Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Jan. 27, 1899)
Der Todte Von Hnrror Island. Roman von Hskfv SML -"’"’"I III— v- -- — (14. Fortsetzung.) »Wir stehen ganz ausgezeichnet, Schwesterchen,« lautete die Antwort Strphbach’s. »Wir könnten gar nicht besser mit einander stehen —- sogar Ge schäfte machen wir beide zu amrnen.« «Geschiiste? — Was soll das hei ßen?« « »So erinnere Dich doch nur, Schwe sterchen. Warst Du es nicht« der mir und meinen Freunden heute Nacht die Thüren dieser Wohnuna egöffne:, warst Du es nicht, die uns die Schlüs sel zu dem Wandschrant gegeben, iie uns überhaupt erst darauf aufmerksam gemacht hat, daß die braune Kiste ge rade so wichtige Var-irre enthalte — tver tönnt’ es sonst wissen-Z« »Bist Du wahnsinnig Mensch?« »Mir ruhig, laß mich erst ausreden! Geh hin, Rotbtäppchen. und hänge die ganze Geschichte an die große Glocke, j ließe uns die Polizei aus den Hals, schlage Lärm, gleich jetzt oder morgen, wann Du willst. Wir aber werden beweisen, daß Du mit uns unter einer Decke gesteckt hast, und Zwar so bewei sen, daß es jeder glauben soll. Na, und dann erzählen wir noch ein Man tes Histiirchen von einer jungen Dame, die das Haus bewachen soll sind ganz heimlich in der Nacht zum Massenball geht, in einem Kostüm das ein gewis ser alter Herr für sie besorgt und ihr durch einen Dienstrnann in’s Haus ge schickt hat -—— hui, das wird gewissen Leuten die Augen öffnen über das tugendhaste Suschen. über das Mu sterkind!« Susanne stand erstarrt. wie zum Marmorbild verwandelt da. Alles drehte sich um sie; sie fühlte mit Ent sejem daß sie vor einem Abgrund der Abscheulichteit stehe. oor einer Hölle, in welche man sie erbarmunaslos hinab stoßen wollte. Sie war unfähig, ein Wort zu erwidern. Strohbach merkte, daß seine Dro hungen aus fruchtbaren Boden gexallen waren. Er sette seine Mütze au und schlug den Kragen seiner Jacke empor-. »Du bist doch sonst ein kluges Frauenzimmer, Suse,« sagte er, sich zum Gehen wendend; »thu. als oh Du von der ganzen Geschichte nichts wüß test. Sieh Dich unr: hier sieht’s wahr haftig nicht aus, als wär’ ungebeteuer Besuch dagewesen. Während Du da gelegen und Dich nicht gerührt has — Weiber sind auch gleich wie eine Feder umzupusten —, haben wir hier alles in Ordnung gebracht. Nichts verräth, was heute Nackg hier vorgegangen; auch die braune ifte steht wieder im Wandschranl, der wie vorher verschlos sen ist —« »Die Papiere, die früher da drin ge legenhaben,« lächelte Strohbach höh nisch, »die sind freilich nicht mehr da —- alte Zeitungen und Attendeckel haben wir hinein-gestopr damit auch die nöthige Schwere vorhanden sei; aber halt Du nur Deinen Schnabel, Rothkäppchem dann mag eine geraume Zeit vergehen, bis der Alte ’wa·5 merkt. Gute Nacht, und, wie gesaat: mitge fangen —- mitgehanaen, das merle Dir, Schwesterchen Brinast Du uns hinter die schwedischen Gardinen, dann sorgen wir dafür, daß Du auch ein stilles Bläschen betommst, wo es schwerlich so lustig hergehen dürfte wie auf dem Maskenhall, auf Dem Du Dich Beute Nacht so gut amijsirst hast. Ha, a.« Susanne horte das rohe Lachen des Elenden, bis die Corridortbür bin ier ibm in’s Schloß gefallen wur. Endlich war sie allein. und mit dem Bewußtsein, daß sie es war, daß sie endlich von der unbeimlichen Gesell-· schaft erlöst sei. übertam sie eine große körperliche Schwäche Jsbre Kniee zit terten, die Tbränen traten ihr in dfc Augen, und sie sank am Fußende des Ruhebettes nieder; das Haupt vergrub sie in das Polster-, und der jugendliche Körper wand sich, vom hervorquellen den Schmerz aeschiitteli. »Ich bin verloren,« stöhnte sie, ver loren! — Ich werde den Verdacht sucht abwälzen können, daß ich dem Bruder die Thüren geöffnet, daß ich ihm Vor schub in seinem verbrecherischen Thun aeleisiei habe. —- Und mein Besuch des Balles —- Gallus wird mich verdam men, daß ich so pflichtwioria gehan delt! Nein, nein —- er darf es nie er fahren. Jch muß schweian -— schwei gen und den Diebstahl verdecken, so lange es geht —·- und so — so werde ich nicht besser sein als —- als — die Die be selbstl« Immer wieder aufs Neue sitömien ihre The-irrem bis sie plöhlich auf s an und das Mastenaewand, wel i sie noch trug, mit zitternden Hän den abzulegen benannt »Wie kurz das Gluck doch währt!" dachte sie dabei; »kaum streckt man die d nach ihm aus und glaubt es be bei zu haben, so ist es schon wieder enfflpbem Ach, ich darf ibn nicht mehr wiedersehn-, ich bin seiner nicht wertb!« s Und sie zog sich. ,nachdem»sie alles l verborgen, was an ihren nachilichen I Steig-Inn erinneriesz in das angewiesene l Wzimrner zurück. ; o- s- — THE ——————— i . n eines-? Rachicase der Friedrichs Jn i, wes-»F sich nur selien ern anstän- : « s diaer Mensch verirrt, saßen der Hof ratb und Hälmchen in einem besonde ren kleinen Raum zufammen. Ein lleiner Koffer. der unter dem Marmortisch stand, entbielt die Alten und Briefschaften, welche sich noch vor weniqen Stunden im Besitz des Justiz raths Gallus befunden hatten. »Ich bin mit J en zufrieden, "l)n chen,'« sagte Scha er, ein Vacket ant noten aus der Tasche ziehend; »hier ist der bedungene Preis; zählen Sie, ob die Summe stimmt.·' Der Reichstonsulent ließ die blauen Scheine durch seine Finaer gleiten. »Alles in Ordnung,« sagte er und steckte das Geld ein; »boffentlich giebt es bald wieder etwas zu thun; Sie sehen, daß Sie sich auf mich verlassen können-« »Ich sehe, aber die Hauptsache ist, Faß die Polizei nicht Eure Spur fin et.·« I »Ich denke, daß sie aar nicht suchen I wird.« j »Unmöalich. Gallus wird Lärm schlagen« »Aber nicht sogleich: ich habe ein » Plänchen aus-gedeckt das uns vorläu t fig vor jeder Verfolgung sichert.« »Um so besser für Sie. Hälmchen. Jetzt kommen Sie, nehmen Sie den Koffer, und beqleiten Sie mich zu einer Droschle. Müssen wir durch das Cafe ceben2« »Nein, aleich bier hinaus. Hinter jener bunten Portiere dort befindet sich eine Thür. die in den Hof führt. Kommen Sie.«' — Eine balbe Stunde später saß Hof ratb Schaller in seinem beba» lich durchwiirmten Arbeitszimmer. sTluf dem Schreibtisch brannte unter dem grünen Schirm die Gaswme Der Hofratb selbst war damit beschäftigt, den Inhalt des kleinen Koffers auszu leeren und einer flüchtiaen Musterung zu unterziehen. Attenftiicke, Briefe, De pkschem Zettel, Scheine aller Art. alles sich auf den Fels’schen Erbschaftspro zeß bestehend, glitten ibm durch die Sande und wanderten auf denSchreib- - tifch. x Plöhlich als Schaller einen in eng F lischer Sprache geschriebenen Brief ; haftia durchaelefen, guckte er zusam t men, und ein Ausruf der Ueberra j schuna entfuhr seinen Lippen. — Dann brachte er feinen Kon und den Brief näher in den Lichtlreiz der Lampe und las das Schreiben lanasam. Wort für Wort überlegend, noch einmal. »Jeyt haben wir aewcnnen,« mur melte er; »das giebt allem eine Wen duna, und ich denke, meinem Freunde Gallus dijrfte sie nicht sehr ersprießlich werden! Nur schnell aehandelt — noch haben wir den Vorsprung-« Während dieses tleinen Selbstge foräches hatte Schaller sich einem klei nen japanischen Bambustifchchen ar nähert, auf dessen Platte eine Flasche mit einiaen Gläschen stand. Er goß sich zweimal von dem alten,Vortreff: lichen Coqnac ein, und nachdem er sich so genügend erwärmt hatte. warf er den laum abaeleaten Mantel um und verließ aufs Neue das Haus. »Noch dem Haudtielearaphenamt!« befahl er dem Kutscher der Nacht droschle, die er an der nächften Ecke nahm und von der er sich nachher wie-— der nach seiner Wohnuna zurückbrim aen ließ. Jn der Zwischenzeit hatte er folaendes Telearamm aufaeqeben: »Mit-dort Comvann, London. Der gefährliche Concurrent, der ; dort die Preise verdirbi. heißt Thomas T Thornton,eiaentlich Daois. aus New l York. Wohnt aeaenwiirtiq in Lon ! don, 37 Circusstreei. Von bier ist ; Gallus gestern nach dort abaereift, will ; wahrscheinlich mit Thornton gemein sam Geschäftemachrn. Beenden Sie . Preisschlenderei unbedinat sofort auf jede Weise. Melde Näheres brieflich über Paris. Berliner Aaent.« Und der eleltrische Draht truq diese Nachricht über den KanaL noch bevor Doltor Gallus auf seiner Reise nach London die Küste-erreicht hatte. 1 7 .C a v i t e l. Geheimath Busch. der Retter und Helfer so vieler Leidenden, der mit bellblickendem Geist die Ursachen jeder Krantheit zu erkennen und rnit vers blüffender Sicherheit seine Diagnose zu stellen pflegte, um dann zielbewußt Und meist auch erfolgreich gegen das quälende Leiden zu Felde zu ziehen, ahnte nicht, was sein Weib. als es in jener Ballnacht an seiner Seite ruhte, litt und schweigend ertrua. Während ihm ein tiefer. kräftiger Schlummer bescheert war. dessen hei tere Träume den ruhenden Geist um aaukelten, lag Beute mit weitgeöfsneten fieberqliinzenden Augen aus ihrer wei chen Lagerstatt, das hauvt aus die ge kreuzten Arme gebettet. Ihr Körper regte sich nicht, doch ihr Geist arbeitete um so sieberbaster. Eine schlaslose Nacht! Die geling stigte Seele ist weit geöffnet. und ein wilder Geisterreian der Erinnerungen durchzieht sie. Jn sast allen Winkeln, über welche sonst Schleier der Verges senheit aebreitet, regt es sich- und mit Schlanaenleibern bebt es sich empor. Das Gewürm dunkler Stunden — fängst wähnte man es zertreten und zerfallen —- triecht heran. Gestalten nahen, die seit Jahrzehnten das Gehege der Erinnerungen nicht mehr betreten, und sie alle, die diisteken Mahner, tra gen ihr unfreundlichstes Gewand, und ihre Mienen sind drohend, anhält-er tiindend Vereeblich sucht man sie hinwegzusclsenchcn, umsonst ruft das arme. eanalte Herz die Ueberlegung, die traftvolle Loait, die lindernde Hoffnung zu Hilfe. Auch diese freund lichen Verbiindetcn vermögen nicht, dem Andrängen der finsteren Gewal ten Halt zu gebieten —- der nächtliche Spuk bleibt bestehen. bis der herein brechende Morgen mit seiner Helle ihn scheucht und dem ermatteten Körper eine kurze Ruthe gewahrt« in dem auch die qelnechtete Seele Erquickung findet Und nun gar Beatens schlafiose Nacht! Das arme Weib war durch des Hofraths sckleichendes Gift, das er ihr tropienweise beigehracht. in einen martervollen Zustand versetzt worden; das furchtbare Gebeimnisi. welches sie in ihrer Brust verschließen mußte, das sie am allerwenigsten mit dem geliebten Mann, sonst ihrem treuesten Freunde und Vertrauien, theilen durfte, lastete wie ein Alb auf ihrer Seele und drohte ihr den Lebens-idem wegzunehmen. Schattenhaft glitt ihr ganzes ver gangene-s Leben an ihrem geistigen Auge voruver. Wie nahe war sie dem völligen Ruin gewesen! Besonders damals, als man sie scheinbar geheilt aus dem Bellevuehosoital in New York entlassen hatte. Scheinbar geheilt! Denn der Scharfblick des Arztes hatte doch nicht zu erkennen vermocht, daß ihrem Geiste eine Schwäche geblieben war, welche sie wichtige Gefchehnisse und Vorgänge völlig vergessen ließ. Mit der Absicht, ihr Kind aus jenem finster-en, unfreundlichen Hause der Eldrigdestreet abzuholen war sie von dem Arzte geschltdem doch schon vor der Thiir des Hosbitals hatte sie keine Erinnerung mehr daran. und unbe tümmert um das Schicksal ihres Kin des, das sie wie seinen Vater gestorben wähnte, durchschritt sie die Straßen. Wie im Traum wandelte sie vorwärts-, nicht einmal der Anbruch der Nacht unterbrach sie in ihrem olanlofen Wandern. Endlich zwang sie der Hunger. irgendwo einzulehren Sie besaß fünf Dollars, welche sie der Güte des Chefarztes imBellevuehosoital ver dantte, aber sie scheute sich trotzdem, in eines der zahlreich auf dem Wege lie genden Neftaurants hineinzugehen und eine Mahlzeit einzunehmen Die vie len bättigen Gestalten, welche sie hinter den hohen Scheiben gewahrte, das leb hafte Treiben in den til-erfüllten Loka len schreckten sie. Sie zog es vor, an das Fenster des Souterrains eines freundlichen Wohnhauses anzupochen, sie wußte. daß sich hinter den zierlichen Gittern die Küche befand. und sie bat das herausschauende Dienstmädchen um eine Tasse Kaffee und ein Stück Brod. Das Mädchen lud sie zum Ein treten ein und setzte ihr in der elegant eingetichteten Küche eine Abendmahl zeit vor. Während Beate noch aß, lam Die Dame des Hauses herein· Sie war in Trauer und auf ihrem nicht mehr jun gen, doch hübschen und aütigen Gesicht lagen die Spuren tiefen Schmerzes. Theitnehmend ertundiate sie sich in englischer Sprache, weiche sie mit fremdartiaem Accent sprach, nach Bea tenz Schicksal, und als diese ihr er zählte, daß sie Mann und Kind ver loren habe und ohne Schutz und Ob dach durch die Weltftadt irre, brach die Dame in Thränen aug. Auch sie hatte vor einigen Tagen ihren Liebling, ei-« nen Knaben, in die Erde gesenkt, nach dem ihr Gatte ein halbes Jahr früher in Florida, dessen mildes Klima sein Brustleiden hatte aufhalten sollen, ge storben war. Die Dame, eine ocrnehme Italiene rin --— ihr Gatte hatte, bis seineFiranl heit die Oberhand gewann. die Filijle einer römischen Bank in New Yle geleitet —. gewahrte Beaten groß miithia Gastsreundschast: die Gesell schait der Leidenggesssiw ihr wildes Naturell saaten ihr unaernein zu. Zwischen den beiden einsamen Frauen entstand ein Freundschastsbund, so daß Beatr, als Frau Vanlini nach Rom zurückkehrte, sie nicht verliess» sondern nach dem sonnigen Italien be gleitete. Hier widmeten sich die beiden Frauen Werten der Nächstenliebe und der Wohlthätigteit und blieben zusam men, bis Frau Paolini nach etwa siins Jahren sich zu einer zweiten Ehe eisi schlosz. Sie heirathete einen höheren Offizier, welcher lurz nach seiner Ver iniihlung nach der erhthraischen Colo nie versetzt wurde. Seine Gattin be qleitete ihn und starb zwei Jahre spa ter in Afrita am Klimaiieber. Beate aber hatte sich bald nach der Trennung von ihrer Freundin, von dieser groß tniithig mit ausreichenden Existenzmi teln versehen, nach Neapel begeben, wo die zum Ausbruch gelangte Blattern epidemie ihr Gelegenheit zur Bethäti gun ihres Opserrnuthes und ihrer Um tcht in der Kranienpsleae gab. Und hier war es, wv sie Eberhard lennen lernte, hier war es. wo an sei rer Seite ihr ein Liebessriihling er blühte. Beatens Erinnerungen steckten. — An diesem eWndepunite ihres Lebens, von dein aus sie an derHand des besten, edelsten Mannes in ein reines, unge trübteg Glück bineingeschrittem begann ja auch ihre Schuld: hier wurzelte der Fehltritt, der sich jetzt furchtbar an ihr rächen sollte! Stbhnend verbarg die unglückliche Frau ihr Haupt in den Kissen des La gers. Sie hatte ges ündtgt, als e noch einmal die Hand nach dein Gl ck ausstreckte —- ein Verbrechen war es gewesen, als sie zmn ersten Mal ihr F haupt an Eberhards Brust geborgen, ein durch die Gesetze aller Länder mit schwerer Strafe bedrohteö Vergehen, als sie dem geliebten Manne die band zum ewigen Bunde reichte. Und nun war über Nacht die Ent deckung gekommen, und die Sühne pochte mit lnöcherner Hand an die Thür und forderte Einlaß! Gewiß, sie hatte nicht wissentlich das ; Ungeheure verschuldet. sie war über- ; zeuat gewesen, ihr erster Gatte sei todt, wie das-— Kind, das sie ihm aeboren — T aber wer außer Eberdard selbst viel leicht würde ihr glauben? Der Rich- » ter aewisz nicht. Die Menschen? Sie i hatten sie genugsam um ihr Glück be- . neidet, wie gern würden sie jetzt den ; Stein aufheben, um ihn nach ihr zu ichleudern. O, welche Schmach, wel dies Unheil, welcher Zusammenbritchl» Doch Gott sei Dank « so weit brauchte es nicht zu kommen. es gab ja ein Mittel, das Schlimmste abzuwen: ( sen des Verberbens aufhalten. Aber die Summe war eine unge beure. Zehntaufed Mark wenigstens war es nicht fo? zehntaiend Mart mußten morgen in baarem Gelde qe: zahlt werden! Ja, so hatte der erbar inunaslofe llnbelannte, der sie heuchle risch noch unausqefth seiner Freund tchaft versicherte, es aefordert. Und moran ichs-ri. eine wie kurze Spanne »Seit blieb ihr da nur! Mor gen? —- Sie entiiindete ein Streichbolz und warf einen flüchtiaen Blick auf die kleine Uhr auf ihrem Nachttisch.-— Fünf Uhr! Nicht moraen also, heute mußte gehandelt werden! Es litt sie nicht mebr aus ihrem Lager-. Sie erhob sich aeräuichlos, llei. dete sich notbdiirftia imFinftern an und warf einen Morgenrocl über. Dann ta irete sie vorsichtig zur Thür, welche sie ( behutsam hinter sich schloß. 4 Sie lauschte. Alles blieb ruhig im I Schlafzimxnen Eberhard war nicht er: ’ wacht. Durch das Speifezimmer flüch- » tete sie in ihr Baudoir. Sie flüchtete. i denn sie suchte dem Dunkel zu entkom- 1 men und suchte das Licht, welches be . rubiqt und die Quälaeifter des wachen Traumes in die Flucht schlöqt Mit ei: Z nem Seufzer der Erleichteruna fant die unaliiciliche Frau, nachdem sie meh rere Flammen der Gaskrone entzündet, in einen Sessel nieder. Ihre müden Blicke irrten iiber die Geaenftände des kleinen, lauschiaen Gemaches, über Möbel, Vorhänge, Stielereien, Nivpes und die hundert mehr oder weniaer kostbaren und ihr to lieben Kleinigkei ten hinwea, mit denen ihr Heim ar tchmiickt war. Wie alles ihr am Herzen lag, wie al les ihr«fo theuer war! Seltsam, ihr war plötzlich zu Muth, als müsse sie bald von diesem trau lichen Raum Abschied nehmen, als würde dann alles verlassen, verödet sieben. Konnte es wirklich so weit kommen? Konnte der furchtbare Mensch recht be halten mit seiner düsteren Propbeieii una von Prozeß, Verurtheilunq, Ker- - lerttraie2 i " den· Das Geld konnte den rollenden Fels l ( Beate schloß die Augen. Ein lalter I Schauer überilva ihren Leib. 1 Dann raffte sie sich auf und beaann s zu überlegen, zu rechnen, zu grübeln, - wie die Summe von zehntausend Mart » zuiainrnenzubrinaen lei. Sie konnte ihren Schmuck verlaufen. Welch hößliches Geschäft und wie ge fährlich dazu! Wenn man sie aus dies sem Gange träfe! Und dann, sie war niemals eine Freundin von Brillanten oder aoldenem Geschmeide gewesen. hatte ihrem Gatten gewehrt. wenn er sie mit Kostbarkeiten beichenlen wollte —- alles, was sie besaß, und was sie. ohne daß es zu sehr auffiel, hingeben konnte, würde ihr tausend. im höchsten Falle zwölshundert Mart eintragen Sie mußte ja darauf vorbereitet sein, daß man ihr nur etwa den achtenTheil des wirklichen Werthes zahltr. Und der Reit? War es möalich ihn bei Freunden unter iraend einem Vorwand zu leihen? Welch ein Dornenwea mußte sie da wandeln, wie zahllosen Demüthiaunaen sich aus setzen! Und wie leicht lonnte durch eine einzige Jndistretiom durch einenZuiall alles verrathen werden« Doch eö mußte ja sein« und obwle Beate sich nicht der Hostnunq hingab, daß ihr die herbeischasiuna eine— so bedeutenden Summe auf dieiem Wege aelinaen werde, nahm sie doch vor ihrem zierlichen Schreibtisch Platz, um eine Liste der Personen zu ei.twersen, bei denen sie im Laufe des Taqu in r r so veinlichen Angelegenheit vorsprechen wollte. Sie norirte einiae Namen. strich die meisten wieder aus« schrieb andere hin und wari schließlich weinend den Blei itiit auf das Papier nieder. Ach, es war so schwer, unter der gro ßen Zahl derer, die sich ih:e Freunde nannten, auch nur wenine herauszu sondern, von denen sie ein Ovier er warten durite. In Gedanken versunken drückte sie zufällig auf einen Knopf, die Sveaelscheibe verichob sich, und dass-je heimsach laa aeiissnet vor ihr. Bantnoten uno Goldstücke in aro er Zahl laan var ihr, fast der gan e o den des Faches war von ihnen deckt, und Gold wie Papiergeld häuiten sich zu itattlichen haufen. Mit einem leichten Aufschrei fuhr Beate zurück. Ein verabscheuungs würdiger Gedanke eraeiii fiir einen Augenblick von ihrer Seele Besi , doch ebenso schnell hatte sie ihn von Ich ab aeschiittelt. « »Diese Summe, welche hier vor mir liegt, deren Du Dich bemächtigen könn test, wenn Du nur die Finqer danach aussirecktest —- sie würde Dich retten, aller Sorge, aller Demüthrgungen, aller Gefahren überheben« —- das war F der Inhalt dieses nichtswürdigen Ge s danken3. « » Schnell wollte Beate das Geheim sach schließen, um durch den Anblick des Geldes gar nicht mehr zu thoricl,· ten Erwägungen veranlaßt zu werden, doch fiel es ihr ein, daß sie eigentlich das siir die Eintrittslarten zum Mas lenball im Jnteresse des Vereins oer einnahnite Geld zählen müsse; jth war sie gerade ungestört, sie machte sich an die Arbeit. Es waren über vierzehntausend Mark, welche in dem geheimen Ge wahrsarn lagen. Viertebntausend Mart! . Und sie brauchte nur zehntau send, um sich zu retten. Langsam, mit leise bebender Hand schlos- sie das Fach· Der Spiegel schob sich wieder vor die Holzplatte, und sein ge chliffenes Glas zeigte Bratens blasses sicht. Sie wendete sich ab. Merkwürdig, sie glaubte in ihrem Antlitz einen frem den, niemals vorher wahrgenom:.scnen Zug bemerkt zu haben! Darm begann sie das THE-unter zu durchwunderm ihre Lippen be;.:eo,ten sich, sie sprach mit sich selbst. Es war ein langes, seltsames Selbstgespräch Antwort uno Frage wechselten in rascher Folge, und der Einwand wurde von der Beschwichti- ; gung überholt. » »Ist es eine Sünde, die ich begehen i will? Gewiß, das Geld ist ja nicht ’ mein Eigenthum. Aber ich nehme es « nicht, ich leihe es nur! Leibe es, um es i zixriiclzustattem noch ehe es von mir ’ gefordert wird. —— Wird mir das aber auch möglich sein? Kein Zweifel, ist « mir nur Zeit gegeben, so wird es mir verhältnismäßig leicht gelingen. Im Grunde, was thue ich denn «31rges"? Sind die Damen des Vereins mir nicht eng befreundets Und dieses Geld, mit welchem ich den Stein des Anstoßes aus meinem Leben fortschassen will, es gehört doch in der That den Damen des Vereins, mithin -—— Nein, nein, es kann, es dars nicht sein « man ver traute mir das Geld an, und es ist ein Bruch des Vertrauens, es ist ——« Beate vollendete nicht« aber sie schlug die hände vor das Gesicht und riet I schluchzend aug: »Ach, ich werde wahn- ; sinnizz ich fühle es -—— wahnsinnig bei l dem edanlen« die Rettung so nahe zu » haben und doch verloren zu sein!" j Sie sani in eine Ecke des Sosas nie-— i der und verharrte hier dumvf brütend ! und das Gehirn nach einein Ausweg bis zur Erschöpfung zerrnarternd fast eine Stunde lang. Dann schlief sie, von der Müdigkeit überwältigt ein. Als sie erwachte. war es heller Mor gen. Eberhard stand vor ihr, liebloste ihr hauvt mit seiner Hand und schalt sie sanft aus, dass sie das Lager vor zeitig verlassen. EI- war gegen vier Uhr Abends-. Aus dem Alexanderplas, dem Mittel piinet des »altm« Berline. herrschte um diese Zeit stets jener qeschästiae Verlebr, welcher den bevorstehenden Geschäftsschluß anzuliindiaen pflegt. Am heutigen aber. dem Heiligen Abend, sluthete eine unübersebbare Menschenmenae über den Pla? nnd durch seine Nachbarstraszen Au jedem Gesicht laa die stille Erwartung dei Kommendm jeder Schritt war be schleunigt, jedes Gespräch den bevor stehenden Feiertaassreuden gewidmet. Mit großen Parteien beladen, doch im mer noch die reich ausaestattetenschau senster siir neue Eintäuse musternd, ei« len die Glücklicheren dahin. die Stief tinder des Glückes aber. denen es nicht vergonnt ist« sich selbst und anderen an diesem Abend Freude zu schaffen, bela aern wenigstens die Schaulästen von außen nnd laben sich in Gedonlen an den Herrlichkeiten Doch das sind nur wenige; selbst der Arme, welcher dar ben und noch so ängstlich mit seinen Groschen hart-halten musi, er opfert heute sein Scherflein der Freude; er tragt sein Tannenbäumchen nach Han se·, schmuckt eB, so qut er es oermagJegt die bescheidenen Gaben darunter, ent zundet die Kerzen und freut sich des herzerlsebenden Festes. Auf dem Alexanderplatz selbst erhebt sich eine Kleinstadt aus Holzbuoenx hier ist das Gedränae am startstenx Händler und Hausirer. Häuser unt-Be schauer, Erwachsene und Kinder — — ein buntes Durcheinander. aus dein sich ein wahrer Höllenlärm erhebt, in der Hauptsache durch jene kleinen Marter instrumente ruheaewohnter Ohren ber voraebracht, die als billiaeg Spielzeug aus dem Berliner Weihnachtgmarlt nicht sehlen dürsen. Dazu ein alle-Z durchziehender Duft von Tannenzriim Psessertuchem frische-n Gebäcl und Marzipan und ein prächtiaer, starrer Frost, der die Gesichter röthet und vie Lebensaeister ersrischt — — das ist Weils nachthtiniinuna, dag- ist Festessreudes Doch von dieser beseliaenden, erhe benden Festessreude war im Gesicht ie ner Dame nichts zu lesen,wel lang sam an den Mauern der Hätt er der Alexanderstrasze entlana schlich und von Zeit zu Zeit mit veritörten Blicken sich umschaute, als ob sie sich versichern wolle, daß man ihr nicht folge, sie nicht beobachte. Jhr Gesicht eigte ausxalg lende Bliisse und lrantha te Müdig eit, doch in den Augen hinter dem dichten Schleier gliihte es in sichernder Erre ung. Der Anzug der Dame war ein ach und elegant; ein bis auf die Füße sast herabsallender Pelz umhüllte ihre Gestalt, do schien au diese warme iille sie aurn vor em Frost zu chii en, denn die Dame zitterte und zog n « elz mit behenden Händen fe ster um ich, als sie vor einem hause, in dem sich eine tleine Conditorei be fand, stehen blieb. Sie schien unentgchlossen zu sein, ob sie eintreten solle o er nicht, denn sie zögerte einige Minuten; endlich liber wand sie sich und ossneie die Thür, um hinter »der zum Schutz gegen die Kälte vorgehangten Friespartiere zu ver schwinden. . Angenebme Wärme und der Geruch von Iris ein Kassee und Backwaaren empfing te in dem nach der bekannten Schablone alter Berliner Conbitoreien eingerichteten Laden »An einigen Mar mortifchen saßen eifrige Zeitun dieser, ein alter und ein 1ungerer Herr pieltm Schach, und auf dem. kleinen Sah qm Fenster ki rten ein paar Bartfiiche und gaben Ich dem Genuß von Wind beute n mit Schlagsahne hin. Unentfchlossen schaute sich die Dame um, aber der Conditor hinter dem La « bentisch winkte ihr zu und iliisterte rnit verständnißinnigem Lächeln: »Der « Herr wartet im Hintcrzimmer, dort jene Thür. Was darf ich bringen?" «Eine Tasse Kassee,« bat die Dame mit leiser Stimme, dann zog sie den Schleier noch tiefer herab und trat in das bezeichnete Gemach. Der Hofrath trat ihr entgegen und grüßte ehrerbietig. «Habe ich die Ehre, Frau Geheim rath Busch vor mir zu fegenW fra te er, als wäre er Beaten vor er noch n e mals begegnet. »Ein Freund bat mich, eine Zahlung von Jipnen entgegenzu nehmen —- ich weiß nicht« urn was es sich im übrigen handelt.« »Schon gut,« stieß Beate matt her vor; »nehmen Sie das Geld —- machen wir unser Geschäft als-« Sie sank aus« einen Stuhl nieder. In diesem Au genblick kam der Conditor und brachte den dampfenden Rassen um si daan gleich daraus wieder zurückzuzie n. »Hier, mein Herr -—-- ähien Sie — es rniissen zehntausend O ari sein-« Schaller empfing ein Packet Bank-l noten und einige Goldrollen. Auch eej schien·es eiligzu haben, das Busoni-. mensein mit « eate zu beenden: er, zählte nur flüchtig und liess das Geld hastig in vie weiten Te check seine-l Mantels gleiten. , »Verzeihen Sie eine Trage, gnädige grau. Man hat mir sie ausgbetra ens; . aben Sie bei der Besorgung es zel-; des auch die nöthige Vorsicht walten lassen, damit aber um Gottes wil-, len, so nehmen Sie sich doch zusammen —- sind Sie unwohl?'« Beate schüttelte schwach das haukb Sie war aus die Lezhne des Stuh es zurückgesuntem ihre 5 ugen waren ge schlossen, sie athmete schwer. »Es ist nichts,« hauchte sie nach eini gen Minuten, »sahren wir sort. Un we en des Geldes — es ist alles —- in Or nung.« »Um so besser, dann bitte, unter-« eiagien Sie diese Wech el, jeden sitf iiin ausend Mart, der e ne in drei, des andere in vier Monaten von heute ab - siillig.« Ohne die Hand chuhe ab ulegen, schrieb Beate ihren amen aus-die ihr angegebenen Stellen der apiere, dann wars sie die Feder von ich, als trüge. selbst diese eine Mitschuld, und erhob sich. »Das Bild und die Locke«, flü sterte sie gebieterisch. »Ich habe nur den Austrag, Jgnen dieses Coudert mit der Locke einzu än digen —- dag Bild wird Ihnen verab solgt nach Einlösung des zweiten Wechsels.« Beate nahm das- Couvert ent egen und verbarg es in ihrem Musi. - ann wandte sie sich, ohne auch nur noch ein sernereo Wort an Schaller zu verlie ren, ab und verließ das Zimmer. »Noch sehr stolz und trohig,« dachte der Hosrathx nur Geduld, dein haupt wird schon noch tiefer herabtommen — nur Geduld!« -—- -—— Zwan ig Minuten später fuhr Beate in einer - roschle vor ihrem Hause vor. Sie schleppte sich die Treppen hinauf und trat angetleidet, wie sie von ihrem Ausgang zuriielte rte, in ihr Boudoir. Als sie vor dem Spiegel den Schleiet zurückschlug, schral sie zurück; ein el bes, eingesallenes, vergrämteg Gesicht schaute ihr entgegen. »Mir liegt eine schwere Krankheit it: den Gliedern," stöhnte sie aus. »Doch ichchdars nicht trant werden —- ich dars ni t.'« Man pochte leise an die Thür. Der Diener Franz trat ein. »Was wünschen Sie?" fragte Beute heftig und unfreundlich. DieserMensch schlich immer so leife heran und tani immer unerwiinscht. »Der herr Geheinirath haben mich beauftragt. der Frau Geheimriithiji « initzutheilen, dafz die Confultationss zeit heute um eine Stunde abgetiith wird. Der Herr Geheiinrath werden sich gegen sieben Uhr zur Weihnachtss feier einfinden.« »Es ist gut. —- Was wiinschen Sie noch?« »Dieser Brief ist soeben für dieFra«-. Geheimräthin abgegeben worden« »Gut, geben« Sie herl« Bartelö ver ließ lautlos das Zimmer-. Beate riß den llnifchlag ab und ent faltete das Schreiben. »Von hedwig,·' rang es fich in höch ster Befiiirzuna von ihren Lippen, »von der Caffirerin des Verein5!—Allniäths tiaer Gott!« CFortfehung folth —-—-.-s Jn der «.f;ie«ffischen Post« vom sc. Nov. wird aber eine Sitzung des Schwuraerichts zu Caffel berichtet und dabei von der Anaetlaaten efagt: »Die Angeklagte befindet s auf freiem Fuße nnd betritt die Antla e· bant mit einein weniae Monate al en Rinde auf dein Arme.« Die Angetla te wurde freigesprochen Eine tleine Or · nunasftrafe hatte sie wohl verdient, weil sie auf die Anllaaedanl ftieq, statt sich daran zu setzen. Vielleicht hatte Fåersin ihrer Einfalt gedacht, es gefs ee c. «