont der Nacht, so weit, wie das Dunkel reichte unter dem iunlelnden Sternenhimntel. Und dann dieses seltsame,«unbe reiz liche Schweigen, das sich von dem tra - lenden Himmelsgewölbe herabsenlte und sich lalt und frosiig ijber die weiße Landschaft legte, sich mit ihr vereintgte und wieder eniporstieg in den Raum, noch stiller, noch kälter. Dieses-Schwei gen flößte ihm fast ein Bangen ein Plötzlich glaubte er ein Geräusch wie einen fernen Kanrnenschnß zu verneh men und einen rollenden Wiederhall, aber in diesen Wiederhall mischte sich ein eigenthijmlich spröder Klang« wie wenn Glas zerspringt. Er lauschte er staunt, aber es war wieder alles still, und schon glaubte er, daß das, was er gehört hatte, nur Einbildung gewesen war. Das Schweigen legte sich wieder auf ihn, und es war so tief, daß die bloße Vorstellung eines Laute-Z wie etwas Phantastisches und Unwirkliches erschien. Dennoch fuhr er über einen Laut zu sammen, der die Traulichleit zerriß und durch das Schweigen sich hindurch-. wand, sodaß die Ruhe fast unwirklich erschien. Aber dieser Laut tam von drinnen, aus dem warmen, behaglichen Raum. Es war Osears wohlbelannier Bag. - »Ja, sie schläft wirklich nnd der Kleine auch!« Er sah aus, als wenn er etwas sehr Merkwürdiges berichtete. l »Aber nun wollen wir einen Grog trinken-« f Sie setzten sich an den Tisch, und jeder bereitete sich seinen Grog. »Protit,s alter Freund«, sagte Nöding, »und be sten Dank, daß Du gekommen bist!« Sie stießen mit ihren Gläsern an und tranken. Als der Doktor sein Glas wieder aus den Tisch setzen wollte, fuhr er plötzlich zusammen. Wieder vernahm er den Kanonenschuß, das Dröhnen und den spröden Klang durch dieStille draußen. ,,Hörft du?« sagte er. »Was ist das?'« i »Ja, ja, es friert ordentlich!« erwi gerte Oskar Röding und seßte seinGla .«.» in· . »Es friert ordentlich?« »Ja, das bedeutet, daß wir eine tüch tige Kälte bekommen. Das Eis berstet. Hast du das noch nie gehört?« . «Rein.« Der Doktor entsann sich dunkel, einmal davon reden gehört zxi haben. »Ich bin ein Stadtkind, wie du weißt.« l Der andre nickte, aber sein Gesich driictte doch ein fast verächtliches Er-. staunen aus. s «Jch würde mich nicht wundern» wenn wir morgen einige zwanzigGrad Kälte hätten«, fügte er hinzu. I Der Doktor dachte schaudernd an seine bevorstehende Feimreise Einen Augenblick schwiegen ie, um erstenmals an diesem Abend kamen re sich ein biß chen fremd vor. »Na, prosit!'« unterbrach Oskar Rö ding schließlich das Schweigen. Sie tranken und setzten ihre Glas-IT wieder hin. Der Doktor sah fragend in das roth-» aesprenkelte Gesicht des Freundes-. über das sich jetzt ein ruhiger, stiller Schein verbreitete, wie von einer ausgeht-ann ten Gluth, und er konnte eine Vemersj knng nicht zurückhalten. »Und da sitzefts du nun so das ganze Jahr,« sag:e er. »und kannst an einem solchen Leben Genüge finden?« l «Geni.ige finden? Ja, warum dennl nicht?« »Na, während des Sommers kann ich es noch verstehen, aber der Winter, der lange, lange, kalte Winter - -- das ist ja beinah, als wenn man im Win terschlaf liegt.« »Sage nichts Schlechtes vom Wirt-« ter!« fiel der andere eifrig ein. »Du tennst ihn nicht. Hier draußen ist er herrlich!« »Ja, für einige Tage, für sin, ilrei Wochen, aber fiir Monate lang nein, dante!« Ostar Roding sprang aus nnd Esc-’ gann im Zimmer ans und adsuqelynl »Der Winter ist l)errlsch·, sage ist: di:«.! Jch liebe ihn inehr als ieoe andre July-f reszeit Der erste Ochs-re macht mich« fast toll vor Freude, ich iiikiie das Ver langen, in den weichen, weißen Schnee flocken, wie ein Knabe, ein junger Hund umherzuspslxiqen oder mich tin ninsuwälzen Und dann die Kälte, die die Haut prickcln must nnd qui den Backentnochen ur:.iiit, uni- tsie Schnee stocken, die so weich und Liebicssein nir derfallen, und der Hagel, de: auf einen lot-dämmert, oder ein Schriecgeiiijliey wenn der Schnee wie weiße Walten durch die Luir stirbt und l:eiitt, chichL Und fegt nnd vom Wind glatt nnd eben zu langen, schönen Wellen riekehrt wird, und man käm sen rings-« sich anstren ·en muß, S rstt siic Schritt ach, etr Gott, so ein Schneegestdberi Oder die kalten. sternenllaren Nächte, wie die e, wenn das Eis berstet nnd der S nee unter den Füßen und Schlit tentufen tnirscht Und »die Nasenfliigel zusammensinsrieren scheinen —-— nein, niemals fließt mein Blut so warm wie im Winter, niemals habe ich ein so herrliches Lebensgesiihl, die Empfin dung, start zu sein, etwas zu können, etwas zu wagen, wie dann! Der Win ter ist herrlich, sage ich dir!« »Du bist ja ein reiner Winterpoet, scheint mill« wars der Doktor lächelnd ein. »Ja, träte ich ein Dichter, so würde ich der des Winters sein. Und könnte ich all’ die Gesjrhle ausdrüeckn, die er bei mir erweckt, so wäre ich ein Dich ter. Jch kann das ja ruhig sagen, ohne daß es wie Prahlerei klingt, denn ich Vermag es eben leider nicht. Da sind einige so merkwürdige —- weiße Gefühle möchte ich sie fast nennen. Fast du dir jemals eine Schneelandscksast recht ordentlich angesehen? Anfangs sieht sie recht einfiinnig aus — iiberall dasselbe, aber dann entdeckst du nach und nach Farbe-i in all diesem Weiß, Farben, so fein und zart, daß sie zu verschwinden scheinen, sobald du den Blick darauf richtest. Und dann ent deckft du Linien und Konturem so schön und weich, dafz es dem Blick ein Entzücken bereitet, sie zu verfolgen, und blickst du zu dem Baum über dir hinauf, ist es, als sähest du in eine Sa aenweli, erbaut aus Flocken, und dann fällt eine Flecke aus deine Hand; wenn du sie betrachtest, ist sie auch nur eine Sage. Ebenso ift es «nit den Gefühlen, die der Winter in mir eiwcckt. Jm Gan zen sind es ziemlich einfache, anzusam menaesetzte, und doch bergen sie so viel in sich, so viel Abtönungen, so viel Schattierungen, so Vieles, das man nicht bezeichnen kann. Und iiber allen liegt etwas Frische-J und Reine-s, etwas Weißes, ich kann tein anderes Wort dafür finden. Aber fiir mich ist das Weiße nichts Kaltes Und E.tarres, es ist im Geaentheil so warm. Wir haben ja in der Physik gelernt, dasi das weiß-: Licht alle anderen Farben enthält, mir ist es beinah, als wenn ich all die an: deren Farben im Weis-, säbe. Und nun sollst du nach etwas hören. Jm Som mer träume ich nie, dann schlafe ich wie ein Stock, aber im Winter, da träume ich so viel, fast jede Nacht, und dann sind alle meine Träume weis-»I« »Das müssen ja behagliche Träume sein,« lachte der Doktor. »Ja, du lachst, ich vermag rnich wohl nicht so auszudrücken, wie ich möchte. »Und dabei,« fuhr er nach kurzer Pause fort, ,,ist es merkwürdig, daß ein klarer, stiller Wintertag oder noch mehr ein Winterabend, wenn die Son ne untergeht, mir Träume und Phan tasien von der Zukunft erzeugt, nicht meiner eigenen, sondern der der Menschheit, der Zukunft des ganzen Lebens —-- und das ist sonst gar nicht meine Art. Es dünkt mich gleichsam ein Bild, eine Ahnung, ein Vorbole von dein, was kommen wird.« »Der Periode der ewigen Kälte meinst du!« sagte scherzend der Doktor. ",,Nein, nicht der Kälte, sondern der Stille. An der Stille liegt es. Das meint Ella auch.« »Ach so, deine Frau ist wohl auch so in den Winter verliebt?« Oskar Rrsding erröthete. »Ja, das heißt, ihr half ich es eigentlich zu ver danken, daß ich den Winter so lieben gelernt habe.« »Das heißt also, sie liebt ihn noch mehr als du?« »Nein, das gerade nicht, aber-siehst du, es war im Winter, alg wir einan der fanden, als wir uns in einander verliebten — —-« »Aha, eine Winterliebe also!« »Ja, eine Winterliebr. . .. Uebrigens ist das eine ganz merkwürdige Ge schichte, das heißt, nicht gerade so merk würdig, aber —« ,,Mertwiirdig für euch?« warf der Doktor ein. »Ja, siir uns ist sie merlwijrdig; ich trxeiß nicht, ob sonst Jemand sie so fin den würde. Denn sie ist zugleich auch furchtbar einfach. Soll ich sie dir er zählen?« »Klein zu, das- ware ganz intercs sant,« erwiderte der Dottor nnd nahm einen tüchtigen Schluck aus dem Greg glase. Er hegte gerade keine großen Erwartungen von der »Mertwiirdig leit« der Sache, aber der Abend muszte doch in irgend einer Weise herumgc bracht werden, nnd er war kein gro».er Freund davon, selbst viel zu reden. Ostar Nödinr setzte sich nnd starrte in das Kantinseuer hinein, das nun in dünnen, blauen Flämmchen iiber der zusammengesallenrn Gluth spielte «Wann ich mich in sie verliebte, das weiß ich eigentlich nicht recht,« sagte er. »Ich glaube beinah, es geschah einmal zu Weihnachten, alg ich si: den Baum ausputzen sah, aber ich bin mir darüber nicht ganz tlar. Wir tannten einander ja seit der Kindheit, hatten zusammen gespielt und uns auch sogar geprügelt, ja, dn besinnsi dich wohl selbst daraus von deinen Sominerbesncheu her.« »Es ist wohl so ganz allmählich ge tetnmen.« fuhr Ostar Röding fort, »aber ich glaube, zum ersten Male nach Jahre langem Verkehr stieg mir eine. Ahnung aus, daß sie mir mehr tväre,s als eine Jugendgespielin, zu Weihnach-- s ten vor zwei Jahren. Und dann nahm. es rasch zu; erst wurde sie mir nickt-l toiirdig fremd, und dann war eg, als wäre sie ein ganz anderer Mensch, den ich erst wieder kennen lernte, und end-J lich im Frühling, da wurde es ganz! schlimm -—- ach Gott, wie unglücklich ieb da war!« » »So, unglücklich warst du?« z »Ja. siehst du, denn sie war gegen» mich ganz so wie sriihcr, so lameri1d-s schastlich, und das wurde mir zur uns-; erträglichen Pein. Sie war für michl ein Do pelwesen, denn der gute Kame-l rad exi tierte fiir mich gar nicht, wenn sie nicht zugegen war; aber er drängte sich sofort hervor, sobald ich mit ihr zu ammenlam, und verhöhnte mich, über goß mich gleichsam mit kaltem Wasser und bewirkte, daß mir all die aliihenss Ien Worte, di-: ich mir in der Einsam keit vorpl).ititasiert halte, im Halse ste cken blieben nnd mich ivorthrg und verwirrt machten, sodaß ich mich zu sclzämen begann. Ach, wie ich ihren Handschlag und ihre Art, ,,d:i« zu sa gen, haßtei Schließlich begann ich i ganyy ans dem Wege zu gehen, um szte wenigstens in der Einsamkeit ganz und ungestört als das Weib sitt mich zu haben, das ich liebte, das ich zwar nicht so genau kannte, mich aber sehnte, es kennen zn lernen und zu erobern. So vergingen ter Sommer und der Herbst, und er- wurde nicht besser, son dern nur immer schlimmer. Wohl hundertmal faßte ich den Entschluß, offen mit ihr zu reden, ihr zu sagen, wie es mit mir bestellt wäre, nnd dann lieber einen Abschied fiir ewige Zeiten iiber mich ergehen zu lassen, ale noch weiter dieses elende Doppelleben fort zuführen. Aber we. n ich sie traf und sie mir ihre Hand reichte und fraate: Wie gebis? -- -- Dann antwortete ich: Na, danke, sehr gut! Und dann wurde nichts daraus, so sehr nahm sie wieder siir 1nich die Gestalt der guten Freun din an, und dann plagte ich mich mit dieser so» lange ab, bis-sich michwerabj fu;re0el halte und mleuer uulzerryuru tes Gartenzauneå stand. Dann warf ich dieses Bild nsit Abscheu wieder fort, und der Liebhaber in mir begann zu wüthen, zu verzweifeln, zu hoffen und neue, unfruchtbare Pläne zu schmieden. ster sie merkte nichts, oder wenn sie etwas merkte, so ließ sie wenigstens nichts davon gewahr werden. Jch hab sie später danach gefragt, konnte sie aber zu keiner Erklärung darüber ver anlassen, wic es sich verhielt. Sie sagt, sie weiß es selbst nicht —-— die Frauen sind in solchen Dingen so sonderbar. Dann kam ein Nachmittag gegen Ende November. Der erste Schnee war bereits gefallen, und danach hatten wir Kälte bekommen. Aber nun war es plötzlich milder geworden, und es sah aug, als sollten wir noch mehr Schnee bekommen. Ich hatte bei Ella’5 Vtter etwas Geschäftlicheg zu thun und fuhr so um fünf Uhr zu ihm hin, um mit ihm zu reden. Wirklich nur dies war meine Absicht, dag- andere sollte ein Ende haben. Jch hatte beaonnen, mich selbst in Behandlung zu nehmen, und hegte die gosfnung wieder gesund zu werden. -o glaubte ich wenigstens. I Als ich hinkam, hielt ich wie gewöhn lich beim Stall an und führte mein Pferd hinein. Während ich noch damit beschäftigt war, vernahm ich von drau ßen lautes Schreien und Fluchen. Jch ging zur Thüre, um zu sehen, was es da gab. An dem Stall vorbei führt der Weg in ganz steiler und langer fSteigung hinauf zum Wohnhause. Mitten auf dem Hügel stand- eine Ischwere Holzlast mit einem alten Gaul ’l-espannt. Auf der Last saß ein 17 bis Jst-jähriger Bursche, offenbar ziem lich betrunken, und peitschte das arme Thier, das die Füße in den Boden Istemmte, um die Last am Hinabgleiten zu hindern F Jch hatte die Scene noch nicht ganz überblickt und noch nicht Zeit gesun fden, etwas zu sagen oder zu thun, so sah ich Ella wie der Sturmwind, im bloßen Kopf, ohne Mantel, vom Hause herkommen, gerade leg auf den Schlit ten. Sie packte den Burschen mit bei den Händeu, rüttelte ihn, ja, riß ihn förmlich vom Schlitten herab; dann ergriff sie die Peitsche, die er vor Er staunen halte fallen lassen, und be gann ihn damit zu bearbeiten, indem sie ihn mit der anderen Hand festhielt. Du wirst vielleicht finden, das war un n1eiblich, und die Meisten werden der selben Meinung sein, aber mir erschien es schön. Ja, ein bißchen komisch war es ja auch, denn der Bengel war so überrascht, daß er nur mit gekrümm tem Rücken dastand und die Schläge entgegennahni, und alle beide waren ganz still dass war das Komischste dabei. Dann ließ sie plötzlich den Jungen und die Peitsche los-, da sie mich er blickt hatte. Ach Gott, wie sie erröthe: ie! Noth war sie ja schon vorher, aber das war nichts gegen die tiefe Nötl)e, die ietzt in ihr emporstieg Der Bur sche ermannte sich nun auch und wandte sich ihr mit einer steigenden Schimpf redc zu. Aoer da erblickte auch er mich und liielt es für daö Beste, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Er war durch die Ueberraschung nüchtern ge worden. sJiit vereinten Kräften beta men wir die Last den Hügel hinauf, und dann fuhr er davon, indem er sieh mit alsgerissenern halblanten Flüghen tröstete. lilla war schon voraus in’gHanL» He xianaem ich folgte ii,r, aoer nun, da alles vorbei war, wurde mir das Fio mische an ber Situaticn so tlar, das-, ich mich nicht halten tonnte, sondern in lautes Lachen ausbrach. Ella drehte sich aus der Vortreppe i:m, sah, daß ich lachte, und verschwand wie ein Pfeil im Hause. Da war meine Lachlust augenblicl lich dahin. So, nun ist sie obendrein noch böse auf dich, dachte ich nnd suchte einen schwachen Trost Darin, daß er wohl nicht viel schlimmer für mich wer den könnte, als es schen war. Na, je denfalls gan ich bineinx ihr Vater war nicht zu Hause und wurde erst amTage daraus erwartet. Ella selbst war ver schwunden. Jch weiß nicht recht, wo. lJer mir der Einfall kann, m bleiben, mich im Salon hinzusehen nnd zu warten, uno ich weiß auch nicht,woraus ich wartete. Genug, oa saß ich, saß ei ne halbe Stunde, wurde aanz wüthend und wollte gerade gehn, alk- Ella bin einlam. Sie hatte geweint — das fah ich auf den ersten Blick. Sie war überrascht, als sie mich bemerkte, sie glaubte wahr scheinlich, ich wäre bereits wieder fort gefahren, nnd so erröthete sie jedesmal, so oft ich sie ansah. Dann saßen wir da und vlanderten eine Weile. Wovon tvir sprachen, Voraus besinne ich mich nicht mehr, aber ich wurde allmählich gan froh, sieahaft, jubelnd froh. Ich wurde froh über das-. was Ella gethan hatte, und dann auch darüber, daß sie geweint hatte, und dat- sie sich nun vor mir schämte und dann Mut etwas Ge tvissx S an ihr, mirs »ch noti- niemals be merkt hatte. Sie erschien mir noch an ders-, als ich sie in meinen eigenen ein samen Phantasien sah. Der Kamerao in ihr war ganz verschwunden, und das Wein schaute hervor, das-J schamhrste, erriirhenve, bittenbe Weib von dem ich getraunxt hatte, das ich liebte-und das sich 1 un schämte-. weil es sich unweiblich gezieigt hatte, und um Verzeihung bat dann aber toiner ein wenia stolz that und zu trotzen versuchte und imGrun de oerklsiichtert und verwundert nnd seiner selbst unsicher war. Wie froh ich wurde! Milde Pläne durchtrcuzten meinen Kopf Hub dach te· ietzt oder nie! Und dann schlug »Ich «it,r selJYießlich vor, aemeiufazn ein we niq Schlitten Zu fahren. Sie zauderte einen Augenblick, aber dann williate sie ein. Ich lief hinunter zum Stall, spannte meinen Jaadschliiten an und fuhr vor der Treppe vor, mit einemGe fühl, als- fiibre ich in einen Abgrund hinab Und sie kam hinaus. verhüllt und eingem1:mtnt, sodaß nur das kleine, rothe Gesicht herausauckie, und als sie meinGesicht sah, bekam sie wiederAngsi und wi rde zweifelhaft, ob sie es wagen sollte, sich hineinzusetzen. Aber nun war es zu spät, ich hatte sie bereits im Schlitten und wickelte ihre Fäßchen ein, und denn fuhr ich fort, mit ihr fort, hinaus in den Abgrund. Diese Schlittenfahrt Veracsse ich nie mals. Es war windia aeworden, und drrWind nahm immer mehr zu Schnee flog dizrch die Lust. und der Schnee wurde dichter, und bald hatten wir ein gründliches Schneeaestöber Ach, die ses herrliche Schneeaestöbert Die Wege wurden vollgetveht, die Luft war weiß, und die Felder waren auch weiß, alles war weiß; Feld und Wege flossen z samtnen. Wie wir vorwärts kamen. koeifz ich nicht, aber vorwärts kamen wir Ich weiß nicht was ich an dem Abend nicht qeionnt hätte! Jsch fühl-« te ihren Arm an dem meiniaen und sah ihre rothen Wanan und die Wimpern, die sich vor dem Winde schlossen, und ein kleines Zipfelchen von dem entblöss ten Ohr, und das alles war nicht der Kamerad, sondern das Weib, und mir war zu Muth, als wenn ich set-i alle-a krTnnte und alles saan dürfte· Und dmn wagte ich, wagte nnd aew1nn. -—— Und d.. draußen mitte en in den«-i Schnee- - assstrber raubte ich mir den ersten Fiuiz. ( .- nar talt und schurtytkrn nnd liebend a lssi die anderen wurden da m wär mer warm, wie wir selbst. »Ja, wie es nun so weit war, mußte mein Pferd die Führuna übernehmen, und es rannte nach Hause zum Stall-, nnd daheim bei mir feierten wir unser Verlobunasfesi. Du hättest nur Tante Christine sehen sollen! Siehst du, so ist es ackommen! »Ja, schloß er indem er aufstund und einmal durchg- stiminer ging, ,,sitz m r in einem Schlitten und iahr’ allein mit ihr die du liebst -—- erst dann hast du das Recht, dich über den Winter ai!3znsprechen!« —..,—. Im Gast-must »3n den drei Lin den« pfleqte sich allabendlich eine kleine An zahi von Otammgasten zu versammeln. Dass Bier war gut, es schmeckte und be tam vortrefflich, und geschwatzi wurde da viel, und besonders viel Jägerh tein. Darin war der alte Forstwart Hausknann unübertresflich Der wuß te immer etwas Neues zu erzählen, aber Andere sagten ihm nach, daß er nie ein wahres Wort gesprochen. Einmal hat er jedoch Alle gründlich aan Glatteis aefijhrt nnd die Wahrheit gesprochen, als er aeradcs am allertollsten im Zuge war, ihnen einen mächtigen Bären auf zubinden »Ja, meine Herren, es pas sirt so Manches in Gottes freier Natur, wovon sich die Stubenhocker nichts träumen lassen,« sing der Forstwart an zu erzählen. »Da finde ich eines Tages da draußen an dem Waldessaume, am Fuße eines alten, bemoosten, hölzernen Martertreuzeg, das da zu Ehren eines meuchlingg ermordeten Försiers ausge stellt ist, einen Todtentops und neben ihm einen Fuchs-, der weder meineFlin te, noch meine Diana beachtete, sondern ruhig auf seinem Platze beharrte und Ziesta hielt. Jch hätte ihn ja eins auf brennen können, aber da ich es nicht that, unterblieb eg eben, nnd so verhielt sich denn mein Köter ebenfalls neutral. Den Todtenkops aber dachte ich mitzu nehmen und bückte mich nach ihm, ohne auf den Fuchs weiter zu achten. Da qeschah etwas-, siir dessen Wahrheit ich Zähnen biirget Ja, meine Herren, da erhob sich der Fuchs hoch in die Lust und mit ihm der Todtentops und beide flogen aus und davon auf Stimmen-vie dersehen.« — —- —-—- — ,,Lii·ae Du und der Teufel«, fiel ihm der Ortsrichter in’s Wort. Der Forstivart aber blinzelte in sei nen Krug hinein, bis er leer war, nnd fuhr dann fort: »Ich have mein Leb lag noch nicht gelogen, aber hören Sie nur weiter. Da steht mit einem Male ein Junge, der die Gänse hütete, hinter mir, und wag meinen Sie wohl, was der dazu sagte?« »Herr Förster.« hat er gesagt, ,,schade, det war’n so’n paar scheene Schmeiterltngel«